Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben
Die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben e. V. (DGHS) setzt sich nach eigenem Verständnis für Selbstbestimmung am Lebensende ein. Mit ca. 26.000 Mitgliedern<ref>nach eigenen Angaben, Stand 2014</ref> versteht sie sich als Menschenrechts- und Patientenschutz-Organisation sowie als Bürgerrechtsbewegung.
Inhaltsverzeichnis
Gründung und Ziele
Die Gesellschaft wurde am 7. November 1980 aus dem Umfeld des Bundes für Geistesfreiheit (bfg) heraus gegründet. Ihr Bekanntheitsgrad stieg im Verlauf der 80er Jahre unter anderem durch öffentlich diskutierte Suizide wie der des DGHS-Mitglieds Hermy Eckert 1984, so dass die DGHS Ende 1992 einen Höchststand von 59.700 Mitgliedern verzeichnete. Dieser fiel dann im weiteren Verlauf auf den heutigen Mitgliederstand zurück. Seit November 2008 steht die Deutsch-Schweizerin Elke Baezner als Präsidentin an der Spitze des Vereins.
Satzungsgemäßer Vereinszweck sind die Verbesserung der Bedingungen für Sterbende, die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Problematik des „humanen Sterbens“ und die Veränderung der Rechtslage in diesem Sinne. Die Gesellschaft versteht sich als eine Bürgerrechtsbewegung sowie Menschenrechts- und Patientenschutzorganisation zur Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts bis zur letzten Lebensminute und fordert eine „umfassende gesetzliche Regelung der Sterbebegleitung und -hilfe“. Das heißt auch, dass es der persönlichen Entscheidung des Kranken überlassen sein soll, sich für eine palliative Behandlung oder aber für eine (ärztlich, also professionell) assistierte Selbsttötung zu entscheiden. Beide Wege sollen dem Kranken offenstehen. Der (ärztliche) Helfer soll – nach diesen Vorstellungen – bei einer „frei verantworteten Entscheidung“ vor straf- und berufsrechtlicher Verfolgung sicher sein. Es wird behauptet, ein Drittel der deutschen Ärzteschaft würde den ärztlich assistierten Suizid als Ultima Ratio respektieren und unterstützen. Die DGHS ist parteipolitisch unabhängig und sieht sich dem Gedanken der Aufklärung und des Humanismus verpflichtet. Sie ist Mitglied im Deutschen Juristentag.
Vereinssitz ist Berlin.
Arbeit des Vereins
Im Mittelpunkt der Tätigkeit steht nach Vereinsangaben die Vorsorge mit Hilfe von Patientenverfügungen und deren rechtsverbindliche Anerkennung. Gemäß Rechtslage ist für alle Entscheidungen der (mutmaßliche) Wille des Patienten maßgeblich. „In der Praxis“ jedoch „werden therapiebegrenzende Entscheidungen häufig auf Drängen des Pflegepersonals von Ärzten gefällt, ohne dass der Patient und seine Angehörigen in den Entscheidungsprozess einbezogen werden“ (Robert Koch Institut / Statistisches Bundesamt: Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 01/01 über „Sterbebegleitung“, 1. Auflage, S. 6).
Um fremdbestimmten Sterbeverkürzungen und Behandlungsabbruch mit Todesfolge ohne oder gegen den Willen der Patienten entgegenzuwirken, hat die DGHS einen Patientenschutzbrief zur lebenserhaltenden Therapie entwickelt. Sterbehilfe wird damit nicht einseitig als Hilfe zum Sterben verstanden, sondern je nach Patientenwille auch als Hilfe zum Leben im Sterbeprozess. Daher ist es aus Sicht der Sterbehilfe-Befürworter wichtig, den eigenen Willen in einer Patientenverfügung rechtzeitig zu formulieren und einen zuverlässigen Bevollmächtigten zu benennen, der den eigenen Willen vertritt, wenn man selbst dazu nicht mehr in der Lage ist. Auf der anderen Seite setzt sich der Verein aber auch für die Verhinderung von Missbrauch bei allen Formen von Sterbehilfe ein.
Der Verein fordert darüber hinaus weitergehende legale Möglichkeiten der Sterbehilfe, gerade auch für die ärztlich assistierte. Die DGHS ist strikt gegen das geplante Gesetzesvorhaben, das eine gegenwärtig straffreie Form der Sterbehilfe betrifft, die Beihilfe zum Suizid. Danach soll nunmehr nicht nur die gewerbsmäßige, also kommerzielle, sondern darüber hinaus auch die geschäftsmäßige, d. h. jede organisierte Suizidhilfe verboten werden. Damit würde auch Ärzten Strafe angedroht, die einem todkranken Patienten behilflich wären, dessen Leben selbstbestimmt zu beenden. Der Sterbewillige wäre mehr als bisher darauf angewiesen, den strapaziösen Weg in die Schweiz anzutreten zur Erlösung von seinem Leiden fern seiner vertrauten Umgebung.
Leitmotiv der Gesellschaft ist es, dass jeder nach seinen eigenen Vorstellungen und Wünschen sterben können soll und dabei notfalls auch Hilfe beanspruchen darf. Dem sterbenden Patienten soll geholfen werden, zu Hause zu sterben und im Kreise seiner Angehörigen, wenn er dies will. Ausschlaggebend soll jeweils die persönlich empfundene Würde des Betroffenen sein.
Unterstützt werden die Schmerztherapie und die Palliativmedizin, die im Falle einer unheilbaren Krankheit für Linderung von Symptomen sorgen soll, um ein möglichst weitgehend beschwerdefreies Weiterleben bis zum Tod zu ermöglichen. Zudem betreibt der Verein eine „Hospiz-Informationsstelle“ für ambulante und stationäre Hospiz-Einrichtungen, die Unterstützung bei der Suche nach einer mitmenschlichen Sterbebegleitung oder der Möglichkeit des Sterbens zu Hause gewähren soll.
Die DGHS ist Mitglied von hpd e. V., dem Trägerverein des Humanistischen Pressedienstes (hpd).<ref>Der Humanistische Pressedienst. In: hpd.de. Abgerufen am 15. Mai 2014. </ref>
Kontroversen
Bei der Bremer Messe Tod und Leben im Jahr 2015 wurde der Gesellschaft nicht gestattet, einen Stand aufzustellen. Die Messe ist eine Eigenveranstaltung der Bremer Messegesellschaft, den Beirat der Veranstaltung prägen Hospizverbände und kirchliche Vertreter. Als Begründung sagte Messesprecherin Christine Glander: Sterbehilfe sei „nicht das Thema der ,Leben und Tod‘“, „Wir hoffen, dass unsere Besucher die Messe mit möglichst vielen Informationen, Hilfsangeboten und vor allem dem tröstlichen Gedanken verlassen, dass eine Selbsttötung nicht notwendig ist.“<ref>Alexandra Knief: Kampf um „Leben und Tod“ Weser-Kurier, 30. April 2015, abgerufen am 4. Mai 2015.</ref>
Arthur-Koestler-Preis
Die DGHS verleiht seit 2000 den in der Regel jährlich ausgeschriebenen und mit jeweils 2000 € dotierten nach Arthur Koestler benannten Medienpreis an Personen, die sich des Themas Sterben unter Berücksichtigung des Selbstbestimmungsrechts angenommen haben. Er kann in drei Kategorien vergeben werden: Printmedien, Rundfunk und Fernsehen. Dazu gibt es den Sonderpreis für das Lebenswerk oder ein Buch eines zu Ehrenden.
Literatur
- Ernst Ankermann: Sterben zulassen. Selbstbestimmung und ärztliche Hilfe am Ende des Lebens. Reinhardt, München u. Basel 2004, ISBN 3-497-01693-4.
- Christiaan Barnard: Glückliches Leben – Würdiger Tod. Der weltberühmte Herzchirurg plädiert für Sterbehilfe und das Recht auf Freitod. Hestia, Bayreuth 1981, ISBN 3-7770-0225-9.
- Coeppicus, Rolf: "Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Sterbehilfe. Rechtssicherheit bei Ausstellung und Umsetzung. Klartext-Verlag, Essen 2001.
- Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) e.V. (Hrsg.): Freiheit und Selbstbestimmung, DGHS Augsburg 2005.
- Fussek, Claus/Schober, Gottlob: „Im Netz der Pflegemafia. Wie mit menschenunwürdiger Pflege Geschäfte gemacht werden“, Verlag Bertelsmann, München 2008.
- Constanze Giese, Christian Koch, Dietmar Siewert: Pflege und Sterbehilfe. Zur Problematik eines (un-)erwünschten Diskurses. Mabuse, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-938304-17-0.
- Jens, Walter/Küng, Hans: „Menschenwürdig sterben. Ein Plädoyer für Selbstverantwortung“, Verlag Piper, München Zürich, überarb. Auflage 2009, ISBN 3-492-05276-2
- Wolfgang Kausch: Humanes Sterben – Verpflichtung und Grenzen des Arztes. In: Hamburger Ärzteblatt 4, 2004, ZDB-ID 509076-3, S. 186–187.
- von Lewinski, Manfred: „Freiheit zum Tode? - Annäherungen und Anstöße“, Logos-Verlag Berlin, 2012, ISBN 978-3-8325-2995-6
- de Ridder, Michael: „Wie wollen wir sterben? Ein Plädoyer für eine neue Streitkultur in Zeiten der Hochleistungsmedizin“, DVA München 2010.
- Wassem, Stephanie: „Indubio pro vita? Die Patientenverfügung. Eine Analyse der neuen Gesetze in Deutschland und der Schweiz“. Logos Verlag Berlin 2010.
- Wiesing, Urban (Hrsg.): Ethik in der Medizin. Ein Reader. Reclam, Stuttgart 4. akt. Aufl. 2012.
Weblinks
Einzelnachweise
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