Amtsgericht Nieder-Olm
Das Amtsgericht Nieder-Olm (bis 1878: Friedensgericht Nieder-Olm oder Friedensgericht Niederolm) war ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Nieder-Olm. Es tagte vermutlich erstmals um das Jahr 1800 und wurde 1934 aufgelöst.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Kantonales Friedensgericht in der Franzosenzeit (1792–1814)
Das Gericht in Nieder-Olm wurde im Jahr 1798 als Friedensgericht für den französischen Kanton Niederolm eingerichtet.
Zuvor – zu Zeiten von Kurmainz – wurden Verwaltung und Rechtsprechung vom Amt Olm ausgeübt. Das Amt war als Teil des Vizedomamts außerhalb der Stadt Mainz für die Rechtsprechung in erster Instanz zuständig. Der Amtmann entschied als Einzelrichter. Die Hohe Gerichtsbarkeit oblag dem Vizedom.<ref>Für das Amt Olm siehe: Günter Christ, Georg May: Erzstift und Erzbistum Mainz territoriale und kirchliche Strukturen. Band 6,2 des Handbuchs der Mainzer Kirchengeschichte. 1997, ISBN 3429018773, S. 259–268</ref>
1792 eroberten die Truppen des revolutionären Frankreichs die Rheinlande und besetzten auch Nieder-Olm. Der französische Nationalkonvent beschloss mit Gesetz vom 30. März 1793, das linke Rheinufer zu annektieren. Nieder-Olm wurde Teil des neu gegründeten Département du Mont-Tonnerre, welches weite Teile der Pfalz und des heutigen Rheinhessen umfasste. Durch das Gesetz über Verwaltung und Justizorganisation in den vier linksrheinischen Départements vom 4. Dezember 1795 (44 frimaire IV) wurde das französische Gerichtsverfassungsgesetz Loi des 16 et 24 août 1790 sur l'organisation judiciaire aus dem Jahr 1790 auch für Nieder-Olm verbindlich.<ref>Werner Schubert: Französisches Recht in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts, 1977, ISBN 341204976X, S. 23; Die Angabe in der Quelle enthält einen Fehler: Der 4. Dezember 1795 war der 13. Frimaire An IV. Es ist unklar, welcher der beiden Tage das tatsächliche Veröffentlichungsdatum ist.</ref> Dieses Gerichtsverfassungsgesetz sah die Einrichtung kantonaler Friedensgerichte in allen Départements vor. Praktische Auswirkungen hatte das zunächst nicht, da der Erste Koalitionskrieg noch andauerte und Nieder-Olm bis 1797 nicht französisch besetzt war.
Mit dem Frieden von Campo Formio wurde die Annexion des Rheinlandes im Oktober 1797 auch von deutscher Seite anerkannt. Anschließend bauten die Franzosen die Verwaltungsstrukturen in den annektierten Gebieten auf und richteten das Friedensgericht Niederolm ein, das für den Kanton Niederolm zuständig war. Bereits 1801 war der Friedensrichter Hermes in Nieder-Olm als Einzelrichter tätig. Das Friedensgericht war dem Départementsgericht im Département du Mont-Tonnerre untergeordnet. Dieses hatte seinen Sitz in Mainz. Oberstes Gericht war das Revisionsgericht in Trier.<ref>Historisch-statistisches Jahrbuch des Departements vom Donnersberge (Zeitschriftenband 1800/01), S. 170–174 Digitalisat (285 Seite(n) etwa 366,42 MB)</ref>
Mit dem Frieden von Lunéville wurde die Annexion des linken Rheinufers durch Frankreich dann auch völkerrechtlich bestätigt. Mit Gesetzesbeschluss des Konsulats vom 30. Juni 1802<ref>Beschluß vom 9. Frimaire X, abgedruckt im Bulletin LXXII der Sammlung</ref> wurden die französischen Verfassung und die französische Verwaltungsgesetzgebung in den annektierten Gebieten eingeführt. Mit Cirkumscription (Rundschreiben) vom 28. Januar 1803 (8. Pluviose XI) wurde der Umfang des Kantons und damit der Gerichtsbezirk des Friedensgerichtes endgültig festgeschrieben. Der Gerichtsbezirk blieb auch nach Auflösung des Kantons bis 1878 weitgehend unverändert.
Friedensgericht in der Provinz Rheinhessen (1814–1877)
Nach der Rückeroberung in den Befreiungskriegen wurde die Region von 1814 bis 1816 von der österreichisch-baierischen Gemeinschaftlichen Landes-Administrations-Commission verwaltet. Diese ließ die Friedensgerichte bestehen, richtete aber am 27. Juli 1815 den Appellationshof in Kreuznach als Obergericht ein.
Das Großherzogtum Hessen, das Rheinhessen im Rahmen eines Gebietstausches 1816 erhielt, übernahm die Struktur der Gerichte in der Provinz Rheinhessen. Allerdings wurde der Appellationshof in Kreuznach aufgelöst und ein provisorisches Obergericht in Mainz mit der am 4. November 1815 erlassenen Provisorischen Appellations- und Kassationsgerichtsordnung für den großherzoglich hessischen Landesteil auf der linken Rheinseite geschaffen.
Das Friedensgericht Nieder-Olm war nun eines von zwölf Friedensgerichten, die dem Kreisgericht Mainz untergeordnet waren. Auch nach der Teilung des Kreisgerichtes Mainz in die Kreisgerichte Mainz und Alzey am 1. Dezember 1836 blieb Nieder-Olm im Gerichtsbezirk des Kreisgerichtes Mainz, das am 24. Oktober 1852 in Bezirksgericht Mainz umbenannt wurde. Die Deutsche Revolution 1848/1849 führte auch im Großherzogtum Hessen zur Trennung der Rechtsprechung von der Verwaltung. Dies betraf aber nicht die Provinz Rheinhessen, in der diese Trennung bereits durch die Franzosen erfolgt war.
Amtsgericht (1878–1934)
Das Friedensgericht Nieder-Olm wurde zum 1. Oktober 1878 in ein Amtsgericht umgewandelt. Diese Umwandlung beruhte auf den Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 27. Januar 1877, welches aufgrund des großherzoglich hessischen Gesetzes vom 3. September 1878 und der Ausführungsverordnung vom 14. Mai 1879 im gesamten Großherzogtum Darmstadt – also auch in Nieder-Olm – eingeführt worden war.
Das Amtsgericht Nieder-Olm war dem Landgericht Mainz und dem Oberlandesgericht Darmstadt untergeordnet.
1933 war das Amtsgericht Nieder-Olm mit 12.596 Gerichtseingessenen das kleinste der elf Amtsgerichte im Landgerichtsbezirk Main (zum Vergleich: Das Amtsgericht Mainz als das größte Amtsgericht im Bezirk war für 144.923 Einwohner zuständig).<ref>Paul Warmbrunn: Die Organisation der Gerichte in der Zeit des Dritten Reiches im Gebiet des südlichen Rheinland-Pfalz (Pfalz, Rheinhessen). In: Justiz im Dritten Reich – Justizverwaltung, Rechtsprechung und Strafvollzug auf dem Gebiet des heutigen Landes Rheinland-Pfalz. Band 3, ISBN 3-631-48588-3</ref> Zum 1. Juni 1934 wurde das Amtsgericht Nieder-Olm aufgelöst. Der Hauptteil des Gerichtsbezirks – zehn Gemeinden – kam zum Amtsgericht Mainz. Lediglich Nieder-Saulheim wurde dem Amtsgericht Wörrstadt zugeordnet.<ref>Verordnung über die Umbildung von Amtsgerichtsbezirken vom 11. April 1934, HRegBl Bd. 10 vom 8. Mai 1934, S. 63</ref>
Gerichtsgebäude
Von 1827 bis zum Ende des 19. Jahrhunderts verhandelte das Amtsgericht in den Räumen des Nieder-Olmer Rathauses. Das klassizistische Gebäude an der Pariser Straße war vermutlich vom Mainzer Landbaumeister Friedrich Schneider geplant worden.<ref>Hans-Valentin Kirschner, Dieter Kuhl, Elmar Rettinger: Nieder-Olm im Herzen von Rheinhessen. Geschichten und Gegenwart. 1. Auflage, Mainz 2014, ISBN 978-3-943904-64-2. S. 154.</ref>
Im Jahre 1894 entstand dann an der Ecke Pariser Straße / Bahnhofstraße ein separates Gerichtsgebäude, in dem das Gericht bis zu seiner Auflösung im Jahr 1934 tagte. Dieses Gebäude wurde 1959 abgerissen.<ref>regionalgeschichte.net (pdf)</ref>
Richter
- Martin Mohr (1820–1821)
Literatur
- Eckhart G. Franz, Hanns Hubert Hofmann, Meinrad Schaab: Gerichtsorganisation in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen im 19. und 20. Jahrhundert. 1. Auflage. Akademie für Raumforschung und Landesplanung, Hannover 1989, ISBN 3-88838-224-6, S. 187–192.
Einzelnachweise
<references/>
Alzey | Bingen | Mainz | Worms
Ehemalige Amtsgerichte: Nieder-Olm | Ober-Ingelheim | Oppenheim | Osthofen | Pfeddersheim | Wöllstein | Wörrstadt
Friedensgericht Alzey | Friedensgericht Bechtheim (ab 1822: Osthofen) | Friedensgericht Bingen | Friedensgericht Mainz I | Friedensgericht Mainz II | Friedensgericht Nieder-Olm | Friedensgericht Ober-Ingelheim | Friedensgericht Oppenheim | Friedensgericht Pfeddersheim | Friedensgericht Wöllstein | Friedensgericht Wörrstadt | Friedensgericht Worms
Koordinaten: 49° 54′ 28″ N, 8° 12′ 6″ O{{#coordinates:49,907905|8,201732|primary
|dim= |globe= |name=Amtsgericht Niederolm |region=DE-RP |type=landmark }}