Carl Runge
Carl David Tolmé Runge (* 30. August 1856 in Bremen; † 3. Januar 1927 in Göttingen) war ein deutscher Mathematiker.
Inhaltsverzeichnis
Jugend und Ausbildung
Runge war der Sohn des Kaufmanns Julius Runge und seiner Frau Fanny Tolmé (gebürtige Engländerin). Seine ersten Jahre der Kindheit verbrachte er in Havanna, wo sein Vater das dänische Konsulat verwaltete. 1875 absolvierte er in Bremen das Gymnasium. Danach begleitete er seine inzwischen verwitwete Mutter für ein halbes Jahr nach Italien. Er studierte zuerst Literatur und Philosophie danach Mathematik an der Universität München. 1877 setzte er sein Studium in Berlin fort, wobei er besonders durch die Mathematiker Kronecker und Weierstraß beeinflusst wurde. Nachdem er 1880 bei Weierstraß und Kummer mit der Arbeit Über die Krümmung, Torsion und geodätische Krümmung der auf einer Fläche gezogenen Curven promoviert wurde, habilitierte er sich 1883.
Professor in Hannover und Göttingen
Im Frühjahr 1886 wurde er ordentlicher Professor für Mathematik an der Technischen Hochschule Hannover. 1887 heiratete er die Tochter Aimée des berühmten Berliner Physiologen Emil Heinrich Du Bois-Reymond. Mit ihr hatte er vier Töchter und zwei Söhne, von denen einer im Ersten Weltkrieg fiel. Sein Sohn Wilhelm Runge schlug ebenfalls eine akademische Laufbahn ein.
1904 wurde er auf Bestreben von Felix Klein an die Georg-August-Universität Göttingen auf die neu geschaffene Professur für angewandte Mathematik, die erste dieser Art in Deutschland, berufen.
Wirken als Mathematiker
Zunächst war sein Arbeitsgebiet rein mathematisch geprägt. Von Kronecker bekam er die Anregung zur Zahlentheorie und von Weierstraß zur Funktionentheorie. In seiner Berliner Zeit erfuhr er von seinem zukünftigen Schwiegervater (in dessen Familie er viel verkehrte) von der Balmer-Serie. In Hannover untersuchte er zusammen mit Heinrich Kayser andere Linienspektren und leistete somit Beiträge zur Physik der Spektroskopie. In Göttingen entwickelte er zusammen mit Martin Wilhelm Kutta das Runge-Kutta-Verfahren zur numerischen Lösung von Anfangswertproblemen. Bekannt ist auch seine Untersuchung von Interpolationspolynomen und deren Verhalten bei Erhöhung des Polynomgrads (siehe Runges Phänomen). In der Funktionentheorie untersuchte er die Approximierbarkeit von holomorphen Funktionen und begründete damit die Runge-Theorie.
Die wesentliche wissenschaftliche Leistung von Runge bestand darin, wie Courant (sein Schwiegersohn) einmal treffend bemerkte:
„die abgerissenen Fäden zu den Anwendungen wieder knüpfen, die Einheit der mathematischen Wissenschaft einschliesslich den Anwendungen wiederherstellen helfen“
Internationale Kontakte
Runge hat mehrere große Reisen unternommen. Seine Sprachkenntnisse, vor allem in Englisch, kamen ihm sehr zugute. 1897 besuchte er die Versammlung der British Association in Toronto und anschließend alle wichtigen amerikanischen Sternwarten. Zusammen mit Karl Schwarzschild unternahm er 1906 eine Sonnenfinsternisexpedition nach Algier. Im Winter 1909 ging er für ein Jahr als Austauschprofessor an die Columbia University in New York. Hieran schloss sich eine zweite Rundreise durch Amerika, wobei er neben Universitäten und Sternwarten auch die Stätten seiner Kindheit in Havanna besuchte. Im Sommer 1926 besuchte er die Versammlung der British Association in Oxford.
Die Persönlichkeit
Runge wird als sehr liebenswürdiger und bescheidener Mensch geschildert. Er liebte die Hausmusik, wobei er selbst Klavier spielte. Er liebte Sport wie Tennis, Schlittschuh- und Skilaufen, Turnen, Wandern, Schwimmen, Boot- und Fahrradfahren. In Hannover fuhr er regelmäßig zwischen seinem Haus im Dorf Kirchrode und der 10 km entfernten Hochschule mit dem Fahrrad. Sein Fahrrad putzte er fast nie und pflegte zu sagen: „Es stellt sich schließlich ein dynamisches Gleichgewicht ein: genau so viel Schmutz, wie jeden Tag neu darauf spritzt, fällt auch täglich von selbst wieder ab“. In Göttingen wohnte er mit seiner Familie in der Wilhelm-Weber-Straße 21, unweit von Felix Klein.
Verschiedenes
1914 war er Präsident der Deutschen Mathematiker-Vereinigung.
Seine Tochter Nerina (Nina) war mit Richard Courant verheiratet. Seine Tochter Iris Runge war eine der ersten Industriemathematikerinnen (sie arbeitete bei Osram und Telefunken). Sein Sohn Wilhelm Tolmé Runge war in der Hochfrequenztechnik bei Telefunken.
Der Mondkrater Runge wurde 1973 nach ihm benannt.
Literatur
- Rudolf Fritsch: Runge, Carl David Tolmé. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 22, Duncker & Humblot, Berlin 2005, ISBN 3-428-11203-2, S. 259 f. (Digitalisat).
- Ludwig Prandtl: Carl Runge; Richard Courant: Carl Runge als Mathematiker; Friedrich Paschen: Carl Runge als Spektroskopiker. Die Naturwissenschaften, Jg. 15, 1927, Heft 10, S. 227-229, 229–231, 231-233.
- Iris Runge Carl Runge und sein wissenschaftliches Werk, Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1949.
Schriften
- mit König Vorlesungen über numerisches Rechnen, Springer, Grundlehren 1924
- Über angewandte Mathematik, Mathematische Annalen Bd.44, 1894
- Analytische Geometrie der Ebene, B.G. Teubner, 1908 (University of Michigan Historical Math Collection)
- Über die numerische Auflösung von Differentialgleichungen, Math. Annalen, Band 46, 1895, S.167-178, Online (Runge-Kutta-Verfahren)
- Über empirische Funktionen und die Interpolation zwischen äquidistanten Ordinaten. In: Zeitschrift für Mathematik und Physik. 46, B. G. Teubner, Leipzig 1901, S. 224–243 (Runge-Phänomen, http://iris.univ-lille1.fr/handle/1908/2014, abgerufen am 4. Juni 2014).
Weblinks
- John J. O’Connor, Edmund F. Robertson: Carl Runge. In: MacTutor History of Mathematics archive (englisch)
- Literatur von und über Carl Runge im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Biographie an der Universität Göttingen
- Carl Runge im Mathematics Genealogy Project (englisch)
Personendaten | |
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NAME | Runge, Carl |
ALTERNATIVNAMEN | Runge, Carl David Tolmé |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Mathematiker |
GEBURTSDATUM | 30. August 1856 |
GEBURTSORT | Bremen |
STERBEDATUM | 3. Januar 1927 |
STERBEORT | Göttingen |