Anne Peters


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Anne Peters (* 15. November 1964 in Berlin) ist eine deutsch-schweizerische Rechtswissenschaftlerin mit Schwerpunkt Völkerrecht. Sie ist Direktorin am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Titularprofessorin an der Universität Basel und Honorarprofessorin an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen Konstitutionalisierung und Geschichte des Völkerrechts, globales Tierrecht, Global Governance sowie der Status des Menschen im Völkerrecht.

Karriere

Anne Peters studierte Rechtswissenschaften, Neugriechisch und Spanisch an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, an der Universität Lausanne, an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und an der Harvard Law School. Peters promovierte 1994 mit der Dissertation Das Gebietsreferendum im Völkerrecht: seine Bedeutung im Licht der Staatenpraxis nach 1989 an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Von 1995 bis 2001 war sie als Wissenschaftliche Assistentin am Walther-Schücking-Institut für internationales Recht der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel tätig. Sie habilitierte sich dort im Jahr 2000 mit der Habilitationsschrift Elemente einer Theorie der Verfassung Europas.

Von 2001 bis 2013 war Peters ordentliche Professorin für Völker- und Staatsrecht an der Universität Basel. Von 2004 bis 2005 war sie Dekanin, von 2008 bis 2012 Forschungsdekanin der Juristischen Fakultät Basel und von 2008 bis 2013 Forschungsrätin beim Schweizerischen Nationalfonds. Seit 2013 ist sie Direktorin am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg. Ebenfalls seit 2013 ist Peters Titularprofessorin für Öffentliches Recht, Völkerrecht, Europarecht, Rechtsvergleichung an der Universität Basel, korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und seit 2014 Honorarprofessorin an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg.

Gastprofessuren hatte Peters am Institut d’études politiques de Paris (2009), an der Universität Paris Panthéon-Assas, Institut des hautes études internationales (2014) sowie an der Peking University, Institute of International Law (2014) inne. Sie war 2012/2013 Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin.

Peters war 2008–2010 Vizepräsidentin und 2010–2012 Präsidentin der European Society of International Law. Sie ist Mitglied der Venedig-Kommission, des Committee on the use of force der International Law Association, des Völkerrechtwissenschaftlichen Beirats des Auswärtigen Amts, des Vorstands der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer und Vizepräsidentin des Stiftungsrates des Basel Institute on Governance (BIG). Sie war Rechtsexpertin für die unabhängige Fact Finding Mission zum Georgienkonflikt (IIFFMCG).

Forschungsschwerpunkte und Thesen

Die Forschungsinteressen von Peters umfassen Konstitutionalisierung und Geschichte des Völkerrechts, globales Tierrecht, Global Governance sowie der Status des Menschen im Völkerrecht. Dabei vertritt Peters folgende Thesen:

  • Gebietsbezogene Referenden sind, wenn sie frei, fair, friedlich und unter unparteiischer Beobachtung ablaufen, ein notwendiger, aber nicht hinreichender prozeduraler Faktor der Ausübung des Selbstbestimmungsrechts der Völker. Sie können auf diese Weise zur Legalisierung eines Gebietswechsels beitragen, auch im Fall der einseitigen Abspaltung einer Region von einem Staat.<ref>Peters, Anne, Das Gebietsreferendum im Völkerrecht: Seine Bedeutung im Licht der Staatenpraxis nach 1989, Baden-Baden: Nomos 1995, 562 S.</ref>
  • Grundlegende Rechtsnormen der EU können und sollten als Verfassung der EU qualifiziert werden (unabhängig von der Existenz einer formalen Verfassungsurkunde). Diese europäische Verfassung erlangt ihre Legitimation vor allem durch Bewährung, somit durch ihren „Output“, also Rechts- und Politikergebnisse im europäischen öffentlichen Interesse, weniger aufgrund ihrer Genese und über den „Input“ von Seiten der europäischen Bürger durch Wahlen und Abstimmungen.<ref>Peters, Anne, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, Berlin: Duncker & Humblot 2001, 889 S. </ref>
  • Der Aushöhlung des staatlichen Verfassungsrechts durch zunehmend intensive Ausübung von Hoheitsgewalt durch internationale Organisationen, zunehmende völkerrechtliche Regulierungen und extraterritoriale Effekte staatlichen Handelns kann und soll durch die Anerkennung von globalem Verfassungsrecht, das diese Hoheitsrechtsausübung konstituiert, kanalisiert und eingrenzt, ausgeglichen werden („compensatory constitutionalism“).<ref>Peters, Anne / Koechlin, Lucy / Förster, Till / Fenner Zinkernagel, Gretta (Hrsg.), Non-State Actors as Standard Setters, Cambridge: Cambridge University Press 2009, 588 S.; Peters, Anne, Compensatory Constitutionalism: The Function and Potential of Fundamental International Norms and Structures, Leiden Journal of International Law 19 (2006), 579-610; Peters, Anne, The Globalization of State Constitutions, in: Nijman, Janne / Nollkaemper, André (Hrsg.), New Perspectives on the Divide Between National and International Law, Oxford 2007, S. 251-308; Peters, Anne, The Merits of Global Constitutionalism, Indiana Journal of Global Legal Studies 16 (2009), 397-411; Peters, Anne, Are we Moving towards Constitutionalization of the World Community?, in: Cassese, Antonio (Hrsg.), Realizing Utopia, Oxford 2012, S. 118-135.</ref>
  • Die Völkerrechtswissenschaft soll und kann ihrer Tendenz zum epistemischen Nationalismus begegnen, indem sie nationale Vorprägungen problematisiert und ausreichend Distanz von der Rechtspraxis wahrt; die Verfolgung einer konstruktiven Utopie ist Aufgabe der Völkerrechtswissenschaft.<ref>Peters, Anne, Die Zukunft der Völkerrechtswissenschaft: Wider den epistemischen Nationalismus, Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht/Heidelberg Journal of International Law 67 (2007), 721-776; Peters, Anne, Rollen von Rechtsdenkern und Praktikern – aus völkerrechtlicher Sicht, in: Berichte der deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 45 (Hrsg.), Paradigmen im internationalen Recht. Implikationen der Weltfinanzkrise für das internationale Recht, Heidelberg 2012, S. 105-173; http://ejil.oxfordjournals.org/content/24/2/533</ref>
  • Die Demokratisierung des Völkerrechts und des globalen Regierens ist möglich und notwendig, um deren mittelbare demokratische Legitimation (über nationale Parlamente und Regierungen) zu ergänzen (“dual democracy”).<ref>Klabbers, Jan / Peters, Anne / Ulfstein, Geir, The Constitutionalization of International Law, expanded paperback edition with new epilogue, Oxford: Oxford University Press 2011, 437 S.; Klabbers, Jan / Peters, Anne / Ulfstein, Geir, The Constitutionalization of International Law, Oxford: Oxford University Press 2009, 416 S.</ref>
  • Das Wohlergehen von Menschen, ihre Sicherheit und ihre Rechte sind Grund und Grenze der staatlichen Souveränität. „Humanity“, nicht „Sovereignty“ ist Letztbegründung des Völkerrechts.<ref>http://www.ejil.org/pdfs/20/3/1849.pdf</ref>
  • Ein allgemeines Transparenzprinzip hat sich als Grundprinzip des Völkerrechts in allen seinen Teilgebieten, beginnend mit dem Umweltrecht, herausgebildet. Die Funktion von Transparenz im Völkerrecht ähnelt derjenigen im nationalen öffentlichen Recht: Transparenz ermöglicht öffentliche Kritik an der Ausübung der internationalen Hoheitsgewalt. Das Transparenzprinzip stärkt die Qualität des Völkerrechts als öffentliches Recht, als Recht zur Begründung und Kanalisierung von Hoheitsgewalt, im öffentlichen Interesse und unter Kontrolle der Öffentlichkeit. Die Transparenz von internationalen Institutionen und Rechtssetzungs- und Umsetzungsverfahren kann somit das Demokratiedefizit des Völkerrechts, also das Fehlen eines Weltparlaments, eines demokratischen Rechtssetzungsverfahrens, und eines direkten Mitspracherechts der Bürger bei der Besetzung internationaler Ämter, abmildern.<ref>Bianchi, Andrea / Peters, Anne (Hrsg.), Transparency in International Law, Cambridge: Cambridge University Press 2013, 620 S.</ref>
  • Völkerrechtsgeschichte kann mit Hilfe von Ansätzen der Globalgeschichte neu geschrieben werden. Der Global history-Ansatz sensibilisiert für das Problem des Eurozentrismus der Völkerrechtsentwicklung und ihrer Darstellung und erlaubt es, außereuropäische Einflüsse besser zu erkennen und zu würdigen.<ref>Fassbender, Bardo / Peters, Anne / Peter, Simone / Högger, Daniel (assistant editors) (Hrsg.), Oxford Handbook of the History of International Law, Oxford: Oxford University Press 2012, 1228 S.</ref>
  • Das Individuum genießt „subjektive internationale Rechte“ und Pflichten, die sozusagen unterhalb der Schwelle der besonders hochwertigen Menschenrechte liegen, beispielsweise im internationalen Arbeitsrecht, Flüchtlingsrecht, humanitären Völkerrecht usw. Die Anerkennung dieser Rechtspositionen und der darin zum Ausdruck kommenden (vorausliegenden) Völkerrechtsfähigkeit des Menschen erlauben es, das Individuum als ursprüngliches und normativ vorrangiges (nicht nur von den Staaten abgeleitetes und nachrangiges) Völkerrechtssubjekt zu qualifizieren. Die Verschiebung vom Staat als Ausgangspunkt des Völkerrechts zum Menschen stellt einen Paradigmenwechsel der Völkerrechtsordnung dar.<ref>Peters, Anne, Jenseits der Menschenrechte: Die Rechtsstellung des Individuums im Völkerrecht, Tübingen: Mohr Siebeck 2014, XXIV+535 S. </ref>
  • Globales Tierrecht soll als Forschungsfeld etabliert und erschlossen werden, um die durch Globalisierung, Outsourcing und Standortmobilität unterminierten Tierschutzstandards zu wahren und um neue Konzepte wie Grundrechte von Tieren, den Mitbürgerstatus von Tieren, die Souveränität von Wildtieren über natürliche Ressourcen zu erforschen. Das neue Forschungsfeld kann im Zuge des „animal turn“ der Geistes- und Sozialwissenschaften aus zahlreichen Nachbardisziplinen Anregungen empfangen.<ref>http://www.kulturstiftung-des-bundes.de/cms/de/mediathek/magazin/magazin23/peters/index.html</ref>

Wissenschaftliche Auszeichnungen

Buchpreis 2014 der American Society of International Law („Certificate of Merit in a specialized area of international law“) für das Handbook of the History of International Law (Oxford University Press 2012).

Dissertationspreis der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Freiburg im Breisgau für die Dissertation Das Gebietsreferendum im Völkerrecht: seine Bedeutung im Licht der Staatenpraxis nach 1989.

Publikationen (Auswahl)

  • Jenseits der Menschenrechte: Die Rechtsstellung des Individuums im Völkerrecht. Mohr Siebeck, Tübingen, 2014, XXIV+535 S., ISBN 3-7890-3857-1
  • Liberté, égalité, animalité, Ein (Anti-)Schlachtruf, Das Magazin Nr. 23 der Kulturstiftung des Bundes, Oktober 2014, S. 12-15, online
  • Transparency in International Law. Cambridge University Press, Cambridge, 2013, 620 S. (Hrsg. mit Andrea Bianchi), ISBN 978-1-107-02138-9
  • Realizing Utopia as a Scholarly Endeavour, European Journal of International Law 24 (2013), S. 533-552, online
  • Europäische Menschenrechtskonvention: Mit rechtsvergleichenden Bezügen zum deutschen Grundgesetz, 2. Auflage. C.H. Beck, München, 2012, 316 S. (zusammen mit Tilmann Altwicker), ISBN 978-3-406-63216-7
  • Völkerrecht. Allgemeiner Teil, 3. überarbeitete Auflage. Schulthess, Zürich, 2012, 451 S., ISBN 978-3-7255-6631-0
  • Oxford Handbook of the History of International Law. Oxford University Press, Oxford, 2012, 1228 S. (Hrsg. mit Bardo Fassbender. Daniel Högger, Simone Peter, assistant editors), ISBN 978-0-19-959975-2
  • Conflict of Interest in Global, Public and Corporate Governance. Cambridge University Press, Cambridge, 2012, 470 S. (Hrsg. mit Lukas Handschin. Daniel Högger, assistant editor) , ISBN 978-1-107-02932-3
  • Rollen von Rechtsdenkern und Praktikern – aus völkerrechtlicher Sicht, in: Paradigmen im internationalen Recht. Implikationen der Weltfinanzkrise für das internationale Recht, Berichte der deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, Band 45 (Heidelberg: CF Müller 2012), S. 105-173, online
  • The Constitutionalization of International Law, expanded paperback edition with new epilogue. Oxford University Press, Oxford, 2011, 437 S. (zusammen mit Jan Klabbers, Geir Ulfstein), ISBN 978-0-19-954342-7
  • Non-State Actors as Standard Setters. Cambridge University Press, Cambridge, 2009, 587 S. (Hrsg. mit Lucy Köchlin, Till Förster, Gretta Fenner Zinkernagel), ISBN 978-0-521-11490-5
  • Humanity as the A and Ω of Sovereignty, European Journal of International Law 20 (2009), S. 513-544, online
  • Die Zukunft der Völkerrechtswissenschaft: Wider den epistemischen Nationalismus, Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht/Heidelberg Journal of International Law 67 (2007), S. 721-776, online
  • Compensatory Constitutionalism: The Function and Potential of Fundamental International Norms and Structures, Leiden Journal of International Law 19 (2006), S.579-610, online
  • Elemente einer Theorie der Verfassung Europas. Duncker & Humblot, Berlin, 2001, 889 S., ISBN 3-428-10602-4
  • Women, Quotas and Constitutions: A Comparative Study of Affirmative Action for Women in American, German, European Community and International Law. Kluwer Law International, Dordrecht/London/Boston, 1999, 436 S., ISBN 90-411-9708-7
  • Das Gebietsreferendum im Völkerrecht: Seine Bedeutung im Licht der Staatenpraxis nach 1989. Nomos, Baden-Baden, 1995, 562 S., ISBN 3-7890-3857-1

Literatur

  • Anne Peters: Generalistin des Völkerrechts, in: Jahresbericht der Max-Planck-Gesellschaft 2013 (Beileger), S. 15 (Porträt).

Weblinks

Einzelnachweise

<references />