Andechs (Adelsgeschlecht)


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Stammwappen der Grafen von Andechs

Die Grafen von Andechs zählten im 12. und bis Mitte des 13. Jahrhunderts neben den Welfen zu den bedeutendsten bayerischen Adelsgeschlechtern des Heiligen Römischen Reiches. Sie waren ein Zweig der vermutlich von den Diepoldinger-Rapotonen stammenden Grafen von Dießen am Ammersee, die mit einem Graf Berthold, ansässig an der oberen Isar bei Wolfratshausen im Jahr 990 erstmals nachweisbar sind und sich seit 1132 nach der allodialen Stammburg von Andechs (um 1060 von Andehsa) nannten. 1248 ist das Geschlecht erloschen.

Geschichte

Im 11. Jahrhundert griffen die Grafen von Dießen nach dem bayerischen Augstgau zwischen Lech und Ammersee und wurden Burggrafen von Wolfratshausen mit der Vogtei über Kloster Tegernsee und Kloster Schäftlarn und erhielten die Grafschaft um den Würmsee (Starnberger See) sowie die Huosigrafschaft der Grafen Sigimar.

Eine Linie der Grafen von Dießen wurde mit Otto II. von Wolfratshausen, um 1116 Erbauer der Burg Wolfratshausen, dort ansässig. Über seine Frau Justitia von Babenberg erbte er auch die Grafschaft Thanning. Er erwarb Herrschaftsrechte weit über den Isarraum hinaus bis in das Inn- und Pustertal.

Ottos Neffe Berthold II. († 1151) saß derweil auf der Dießener Grafenburg und war seit 1130 auch Graf von Plassenberg und von Stein. Er erbaute sich in Andechs eine neue Burg. Seine Nachfahren setzten die Dießen-Andechser Linie fort. Die nunmehrigen (ab 1132) Grafen von Andechs erweiterten ihr Herrschaftsgebiet durch günstige Eheschließungen und Erbschaften. Sie erlangten Güter am oberen Main mit Kulmbach, errichteten 1135 die Plassenburg, gründeten Ende des 12. Jahrhunderts Bayreuth, waren Vögte des Klosters Banz und des Klosters Langheim und erwarben Landbesitz in Giech und Lichtenfels. Die bayerischen Grafschaften Neuburg am Inn, Schärding am Inn und Windberg an der Donau waren ein Erbe der Grafen von Formbach.

Die Frau Bertholds II., Sophia, Tochter des Markgrafen Poppo II. von Istrien, brachte ihm den geblütsrechtlichen Anspruch auf das Markgrafenamt für Istrien ein, nicht jedoch die tatsächliche Herrschaft dort. Dadurch entstand aber jene Verbindung zwischen Andechs und einem vermuteten Meranien am istrischen Ufer der Adria. Um 1173 übertrugen die Staufer dann ihrem Sohn Berthold III. (* um 1110/15; † 1188) für seine treuen Dienste die Markgrafschaft Istrien zu Lehen, als Nachfolger des verstorbenen Markgrafen Engelbert III. von Spanheim. Er ist zugleich Graf von Andechs (1147), Graf im Radenzgau (1149) und Graf von Plassenburg (1158/1161). Als 1157 die Wolfratshauser Linie mit Heinrich II. erlischt, erbt Berthold III. von Andechs auch deren umfangreiche Besitzungen und wird Graf von Wolfratshausen und Herr über die Tiroler Herrschaften, Graf am unteren Inn, Graf im Norital, Vogt von Brixen und 1173 Markgraf von Istrien. Ende des 11. Jahrhunderts erhielt er vom Hochstift Brixen die Grafschaften Unterinntal und Pustertal zu Lehen und gründete 1180 Innsbruck in Nordtirol. Er heiratete Hedwig von Wittelsbach-Dachau († 1174), Erbin des Herzogtums Meranien. Um 1180/1182 wurden die Grafen von Andechs daher mit Meranien samt Fiume (Rijeka), Kroatien und Dalmatien belehnt.

Hedwigs und Bertholds Sohn Otto I. war seit 1205 Herzog von Meranien, seit 1211 Pfalzgraf von Burgund und 1228-30 Markgraf von Istrien; seine Gemahlin Beatrix von Staufen († 1231), Tochter des Pfalzgrafen Otto I. von Burgund und der Margarete von Blois, war eine Enkelin Kaiser Friedrich Barbarossas. Aufgrund dieser Ehe übernahm Otto I. von Andechs-Meranien 1211 (als Otto II.) von seiner Schwiegermutter die Regierung in der Pfalzgrafschaft Burgund. Ottos jüngerer Bruder Heinrich hatte die Markgrafschaft Istrien-Krain geerbt, war jedoch dort von der Republik Venedig und dem Patriarchat von Aquileja entmachtet worden und verlor 1208 auch noch die meisten seiner bayerischen und Tiroler Güter an den Bayernherzog Ludwig den Kelheimer sowie die Hochstiftvogtei Brixen an die Grafen von Tirol, weil er angeblich in die Ermordung König Philipps von Schwaben verwickelt war - aus heutiger Sicht vermutlich eine Tücke der Wittelsbacher, die aber den rasanten Abstieg des staufertreuen Hauses Andechs zur Folge haben sollte; Königsmörder war in der Tat Otto VIII. von Wittelsbach.

Otto II., Sohn Ottos I. und der Beatrix von Burgund, starb 1248 als Letzter des Geschlechts; der Titel des Herzogs von Meranien erlosch mit seinem Tod, die Pfalzgrafschaft Burgund fiel an seine Schwester Adelheid und deren Sohn Otto, dessen beide Töchter mit zwei Söhnen und Nachfolgern König Philipps des Schönen von Frankreich vermählt wurden und so das Reichslehen Burgund an die Kapetinger brachten. Das übrige Erbe fiel an die Herzöge von Bayern, die Grafen von Tirol, die Burggrafen von Nürnberg, das Hochstift Bamberg und die Grafen von Orlamünde und Truhendingen.

Würdigung

Die Andechser wurden schon früh als „Geschlecht der Heiligen und Helden“ gerühmt. Sie gelten als eine der bedeutendsten und mächtigsten Adelsfamilien des Heiligen Römischen Reiches im Hochmittelalter. Zunächst rund um den Ammersee in der Grafschaft Dießen in Dießen_am_Ammersee bzw. Andechs ansässig, weiteten sie ihr Besitztum auf das Land zwischen Staffelsee und Ammersee im Westen, Starnberger See im Osten und Karwendel mit Seefeld im Süden aus. Sie beherrschten wichtige Straßen nach Mitteldeutschland, saßen in bedeutenden Gebieten der Alpen und kontrollierten unter anderem den Brenner. Neben ihren Besitztümern in Südbayern zählte aber auch fast ganz Oberfranken (Raum Bamberg, Coburg, Hof an der Saale, Bernstein, Bayreuth, Kulmbach) sowie Hirschberg und Sonneberg zu ihrem Herrschaftsgebiet.

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Die Heilige Hedwig von Andechs (1174–1243), Herzogin von Schlesien und Polen

Die Heiratspolitik der Familie verband sie mit dem französischen und dem ungarischen Königshaus sowie dem Herzog Heinrich I. von Schlesien. Durch die Verehrung zweier berühmter Familienangehöriger, der Heiligen Hedwig von Schlesien, Tochter des Grafen Berthold IV., und ihrer Nichte, der Heiligen Elisabeth von Thüringen, lebt die Erinnerung an die Familie weiter.

Wappen

Das Stammwappen der Grafen von Andechs zeigt einen nach vorn schreitenden goldenbezungten und -bewehrten silbernen Löwen über einem gleich tingierten Adler auf blauem Grund; auf dem Helm mit blau-silbernen Decken ein Busch von fünf silbernen Straußenfedern. (Der schreitende Löwe wurde auch als Leopard, also herschauend, dargestellt und später wurden beide Wappentiere auch golden tingiert.)

Überlieferungen zu Ursprung und Geschichte derer von Dießen-Andechs-Meranien

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Kloster Andechs (um 1955), 1438 anstelle der 1208 zerstörten Burg gestiftet

Die Anfänge des Hauses Andechs um 1100 hängen mit der Bildung agnatisch, d.h. in männlicher Abstammungsfolge verstandener Adelsfamilien zusammen, die sich zunehmend nach einer namensgebenden Stammburg nannten. Vorher war der Adel in größeren Sippenverbänden organisiert, die auch die weiblichen Abstammungslinien mit einschlossen. In diesem Sinn lebten und wirkten die bedeutenden Vorfahren des späteren Grafenhauses von Andechs auch schon mehrere Generationen zuvor in einem Gebiet, das die wichtigen Alpenpässe von Bozen bis in den Raum Augsburg umfasste. Später hat man diese Verhältnisse nur noch schemenhaft gekannt.<ref>Karl Bosl: Europäischer Adel im 12./13. Jahrhundert. Die internationalen Verflechtungen des bayerischen Hochadelsgeschlechtes der Andechs-Meranier, in ZBLG 30 (1967), S.20-52</ref> So wurde von einem Grafen Rasso († 954) aus dem Frankenreich berichtet, der gleichzeitig Herzog von Bayern, Franken, Burgund, Meranien (=Istrien) und Kärnten gewesen sein soll; ebenso war er Markgraf von Österreich, Pfalzgraf bei Rhein und Graf von Görz und Andechs. Ebenso wurde die später als Grafen von Hohenwart bekannte und im selben Großraum um die Alpenpässe aktive Familie als stammverwandt angesehen.

Zunächst fungierte ab dem 11. Jahrhundert die Sconenburg bei Dießen am Ammersee als namensgebende und identitätsstiftende Stammburg eines sich herausbildenden agnatischen Grafenhauses von Dießen. Dies teilte sich im frühen 12. Jahrhundert wiederum in zwei Linien, die sich nach zwei Burgen Andechs und Wolfratshausen weiter östlich benannten.

Am Ort der ersten Stammburg wurde um 1120/30 das Augustiner-Chorherren-Stift Dießen gegründet, das als Hauskloster und Familiengrablege fungierte. Das war damals ein häufiger Vorgang. Mitte des 13. Jahrhunderts soll in diesem Stift ein Stammbaum der gräflichen Stifterfamilie erstellt worden sein, über den nichts Näheres bekannt ist. Das Stift Dießen wurde später dem Heiligen Stuhl übereignet.

Die Grafen von Andechs und Herzöge von Meranien gehörten im 12. und in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts zu den bedeutendsten Adelsfamilien im Heiligen Römischen Reich. Als Höhepunkt kann die Hochzeit Ottos VII. von Meranien mit einer Enkelin von Friedrich Barbarossas angesehen werden.

Bald darauf gerieten die Andechser in den Verdacht, an der Ermordung von König Philipp von Schwaben beteiligt gewesen zu sein. Sie verloren in der Folge ihren gesamten bayerischen Besitz. Zwar sollte sich die Unschuld der Familie erweisen, doch gelang es ihnen nicht, den Besitz zu restituieren. Es folgten verschiedene Niederlagen gegen die Wittelsbacher und ihr Einfluss ging zurück. Mitte des 13. Jahrhunderts starb das Geschlecht der Andechs-Meranier aus.

Namen

Hauptartikel: Stammliste von Andechs

Männer

Die Nummerierung der Namen nimmt (meist) Bezug auf „Herzöge und Heilige“.

Andechser Linie:

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Grabmal des Grafen Berthold I. von Andechs im Marienmünster Dießen
Datei:Andechs-Meranier-im-Schlackenwerter-Codex.jpg
Familienbild der Andechs-Meranier, Darstellung aus dem Schlackenwerther Codex von 1353

Arnold (∞ Gisela von Schweinfurt)

Otto IV.
Berthold II. (Andechs) † 1151
Berthold III. (Markgraf von Istrien) † 1188
Berthold IV. (Herzog von Meranien) 1180/82–1204
Otto VII. von Andechs 1204–1234
Otto VIII. von Andechs 1234–1248
Heinrich IV. (Mgf. von Istrien) † 1228
Ekbert (Bischof von Bamberg) † 1237
Berthold V. (Erzbischof von Kalocsa, Patriarch von Aquileja) † 1251
Poppo (Bischof von Bamberg) † 1245
Otto VI. (Bischof von Brixen, Bischof von Bamberg) † 1196
Poppo I. (Andechs) † 1148
Heinrich III. (Abt von Millstatt)

Wolfratshausener Linie:

Friedrich I. von Haching (nachweisbar 1003–1027)

Berthold I. von Dießen
Otto II. von Wolfratshausen, um 1116 Erbauer der Burg Wolfratshausen
Heinrich I. (Bischof von Regensburg) † 1155
Otto III. † 1127
Heinrich II. † 1157
Otto V. † 1136
Luitpold † 1102

Frauen

  • Agnes * 1175, † 20. Juli 1201 (Tochter Bertholds IV.)
  • Gertrud † 1213 (Tochter Bertholds IV.)
  • Hedwig † 1243 (Tochter Bertholds IV.)
  • Agnes † 1263 (Tochter Ottos VII.)

Einzelnachweise

<references />

Literatur

  • Karl Bosl: Europäischer Adel im 12. und 13. Jahrhundert. Die internationalen Verflechtungen des bayerischen Hochadelsgeschlechts des Andechs-Meranier. In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 30 (1967), S. 20-52. Volldigitalisat
  • Karin Dengler-Schreiber: Spuren der Andechs-Meranier in Bamberg. Collibri, Bamberg 1998, Andechs (Grafen, Herzöge) S. 13 u. 14, ISBN 3-926946-61-X.
  • G. Herlitz: Geschichte der Herzöge von Meran aus dem Hause Andechs. Dissertation der Universität Halle, 1909.
  • Ludwig Holzfurtner: Die Grafschaft der Andechser. Comitatus und Grafschaft in Bayern 1000–1180. Laßleben, Kallmünz 1994, ISBN 3-7696-9690-5 (=Historischer Atlas von Bayern, Teil Altbayern, Reihe II, Heft 4).
  • Josef Kirmeier, Evamaria Brockhoff (Hrsg.): Herzöge und Heilige. Das Geschlecht der Andechs-Meranier im europäischen Hochmittelalter. Pustet, Regensburg 1993, ISBN 3-7917-1386-8 (=Veröffentlichungen zur Bayerischen Kultur und Geschichte Nr. 24, Katalog zur Landesausstellung im Kloster Andechs 13. Juli–24. Oktober 1993).
  • Gerhard Köbler: Historisches Lexikon der deutschen Länder - Die deutschen Territorien vom Mittelalter bis zur Gegenwart, 6. Auflage 1999, Andechs (Grafen, Herzöge), S. 13 u. 14, ISBN 3406443338 – mit weiteren Quellenangaben.
  • Jakob Lehmann: Zur Geschichte der Andechs-Meranier am Obermain. H.O.Schulze, Lichtenfels 1963, ISBN 3-87735-009-7.
  • Edmund von Oefele: Geschichte der Grafen von Andechs, Innsbruck 1877, Nachdruck dieser Ausgabe, Verlag für Kunstreproduktionen, Neustadt an der Aisch 1999, ISBN 3-89557-102-4.
  • Erich A. Reinlein: Der Letzte der Meranier, Herzog Otto II. 1248 – Ende einer Hoffnung. Schulze, Lichtenfels 1983, ISBN 3-87735-034-8.
  • F. Tyroller: Die Grafen von Andechs. In: Bayerische Streifzüge durch 12 Jahrhunderte, herausgegeben von H. Fink, 1971, 19 ff.

Weblinks

Commons Commons: Andechs (Adelsgeschlecht) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien