Der falsche Mann


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Filmdaten
Deutscher TitelDer falsche Mann
OriginaltitelThe Wrong Man
ProduktionslandVereinigte Staaten
OriginalspracheEnglisch
Erscheinungsjahr1956
Länge101 Minuten
AltersfreigabeFSK 12
Stab
RegieAlfred Hitchcock
DrehbuchMaxwell Anderson
Angus MacPhail
ProduktionHerbert Coleman
Alfred Hitchcock
für Warner Bros.
MusikBernard Herrmann
KameraRobert Burks
SchnittGeorge Tomasini
Besetzung

Der falsche Mann (Originaltitel: The Wrong Man) ist ein im Jahre 1956 von Alfred Hitchcock gedrehter Kriminalfilm nach dem Roman The True Story of Christopher Emmanuel Balestrero des Autors Maxwell Anderson.

Handlung

Der unbescholtene Christopher Emmanuel Balestrero, genannt „Manny“, Barmusiker im New Yorker Stork Club, bemüht sich redlich, seine Frau Rose und die zwei Söhne durchs Leben zu bringen. Eines Abends wird er aus heiterem Himmel vor seinem Haus verhaftet und angeklagt, die Kasse einer Versicherungsgesellschaft überfallen und ausgeraubt zu haben. Alle Augenzeugen schwören, ihn eindeutig identifizieren zu können. Nur mit Unterstützung seiner Familie, die die hohe Kaution für ihn aufbringt, kann er der bedrückenden Untersuchungshaft entgehen. Auf Drängen seines Anwalts versucht er zusammen mit seiner Frau, Zeugen für sein Alibi zu finden, um bis zum Prozessbeginn seine Unschuld zu beweisen. Zwei der Männer, mit denen er an besagtem Tage zusammen beim Kartenspielen war, sind jedoch zwischenzeitlich verstorben, der dritte ist unauffindbar. Mehr und mehr beginnt seine Frau an ihm zu zweifeln und versinkt in eine paranoide Depression, bis sie schließlich in eine Klinik eingewiesen werden muss. Als der Prozess beginnt, kann nur noch ein Wunder den verzweifelten Mann retten. Durch Fehlverhalten eines Jurors während der Verhandlung wird der Prozess vertagt. Kurz darauf verhaftet die Polizei einen Mann, der Manny wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Manny ist zwar von dem Vorwurf befreit, seine Frau verbleibt aber in der Depression. Im Nachspann wird erklärt, dass seine Frau nach zwei Jahren geheilt war und sie nun glücklich in Florida leben.

Hintergründe

Hitchcock inszenierte für Warner Bros. zwischen 1949 und 1953 vier Filme. Nach Auslaufen seines Vertrags versprach er, da er mit den Arbeitsbedingungen sehr zufrieden war, für Warner einen weiteren Film ganz ohne Gage zu inszenieren. Mit Der falsche Mann löste er dieses Versprechen ein.

Warner besaß die Rechte an der authentischen Geschichte von Christopher Emmanuel Balestrero, der 1953 wegen eines Raubüberfalls, den er nicht begangen hatte, vor Gericht stand. Der wirkliche Täter, der Balestrero zum Verwechseln ähnlich sah, wurde noch während des Prozesses auf frischer Tat gefasst. Die Geschichte erschien noch im selben Jahr im Life Magazine und wurde für das Fernsehen verfilmt.

Hitchcock faszinierte diese Geschichte in zweifacher Hinsicht. Zum einen sah er die Möglichkeit, die albtraumhaften Erlebnisse von Verhaftung und Gefangenschaft möglichst detailgenau zu zeigen (wie er es etwas reißerischer bereits 1929 am Anfang von Erpressung tat). Zum anderen interessierte ihn der Umstand, dass Balestreros Frau Rose damals dem Stress nicht gewachsen war, einen Nervenzusammenbruch erlitt und geraume Zeit in einer Nervenheilanstalt zubringen musste. Hitchcock hatte die Idee, dieses Trauma und den geistigen Zerfall einer Frau möglichst schonungslos auf die Leinwand zu bringen. Hierzu benötigte er eine Schauspielerin, die diesen Übergang von der starken zur labilen und schließlich dem Wahnsinn nahestehenden Frau glaubhaft verkörpern konnte, und er fand sie in Vera Miles.

Vera Miles war von Hitchcock ausersehen, Nachfolgerin von Grace Kelly als die Hitchcock-Schauspielerin zu werden. Er sah in ihr all das, was vor ihr nur Kelly und Ingrid Bergman ausdrückten: eine hintergründige, tiefgehende Leinwandpräsenz. Hitchcock nahm Vera Miles exklusiv unter Vertrag und kümmerte sich persönlich um ihr Image, ihre Garderobe und ihr Erscheinungsbild. Ihre späteren Schwangerschaften sollten jedoch das Verfolgen einer Kelly oder Bergman vergleichbaren Karriere verhindern.

Die ersten Fassungen des Drehbuchs stammen von dem Dramatiker Maxwell Anderson. Hitchcock hatte einige seiner Stücke gesehen, musste allerdings bald feststellen, dass Andersons Drehbuchentwürfe einen poetischen Einschlag hatten, die dem geforderten harten, realistischen Grundszenario nicht gerecht wurden. Hitchcock wollte die wahre Geschichte möglichst ohne Beschönigungen und Ausschmückungen drehen. Daher griff er auf seinen alten Mitarbeiter Angus McPhail zurück, mit dem er bereits seit 1944 mehrfach zusammengearbeitet hatte und der Maxwells Entwürfe entsprechend überarbeitete.

Hitchcock strebte größtmögliche Realitätsnähe an. So traf er sich beispielsweise zu Gesprächen mit dem damaligen Richter und mit dem Strafverteidiger. Vera Miles, Henry Fonda und Hitchcock kamen vor Beginn der Dreharbeiten sogar mit den echten Balestreros zusammen. Der Film wurde weitgehend an Originalschauplätzen und in Schwarz-Weiß gedreht. Einige Nebendarsteller sind Laien, die sich selbst spielen. Lediglich die Szene kurz vor Schluss, als Manny Balestrero in seinem Zimmer betet und zeitgleich der wahre Täter auf frischer Tat gefasst wird, weicht aus dramaturgischen Gründen von den wirklichen Geschehnissen ab. (Der Täter war zuvor im Film bereits zweimal zu sehen: außerhalb des Stork Club und in der Nähe des Spirituosen-Ladens, wo die Polizei Manny festnimmt.)

Kritiken

Der Film war kein Kassenerfolg und wurde von den Kritikern unterschiedlich aufgenommen. Bemängelt wurden vor allem die vollständige Humorlosigkeit und der Umstand, dass zur Mitte des Films der Focus auf den geistigen Verfall der Frau wechselt, womit der Zuschauer, der hauptsächlich an der Lösung des Falls interessiert sei, überfordert werde. Allerdings wurde auch das kafkaeske, albtraumhafte Element in Der falsche Mann erkannt.

  • Die New York Times schrieb: „Alfred Hitchcock ersetzt hier Fiktion durch Tatsachen, wenn er den wahren Fall eines New Yorker Musikers in klinische Details aufrollt, der als Dieb (von einem Zeugen) identifiziert wird, aber unschuldig ist. Er wird zu einem Märtyrer der Justiz, bis er endlich doch noch recht bekommt. Das Maxwell-Anderson/Angus-McPhail-Drehbuch bemüht sich um den traurigen Stoizismus von Henry Fonda. Vera Miles vermittelt sehr intensiv die Qualen, die die allmählich dem Wahnsinn verfallende Ehefrau erleidet. Anthony Quale ist als Fondas Anwalt ausgezeichnet. Hitchcock zeigt sich hier als ein Meister luzider Sachlichkeit, fast unberührt von dem, was seine Figuren erleiden.“
  • Auch die deutsche katholische Filmkritik lobte den Film: "Regisseur Hitchcock schildert dieses Vorkommnis mit beklemmender Sachlichkeit, ohne die bei ihm gewohnte Spannung zu vernachlässigen. Erstklassige Darsteller, meisterliche Milieuverwertung, unaufdringliche religiöse Note. Sehenswert." (6000 Filme. Kritische Notizen aus den Kinojahren 1945 bis 1958. Handbuch V der katholischen Filmkritik, 3. Auflage, Verlag Haus Altenberg, Düsseldorf 1963, S. 108)
  • Die Süddeutsche Zeitung schreibt: „Kaum ein anderer Film von Hitchcock ist ähnlich ernst und verhalten erzählt. Das Thema vom unschuldigen Verdächtigen, das Hitchcock immer wieder interessiert hat, wird hier zum beklemmenden Exempel der Ohnmacht des Einzelnen, der sich plötzlich von einer übermächtigen Maschinerie bedroht sieht. Henry Fonda und Vera Miles fügen sich genial in den strengen, nüchternen Stil des Films ein.“
  • Der Evangelische Film-Beobachter zog folgendes Fazit: „Anspruchsvoller Hitchckock-Film von einem Musiker, der mit einem Verbrecher verwechselt wird und seine Unschuld nicht beweisen kann. Menschlich anrührender Tatsachenbericht mit einer schauspielerischen Glanzleistung Henry Fondas. Ab 16 sehenswert.“ (Evangelischer Presseverband München, Kritik Nr. 497/1957)

Cameo

Hitchcock filmte zunächst einen seiner üblichen Auftritte. Im Schneideraum gelangte er jedoch zu der Meinung, dies würde dem dokumentarischen Charakter des Filmes entgegenlaufen, und schnitt die Szene heraus. Stattdessen spricht er den Prolog des Films. Es ist das einzige Mal, dass Hitchcock in einem seiner Spielfilme zu hören ist.

Literatur

  • Robert A. Harris, Michael S. Lasky, Hrsg. Joe Hembus: Alfred Hitchcock und seine Filme (OT: The Films of Alfred Hitchcock). Citadel-Filmbuch bei Goldmann, München 1976, ISBN 3-442-10201-4
  • John Russel Taylor: Die Hitchcock-Biographie, Fischer Cinema 1982, ISBN 3-596-23680-0
  • Donald Spoto: Alfred Hitchcock Die dunkle Seite des Genies. Heyne, München 1984, ISBN 3-453-55146-X (dt. Übersetzung von Bodo Fründt)

Weblinks