Produktpiraterie
Als Produktpiraterie, Produktfälschung oder Markenpiraterie wird das Geschäft mit Nachahmer-Waren bezeichnet, die mit dem Ziel hergestellt werden, einer Original-Ware zum Verwechseln ähnlich zu sein. Dabei werden Markenrechte oder wettbewerbsrechtliche Vorschriften verletzt. Häufig geht die Produktpiraterie dabei auch mit Verletzungen von Urheberrechten, eingetragenen Designs (früher: Geschmacksmustern), Gebrauchsmustern, Patenten und sonstigen Rechten des Geistigen Eigentums und Gewerblichen Rechtsschutzes einher.
Gefälscht wird in allen Bereichen: Software, Uhren, Bekleidung, Medikamente, Autoteile bis hin zu kompletten Kraftfahrzeugen.<ref name="Neon Magazin"></ref>
Bei einigen Produkten ist es dem Kunden insbesondere als privaten Endverbraucher egal, ob er ein Plagiat, eine Fälschung oder ein Original kauft. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn der Preisunterschied zwischen einem Original und einem Plagiat oder einer Fälschung den Verlust bezüglich Funktionalität, Qualität, Sicherheit und Lebensdauer aufwiegt (z. B. gefälschte Rolex-Uhren vom Straßenhändler im Urlaubsland). Häufig geht es lediglich um den Wert des Produktes als Statussymbol, also um die nach außen erzielte Wirkung durch den Besitz eines Produktes einer bestimmten Marke. In diesem Fall sind allenfalls Maßnahmen wirksam, die entweder die Kontrolle über die Vertriebswege verbessern, so dass z. B. der Einzelhändler prüfen kann, ob ihm ein Originalprodukt vorliegt, oder Maßnahmen, die das Kopieren der Produkte verhindern oder sehr aufwändig und damit wirtschaftlich unattraktiv machen.
Zunehmend tauchen Plagiate und Fälschungen auf, deren Gebrauch oder Konsum den Anwender bzw. unbeteiligte Dritte Unfall- und Gesundheitsgefahren aussetzt. Zahlreiche Institutionen versuchen, private und gewerbliche Kunden für das Thema zu sensibilisieren oder darüber zu informieren, wie sie Originale von Fälschungen unterscheiden können.<ref>Verbraucherleitfaden: Schutz vor Produkt- und Markenpiraterie. Auf: www.baua.de</ref> Speziell zur Information über die Möglichkeiten technischer Schutzmaßnahmen hat der VDMA in 2010 einen Film veröffentlicht.<ref>Film: Flagge hissen gegen Produktpiraten auf vdma-webbox.tv</ref>
Entdecken und Beschlagnahmen von Plagiaten u.ä. auf Messen
Die meisten Plagiate werden in China produziert. Politische Interventionen bleiben meist wirkungslos. Viele geschädigte Unternehmen versuchen deshalb, die Vermarktung von Plagiaten zu stören, indem sie z.B. auf Messen nach Plagiaten bei chinesischen Ausstellern suchen. Wenn sie Plagiate finden, lassen sie diese, sowie die Prospekte, beschlagnahmen. Oft verhängen die ermittelnden Behörden Bußgelder gegen die Aussteller.
Eine Umfrage des VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau) unter seinen Mitgliedern im März 2010 ergab, dass 53 % der Firmen schon Plagiate u.ä. auf Messen entdeckt hatten.<ref name="fr20042010" /> Oft helfen die Branchenverbände ihren Mitgliedern dabei, gegen Produktpiraterie vorzugehen.<ref>ZVEI (PDF)</ref> Die Messe Frankfurt unterstützt seit 2006 (und damit als erste Messe weltweit) Aussteller im Kampf gegen Marken- und Produktpiraterie.<ref>messefrankfurt.com : [5]</ref> Auch der Ausstellungs- und Messe-Ausschuss der deutschen Wirtschaft e.V. (AUMA) ist gegen Produktpiraterie aktiv.<ref>[6]</ref>
Das Bundesministerium für Forschung und Bildung hat im Januar 2008 eine Forschungsoffensive gegen Produktpiraterie gestartet und unterstützt zahlreiche Forschungsprojekte.<ref>BMFT, Pressemitteilung 006/2008 v. 22. Januar 2008. [7]</ref>
Über Beschlagnahmeaktionen auf Messen berichten die Medien regelmäßig.<ref>[8]</ref>
Durchführendes Organ ist der Zoll; dieser hat u.a. eine „Zentrale Gewerblicher Rechtsschutz“ in München<ref>Zoll online – Gewerblicher Rechtsschutz. Website Zoll online. Abgerufen am 28. Juli 2014.</ref> und betreibt ZGR-online (Zentrales Datenbanksystem zum Schutz von Geistigen EigentumsRechten online).<ref>[9]</ref> Gewerbliche Schutzrechte sind v.a. Marken, eingetragene Designs, Urheberrechte oder Patente.
Um gegen Produktpiraterie besser vorgehen zu können, lassen sich immer mehr Hersteller das Design ihrer Produkte durch ein eingetragenes Design (früher: Geschmacksmuster) schützen.<ref>zoll.de : [10]</ref>
Piraterieschutz von Ersatzteilen
Produktpiraterie betrifft nicht nur die Konsumgüter- oder Textilindustrie. Längst ist das Problem in der Investitionsgüterindustrie angekommen.<ref>[11]</ref> In besonderem Maße sind Ersatzteile betroffen. Die Nachahmung von Ersatzteilen bietet aufgrund des geringen Kostenstrukturrisikos ein optimales Versuchsfeld, in dem Produktpiraten ausprobieren und sich entwickeln können.
Die Hersteller von Investitionsgütern sehen sich in der Umsetzung eines erfolgreichen Piraterieschutzes für ihre Ersatzteile mit zwei grundlegenden Problemfeldern konfrontiert. Das erste Problemfeld wird durch die generelle Struktur des Ersatzteilmarktes geprägt. Weltweite heterogene Märkte sowie eine Vielzahl an Ersatzteilen, Zulieferern, Kunden, Händlern und Wettbewerbern erschweren es Originalherstellern zunehmend, eine transparente Bewertung der Pirateriegefährdung für die eigenen Ersatzteile zu treffen. Das zweite Problemfeld wird durch den mangelhaften Einsatz und durch das fehlende Wissen über geeignete ersatzteilspezifische Schutzmaßnahmen geprägt. Hierunter fallen beispielsweise Maßnahmen wie De-Standardisierung, Funktionsintegration, Qualitätsdifferenzierung, Entsorgungslogistik, Organisation der Lieferantenwertschöpfung oder Einführung einer Zweitmarke.
Aus diesen Gründen ist für einen erfolgreichen Piraterieschutz von Ersatzteilen zum einen eine transparente Analyse des jeweiligen Ersatzteilprogramms auf mögliche Pirateriegefährdungen notwendig und zum anderen eine gezielte Auswahl ersatzteilspezifischer Schutzmaßnahmen.<ref>Forschungsverbundprojekt KoPiKomp :[12]</ref>
Öffentlichkeitsarbeit
Um die Öffentlichkeit für das Problem zu sensibilisieren und dreiste Plagiatoren anzuprangern, wird seit 1977 die Negativauszeichnung des Plagiarius verliehen. Einmal im Jahr erhalten ihn Firmen für besonders dreiste Produktfälschungen. Vergeben wird er inzwischen von einem eigenständigen Verein, der Aktion Plagiarius.<ref>[13]</ref>
Teilweise setzen Firmen spezifische Maßnahmen der Unternehmenskommunikation erfolgreich gegen Piraterie ein. Wichtiges Thema sind oft die durch Piraterie verursachten Schäden und erfolgreiche Aktionen gegen Fälscher, die beispielsweise auch in Pressemedien thematisiert werden.<ref>[14]</ref> In einer vom ZVEI, der GVU und zahlreichen weiteren Verbänden unterstützten Studie sehen rund 60 % der Unternehmen auch Themen wie Aufklärung und Risikovorbeugung, insbesondere bei Kunden, als einen zentralen Punkt zur Piraterie-Abwehr.<ref>[15]</ref>
Literatur
- Udo Lindemann, Thomas Meiwald, Markus Petermann, Sebastian Schenkl: Know-how-Schutz im Wettbewerb: Gegen Produktpiraterie und unerwünschten Wissenstransfer. Springer-Verlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-642-28514-1.
- Thomas Meiwald: Konzepte zum Schutz vor Produktpiraterie und unerwünschtem Know-how-Abfluss. Dr. Hut Verlag, München 2011, ISBN 978-3-8439-0167-3.
- Michael Stephan, Martin J. Schneider: Marken- und Produktpiraterie. Fälscherstrategien, Schutzinstrumente, Bekämpfungsmanagement, Symposion Publishing, Düsseldorf 2011, ISBN 978-3-939707-69-1.
- Schnapauff, Kai:Präventiver Nachahmungsschutz bei technischen Produkten. 2010, TCW Verlag, ISBN 978-3-941967-01-4.
- Marcus von Welser, Alexander González, Marken- und Produktpiraterie, Strategien und Lösungsansätze zu ihrer Bekämpfung. 2007, Wiley-VCH, ISBN 3-527-50239-4.
- Christoph Wiard Neemann: Methodik zum Schutz gegen Produktimitationen. 2007, Shaker Verlag, ISBN 978-3-8322-6271-6.
- Thomas Meiwald, Markus Petermann, Udo Lindemann:Erstellung eines Schutzkonzepts zur Vermeidung von Produktpiraterie. 2008, in Industrie Management, N. Gronau, H. Krallmann, B. Scholz-Reiter, GITO mbH Verlag für Industrielle Informationstechnik und Organisation, Berlin, ISSN 1434-1980.
- Rainer Erd, Michael Rebstock: Produkt- und Markenpiraterie in China. Shaker Verlag, Aachen 2010 ISBN 978-3-8322-8996-6.
- Jörg Kammerer, Xiaoli Ma, Ina Melanie Rehn, Hans-Joachim Fuchs: Piraten, Fälscher und Kopierer: Wirksame Methoden und Strategien gegen die Verletzung gewerblicher Schutzrechte in China. 2006, Gabler Verlag, ISBN 978-3-8349-0159-0.
- Thomas Meiwald, Markus Petermann, Carlos Gorbea, Sebastian Kortler: Fighting Product Piracy: Selecting Action Measures for OEMs Based on Links to Situational Influencing Factors. 2008, in Self-optimizing Mechatronic Systems: Design the Future, J. Gausemeier, F. Rammig, W. Schäfer, W. V. Westfalia Druck GmbH, Paderborn ISBN 978-3-939350-42-2.
- Ingo Winkler, Wang XueLi: Made in China – Marken und Produktpiraterie. Strategien der Fälscher&Abwehrstrategien für Unternehmen. 2007, IKO-Verlag Frankfurt, ISBN 978-3-88939-893-2.
- Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen (MarkenG)
- Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG)
- Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)
- Gesetz über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten (UrhWahrnG)
Weblinks
- "Produktpiraterie – Spezial Musik- und Filmindustrie", Aktuelle Literaturliste erstellt von der ZBW – Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften
- www.dpma.de – Deutsches Patent- und Markenamt
- www.ipr.zoll.de – Grenzbeschlagnahme durch die Zollbehörden (ZGR)
- www.plagiarius.com – Aktion Plagiarius
- www.originalo.de – Internetplattform mit Anleitungen und Ratgebern um Produktfälschungen zu erkennen
- www.produktpiraterie.org – Internetplattform für einen aktiven Produkt- und Markenschutz
- www.fakestop.de – Internetplattform rund um Fälschungen mit zahlreichen Beiträgen und Ratgebern
- www.Conimit.de – Fördermaßnahme des Bundesministerium für Bildung und Forschung gegen Produkt- und Markenpiraterie
- www.pro-protect.de – Fördermaßnahme des Bundesministerium für Bildung und Forschung gegen Produktpiraterie im Maschinen- und Anlagenbau
- www.Original-ist-genial.de – Branchenübergreifende Informationsplattform führender Wirtschaftsverbände
- www.protect-ing.de – Arbeitsgemeinschaft Produkt- und Know-Schutz des VDMA
- www.markenpiraterie-apm.de – Aktionskreis gegen Produkt- und Markenpiraterie e.V. (ehemals: Aktionskreis Deutsche Wirtschaft gegen Produkt- und Markenpiraterie)
- www.kopikomp.de – Piraterieschutz von Ersatzteilen; KoPiKomp – Forschungsverbundprojekt gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung
- Produkt- und Markenpiraterie – Fluch der Marktwirtschaft? (Unterrichtsreihe; PDF; 1,5 MB)
- [16] – Texte von Universitäten und Beratungsunternehmen, sowie aus dem PDF-Magazin "Asien Kurier" zum Thema Produkt- und Markenpiraterie, Dokumente sowie Adressen / Webseiten in Deutschland und China.
Einzelnachweise
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