Dirichletsche η-Funktion
In der analytischen Zahlentheorie ist die dirichletsche η-Funktion eine spezielle Funktion, die nach dem deutschen Mathematiker Dirichlet (1805–1859) benannt ist. Sie ist verwandt mit der riemannschen <math>\zeta</math>-Funktion.
Sie wird mit dem kleinen griechischen Buchstaben eta (<math>\eta</math>) notiert; die dedekindsche η-Funktion, eine Modulform, wird ebenfalls so bezeichnet.
Inhaltsverzeichnis
Definition
Die dirichletsche <math>\eta</math>-Funktion ist für alle komplexen <math> s </math> mit Realteil größer als 0 definiert über die Dirichletreihe:
- <math> \eta(s) =\sum_{n=1}^\infty \frac{(-1)^{n-1}}{n^s} = 1 - \frac{1}{2^s} + \frac{1}{3^s} - \frac{1}{4^s} + \frac{1}{5^s} - + \cdots. </math>
Obwohl die Gültigkeit dieses Ausdrucks auf komplexe Zahlen mit positivem Realteil beschränkt ist, bildet er die Ausgangsbasis für alle Darstellungen der <math> \eta </math>-Funktion. Sie kann auf die ganze komplexe Zahlenebene analytisch fortgesetzt werden, was eine Berechnung der <math> \eta </math>-Funktion für alle beliebigen <math> s </math> gewährleistet.
Euler-Produkt
Ihre zahlentheoretische Bedeutung erhält die <math> \eta </math>-Funktion durch ihre Verbindung zu den Primzahlen, die sich für <math> \mathrm{Re} s > 1 </math> formelhaft durch das Euler-Produkt
- <math> \eta(s) = \left(1 - \frac{1}{2^{s-1}} \right) \prod_{p \ \mathrm{prim}} \frac{1}{1 - \frac{1}{p^s}} = \left(1 - \frac{1}{2^{s-1}} \right) \cdot \frac{1}{(1-\frac{1}{2^s})(1-\frac{1}{3^s})(1-\frac{1}{5^s})\cdots} </math>
ausdrücken lässt.
Funktionalgleichung
In ganz <math>\mathbb{C} </math> gilt die Identität:
- <math>\eta(1-s) = \frac{2^s - 1}{1 - 2^{s-1}} \pi^{-s} \cos\left(\frac{\pi s}2\right) \Gamma(s)\eta(s).</math>
Verbindung zur Riemannschen ζ-Funktion
Die Funktionalgleichung zwischen Dirichletscher <math> \eta </math> und Riemannscher <math> \zeta </math>-Funktion lässt sich aus den Dirichletreihendarstellungen beider Funktionen gewinnen. Der <math> \eta </math>-Ausdruck wird durch Addition weiterer Dirichletreihen transformiert zu:
- <math> \eta(s) + 2\sum_{n=1}^\infty \frac{1}{(2n)^s} = \eta(s) + \frac{2}{2^s} \zeta(s) = \sum_{n=1}^\infty \frac{1}{n^s} = \zeta(s). </math>
Wir folgern den Zusammenhang:
- <math> \eta(s) = (1 - 2^{1-s}) \cdot \zeta(s), </math>
der in ganz <math> \mathbb{C} </math> Gültigkeit behält.
Weitere Darstellungen
Integraldarstellung
Eine Integraldarstellung für alle <math> \mathrm{Re}\,s > 0 </math> enthält die Gammafunktion <math>\Gamma(s)</math> und lautet:
- <math>\eta(s) = \frac{1}{\Gamma(s)}\int\limits_0^\infty \frac{x^{s-1}}{e^x+1}{\mathrm dx}.</math>
Gültig für alle <math> s \in \mathbb{C} </math> ist:
- <math> \eta(s) = \frac{2^{s-1} - 1}{s-1} - (2^s - 2) \int \limits_0^\infty \frac{\sin(s \arctan x)}{(1 + x^2)^{s/2} (e^{\pi x} + 1)} \mathrm{d}x. </math>
Reihendarstellung
Eine in ganz <math> \mathbb{C} </math> konvergente Reihe ist gegeben durch:
- <math>\eta(s)=\sum_{n=0}^\infty \frac{1}{2^{n+1}} \sum_{k=0}^n (-1)^{k} {n \choose k} \frac {1}{(k+1)^s}.</math>
Produktdarstellung
Für alle <math> s \in \mathbb{C}</math> konvergiert das Hadamard-Produkt<ref> André Voros: More Zeta Functions for the Riemann Zeros (PDF; 182 kB), CEA, Service de Physique Théorique de Saclay (CNRS URA 2306), Seite 6. </ref>, benannt nach seinem Entdecker Jacques Hadamard:
- <math> \eta(s) = \frac{1 - 2^{1-s}}{2(s-1)\,\Gamma(1 + s/2)} e^{(\ln (2\pi) - 1 - \gamma/2)s} \prod_{\rho} \left(1 - \frac{s}{\rho} \right)e^{s/\rho}. </math>
Es erstreckt sich über alle nicht-trivialen Nullstellen <math> \rho </math> der <math> \eta </math>-Funktion und leitet sich einfach aus dem Hadamard-Produkt der Zeta-Funktion ab.
Werte
Es gilt:
- <math>\eta(0) = \tfrac12</math>
- <math>\eta(-1)=\tfrac14.</math>
Für natürliche <math>k</math> gilt mit den Bernoulli-Zahlen <math>B_k</math>
- <math>\eta(1-k) = \frac{2^k-1}{k} B_k.</math>
Für gerade Argumente <math> 2n = 2,4,6,8, ... </math> gilt die allgemeine Formel:
- <math>\eta(2n) = (-1)^{n+1}\frac{2^{2n-1} - 1}{(2n)!} B_{2n}\pi^{2n}.</math>
Somit lässt sich der Zahlenwert von <math> \eta(2n) </math> stets in der Form
- <math> \eta(2n) = \frac{p_n}{q_n} \pi^{2n} </math>
schreiben, wobei <math> p_n </math> und <math> q_n </math> zwei positive ganze Zahlen bezeichnen.
2n | pn | qn | <math> \eta(2n) </math> |
---|---|---|---|
2 | 1 | 12 | 0,82246703342411321823... |
4 | 7 | 720 | 0,94703282949724591757... |
6 | 31 | 30240 | 0,98555109129743510409 ... |
8 | 127 | 1209600 | 0,99623300185264789922 ... |
10 | 73 | 6842880 | 0,99903950759827156563 ... |
12 | 1414477 | 1307674368000 | 0,99975768514385819085 ... |
14 | 8191 | 74724249600 | 0,99993917034597971817 ... |
16 | 16931177 | 1524374691840000 | 0,99998476421490610644 ... |
18 | 5749691557 | 5109094217170944000 | 0,99999618786961011347 ... |
20 | 91546277357 | 802857662698291200000 | 0,99999904661158152211 ... |
Die ersten Werte für ungerade Argumente sind
- <math>\ \eta(1) = \ln2 </math> (die alternierende harmonische Reihe)
- <math>\eta(3)=\frac34\zeta(3)</math>
- <math>\eta(5)=\frac{15}{16}\zeta(5).</math>
Nullstellen
Aus der Relation
- <math>\eta(s) = (1-2^{1-s})\cdot\zeta(s)</math>
ist leicht zu folgern, dass <math> \eta(s) </math> sowohl für alle <math> m \in \mathbb{Z} \setminus \{ 0 \} </math> bei <math> s_m = 1+\tfrac{2\pi mi}{\ln 2} </math>, als auch zusätzlich an denselben Stellen wie <math> \zeta(s) </math> verschwindet. Dazu gehören sowohl die sogenannten „trivialen“ Nullstellen bei <math> s = -2, -4, -6, -8, ... </math>, also
- <math> \eta(-2) = \eta(-4) = \eta(-6) = \eta(-8) = \cdots = 0, </math>
als auch die „nicht-trivialen“ Nullstellen im Streifen <math> \{s \in \mathbb{C} | 0 < \mathrm{Re} s < 1 \} </math>.
Die berühmte und bis heute unbewiesene Riemannsche Vermutung besagt, dass alle nicht-trivialen Nullstellen den Realteil 1/2 besitzen.
Ableitung
Die Ableitung der <math> \eta </math>-Funktion ist für <math> \mathrm{Re} s > 0 </math> wieder eine Dirichletreihe.
- <math> \eta'(s) = \sum_{n=2}^\infty (-1)^n \frac{\ln n}{n^s}. </math>
Ein geschlossener Ausdruck kann über
- <math> \eta'(s) = \frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}s}(1 - 2^{1-s})\zeta(s) =\frac{}{}2^{1-s}(\ln2)\zeta(s)+(1-2^{1-s})\zeta^\prime(s), </math>
und unter Anwendung der Produktregel gewonnen werden.
Weiteres
Die Verwandtschaften von <math>\eta</math> zu der dirichletschen <math>\lambda</math>-Funktion<ref>Eric W. Weisstein: Dirichlet Lambda Function. In: MathWorld (englisch).</ref> und der riemannschen <math>\zeta</math>-Funktion werden durch folgende Formel zum Ausdruck gebracht:<ref>J. Spanier, K. B. Oldham: The Zeta Numbers and Related Functions. In: An Atlas of Functions. Washington, DC: Hemisphere, S. 25–33, 1987.</ref>
- <math>\frac{\zeta(v)}{2^v}=\frac{\lambda(v)}{2^v-1}=\frac{\eta(v)}{2^v-2}</math>
bzw.
- <math>\ \zeta(v)+\eta(v)=2\lambda(v).</math>
Die dirichletsche eta-Funktion ist ein Spezialfall des Polylogarithmus, denn es gilt:
- <math>\ \eta(x)=-\mathrm{Li}_x(-1).</math>
Damit ist sie auch ein Spezialfall der lerchschen Zeta-Funktion:
- <math>\,\eta(s)=\Phi (-1,s,1).</math>
Außerdem gilt
- <math>\int\limits_0^1\int\limits_0^1 \frac{[-\ln(x y)]^s}{1+xy}\;\mathrm dx\,\mathrm dy=\Gamma(s+2)\eta(s+2).</math>
Literatur
- Eric W. Weisstein: Dirichlet Eta Function. In: MathWorld (englisch).
- Milton Abramowitz, Irene Stegun: Handbook of Mathematical Functions, New York: Dover, 1972.
- Konrad Knopp [1922]: Theory and Application of Infinite Series. Dover, 1990, ISBN 0-486-66165-2..
Einzelnachweise
<references/>