Grundwortschatz
Der Grundwortschatz (auch: Basiswortschatz, Gebrauchswortschatz, Minimalwortschatz) kann als diejenige Menge von Wörtern einer Sprache definiert werden, die nötig sind, um ca. 85 % eines beliebigen Textes einer bestimmten Sprache in einem bestimmten Entwicklungsstadium zu verstehen.<ref>Helmut Glück (Hrsg.), unter Mitarbeit von Friederike Schmöe: Metzler Lexikon Sprache. Dritte, neubearbeitete Auflage. Metzler, Stuttgart/ Weimar 2005. ISBN 978-3-476-02056-7.</ref> Dem schließt sich der sogenannte Aufbauwortschatz an, der erforderlich ist, um höhere Anteile von Texten zu bewältigen und je nach Bedarf unterschiedlich gestaltet werden kann.
Inhaltsverzeichnis
Basic-Englisch
Für Basic English schlug Charles Kay Ogden in den 1930er Jahren die Anwendung eines reduzierten englischen Vokabulars vor, der die internationale Verständigung durch Reduktion auf den Basiswortschatz erleichtern sollte. Die Anzahl der Vokabeln beschränkt sich im Basic English auf 850 Wörter.
Grundwortschatz des Deutschen
Pfeffer ermittelte für das gegenwärtige Deutsch 1285 Wörter, mit deren Hilfe je nach Textsorte zwischen 85,9 % und 92,2 % der Texte verständlich sind.<ref>S. Pfeffer (1975), S. 12–14.</ref> Lewandowski gibt an, dass die 1000 häufigsten Wörter genügen, um etwa 80 % von deutschen Texten zu verstehen; mit 2000 Wörtern können 90 % gelesen werden.
Bedeutung des Grundwortschatzes
Die Erforschung des Grundwortschatzes ist sowohl für die Didaktik der Muttersprache als auch für die von Fremdsprachen bedeutsam, gibt sie doch Hinweise darauf, welche Teile des Wortschatzes besonders notwendig sind, um mit möglichst wenig Lernaufwand zu einem möglichst hohen Textverständnis zu kommen. Allerdings gibt es dabei ein Problem: die häufigsten Wörter haben gleichzeitig besonders viele verschiedene Bedeutungen.
Grundwortschatz in verschiedenen Kommunikationsbereichen
Ein Grundwortschatz kann auch für die einzelnen Kommunikationsfelder einer Sprachgemeinschaft getrennt bestimmt werden, etwa für die verschiedenen Fachgebiete oder Soziolekte. Solche Ansätze sind sinnvoll, wenn es um die Didaktik bestimmter Fachsprachen oder um sprachsoziologische Fragen geht. Bei Fachsprachen kommt man zu ähnlichen Dimensionen, wie sie bereits oben für die Standardsprache angeführt wurden: mit den 1100–1200 häufigsten Wörtern kann man „durchschnittlich 80–90 % eines jeden Textes“<ref>Lothar Hoffmann: Kommunikationsmittel Fachsprache. Eine Einführung. Zweite völlig neu bearbeitete Auflage. Narr, Tübingen 1985, S. 132. ISBN 3-87808-771-3.</ref> verstehen. Eine besondere Bedeutung hat der Grundwortschatz in der Diskussion um methodische Konzepte für den Rechtschreibunterricht.<ref>Brinkmann 1997; 2013</ref> Allerdings werden hier auch die Grenzen dieses Ansatzes deutlich. So zeigen verschiedene Untersuchungen, dass sich als besonders häufig nur 100-300 (Funktions-)Wörter auszeichnen lassen, bei den Inhaltswörtern flacht die Kurve stark ab, d. h. das 900. Wort ist nur unwesentlich häufiger als 700; außerdem sagt der Anteil eines Wortes in einem Textkorpus insgesamt nichts über seine Verwendungsbreite aus, z. B. wenn wenige Schreiber ein Wort häufig nutzen.<ref>Brügelmann u. a. 1994</ref> Vorgeschlagen wird deshalb, nur einen gemeinsamen Kernwortschatz von ungefähr 250 Wörtern vorzugeben und diese zu ergänzen durch ebenfalls je 250 themenbezogene Klassenwörter und 250 individuell wichtige Wörter, die genauso gut als Modellwärter für typische Rechtschreibmuster dienen könnten.<ref>Brinkmann 2014</ref> Ein solches interessengeleitetes Rechtschreiblernen sei zudem effektiver.<ref>Richter 1998; 2013</ref> Außerdem täuschen Zahlen wie „Die 100 häufigsten Wörter decken zwei Drittel der laufenden Texte ab“; denn bei vielen Wörtern liegen die Probleme in den abgeleiteten Formen (vgl. etwa „sah“ oder „sieht“ zu „sehen“). Diese müssen oft gesondert gelernt werden, so dass aus einem scheinbar kleinen Grundwortschatz von 750 Wörtern rasch mehr als 1.000 zu lernende Wortformen werden. Insofern ist der Rechtschreibunterricht wesentlich breiter anzulegen und in diesem kann das Üben häufiger Wörter nur einen begrenzten Beitrag leisten.<ref>Bartnitzky 2011; 2013</ref>
Wortlisten in der Glottochronologie
Die Glottochronologie entwickelte für ihre sprachhistorischen Fragen Listen von Grundwörtern, die möglichst unabhängig von kulturellen Einflüssen sein und sich daher als historisch möglichst stabil erweisen sollten. Aufgrund der Verfallsraten dieser Wörter sollten die Verwandtschaftsverhältnisse zwischen Sprachen bestimmt werden. Der Ansatz darf im Wesentlichen als gescheitert angesehen werden.
Siehe auch
Literatur
- Anderer, C., u. a. (2014): Hinweise und Beispiele für den Rechtschreibunterricht an Hamburger Schulen. An der Sache orientiert, vom Lerner aus gedacht. Handreichung. Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung: Hamburg.
- Bartnitzky, H. (2011): Sprachunterricht heute. Cornelsen Scriptor: Berlin (15. Auflage).
- Bartnitzky, H. (2013): Rechtschreiblernen ohne Lehrgangsdidaktik. In: Grundschule aktuell, H. 124, 3–8.
- Brinkmann, E. (1997): Rechtschreibgeschichten – Zur Entwicklung einzelner Wörter und orthographischer Muster über die Grundschulzeit hinweg. Bericht No. 35 des Projekts OASE, FB 2 der Universität: Siegen (2. Aufl. 2002), 98 ff.
- Brinkmann, E. (2013): Wie kann man Kinder auf dem Weg zum Rechtschreiben unterstützen? Stärken und Schwächen verschiedener Konzeptionen des Rechtschreibunterrichts. In: Grundschule aktuell, H. 123, 9–13.
- Brinkmann, E. (2014): Schreiben lernen, Schreiblernmethoden und Rechtschreiben lernen in der Grundschule. Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg: Ludwigsfelde-Struveshof. Download: http://bildungsserver.berlin-brandenburg.de/fileadmin/bbb/unterricht/faecher/sprachen/deutsch/schreiben_rechtschreiben/Konzeptionelle_Grundlagen_Rechtschreibunterricht.pdf
- Brügelmann, H., u. a. (1994): Häufigkeit vs. Bedeutsamkeit. Oder: Was macht eine Wortauswahl zum Grundwortschatz? In: Brügelmann, H./ Richter, S. (Hrsg.) (1994): Wie wir recht schreiben lernen. Zehn Jahre Kinder auf dem Weg zur Schrift. Libelle Verlag: CH-Lengwil (2. Aufl. 1996), 169–176.
- Krohn, D. (1992): Grundwortschätze und Auswahlkriterien. Acta Universitatis Gothoburgensis: Göteborg.
- Kühn, P. (1979): Der Grundwortschatz. Bestimmung und Systematisierung. Reihe germanistische Linguistik, Bd. 17. Niemeyer: Tübingen.
- Kühn, P. (1990): Das Grundwortschatzwörterbuch. In: Franz Josef Hausmann, Oskar Reichmann, Herbert Ernst Wiegand, Ladislav Zgusta (Hrsg.): Wörterbücher. Dictionaries. Dictionnaires. Ein internationales Handbuch zur Lexikographie. Berlin, New York: de Gruyter, S. 1353–1364.
- Lewandowski, T. (1985): Linguistisches Wörterbuch. 4., neu bearbeitete Aufl. Quelle & Meyer: Heidelberg, Stichwort „Grundwortschatz“.
- Pfeffer, J. A. (1975) Grunddeutsch. Erarbeitung und Wertung dreier deutscher Korpora. Ein Bericht aus dem ‚Institute for Basic German‘ – Pittsburgh.. Narr:, Tübingen.
- Richter, S. (1998): Interessenbezogenes Rechtschreiblernen. Methodischer Leitfaden für den Rechtschreibunterricht in der Grundschule. Westermann: Braunschweig.
Weblinks
Einzelnachweise
<references />