Heinrich von Srbik
Heinrich Ritter von Srbik (* 10. November 1878 in Wien; † 16. Februar 1951 in Ehrwald, Tirol) war ein österreichischer Historiker.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Heinrich von Srbik wurde während seines Studiums in Wien 1899 Mitglied der Burschenschaft Gothia.<ref>Ernst Elsheimer (Hrsg.): Verzeichnis der Alten Burschenschafter nach dem Stande vom Wintersemester 1927/28. Frankfurt am Main 1928, S. 499.</ref> Er begann seine Professorenlaufbahn nach Studien an der Universität Wien (Promotion 1901<ref>Katalogzettel Universitätsbibliothek Wien</ref>) mit der Ernennung 1912 zum außerordentlichen Professor für Allgemeine Geschichte an der Universität Graz, 1917 wurde er zum ordentlichen Professor für neuere Geschichte und Wirtschaftsgeschichte ernannt, 1922 erfolgte seine Berufung zum Ordinarius für Geschichte der Neuzeit an die Universität Wien. Zu seinen Studenten gehörten der Schriftsteller Heimito von Doderer, der Student der Rechtswissenschaften und spätere Bundeskanzler Josef Klaus sowie der Historiker Taras Borodajkewycz.
Heinrich von Srbiks Arbeit über Klemens Wenzel Lothar von Metternich gilt noch immer als ein Standardwerk zum Thema. Er prägte den Begriff Metternichsches System. Srbik sah Metternich als einen Konservativen aus vorrevolutionärer Zeit, der auf die Verteidigung des monarchisch-ständischen gegenüber dem revolutionär-egalitären Prinzip abzielte. Auch wenn er die „reine Monarchie“ propagierte und das konstitutionelle System ablehnte, war er nach Srbik doch auch Feind einer monarchischen Willkürherrschaft. Diese war für Metternich vielmehr an das Recht gebunden.<ref>Wolfgang Fleischer: Heimito von Doderer - Das Leben - Das Umfeld des Werks in Fotos und Dokumenten. Verlag Kremayr & Scheriau, Wien 1995, ISBN 3-218-00603-1, S. 77.</ref>
Vom 16. Oktober 1929 bis zum 30. September 1930 bekleidete er das Amt des österreichischen Unterrichtsministers im Kabinett von Johann Schober.
Srbik stand für eine „gesamtdeutsche Geschichtsauffassung“; zum deutschen Reichsgedanken existiert ein Schriftverkehr zwischen Srbik und Arthur Seyß-Inquart. In einer Rede vom 27. April 1938 begrüßte er den „Anschluss Österreichs“ an das Deutsche Reich als die „Verwirklichung des tausendjährigen Traums der Deutschen“. Während der nationalsozialistischen Herrschaft von 1938 bis 1945 war Srbik Mitglied des „Großdeutschen Reichstags“ in der Fraktion der NSDAP.<ref>Kienast Ernst: Der Großdeutsche Reichstag: 4. Wahlperiode (nach dem 30. Januar 1933) - Mit Zustimmung des Herrn Reichstagspräsidenten. von Decker, Berlin 1938, S. 413, 543.</ref>
Nach dem „Anschluss“ war Srbik der NSDAP beigetreten,<ref>Günter Fellner: Die Österreichische Geschichtswissenschaft vom „Anschluss“ zum Wiederaufbau. In: Kontinuität und Bruch 1938 - 1945 - 1955: Beiträge zur österreichischen Kultur- und Wissenschaftsgeschichte. Geyer, Wien 2004, S. 135-156.</ref> wobei die Partei ihn durch Zuteilung einer Mitgliedsnummer, die ihn als „Altparteigenossen“ ehrte, aufgenommen hatte.<ref>Zur Praxis der Mitgliedsnummernvergabe: Gerhard Botz: Nationalsozialismus in Wien. Machtübernahme und Herrschaftssicherung 1938/39. Buchloe 3.Aufl. 1988, S. 210“</ref> Dem klassischen Bild eines kämpferischen Nationalsozialisten entsprach er jedoch nicht, denn das Gauschulungsamt Wien urteilte folgendermaßen: „Keine aktive Mitarbeit in der Ortsgruppe“, außerdem: „Er lehnt eine Bewertung rassischer Triebkräfte in der Geschichte ab.“<ref> Graf-Stuhlhofer: Opportunisten, S. 154 und 157. Dort wird auch Srbiks Mitgliedsnummer angegeben: 6.104.788, mit Aufnahmedatum 1. Mai 1938. </ref> Das Amt Rosenberg schätzte ihn am 11. September 1942 folgendermaßen ein: „Als Forscher und Charakter nicht zu beanstanden. Seine Geschichtsauffassung beruht jedoch zu sehr auf dem universellen Reichsgedanken“.<ref>Zitiert bei: Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, Frankfurt am Main 2007, S. 593</ref>
Während der Jahre 1938 bis 1945 war Srbik Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.<ref>Franz Graf-Stuhlhofer: Die Akademie der Wissenschaften in Wien im Dritten Reich, in: Christoph J. Scriba (Hg.): Die Elite der Nation im Dritten Reich. Das Verhältnis von Akademien und ihrem wissenschaftlichen Umfeld zum Nationalsozialismus (= Acta historica Leopoldina 22), Halle a.d. Saale 1995, S.133-159.</ref> Dabei versuchte er, der Akademie ihren wissenschaftlichen Freiraum zu erhalten, und scheute auch Konflikte mit NS-Autoritäten nicht. Als z.B. die NSDAP-Reichspressestelle die Bezeichnung „Archiv für österreichische Geschichte“ beanstandete, verteidigte Srbik diesen Namen erfolgreich. 1936 wurde er als korrespondierendes Mitglied in die Preußische Akademie der Wissenschaften aufgenommen.<ref>Mitglieder der Vorgängerakademien. Heinrich Ritter von Srbik. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 19. Juni 2015. </ref> Von 1937 bis 1946 war er Mitglied des Senats der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft.
Srbik war von 1942 bis 1945 auch Präsident der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde er 1945 aus politischen Gründen aus dem Hochschuldienst entlassen und geriet danach an seinem Wohnort Ehrwald/Tirol kurzfristig in französische Haft.<ref>Walther Killy: Deutsche Biographische Enzyklopädie. 9, Saur, München 1988, S. 324.</ref>
1951 war er als Kandidat des VdU für die Wahl zum Bundespräsidenten im Gespräch; Srbik starb jedoch noch vor einer eventuellen Nominierung.<ref>Lothar Höbelt: Von der vierten Partei zur dritten Kraft. Die Geschichte des VdU. Leopold Stocker Verlag, Graz/Stuttgart 1999, ISBN 3-7020-0866-7, S. 144</ref>
Auszeichnungen und Ehrungen
- Großes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich
- 1935 Wolfgang-Amadeus-Mozart-Preis
- 1936 Dr. rer. pol. h.c. Universität Heidelberg
- 1936 Österreichisches Ehrenzeichen für Kunst und Wissenschaft
- 1938 Ehrenbürger der Universität zu Köln
- Ehrenmitglied des Reichsinstituts für Geschichte des neuen Deutschlands<ref name="Klee593">Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, Frankfurt am Main 2007, S. 593</ref>
- 1944 Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft<ref name="Klee593"/>
- Die Gemeinde Ehrwald hat eine Straße nach Srbik benannt: Dr.-Heinrich-Srbik-Weg
Werke (Auswahl)
- Wallensteins Ende, Wien 1920.
- Metternich. Der Staatsmann und der Mensch, München 1925 (2 Bände).
- Das österreichische Kaisertum und das Ende des Heiligen Römischen Reiches, Berlin 1927.
- Quellen zur deutschen Politik Österreichs 1859-1866, Oldenburg 1934–1938 (5 Bände).
- Deutsche Einheit. Idee und Wirklichkeit vom Heiligen Reich bis Königgrätz, München 1935–1942 (4 Bände).
- Österreich in der deutschen Geschichte, München 1936.
- Aus Österreichs Vergangenheit, Salzburg 1948.
- Geist und Geschichte vom deutschen Humanismus bis zur Gegenwart, Salzburg / München 1950.
Literatur
- Fritz Fellner/Doris A. Corradini: Österreichische Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert. Ein biografisch-bibliographisches Lexikon (Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs, Bd. 99), Wien 2006, S. 385f, ISBN 3-205-77476-0
- Fritz Fellner: Srbik, Heinrich Ritter von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 24, Duncker & Humblot, Berlin 2010, ISBN 978-3-428-11205-0, S. 773–775 (Digitalisat).
- Fritz Fellner: Heinrich Ritter von Srbik (1878–1951), in: Hartmut Lehmann u. James Sheehan (Hrsg.): Paths of Continuity. Central European Historiography from the 1930s to the 1950s. Washington D.C. 1994, S. 171–186.
- Franz Graf-Stuhlhofer: Opportunisten, Sympathisanten und Beamte. Unterstützung des NS-Systems in der Wiener Akademie der Wissenschaften, dargestellt am Wirken Nadlers, Srbiks und Meisters. In: Wiener Klinische Wochenschrift 110 (1998) Heft 4-5 (= Themenheft Zum 60.Jahrestag der Vertreibung der jüdischen Kollegen aus der Wiener medizinischen Fakultät), S. 152–157.
- Jürgen Kämmerer (Hg.): Heinrich Ritter von Srbik. Die wissenschaftliche Korrespondenz des Historikers 1912–1945, Boppard am Rhein 1988, ISBN 3-7646-1872-8
- Karen Schönwälder: Heinrich von Srbik. "Gesamtdeutscher" Historiker und "Vertrauensmann" des nationalsozialistischen Deutschland, in: Doris Kaufmann (Hg.): Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus. Bestandsaufnahmen und Perspektiven der Forschung, Göttingen 2000, S. 528–544.
- Gesamtdeutsche Vergangenheit. Festgabe für Heinrich Ritter von Srbik zum 60. Geburtstag am 10. November 1938. München 1938.
- Michael Derndarsky: Österreich und die „Deutsche Einheit“. Studien zu Heinrich von Srbik und seiner gesamtdeutschen Geschichtsauffassung. Ungedruckte Habil.-Schrift, Klagenfurt 1989.
- Jan Zimmermann: Die Kulturpreise der Stiftung F.V.S. 1935–1945. Darstellung und Dokumentation. Hamburg 2000 (zu Srbik als Träger des „Wolfgang Amadeus Mozart-Preises“ von 1935, bestimmt für das „bairische Stammestum des Alpenraumes“ sowie als Kuratoriumsmitglied des „Prinz Eugen von Savoyen-Preises“).
- Erich Stockhorst: 5000 Köpfe. Wer war was im Dritten Reich. Arndt, Kiel 2000, ISBN 3-88741-116-1.
- Robert Wistrich: Wer war wer im Dritten Reich?, Fischer Tb., Frankfurt/M. 1987, ISBN 3-596-24373-4
Nachrufe
- Werner Näf: Heinrich Ritter von Srbik (1878–1951); in: Historische Zeitschrift (HZ) 173 (1952), S. 95–101.
- Jacques Droz: Heinrich von Srbik †, in: Revue Historique 207 (1952), S. 171f.
- Silvio Furlani: La scomparsa di un grande storico: Heinrich von Srbik, in: Nuova Rivista Storica 35 (1951), S. 166–172.
- Hugo Hantsch: Heinrich v. Srbik †, in: Wissenschaft und Weltbild 34 (1951), S. 131f.
- Theodor Schieder: Heinrich von Srbik †, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 2 (1951), S. 129–132.
- Franz Schnabel: Heinrich Ritter von Srbik. 10.11.1878-16.2.1951, in: Bayerische Akademie der Wissenschaften. Jahrbuch 1951 (München 1952), S. 163–170.
- Wilhelm Schüssler: Zum Gedächtnis Heinrichs Ritter von Srbiks (1878–1951), in: Südostforschungen 12 (1953), S. 287–291.
- Adam Wandruszka: Heinrich Ritter von Srbik †, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 59 (1951), S. 228–236.
Weblinks
- Ausgewählte Literatur von Heinrich von Srbik in der Bibliothek der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (PDF; 49 kB)
- Eintrag zu Heinrich von Srbik in: Austria-Forum, dem österreichischen Wissensnetz – online (in AEIOU Österreich-Lexikon)
- Literatur von und über Heinrich von Srbik im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Heinrich von Srbik in der Datenbank der Reichstagsabgeordneten
Einzelnachweise
<references/>
Unterrichtsminister – Erste Republik: Pacher | Renner | Eldersch | Breisky | Glanz | Breisky | Waber | Breisky | Schneider | Resch | Rintelen | Schmitz | Czermak | Schober | Srbik | Czermak | Rintelen | Schuschnigg | Pernter | Menghin
Unterrichtsminister – Zweite Republik: Fischer | Hurdes | Kolb | Drimmel | Piffl-Perčević | Mock | Gratz | Sinowatz | Zilk | Moritz | Hawlicek | Scholten | Busek | Gehrer | Schmied | Heinisch-Hosek
Wissenschaftsminister (1970–2000): Firnberg | Fischer | Tuppy | Busek | Scholten | Einem
Bildungsminister (2000–2007): Gehrer
Wissenschaftsminister (seit 2007): Hahn | Karl | Töchterle | Mitterlehner
Personendaten | |
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NAME | Srbik, Heinrich von |
ALTERNATIVNAMEN | Srbik, Heinrich Ritter von (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | österreichischer Historiker und Politiker (NSDAP), MdR |
GEBURTSDATUM | 10. November 1878 |
GEBURTSORT | Wien |
STERBEDATUM | 16. Februar 1951 |
STERBEORT | Ehrwald |