Kleinkastell Heidenstock
Kleinkastell Heidenstock | ||||||
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Alternativname | Zwischenkastell Heidenstock, Wp 57 | |||||
Limes | ORL -- (RLK) | |||||
Strecke (RLK) | Obergermanischer Limes, Strecke 3 Hochtaunusstrecke | |||||
Datierung (Belegung) | wohl Mitte 2. Jahrhundert bis spätestens 259/260 n. Chr. | |||||
Typ | Kleinkastell | |||||
Einheit | unbekannte Vexillatio | |||||
Größe | 19,40 × 23,40 m (= 0,04 ha) | |||||
Bauweise | Stein | |||||
Erhaltungszustand | Das Mauerwerk an der Nordecke ist sichtbar konserviert, der Rest unter einem Erdwall geschützt. | |||||
Ort | Bad Homburg vor der Höhe | |||||
Geographische Lage | 50° 15′ 13,5″ N, 8° 30′ 46,4″ O {{#coordinates:50,25375|8,5128888888889|primary | dim=200 | globe= | name= | region=DE-HE | type=landmark
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Höhe | 610 m ü. NHN | |||||
Vorhergehend | Kleinkastell Altes Jagdhaus (südwestlich) | |||||
Anschließend | ORL 11 Kastell Saalburg (nordöstlich) |
Das Kleinkastell Heidenstock ist ein ehemaliges römisches Militärlager das am Obergermanisch-Rätischen Limes, einem UNESCO-Weltkulturerbe, auf seinem Verlauf durch den Naturraum Hoher Taunus errichtet wurde. Die Fortifikation befindet sich rund fünf Kilometer südwestlich vom Kastell Saalburg entfernt in einer bewaldeten und unbewohnten Exklave des Bad Homburger Ortsteils Ober-Eschbach im hessischen Hochtaunuskreis.
Inhaltsverzeichnis
Lage
Die gut sichtbare Anlage liegt im Taunus an der Grenze der Städte Bad Homburg vor der Höhe und Neu-Anspach. Nahe dem zu Ober-Eschbach gehörenden Kleinkastell befinden sich das auch zu Bad Homburg zählende Dornholzhausen und das zu Schmitten gehörende Arnoldshain. Im Naturpark Taunus liegt die Fortifikation auf rund 610 m ü. NHN<ref name="DE_BFN-Karten">Kartendienste des Bundesamtes für Naturschutz (Hinweise)</ref> am Eichkopf (620,2 m), einem Nordostsporn des Klingenkopfs (682,7 m). Vorbei führt im Abschnitt zwischen dem Kastell Saalburg und dem Taunuspass am Sandplacken (ca. 669 m) der Limes mit dem Limeswanderweg.
Durch seine tiefere Lage vor der Höhe des Eichkopfs bestand für die Besatzung des Kleinkastells und der umliegenden Türme lediglich beschränkte Sicht auf das Limesvorland. Diese Einschränkung gilt für viele Bereiche der römischen Grenzanlagen im Taunus, da sich der Limes dort zwar grundsätzlich an den Gebirgskämmen orientiert, zumeist aber etwas unterhalb der höchsten Erhebungen bleibt. Mit einer Verlegung nur wenige Meter höher hätten die Soldaten alle wichtigen strategischen und taktischen Vorteile auf ihrer Seite gehabt. Der Verzicht auf die bessere topographische Lage – zumindest während der frühen Bauphase zur Zeit der Anlage der Sperranlagen – lässt sich vierorts nicht erklären und bleibt spekulativ. Für den Altertumswissenschaftler Theodor Mommsen (1817–1903) blieb der teilweise ungünstige Limesverlauf „befremdlich“.<ref>Stefan Rebenich, Gisa Franke (Hrsg.): Theodor Mommsen und Friedrich Althoff. Briefwechsel 1882–1903. Oldenbourg, München 2012, ISBN 978-3-486-70104-3, S. 490.</ref> Spätere Versuche, eine militärisch günstigere Grenzziehung zu suchen, lassen sich nur für wenige Teilbereiche im Taunus belegen.
Forschungsgeschichte
Jacobi und Cohausen ergruben die Baureste im Juli 1892, dem Jahr der Gründung der Reichs-Limeskommission. Damals war die Umfassungsmauer noch bis zu 1,80 Meter hoch erhalten. Nach der Untersuchung wurde die Mauer westlich des Eingangs bis auf eine Höhe von 2,20 Metern „frisch aufgesetzt“.<ref name="Fabricius_1936_118">Ernst Fabricius, Felix Hettner, Oscar von Sarwey (Hrsg.): Der obergermanisch-raetische Limes des Roemerreiches/Abt. A, Band 2,1. Die Strecken 3 bis 5. Petters; Heidelberg, Berlin und Leipzig 1936, S. 39 sowie Tafel 8, Abb. 6, S. 118.</ref> Weitgehend in diesem Zustand befand sich die Anlage auch noch 1932.<ref name="Fabricius_1936_118" /> Das Ergebnis des massive Steinraubs, den das Kleinkastell später erfuhr, wird erst lange nach dem Zweiten Weltkrieg dokumentiert. Der Archäologe Dietwulf Baatz berichtet 1972 und 1993 von einer deutlich sichtbaren, zerfallenen Steinmauer.<ref name="Baatz_1972_175">Dietwulf Baatz: Der Limes von der Saalburg zum Feldbergkastell. In: Kurt Böhner: Führer zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern. Hochtaunus, Bad Homburg, Usingen, Königstein, Hofheim. Band 21, von Zabern, Mainz 1972, S. 175.</ref><ref>Dietwulf Baatz: Der römische Limes. Archäologische Ausflüge zwischen Rhein und Donau. Mann, Berlin 1993, ISBN 3-7861-1701-2, S. 134; Margot Klee: Der Limes zwischen Rhein und Main. Theiss, Stuttgart 1989, ISBN 3-8062-0276-1, S. 77 (Foto).</ref> Im Zuge der geplanten Neugestaltung des Areals wurde 2008 zunächst der über dem Kastellareal stehende Wald gerodet. Die eigentliche Neukonservierung und eine geringfügige Aufmauerung der Nordecke auf das Nachkriegsniveau fand im Frühjahr 2009 statt.<ref>Kastell Heidenstock – Damenbesuch am Limes. In: Frankfurter Rundschau. 21. April 2009; abgerufen am 16. August 2014.</ref> Der Rest der Wehrmauer wird durch eine Erdanschüttung vor erneuten Zerstörungen gesichert.
Der Name „Heidenstock“ zeugt davon, dass die kleine Befestigung schon lange im Bewusstsein der örtlichen Bevölkerung verankert ist. Die Bezeichnung fußt in der falschen Annahme, es handle sich bei den Mauerresten um eine Zollstation (Zollstock), der heidnischen Römer. Trotz seiner abgelegenen Lage kreuzte in der Nachbarschaft des Kleinkastells der sogenannte „Metzgerpfad“ Limes und Taunushauptkamm. Es handelt sich dabei um eine Altstraße, die das Usinger Land mit dem Vordertaunus verband. Daher die Vorstellung einer Zollstelle. In der frühen Limesliteratur wird die kleine Befestigung durch ihre Ausgräber, Louis Jacobi (1836–1910) und Karl August von Cohausen (1812–1894), auch „Am Einsiedel“ genannt. Die Reichs-Limeskommission entschied sich jedoch für die Bezeichnung Heidenstock.<ref>Alexander Wächtershäuser: Mehr als „nur“ römische Geschichte. Die Namen der Limeskastelle. In: Jahrbuch des Hochtaunuskreises 2009. ISBN 978-3-7973-1110-8, S. 126.</ref><ref name="Fabricius_1936_118" />
Baugeschichte
Die rechteckige Fortifikation wurde um die Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. errichtet,<ref>Margot Klee: Der römische Limes in Hessen. Geschichte und Schauplätze des UNESCO-Welterbes. Pustet, Regensburg 2009, ISBN 978-3-7917-2232-0, S. 99–103.</ref> möglicherweise, um die Grenzlinie nachträglich zu verstärken.<ref>Dietwulf Baatz, Fritz-Rudolf Herrmann (Hrsg.): Die Römer in Hessen, Theiss, Stuttgart 1982, ISBN 3-8062-0267-2, S. 391.</ref> Das Kastellareal umfasst 19,40 × 23,40 Meter<ref name="Cohausen_1893_26">Karl August von Cohausen: Römische Altertümer. In: Annalen des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung 25, Berchtold & Comp., Wiesbaden 1893, S. 25–36; hier, S. 26.</ref> (440 Quadratmeter) und liegt rund zwölf Meter hinter den Grenzanlagen des Limes. Heidenstock besitzt die für Garnisonsplätze der Prinzipatszeit typischen abgerundeten Ecken der Umfassungsmauer<ref name="Fabricius_1936_118" /> (Spielkartenform). Die Stärke dieser Mauern wurde mit 1,90, zwei bis 2,05 Metern eingemessen.<ref name="Cohausen_1893_26" /> Zur Sicherung des Vorfeldes besaß das Kleinkastell vor einer rund einen Meter breiten Berme einen vier Meter breiten Graben, der noch rund 1,20 Meter tief erhalten war und vor dem einzigen, nordwestlich orientierten Tor aussetzte. Der 3,10 Meter breite Zugang war dem Limes und damit dem Barbaricum zugewandt. Die Mauern wurde als mörtelloses Trockenmauerwerk aus grob bearbeiteten Bruchsteinen gesetzt.<ref name="Fabricius_1936_118" /> Das verwendete Steinmaterial bestand aus anstehendem Taunusquarzit<ref>Margot Klee: Der Limes zwischen Rhein und Main. Theiss, Stuttgart 1989, ISBN 3-8062-0276-1, S. 77.</ref> Um die Stabilität der Anlage zu erhöhen, könnten die Steine in Lehm gesetzt worden sein. Zur Innenbebauung gehörten zwei Fundamentreste weiterer Trockenmauern die sich in der Südwesthälfte fanden. Dort wurde von Jacobi auch eine Feuerstelle freigelegt, die fast unmittelbar an die Südostmauer lag. Der gleichfalls in der Südhälfte festgestellte Brandschutt, der mit großen Mengen Lehm vermischt war,<ref name="Fabricius_1936_118" /> lässt den Schluss zu, dass die römische Garnisonszeit mit einem Großfeuer endete.
Die Innenbebauung wird entsprechend besser bekannter Anlagen aus Fachwerk bestanden haben, die auf Trockenmauerwerk aufsaß. Der vorgefundene Lehm könnte somit in den Gefachen verarbeitet worden sein. Das Fehlen von Dachziegeln sahen Jacobi und Cohausen als Hinweis darauf, dass die Gebäudeabdeckung aus vergänglichem Material bestanden haben muss.<ref name="Cohausen_1893_26" />
Es ist davon auszugehen, dass die Besatzung aus einer kleinen Wachtabteilung von rund 20 Mann bestand hat. Diese könnte von der Saalburg hierher beordert worden sein.<ref name="Baatz_1972_175" />
- Kastell Heidenstock.JPG
Nach der Rodung, noch vor der Neukonservierung, 2008
- Kleinkastell Heidenstock 2.jpg
Die restaurierten Mauerstümpfe 2009
- Kleinkastell Heidenstock 1.jpg
Nordansicht mit dem antiken Zugang
- Kleinkastell Heidenstock 4.jpg
Eine der abgerundeten Ecken der Umfassungsmauer
- Kleinkastell Heidenstock 5.jpg
Ansicht über die Lagerfläche von Westen
Funde
Zum Fundgut, das die Reichs-Limeskommission feststellen konnte, gehörte je eine Bronzemünze aus der Regierungszeit der Kaiser Hadrian (117–138) und Mark Aurel (161–180).<ref name="Fabricius_1936_119">Ernst Fabricius, Felix Hettner, Oscar von Sarwey (Hrsg.): Der obergermanisch-raetische Limes des Roemerreiches/Abt. A, Band 2,1. Die Strecken 3 bis 5. Petters; Heidelberg, Berlin und Leipzig 1936, S. 39 sowie Tafel 8, Abb. 6, S. 119.</ref> Zur militärischen Ausrüstung gehörten eine Schanierfibel, eine Scheibenfibel und eine Hakenkreuzfibel, alle drei aus Weißmetall. Daneben wurde der 7,50 Zentimeter lange Rest eines Schwertscheidenbeschlages,<ref>Ernst Fabricius, Felix Hettner, Oscar von Sarwey (Hrsg.): Der obergermanisch-raetische Limes des Roemerreiches/Abt. A, Band 2,1. Die Strecken 3 bis 5. Petters; Heidelberg, Berlin und Leipzig 1936, S. 39 sowie Tafel 8, Abb. 6, S. 159.</ref> zwei eiserne Lanzenspitzen sowie eine vierkantige Pfeilspitze geborgen. Zu den Werkzeugen des täglichen Gebrauchs zählte ein Steinmetzhammer, die Reste eines Messers und einer Schere sowie ein Schiebeschlüssel.<ref>Ernst Fabricius, Felix Hettner, Oscar von Sarwey (Hrsg.): Der obergermanisch-raetische Limes des Roemerreiches/Abt. A, Band 2,1. Die Strecken 3 bis 5. Petters; Heidelberg, Berlin und Leipzig 1936, S. 39 sowie Tafel 8, Abb. 6, S. 160.</ref> Ein Mühlstein aus Mendiger Lava bewies, dass die Besatzung von Heidenstock, wie in der römischen Armee üblich, ihr angeliefertes Getreide selber mahlen musste.<ref name="Cohausen_1893_26" /> Neben gewöhnlicher Tonware gehörten Terra Sigillata-Fragmente zum Befund. Dazu zählte ein Sigillataboden, der den Stempel DOLCCVS F(ecit) (hergestellt von Dolccus) trug<ref name="Fabricius_1936_119" /> und in einer ostgallischen Töpferei hergestellt worden war.<ref>Ernst Fabricius, Felix Hettner, Oscar von Sarwey (Hrsg.): Der obergermanisch-raetische Limes des Roemerreiches/Abt. A, Band 2,1. Die Strecken 3 bis 5. Petters; Heidelberg, Berlin und Leipzig 1936, S. 39 sowie Tafel 8, Abb. 6, S. 158.</ref> Zwei durchbohrte blaue Glasperlen<ref>Ernst Fabricius, Felix Hettner, Oscar von Sarwey (Hrsg.): Der obergermanisch-raetische Limes des Roemerreiches/Abt. A, Band 2,1. Die Strecken 3 bis 5. Petters; Heidelberg, Berlin und Leipzig 1936, S. 39 sowie Tafel 8, Abb. 6, S. 165.</ref> aus der Fundliste lassen sich eher dem zivilen Leben zuordnen.
Denkmalschutz
Das Kleinkastell Heidenstock und die anschließenden Limesbauwerke sind als Abschnitt des Obergermanisch-Raetischen Limes seit 2005 Teil des UNESCO-Welterbes. Außerdem sind sie Bodendenkmale nach dem Hessischen Denkmalschutzgesetz. Nachforschungen und gezieltes Sammeln von Funden sind genehmigungspflichtig, Zufallsfunde an die Denkmalbehörden zu melden.
Siehe auch
Literatur
- Dietwulf Baatz, Fritz-Rudolf Herrmann (Hrsg.): Die Römer in Hessen, Theiss, Stuttgart 1982, ISBN 3-8062-0267-2, S. 391.
- Karl August von Cohausen: Römische Altertümer. In: Annalen des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung 25, Berchtold & Comp., Wiesbaden 1893, S. 25–36; hier, S. 26.
- Dietwulf Baatz: Der Römische Limes. Archäologische Ausflüge zwischen Rhein und Donau. 3. Auflage. Gebr. Mann, Berlin 1993, ISBN 3-7861-1701-2, S. 134.
- Ernst Fabricius, Felix Hettner, Oscar von Sarwey (Hrsg.): Der obergermanisch-raetische Limes des Roemerreiches/Abt. A, Band 2,1. Die Strecken 3 bis 5. Petters; Heidelberg, Berlin und Leipzig 1936, S. 39 sowie Tafel 8, Abb. 6, S. 118–119.
- Christian Fleer: Typisierung und Funktion der Kleinbauten am Limes. In: E. Schallmayer (Hrsg.): Limes Imperii Romani. Beiträge zum Fachkolloquium „Weltkulturerbe Limes“ November 2001 in Lich-Arnsburg. Bad Homburg v. d. H. 2004, ISBN 3-931267-05-9, S. 75–92 (Saalburg-Schriften 6)
- Margot Klee: Der römische Limes in Hessen. Geschichte und Schauplätze des UNESCO-Welterbes. Pustet, Regensburg 2009, ISBN 978-3-7917-2232-0, S. 111.
- Margot Klee: Der Limes zwischen Rhein und Main. Theiss, Stuttgart 1989, ISBN 3-8062-0276-1, S. 77.
Anmerkungen
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