Fritz Valjavec


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Friedrich Maria Ludwig genannt Fritz Valjavec (* 26. Mai 1909 in Wien; † 10. Februar 1960 in Prien am Chiemsee) war ein ungarndeutscher Historiker mit österreichisch-ungarischer bzw. jugoslawischer und schließlich deutscher Staatsbürgerschaft. Er war die bestimmende Persönlichkeit der deutschen Südostforschung im 20. Jahrhundert. In jüngerer Zeit begann die Aufarbeitung seiner Rolle in der nationalsozialistischen „Gegnerforschung“ und seiner unmittelbaren Beteiligung am nationalsozialistischen Vernichtungskrieg.

Leben

Herkunft

Vajavec wurde als Sohn eines in Agram (Zagreb) beschäftigten österreichischen Beamten und einer donauschwäbischen Mutter geboren. Nach einer mündlichen Überlieferung wurde er als uneheliches Kind adoptiert.<ref group="S">Gerhard Seewann: Das Südost-Institut 1930–1960, S. 79.</ref> Er wuchs zunächst in der Banater Kleinstadt Werschetz auf. Nach dem Zerfall der Donaumonarchie wurde er jugoslawischer Staatsangehöriger. Seit 1919 lebte er in Budapest und absolvierte dort das Deutsche Gymnasium. In Budapest kam er auch mit Jakob Bleyer und Edmund Steinacker, den führenden Vertretern der politischen Bewegung der Ungarndeutschen, in Kontakt. Valjavecs erste Arbeiten erschienen in Bleyers Deutsch-Ungarischen Heimatblättern.

Studium in München

1930 zog die Familie wieder nach Wien. Nachdem Valjavec Schwierigkeiten hatte, das in Ungarn an der Reichsdeutschen Oberschule Budapest abgelegte Abitur anerkennen zu lassen, ging er mit einem von Bleyer vermittelten Stipendium nach München, um unter anderem bei Raimund Friedrich Kaindl, Arnold Oskar Meyer und Karl Alexander von Müller Geschichte zu studieren. 1934 promovierte er über Karl Gottlieb Windisch. Anschließend arbeitete Valjavec im Südostausschuß der Deutschen Akademie, zerstritt sich aber mit dem Akademieleiter Karl Haushofer. 1935 erhielt er ein Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft, um eine „Geschichte der Deutschen im Südosten von 1780–1918“ zu erarbeiten und wurde Mitarbeiter des von Müller geleiteten Südost-Institut. Dort wurde er 1937 Geschäftsführer und 1943 stellvertretender Leiter.

Engagement und Karriere während des Nationalsozialismus

„Volkstumsarbeit“

Valjavec verfolgte nicht nur seine wissenschaftliche Karriere, sondern engagierte sich auch politisch. Er fungierte als Verbindungsmann des Volksbundes der Deutschen in Ungarn in München. Zwar distanzierte er sich nicht offen von seinem Förderer Bleyer, ließ aber in seiner privaten Korrespondenz durchblicken, dass er diesen nicht für die dominante Führergestalt der deutschen Minderheit in Ungarn in der Revolutionszeit 1918/19 hielt.<ref group="S">Norbert Spannenberger: Vom volksdeutschen Nachwuchswissenschaftler zum Protagonisten nationalsozialistischer Südosteuropapolitik. Fritz Valjavec im Spiegel seiner Korrespondenz 1934–1939, S. 223f.</ref> Er orientierte sich eher an jenen radikalen Ungarndeutschen, die aus völkischen Überzeugungen die Segregation der Integration und die Dissimilation der Assimilation vorzogen. 1933 trat er der NSDAP (zum 1. Mai 1933; Mitgliedsnummer 3.202.280) und dem NS-Studentenbund bei.

Gerade im Studentenbund knüpfte Valjavec Verbindungen, die sich als hilfreich erweisen sollten. Im Wintersemester 1934/35 richtete er für den Studentenbund eine Außenstelle Süd/Ost ein und arbeitete mit Franz Ronneberger bei der Schulung von Studenten für Auslandsaufenthalte. Dadurch entstand ein Netzwerk von Studenten, dessen Sinn nicht zuletzt darin bestand, im Rahmen sogenannter „Landdienste“ und mit wissenschaftlicher Tarnung deutsche Minderheiten im Donauraum nationalsozialistisch zu indoktrinieren.

Durch die Entsendung solcher Studenten, so schrieb Valjavec 1936 in einem Arbeitsplan für die Volkstumsarbeit des Außenamtes der Münchner Hochschulen, werde „die Gewähr für eine gediegene Auslese der Mannschaft geboten, ferner die Möglichkeit gegeben, unauffällig, zweckmäßig getarnt, die volkspolitische Arbeit durchzuführen und darüber hinaus an den Ausbau einer nationalsozialistischen Wissenschaft durch eine lebensvolle Verbindung zwischen praktischem Einsatz und schöpferischer geistiger Arbeit mitzuwirken.“<ref group="S">Gerhard Seewann: Das Südost-Institut 1930–1960, S. 60.</ref>

Ronneberger erinnerte sich 1980 rückblickend an die kulturkritische und schwärmerische Motivation der Volkstumsforscher der Südosteuropa-Forschung:

„Wir glaubten, bei den Ostvölkern etwas von dem finden zu können, was wir in der sich rapid verstädternden Zivilisation des ‚Westens‘ bereits vermißten: das Ursprüngliche, Jugendliche, Unverdorbene. Wir suchten das einfache Leben, das Gewachsene, die schlichte menschliche Begegnung. Der Siegeszug der modernen Technik und Industrialisierung mit allen seinen Erscheinungsformen ist zugleich der Siegeszug einer bestimmten Kultur, die gerade wegen ihrer Trivialität und geistigen Anspruchslosigkeit bei den Massen großen Erfolg hat und irgendwie Ausdruck eines Zeitalters zu sein scheint, in dem nur noch die Massen und der Massenmensch zählen. Gleichzeitig ebnet diese moderne Maschinenkultur alle Eigentümlichkeiten und Besonderheiten der Länder, Völker und Kontinente ein. . In: Osteuropa. 10, Nr. 2/3 1960, S. 215.

  • Karl Nehring: Zu den Anfängen der „Südost-Forschungen“. Der Briefwechsel von Fritz Valjavec mit Gyula Szekfü 1934–1936. In: Südost-Forschungen. Internationale Zeitschrift für Geschichte, Kultur und Landeskunde. 50, 1991, ISSN 0081-9077, S. 1–30.
  • Karl Nehring: Der Briefwechsel von Fritz Valjavec 1934–1950. Personen und Institutionen. In: Südost-Forschungen. Internationale Zeitschrift für Geschichte, Kultur und Landeskunde. 53, 1994, S. 323–354.
  • László Orosz: Die Verbindungen der deutschen Südostforschung zur ungarischen Wissenschaft zwischen 1935 und 1944. Ein Problemaufriss anhand des Briefwechsels zwischen Fritz Valjavec and Elemer Jalyasz. In: Márta Fata (Hrsg.): Das Ungarnbild der deutschen Historiographie. Steiner, Stuttgart 2004, ISBN 3-515-08428-2, S. 126–167 (Schriftenreihe des Instituts für Donauschwäbische Geschichte und Landeskunde 13).
  • Gerhard Seewann: Das Südost-Institut 1930–1960. In: Mathias Beer (Hrsg.): Südostforschung im Schatten des Dritten Reiches. Institutionen – Inhalte – Personen. Oldenbourg, München 2004, ISBN 3-486-57564-3, S. 49–92 (Südosteuropäische Arbeiten 119).
  • Norbert Spannenberger: Vom volksdeutschen Nachwuchswissenschaftler zum Protagonisten nationalsozialistischer Südosteuropapolitik. Fritz Valjavec im Spiegel seiner Korrespondenzen 1934–1939. In: Mathias Beer (Hrsg.): Südostforschung im Schatten des Dritten Reiches. Institutionen – Inhalte – Personen. Oldenbourg, München 2004, ISBN 3-486-57564-3, S. 215–236 (Südosteuropäische Arbeiten 119).
  • Harold Steinacker: Der Kulturhistoriker Fritz Valjavec (1909–1960). Ein Lebensbild. Oldenbourg, München 1960.
  • Krista Zach: Friedrich Valjavec nach seinen privaten tagebuchartigen Aufzeichnungen (1934–1946). In: Mathias Beer (Hrsg.): Südostforschung im Schatten des Dritten Reiches. Institutionen – Inhalte – Personen. Oldenbourg, München 2004, ISBN 3-486-57564-3, S. 257–274 (Südosteuropäische Arbeiten 119).
  • Weblinks

    Einzelnachweise

    Im Sammelband

    • Matthias Beer und Gerhard Seewann (Hrsg.): Südostforschung im Schatten des Dritten Reiches. Institutionen – Inhalte – Personen. Oldenbourg, München 2004 ISBN 3-486-57564-3. (= Südosteuropäische Arbeiten 119).

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    Weitere Nachweise <references />