Moriskentanz


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Der Moriskentanz (italienisch moresca, aus spanisch morisca) ist ein Bühnentanz des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit, dessen Verbreitung sich bis ins 15. Jahrhundert innerhalb der höfischen Renaissancekultur zurückverfolgen lässt. Über seine theater-, tanz- und musikhistorische Bedeutung hinaus ist der Moriskentanz jedoch auch von volkskundlichem Interesse. Das Wort Moriske, auch moriscos genannt (spanisch morisco „maurisch“) leitet sich von der Bezeichnung für die Mauren ab, die nach dem Sieg der Reconquista in Spanien lebten. Die lange Zeit geltende These, der Moriskentanz sei nordafrikanischen Ursprungs und im 12. Jahrhundert aus dem Kampf zwischen Mauren und Christen in Spanien entstanden, um sich von dort aus über ganz Süd- und Westeuropa zu verbreiten, lässt sich heute jedoch durch Ergebnisse aus der deutschsprachigen Forschung widerlegen. Vielmehr wird angenommen, dass der Ursprung des Moriskentanzes in archaischen Fruchtbarkeitsriten begründet liegt.

Ursprungsdebatte

Datei:Weiditz Trachtenbuch 107-108.jpg
Moriskentanz aus dem sogenannten Trachtenbuch des Christoph Weiditz, um 1530–1540. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Hs. 22474, Bl. 107-108. Bildbeschriftung: [Bl. 107] Allso dantzen die morystgen mit ain ander schnölle mit den Fingern dar zue (So tanzen die Morisken miteinanander schnell mit den Fingern dazu), [Bl. 108] das Ist das moristgis dantz spil schre… dar zu wie die kelber (Das ist das moriskische Tanzspiel. Schre[eien] dazu wie die Kälber).

Die beiden grundlegenden Meinungen, die sich bei den bislang unternommenen Versuchen zur Erklärung des Moriskentanzes herausgebildet haben, sind von P. P. Domokos beschrieben worden:

„“

Ausführung

Der besonders in der höfischen Renaissancekultur Italiens beliebte Tanz zeichnet sich durch verschiedene charakteristische Sprünge und Körperverdrehungen aus. Ihn zu tanzen erfordert eine gewisse akrobatische Fertigkeit, weshalb früher auch unterschiedlichste traditionelle Akteure wie Gaukler (italienisch buffoni) darauf spezialisiert waren. Das Hüpfen und Springen der Narren und Akrobaten in Filmen über das Mittelalter basiert wohl auf Vorstellungen über diesen Tanz. Mitunter wird das wilde Springen als Hinweis für den Ursprung des Moriskentanzes im Schwerttanz interpretiert. Auch diese Annahme lässt sich heute widerlegen, da es sich hierbei nur um eine Ausprägung neben vielen handelt, wie etwa die moreška auf der kroatischen Insel Korčula..<ref>en:Moreška (engl. Wikipedia)</ref>

Der Moriskentanz benötigte vermutlich eine Reihe von Charakterdarstellern in verschiedenen Rollen. Insgesamt 16 Figuren sollten das ganze mittelalterliche Bevölkerungsspektrum darstellen. Die Zuordnung zu den einzelnen Charakteren erfolgt heutzutage aufgrund fehlender Dokumente eher willkürlich. So unterscheidet man zum Beispiel: „Bauer“, „Dame“, „zur Hochzeit bereiter Jüngling“, und so weiter.

Die Beliebtheit des Moriskentanzes zeigt sich in den holzgeschnitzten Moriskentänzern des Bildhauers Erasmus Grasser aus München.<ref>Grassers Moriskentänzer in der Sammlung des Münchner Stadtmuseum</ref> Die über 500 Jahre alten Holzfiguren zeigen die einzelnen Teilnehmer an einem Moriskentanz. Inspiration für diese Figurentruppe war ein Festbankett des Herzogs Christoph des Starken.

Heutzutage fehlt jedoch eine genaue Vorstellung darüber, wie der Moriskentanz tatsächlich getanzt wurde. Ein Buch über das Tanzen im höfischen Kontext aus dem 16. Jahrhundert spricht etwas diffus von „Tanztappungen“ und „Fußmarkierungen“. Man nimmt an, dass ein großer Teil des Moriskentanzes spontan improvisiert wurde.

Der Moriskentanz wird vielerorts heute noch gepflegt, und unter anderem von Gruppen in München<ref>Moriskentanz in München</ref>, Kaltenberg <ref>Kaltenberger Moriskentänzer</ref> und auf Korčula.

Der Morris dance in England

Als besondere Form des Moriskentanzes, wenn nicht sogar als eigenständige Tanzform für sich, gilt der englische Morris dance.<ref>Morris Dance (engl. Wikipedia)</ref><ref>Morristanz-Videos auf Dancilla</ref><ref>The Morris Tradition booklet, deutsch</ref>

Datei:Will Kemp Elizabethan Clown Jig.jpg
Illustration von William Kempes Morris dance von London nach Norwich im Jahr 1600
Datei:Morris dancers Thames at Richmond.jpg
Morris dancers mit Steckenpferd: Ausschnitt von Thames at Richmond, with the Old Royal Palace, ca. 1620

Während die frühesten Erwähnungen aus dem 15. Jahrhundert den Morris dance im höfischen Kontext beschreiben, scheint es, dass der Tanz im 16. Jahrhundert vornehmlich im popularkulturellen Kontext anzutreffen war; William Kempe, Schauspieler bei William Kempe von William Shakespeare, soll einen Morris dance von London nach Norwich, worüber er in seinen Nine Daies Wonder (1600) berichtet. Der Morris dance wird von einzelnen Gruppen, so genannten „Sides“, getanzt. Ursprünglich waren die Tänzer ausschließlich Männer, inzwischen gibt es aber auch gemischte Sides, in denen auch Frauen tanzen.

Das Wiederaufleben des Morris dance im 20. Jahrhundert ist den Bemühungen englischer Volkskundler wie Cecil Sharp, Maud Karpeles und Mary Neal zu verdanken, die Tänze und Musik aufzeichneten und die Tradition des Morris dance wiederbelebten. Als Startpunkt des „Morris Revival“ gilt allgemein der 26. Dezember 1899.

Heute werden im Wesentlichen sechs regionale Stile unterschieden:

Die Musik wurde ursprünglich auf pipe and tabor (Einhandflöte und Trommel) oder Fiddle gespielt. Heute sind auch andere Instrumente üblich, am häufigsten das Melodeon. Auch andere Trommeln werden verwendet. Cotswold- und Schwert-Tänzer wurden meist von einem einzelnen Musiker begleitet, Northwest- und Border-Sides oft von einer Gruppe von Musikern.

Siehe auch

Weblinks

Literatur

  • Charlotte Gschwandtner: »reissen die seltzsamisten bossen über altar, als wölten sy den morischken dantz springen«. Moriskentanz/Moresca nördlich und südlich der Alpen«. In: Martin Zlatohlávek, Magdaléna Nová (Hrsg.): Cultural Transfer. Universita Karlova v Praze. Katolicka teologická, Prag 2014, S. 17-22.
  • Pál Péter Domokos: Der Moriskentanz in Europa und in der ungarischen Tradition. In: Studia Musicologica Academiae Scientiarum Hungaricae. Bd. 10, Fasc. 3/4 (1968). Akadémiai Kiadó, S. 229-311. JSTOR 901447
  • Thomas Kuster: Die Moreskentänze(r): Eine Form der fürstlich Kurzweil. In: Maximilian I. – Triumph eines Kaisers: Herrscher mit europäischen Visionen. Hrsg. v. Tiroler Kunstkataster (u.a.), Tiroler Landesregierung, Innsbruck 2005–2006, ISBN 3-902112-03-4, S. 42–48.

Einzelnachweise

<references />en:Moresca fr:Danse morisque it:Moresca hr:Moreška nl:Moresca