McCarthy-Ära


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Joseph McCarthy (1954)

McCarthy-Ära (auch: McCarthyismus), benannt nach dem US-amerikanischen Senator Joseph McCarthy, bezeichnet einen Zeitabschnitt der jüngeren Geschichte der Vereinigten Staaten in der Anfangsphase des Kalten Krieges. Sie war durch einen lautstarken Antikommunismus und Verschwörungstheorien geprägt<ref>Richard Gid Powers: Not Without Honor. The History of American Anticommunism. Yale University Press 1995, S. 257 f.; Michael Butter: Konspirationistisches Denken in den USA. In: Andreas Anton, Michael Schetsche und Michael Walter (Hrsg.): Konspiration. Soziologie des Verschwörungsdenkens. Springer VS, Wiesbaden 2014, S. 266 ff.</ref> und ist auch als „Second Red Scare“ (deutsch „Zweite Rote Angst“) bekannt. Obwohl McCarthy nur von 1950 bis 1955 öffentlich in Erscheinung trat, wird der gesamte Zeitraum der Verfolgung echter oder vermeintlicher Kommunisten und deren Sympathisanten, der so genannten Fellow travellers, von 1947 bis etwa 1956 heute als McCarthy-Ära bezeichnet.

Geschichte

Vorgeschichte

Während des Zweiten Weltkrieges waren die USA und die Sowjetunion in der Anti-Hitler-Koalition verbündet. Der Antikommunismus ging zurück. In dieser Zeit kamen zahlreiche Immigranten aus Deutschland und dem deutsch besetzten Europa ins Land, von denen viele als entschiedene Antifaschisten der politischen Linken zugeneigt waren. Viele befruchteten das geistige Klima ihres Gastlandes, genossen die Freiheiten, die das linksliberale Klima der New-Deal-Ära auch für Kommunisten und Sozialisten bot. Sie engagierten sich im amerikanischen Staatsdienst, wie die jüdischstämmigen Sozialisten Herbert Marcuse und Franz Neumann, die für das OSS, die Vorgängerorganisation der CIA, arbeiteten.<ref>Jürgen Heideking und Christof Mauch: Geschichte der USA. 5. Auflage, A. Francke, Tübingen und Basel 2009, S. 272 f.</ref>

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges kühlten die Beziehungen zwischen den beiden Großmächten ab, der Kalte Krieg setzte ein. Mit dem Wechsel des außenpolitischen Feindbilds weg von Nationalsozialisten und Faschisten hin zu „kommunistischen“ Russen und Chinesen wandelte sich auch das innenpolitische Klima:<ref>Jürgen Heideking und Christof Mauch: Geschichte der USA. 5. Auflage, A. Francke, Tübingen und Basel 2009, S. 303.</ref> Roosevelts New Deal wurde im Wahlkampf zu den Kongresswahlen 1946 von den Republikanern in die Nähe des Kommunismus gerückt und die Demokratische Partei als „Rote Faschisten“ („red fascists“) beschimpft. Bei den Wahlen errangen die Republikaner die Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses.<ref name="donaldson">Gary A. Donaldson: The Making of Modern America: The Nation from 1945 to the Present. Rowman & Littlefield, Lanham, Maryland 2012, S. 41.</ref><ref>Gary A. Donaldson: Truman Defeats Dewey. University Press of Kentucky, Lexington, Kentucky 1999, S. 8.</ref>

Die Linken innerhalb der amerikanischen Gesellschaft wurden nun als Bedrohung wahrgenommen. Bereits 1938 hatte der Hatch Act für Anstellungen bei einer Bundesbehörde von allen Bewerbern verlangt zu schwören, dass sie keiner Organisation angehörten, die für den gewaltsamen Umsturz der verfassungsmäßigen Regierungsform eintrat. 1940 unterzeichnete Präsident Roosevelt den Smith Act, der den Aufruf die Regierung zu stürzen, unter Strafe stellte. Am 22. März 1947 ordnete Truman mit der Executive Order 9835 eine Überprüfung der politischen Loyalität sämtlicher Angestellter der Bundesbehörden durch ein Loyalty Review Board an.<ref name="mauch">Christof Mauch: Loyalty. In: Rüdiger B. Wersich (Hrsg.): USA Lexikon. Erich Schmidt, Berlin 1996, S. 445.</ref> Drei Millionen Staatsbedienstete wurden überprüft, 1.210 entlassen und weitere 6.000 reichten ihre Kündigung ein.<ref name="donaldson" />

Ausführende Organe

Kennzeichnend für die McCarthy-Ära waren Vorladungen und Verhöre politisch Verdächtiger vor parlamentarischen Untersuchungsausschüssen, z. B. dem Komitee für unamerikanische Umtriebe (House Un-American Activities Committee; HUAC) des Repräsentantenhauses, in dem sich besonders der Demokrat Martin Dies jr. (Leiter von 1938 bis 1944) und der Republikaner Richard Nixon hervortaten. Die ursprüngliche Aufgabe dieses Komitees bestand darin, gegen Personen mit kommunistischen oder faschistischen Verbindungen zu ermitteln.<ref>George McKenna: The Puritan Origins of American Patriotism. Yale University Press, 2007, S. 261.</ref> Ein weiteres war das 1952 gegründete „Permanent Subcommittee on Investigations“ des Senats (Ständiger Unterausschuss für Untersuchungen),<ref name="Komitee">Geschichte des Komitees auf dessen offizieller Webseite, abgerufen am 28.Dezember 2012.</ref> dem der Republikaner McCarthy vorstand. McCarthy war bereits 1950 erfolgreich gewesen mit einer Verschwörungstheorie über angebliche Unterwanderungen von Regierungsbehörden durch Kommunisten. Er behauptete, er besäße eine Liste mit 205 Namen von aktuellen oder ehemaligen Mitgliedern der Kommunistischen Partei, die mit vollem Wissen von Außenminister Dean Acheson im State Departement beschäftigt seien. Diese Liste existierte nicht.<ref>Mike O’Connor: McCarthy, Joseph. In: Peter Knight (Hrsg.): Conspiracy Theories in American History. An Encyclopedia. ABC Clio, Santa Barbara, Denver und London 2003, Bd. 2, S. 462.</ref>

Beide Ausschüsse arbeiteten eng zusammen mit dem von J. Edgar Hoover geleiteten FBI.<ref> Arthur J. Sabin: In Calmer Times: The Supreme Court and Red Monday. University of Pennsylvania Press, 1999, S. 118.</ref> Staatsbedienstete wurden ebenso auf ihre Gesinnung überprüft wie Personen des öffentlichen Interesses und Künstler. Unterstützung erhielten diese Ausschüsse von antikommunistischen Privatorganisationen und Interessensverbänden wie der American Business Consultants Inc., der AWARE Inc. oder der Motion Picture Alliance for the Preservation of American Ideals (MPA), einem Zusammenschluss von Filmschaffenden.<ref name="ceplair" />

Ermittlungen gegen die Kommunistische Partei

Obwohl Präsident Truman die 1948 60.000 Mitglieder zählende Kommunistische Partei der USA (CPUSA) als „eine verachtenswerte Minderheit in einem Land der Freiheit“ („a contemptible minority in a land of freedom“) abgetan hatte, sammelten das FBI und das Justizministerium ab 1946 belastendes Material gegen die Partei. 1949 wurden elf ihrer führenden Mitglieder wegen Verstoßes gegen den Smith Act angeklagt und im so genannten Foley Square Trial (benannt nach dem Veranstaltungsort des Prozesses, dem Foley Square in New York) zu Geld- und Haftstrafen verurteilt. Anschließend verurteilte Richter Harold Medina auch noch die Anwälte der Angeklagten zu Haftstrafen von bis zu sechs Monaten.<ref>Michal R. Belknap: American Political Trials: Revised, Expanded Edition. Praeger Publishers, Westpoint 1994, S. 207 ff.</ref>

1948 brachten die republikanischen Vertreter im HUAC, Karl Earl Mundt und Richard Nixon, einen Gesetzesantrag ein, die so genannte Mundt-Nixon-Bill, die alle Mitglieder der kommunistischen Partei zwingen sollte, sich namentlich beim Generalbundesanwalt registrieren zu lassen. Der Antrag passierte das Repräsentantenhaus, wurde aber nicht vom Senat gebilligt, unter anderem weil Truman angekündigt hatte, sein Veto einzulegen. Ein zweiter Antrag, die Mundt-Ferguson-Bill, scheiterte ebenfalls, bildete aber die Grundlage für den so genannten Internal Security Act oder McCarran Internal Security Act (benannt nach dem Antragsteller, dem demokratischen Senator Pat McCarran), der 1950 in Kraft trat.<ref>Francis H. Thompson: Frustration of Politics: Truman, Congress, and the Loyalty Issue, 1945–1953. Fairleigh Dickinson University Press, 1979, S. 79 ff.</ref> Das ausdrücklich der Bekämpfung des Kommunismus auf amerikanischem Boden dienende Gesetz gestattete unter anderem die Festnahme und Internierung von Personen, bei denen „berechtigter Grund zur Annahme besteht, dass diese allein oder im Rahmen einer Verschwörung mit anderen Spionage oder Sabotage betreiben werden“.<ref>„, ihre eigenen Normen allgemein verbindlich zu machen und politisch-kulturelle Abweichungen vom akzeptierten Meinungsspektrum in möglichst engen Grenzen zu halten.“<ref>Jürgen Heideking und Christof Mauch: Geschichte der USA. 5. Auflage, A. Francke, Tübingen und Basel 2009, S. 304.</ref>

Das Ende der McCarthy-Ära

McCarthys Macht bröckelte ab 1954, als er begann, hochrangige Mitglieder der United States Army vorzuladen und kommunistischer Sympathien zu bezichtigen. Im Gefolge kam es zu Gegenanklagen seitens der Armee gegen seinen Berater Cohn. Gleichzeitig attackierte Edward R. Murrows Fernseh-Politmagazin See It Now McCarthys Methoden, was seinen zunehmenden Popularitätsverlust zur Folge hatte. Ein im Senat von dem Republikaner Ralph Flanders eingebrachter Antrag führte zu einer „Rüge“ (Censure) McCarthys und seiner Entmachtung. 1955 musste McCarthy seinen Vorsitz im Committee on Government Operations abgeben und verschwand in der politischen Bedeutungslosigkeit. Er starb nur zwei Jahre später. Das Committee on Government Operations wurde 1977 aufgelöst, seine Funktionen übernahm das Committee on Governmental Affairs.<ref name="Komitee" />

Das HUAC blieb zwar aktiv im Kampf gegen politische Gegner, verlor aber zusehends an Bedeutung. Der Schriftsteller Arthur Miller, der 1953 in seinem Theaterstück Hexenjagd (engl.: The Crucible) die Hetze der McCarthy-Ära kaum verhohlen kritisiert hatte, wurde 1956 vorgeladen. Er erschien in Begleitung seiner Frau Marilyn Monroe und weigerte sich, irgendwelche Namen von Weggefährten zu nennen.<ref>Nachruf auf Arthur Miller im Guardian vom 12. Februar 2005, abgerufen am 29. Dezember 2012.</ref> Er wurde verurteilt und legte Berufung ein, der 1958 vom Appellationsgericht in Washington stattgegeben wurde.<ref>1958: Arthur Miller cleared of contempt auf BBC.co.uk, abgerufen am 29. Dezember 2012.</ref> 1959 bezeichnete Ex-Präsident Truman das HUAC als „die heutzutage un-amerikanischste Angelegenheit in diesem Land“.<ref>Stephen J. Whitfield: The Culture of the Cold War. The Johns Hopkins University Press, 1996, S. 124.</ref> 1960 wurde mit Drehbuchautor Dalton Trumbo erstmals ein durch das HUAC und die Schwarze Liste diskreditierter Filmemacher wieder namentlich in gleich zwei Filmen genannt, Exodus und Spartacus. Im Fernsehbereich zeichnete sich das Ende der McCarthy-Ära schon früher ab: 1957 stellte Alfred Hitchcock den arbeitslosen Schauspieler Norman Lloyd als Associate Producer für seine Serie Alfred Hitchcock Presents ein.

Orson Welles und Lewis Milestone, die zwar nicht vorgeladen worden waren, es aber vorgezogen hatten, in der Blütezeit der McCarthy-Ära im Ausland zu arbeiten,<ref name="neve" /> kehrten Mitte der 1950er Jahre in die USA zurück; andere, wie Joseph Losey, blieben ihrer einstigen Heimat dauerhaft fern. Während Gary Cooper oder Sterling Hayden ihre Kooperation mit dem HUAC öffentlich bereuten,<ref>Victor Navasky, Ruth Schultz, Bud Schultz: It Did Happen Here: Recollections of Political Repression in America. University of California Press, 1990, S. 425</ref> verteidigten andere wie Elia Kazan oder Budd Schulberg bis zuletzt ihre Mitarbeit.<ref name="neve" /><ref>Robert Sklar: On the Waterfront, in Jay Carr: The A List: The National Society of Film Critics’ 100 Essential Films. Da Capo Press, 2002, S. 207.</ref> 1969 wurde das HUAC in Internal Security Committee umbenannt und schließlich 1975 aufgelöst.<ref>William G. Staples: Encyclopedia of Privacy, Volume 1 A–M. Greenwood, 2006, S. 284.</ref>

Der nie zur Anwendung gelangte McCarran Internal Security Act wurde im Laufe der Jahre in Teilen aufgehoben, so im September 1971 im Rahmen des Non-Detention Act.<ref>Erklärung von Präsident Nixon zur Unterzeichnung des Non-Detention Act auf The American Presidency Project, abgerufen am 17. Juni 2012.</ref>

Der Begriff „McCarthyismus“

Der Begriff „McCarthyismus“ wurde von Herbert Block geprägt, einem Karikaturisten der Washington Post. Am 29. März 1950, wenige Wochen nach McCarthys erster Verlautbarung über angebliche Kommunisten im Regierungsapparat, veröffentlichte die Washington Post eine Karikatur, in der Robert A. Taft und andere führende republikanische Politiker einen Elefanten, das Symbol ihrer Partei, zu einem wackligen Turm aus Teereimern lotsen, deren oberster als „McCarthyism“ gekennzeichnet ist. Der Elefant fragt ängstlich: „Meint ihr wirklich, ich soll da oben drauf stehen?“<ref>„You mean, I'm supposed to stand on that?“ Webseite der Washington Post, abgerufen am 13. Januar 2013.</ref> McCarthy griff den Begriff auf und wendete ihn ins Positive: „McCarthyismus ist Amerikanismus mit hochgekrempelten Ärmeln.“<ref>„McCarthyism ist Americanism with its sleeves rolled.“ Zitiert bei Rüdiger B. Wersich: McCarthyismus. In: derselbe (Hrsg.): USA Lexikon. Erich Schmidt, Berlin 1996, S. 458.</ref> 1952 gab er eine Sammlung seiner antikommunistischen Reden unter dem Titel McCarthyism: The Fight for America heraus. <ref>Joseph McCarthy: McCarthyism: The Fight for America Devin-Adair, New York 1952 </ref> Heute wird der Begriff dagegen zumeist mit negativer Konnotation für die demagogische Kommunistenjagd der frühen 1950er Jahre benutzt, bei der die hysterischen Ängste der Bevölkerung ausgenutzt worden seien, um Unschuldige oder relativ harmlose Andersdenkende zu verfolgen;<ref>Rüdiger B. Wersich: McCarthyism. In: derselbe (Hrsg.): USA Lexikon. Erich Schmidt, Berlin 1996, S. 456; Ellen Schrecker: The Age of McCarthyism. A Brief History With Documents. 2. Auflage, Palgrave, New York 2002, S. 120 f.</ref> er wird assoziiert mit Verschwörungstheorien<ref>Jovan Byford: Conspiracy Theories. A Critical Introduction. Palgrave MacMillan, New York 2011, S. 59.</ref> und einer „Herrschaft des Terrors“, in der auf schlüssige Beweisführung kein Wert mehr gelegt worden sei.<ref>Mike O’Connor: McCarthy, Joseph. In: Peter Knight (Hrsg.): Conspiracy Theories in American History. An Encyclopedia. Bd. 2. ABC Clio, Santa Barbara, Denver und London 2003, S. 460 </ref> Losgelöst vom eigentlichen historisch-politischen Bezug wird der Begriff auch für die Verwendung von Unterstellungen und unbewiesenen Behauptungen, ganz gleich zu welchem Zweck, gebraucht.<ref>McCarthyism. In: Collins English Dictionary, abgerufen am 29. Dezember 2012.</ref>

Literatur

Künstlerische Verarbeitung der McCarthy-Ära

Filme

Theater

  • 1953: Hexenjagd (The Crucible) von Arthur Miller
  • 1972: Sind Sie jetzt oder waren Sie jemals? Die Ermittlungen gegen das Show Business durch den „Ausschuß zur Untersuchung unamerikanischer Umtriebe“ 1947–1956 (Are You Now or Have You Ever Been. The Investigation of Show Business by the Un-American Activities Committee 1947-1956) von Eric Bentley

Weblinks

Eröffnungsreden des Vorsitzenden des ersten Untersuchungstribunals und des Vorsitzenden der MPAA

Einzelnachweise

<references />