Erdrutsch
Ein Erdrutsch ist das Abgleiten größerer Erd- und Gesteinsmassen, meistens ausgelöst durch starke Niederschläge (langandauernder Regen oder Starkregen) und das dadurch bedingte Eindringen von Wasser zwischen vorher gebundene Bodenschichten. Durch die Schwerkraft und die Verminderung der Haftreibung zwischen den Bodenschichten rutscht der Hang (bei ausreichend großer Hangneigung) ab. Ein großer Erdrutsch wird auch Bergrutsch genannt; wenn kleine Flächen betroffen sind, auch Hangrutsch oder Hangrutschung.
Ein Erdrutsch unterscheidet sich vom Bergsturz durch die geringere Geschwindigkeit.
Inhaltsverzeichnis
Ursachen
Die häufigste Ursache ist, dass der Erdboden am Hang zu große Mengen an Wasser, beispielsweise infolge heftiger Gewitterregen oder durch Schneeschmelze, aufgenommen hat. Wegen zu geringer innerer Haftreibung folgt daraus ein Verlust der Stabilität entlang einer Gleitfuge.
Andere mögliche Ursachen sind
- Erdbeben
- ganz allgemein tektonische Bewegungen
- Erosion durch Wind und Frost
- Starke Abholzung des bestehenden Waldes (Absterben und Verrottung von den Boden stabilisierenden Wurzeln)
- Auftauen des Permafrostbodens im Hochgebirge oder von Methanhydrat (Storegga-Effekt) an Kontinentalhängen wegen der Klimaerwärmung
- Schädigung des Erdbodens durch ausgedehnten Bergbau
Das Risiko eines Erdrutsches ist abhängig von:
- der Wasserdurchlässigkeit und Wasseraufnahmefähigkeit der Bodenschichten,
- dem Gefälle des Geländes,
- dem Vorhandensein oder Fehlen einer schützenden Vegetation, deren Wurzelwerk die Bodenkrume zusammenhält,
- dem Vorhandensein rutschiger Grenzflächen, beispielsweise entlang von Tonschichten.
Formen des Erdrutsches
Ein Erdrutsch bewegt sich meist in komplexer, rotierender Bewegung nach unten. Je nach Entstehungsort können auch Bäume, Eis- oder Schneemassen oder Bestandteile menschlicher Bauwerke zum Materialstrom beitragen.
Besondere Formen des Erdrutsches sind:
- Der Erdschlipf oder die Rutschung, bei der Erdmaterial entlang einer Schwächezone als Block abrutscht
- Die Sackung oder Rotationsrutschung, bei der ein Bodenkörper in einer kreisförmigen Bahn um eine zum Hang orthogonale Achse abgleitet
- Die Hangmure, bei der als Folge von starken Niederschlägen Wasser gesättigtes Erdmaterial spontan abrutscht und in Form eines Murgangs relativ weite Strecken zurücklegt
- Der Schuttstrom, bei dem Wasser und Schutt plötzlich und kanalisiert (z.B. in einem Bachbett) freigesetzt werden (Murgang)
Beispiele für Erdrutsche
Typ | Datum | Ort | Ursache | Schäden | ||
---|---|---|---|---|---|---|
Erdrutsch | 1920 | Gansu, China | Erdbeben | Beim Erdrutsch in Gansu gab es mehr als 200.000 Tote | ||
Steinrutschung | 12. April 1983 | am „Hirschkopf“ am Albtrauf bei Mössingen, Baden-Württemberg, Deutschland | Auf einer Fläche von rund 50 Hektar brachen 5 bis 6 Millionen Kubikmeter Gestein ab und rutschten samt Wald und Waldweg in die Tiefe, ein Vorgang, der schon seit Jahrtausenden den Trauf der Schwäbischen Alb, der einstmals bis in die Nähe von Stuttgart reichte, immer weiter zurückweichen lässt. | |||
Bergrutsch | Abend des 11. Dezember 2004<ref>http://www.bergrutsch-steinbergen.de/</ref> | Steinbruch Steinbergen, Steinbergen, Niedersachsen, Deutschland | Ein etwa 300 m langer und bis zu 50 m breiter keilförmiger Block rutschte aus dem Kamm des Messingberges (Wesergebirge/Niedersachsen) nach Norden ab. | Felsmassen in der Größenordnung von ca. 1 Million Tonnen stürzten lawinenartig bis zu 300 m weit in den vorgelagerten Steinbruch. Tiefe Risse und Spalten haben sich auch auf der Südseite des Berges gebildet. Weitere Klippenformationen (Mönch und Nonne), die den Kamm bilden, sind gefährdet ebenso abzurutschen. Negative Auswirkungen auf wertvolle Wald- und Naturbereiche dieses touristisch genutzten Erholungsraumes im Weserbergland sind zu erwarten. | ||
Erdrutsch | Morgen des 18. Juli 2009 gegen ca. 4:40 Uhr | Concordiasee im Harzvorland in Sachsen-Anhalt | Kleines Erdbeben | Ein etwa 350 mal 150 Meter breiter Landstreifen rutschte in den entstehenden See beim großen Erdrutsch am Concordiasee. | ||
Erdrutsche und Murgänge | ab dem 11. Januar 2011 | Erdrutsche und Murgänge in Rio de Janeiro | ||||
Erdrutsch | 20. Dezember 2015 | Shenzhen, Gewerbegebiet Neu-Guangming, China | Anhaltende Regenfälle | Aus einem künstlichen ca. 100 Meter hohen Abfallberg löste sich eine Schlammlawine, eine eine Fläche von über 380000 Qudratmeter bedeckte; über 85 Menschen wurden seither vermisst. |
Mögliche Gegenmaßnahmen
Hangrutschungen lassen sich kaum verhindern, aber bei nicht allzu großen Erdmassen oder langsamer Bewegung in ihrer Wirkung mildern. Wichtigster Punkt dabei ist, das Wasser aus dem Hang zu entfernen. Dabei gibt es unterschiedliche Maßnahmen, unter anderem:
- Einbauen von Drainagen, entweder oberflächenhaft oder tief in den Untergrund hinein (z.B. Drainageanker);
- vorbeugende Einbauten in den gefährdeten Untergrund – analog zur Wildbach- und Lawinenverbauung;
- kurzfristige Stabilisierung bewegter Hänge durch Beton- und Stahlbewehrung (z.B. Panzerigel);
- bei kleinen Ausmaßen auch Stabilisierung durch Sandsäcke;
- großflächiges Abdecken kritischer Hangbereiche durch Planen, um weiteres Eindringen von Regenwasser zu verhindern.
- Ein Schutzwald bietet häufig eine wirksame Sicherung. Die Wurzeln der Bäume verfestigen den Boden und regulieren den Wasserhaushalt.
- Auch Rasensaaten stabilisieren den Hang mit ihren feinen und stark verzweigten Wurzeln.
- Abflachen des Hangs.
Diese Maßnahmen sind jedoch machtlos gegen Erdrutsche, bei denen sich Millionen Kubikmeter Erde lösen. Die beste Maßnahme gegen diese Erdrutsche ist die Vorbeugung.
- Verbote hindern Menschen daran, in gefährdeten Gebieten zu siedeln.
- Aufmerksamkeit kann eine Vorwarnzeit bis zum tatsächlichem Erdrutsch gewährleisten und eine rechtzeitige Evakuierung ermöglichen.
Tsunamis durch Erdrutsche
Ein Erdrutsch ist eine häufig vorkommende, aber in der Regel lokale Naturkatastrophe. Auf das betroffene Ökosystem wirkt er als Störung und öffnet Rohboden für die Wiederbesiedelung sowie einen Neustart der Sukzession.
Erdrutsche im Meer oder in Seen können dagegen Tsunamis auslösen und dadurch auch in größerer Entfernung Zerstörungen verursachen. Bei entsprechenden Größe des Erdrutsches kann die Flutwelle an benachbarten Küstenhängen Höhen von mehreren hundert Metern erreichen (Megatsunami).<ref>World's Tallest Tsunami</ref>
Vor den Inseln Hawaiis befinden sich große Schuttfächer, die durch Flankenabbrüche der Vulkane entstanden sind. Flankenabbrüche mit gefährlichen Tsunamis gibt es dort nach Schätzungen von Wissenschaftlern etwa alle 100.000 Jahre.<ref>Peter Cervelli: Die Bedrohung durch stille Erdbeben. In: Spektrum der Wissenschaft, Juni 2004 (PDF).</ref>
Einige Erdrutsche mit Tsunamis sind in der Liste von Tsunamis angegeben.
Literatur
- Kyoji Sassa, Badaoui Rouhban, Sálvano Briceño (Hrsg.): Landslides : global risk preparedness, Berlin ; Heidelberg : Springer 2013, ISBN 978-3-642-22086-9.
Weblinks
- "Berge auf Talfahrt" – Artikel über ein innovatives Erdrutsch-Frühwarnsystem auf dem Geowissenschaften-Portal planeterde
- Erdrutsch: Die unterschätzte Gefahr, hitec (3sat) vom 12. April 2010
- Gefährdung der Weserbergkette durch Gesteinsabbau
- waldwissen.net: Faustformel für die Abschätzung der Volumen von Rutschungen
- Informationsplattform zum Umgang mit Naturgefahren in der Schweiz: Hangmure
Einzelnachweise
<references></references>