Minarett
Ein Minarett (selten Minar,<ref>Brockhaus Enzyklopädie in zwanzig Bänden, 1971, S. 577</ref> arabisch منارة manāra ‚ursprünglich: Leuchtturm‘) ist ein erhöhter Standplatz oder Turm für den Gebetsrufer (Muezzin) bei oder an einer Moschee. Von hier aus werden Muslime fünfmal am Tag zum Gebet gerufen.
Inhaltsverzeichnis
Etymologie
Minarett ist eine Entlehnung des französischen minaret, welches über das türkische mināre von arabisch منارة manāra abstammt,<ref>Duden, Das große Fremdwörterbuch, 4., aktualisierte Auflage, Dudenverlag Mannheim - Leipzig - Wien - Zürich, 2007, ISBN 3-411-04164-1, S. 884</ref><ref>Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 6., überarbeitete und erweiterte Auflage, Dudenverlag Mannheim - Leipzig - Wien - Zürich, 2006, ISBN 3-411-05506-5, S. 1146</ref> welches ursprünglich Leuchtturm, wörtlich „Ort des Lichts“,<ref>Arnold Betten: Marokko: Antike, Berbertraditionen und Islam - Geschichte, Kunst und Kultur im Maghreb, 4. Ausgabe, DuMont Reiseverlag, 2009, S. 88 eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche</ref> bedeutete.
Geschichte
Das erste Minarett wurde wahrscheinlich in Syrien erbaut, andere Historiker halten das Minarett der Moschee von Qairawān für das älteste.<ref>Linda Kay Davidson: Pilgrimage. ABC-CLIO, 2002, ISBN 978-1-57607-004-8, S. 302. eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche</ref> Es ist seit der Herrscherfamilie der Umayyaden (661–750) gebräuchlich. In einigen der ältesten Moscheen wie der Umayyaden-Moschee in Damaskus dienten Minarette ursprünglich als von Fackeln erhellte Wachtürme – daher die Wortherkunft aus dem Arabischen nur / نور / „Licht“. Heute dient das Minarett dagegen weitgehend als traditionelles Dekorationsmittel, da die Gebetsrufe (Adhān / أذان) in den meisten modernen Moscheen mittels Lautsprechern aus dem Betsaal ausgerufen werden.
Architektur
Aus Gründen der Bausymmetrie und des Status der Bauherrschaft wird die Anzahl der Minarette mitunter auf zwei, vier oder sechs erhöht; die al-Haram-Moschee in Mekka hat neun Minarette. Die meisten Moscheen besitzen nur ein einzelnes Minarett, das an der Moschee angebaut ist. Formal unterscheidet man Minarette mit rundem, quadratischem und polygonalem Grundriss, die in der Osmanischen Architektur (14. Jahrhundert bis 1923) oft nadelförmige Spitzen erhielten. Ihre Geschossgliederung erfolgt häufig durch Balkons, ihre dekorative Außengliederung übernehmen farbig glasierte Ziegel, Ziegelmosaik oder kalligraphische Schriftzeichen. Optische Vor- und Rücksprünge werden durch Nischen und Gesimse hervorgerufen.
Das mit 210 Metern derzeit höchste Minarett der Welt befindet sich in Casablanca als Bestandteil der Hassan-II.-Moschee. Das höchste Ziegelsteinminarett, Kutab Minar, steht in Delhi. Als schönstes Minarett in Westeuropa gilt die Giralda in Sevilla (Ende 12. Jahrhundert von den Mauren erbaut). In Algier entsteht das höchste Minarett der Welt mit 214 Metern.<ref>rp-online: Höchstes Minarett der Welt – Deutsche bauen Riesen-Moschee; 17. Juli 2008.</ref>
Bedeutung
Das Minarett ist nicht nur Wahrzeichen einer Moschee, es diente auch als Wachturm. Als Signalturm dienten Minarette der Orientierung für Karawanen.<ref>A. J. Wensinck, J. H. Kramers: Handwörterbuch des Islam; E. J. Brill, Leiden, 1941; S. 413f.</ref>
An bestimmten islamischen Festtagen in der Türkei werden Minarette mit Lichtern und Spruchbändern (Mahyâ) geschmückt.
Sonderfälle sind die einigen zentralasiatischen und indischen Grabbauten der Mogulzeit zugeordneten und im Wesentlichen dekorativ ('Schmuckminarett') oder repräsentativ gemeinten Minarette: Gur-Emir-Mausoleum (Samarkand), Akbar-Mausoleum (Sikandra) und Itmad-ud-Daulah Mausoleum (Agra). Auch die vier rahmenden Minarette des Taj Mahal (Agra) und des Bibi-Ka-Maqbara (Aurangabad) sind in diesem Zusammenhang zu nennen, doch gehört zum Gesamtkomplex der beiden letztgenannten Bauten immerhin eine – wenn auch nur in Randlage platzierte – Moschee ohne eigene Minarette. Ein weiterer Sonderfall sind die vier minarettähnlichen Türme am 1591 erbauten und überwiegend repräsentativen Zwecken dienenden Torbau des Charminar in Hyderabad.
In der Kadscharenzeit rief im Iran der Muezzin von Guldastas, hölzernen Pavillons auf den Iwan-Dächern der Hofmoscheen, anstelle von Minaretten zum Gebet.
Siehe auch
Literatur
- Jonathan Bloom: Minaret – Symbol of Islam. Oxford University Press, Oxford 1989
- K. A. C. Creswell: The Evolution of the Minaret, with special reference to Egypt. In: The Burlington Magazine, XLVIII, 1926, S. 134–140, 252–258, 290–298
- Robert Hillenbrand, J. Burton-Page, G.S.P. Freeman-Grenville: Manāra, Manār. In: The Encyclopaedia of Islam. New Edition, Band 5, 1986, S. 361b–370b
- Robert Hillenbrand: Islamic Architecture. Form, function and meaning. Edinburgh University Press, Edinburgh 1994, Kapitel: The Minaret, S. 129–172
- Wolfram Kleiss: Minaret. In: Encyclopædia Iranica
Weblinks
- Jonathan M. Bloom: The Minaret – Symbol of Faith & Power; in: Saudi Aramco World. März/April 2002. S. 26–35.
- Lageplan von Minaretten in Deutschland
- Minarette aus aller Welt in der wissenschaftlichen Datenbank auf archnet.org besucht am 1. April 2008
- Literatur zum Thema Minarett im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Einzelnachweise
<references />