Präexistenz Christi
Die Präexistenz Christi ist in der christlichen Dogmatik die Lehre, Jesus Christus habe bereits vor seinem irdischen Leben existiert.
Inhaltsverzeichnis
In der frühen Christologie
Die Vorstellung von der Präexistenz Christi findet sich für die meisten Kommentatoren schon sehr früh im christlichen Denken und durchzieht das gesamte Neue Testament.<ref>Gerhard Krause, Gerhard Müller: Theologische Realenzyklopädie. Band 17, 1988, S.56</ref> Die Idee ist ein einleitendes und bestimmendes Thema im Johannesevangelium, aber nicht nur das Johannesevangelium setzt die Präexistenz Christi voraus:<ref>Christian Dietzfelbinger: Der Abschied des Kommenden. Eine Auslegung der johanneischen Abschiedsreden 1997, S.276</ref> Der Gedanke dahinter ist der, dass Jesus Christus bereits vor seinem irdischen Leben „existent“ war und als solcher auch an der Schöpfung der Welt teilhatte. Diese Idee lässt sich biblisch neben Joh 1,1-5 EU aus 1 Kor 8,6 EU; Hebr 1,2 EU; Kol 1,15-20 EU ; Mi 5,1+3 EU (vgl. Mt 2,5-6 EU); Joh 8,58 EU; Spr 8,22-25 EU u. a. ableiten.
Problematik
Manche moderne Theologen, zum Beispiel Adolf von Harnack, stehen der Präexistenz Christi skeptisch gegenüber.<ref>Beihefte der Zeitschrifte für Religions- und Geistesgeschichte, 19-22, 1953, S.48</ref> Paul Althaus hat die Problematik der Präexistenz-Vorstellung für die Dogmatik so erklärt: „Da die Präexistenz eine in der vor- und außerchristlichen Religionswelt verbreitete Aussage ist, muß gefragt werden, ob und inwiefern der Gehalt des Glaubens an Jesus zur Aufnahme des Präexistenz-Gedankens führt und ob er ein angemessener und verbindlicher Ausdruck ist oder ein zeitgebundener, für uns überholter mythologischer Satz.“<ref> Ulrich Wilckens, Paul Althaus: Präexistenz Christi. In: R.G.G. 491-493</ref><ref>G. Schneider G.: Jesusüberlieferung und Christologie. S.334</ref><ref>J.D.G. Dunn: Christology in the making.</ref><ref>K.-J. Kuschel: Born before All Time? The Dispute Over Christ's Origin. Crossroad, New York 1992</ref>
Arianismus
Die Frage nach der persönlichen Präexistenz Christi war keine wichtige Komponente der christologischen Streitigkeiten im zweiten, dritten und vierten Jahrhundert n. Chr. Wenn Arius die Präexistenz hinterfragt hätte, dann wäre dies sicherlich in der Anklage gegen ihn aufgeführt worden.<ref>Rowan Williams Arius: Heresy and Tradition 2002</ref><ref>J. Hastings: Encyclopedia of Religion and Ethics Part 2. Part 2, p.785, 2003 -„Arius and all his disciples acknowledged the pre-existence of our Lord“</ref>
Ebionitismus
Da die Ebioniten die Jungfrauengeburt ablehnten, wiesen sie dementsprechend auch jedes Konzept der persönlichen Präexistenz zurück.
Sozinianismus / Unitarismus
Die Ablehnung jeglicher persönlicher Präexistenz Christi ist auch ein wesentlicher Punkt der unitarischen und sozinianistischen Christologie, wie er auch im Rakower Katechismus der Polnischen Brüder betont wird <ref>Martin Schmeisser (Hrsg.): Sozinianische Bekenntnisschriften: Der Rakower Katechismus des Valentin Schmalz (1608) und der sogenannte Soner-Katechismus. Akademie-Verlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-05-005200-7, S. 127/128.</ref> Der Einfluss der polnischen und niederländischen Sozinianer hat auch zu einer ähnlichen Zurückweisung der persönlichen Präexistenz Christi unter den frühen englischen Unitariern und Rationalisten geführt. Ein wichtiger Unterschied zu den antiken Arianern ist, dass die Sozinianer und Unitarier die jungfräuliche Geburt akzeptierten. Im 18. Jahrhundert<ref>Priestley, J., 1791c [1783], A General View of the Arguments for the Unity of God; and against the Divinity and Pre-Existence of Christ; from Reason, from the Scriptures, and from History, in Tracts. Printed and Published by the Unitarian Society for Promoting Christian Knowledge and the Practice of Virtue. Vol. 1, London: The Unitarian Society, pp. 179–214. [Reprint: in Three Tracts by Joseph Priestley, Morrisville, North Carolina: Lulu.com, 2007.]</ref> haben Teile des Unitarismus einen weiteren Schritt zu einer rationalistischen Positionierung gemacht. Heute sind die sichtbarsten Vertreter dieser Christologie die Brüder in Christo oder Christadelphians.<ref>Hayward, A. Did Jesus really come down from heaven?, Birmingham 1976</ref>
Darstellung der Präexistenz Jesu im Neuen Testament
In Joh 1,18 wird betont, dass Gott nie von jemandem gesehen wurde und dass nur der Sohn, das heißt Jesus Christus, Auskunft über ihn gegeben hat. In 1Tim 6,16 betont der Apostel Paulus, dass Gott in einem „unzugänglichen Licht“ wohne und kein Mensch ihn je gesehen habe. Phil 2,5-11 erklärt, dass Jesus Christus vor seiner Menschwerdung in der Gestalt Gottes war, das heißt genauso Geist war wie sein Vater (Joh 4,24) und dort mit Gott völlig deckengsgleich (kongruent) war. Das griechische Wort isos, das hier gebraucht wird, sagt dies aus (Begriff für das gleichschenklige Dreieck). In Joh 17,5 redet Jesus Christus selber über die Herrlichkeit, die er hatte, bevor die Welt war und in Joh 8,58 sagt er: „ehe Abraham war, bin ich“. In Joh 1,1+2 wird ausgesagt, dass „das Wort“ = ein Titel Jesu Christi – siehe auch Offb 19,13 – im Anfang bei Gott war.
Hinweise auf die Präexistenz Jesu im Alten Testament
In Micha 5,1-4 wird das Kommen des Erlösers und Messias, bzw. des Herrschers über Israel, angekündigt. Es wird gesagt, dass „sein Hervorgehen“ (plural, also mehrmaliges Hervorgehen) von Ewigkeit her geschehen ist.
Fußnoten
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