Richard Pintsch


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Richard Pintsch (* 19. Februar 1840 in Berlin; † 6. September 1919 ebenda) war ein Berliner Apparatebauer und Lichttechniker und ein Dr. Ing. h.c.

Leben

Richard Pintsch war der älteste Sohn von Julius Pintsch, der 1843 in Fürstenwalde bei Berlin eine Werkstatt für Gegenstände des Beleuchtungswesens gegründete hatte, in der ab 1848 Apparate zur Herstellung von Leuchtgas und Gasmesser produziert wurden.

Nach Abschluss einer vierklassigen höheren Bürgerschule begann er im Alter von 15 Jahren eine Lehre in der väterlichen Fabrik.

1867 entwickelte er einen Gasdruck-Regulator für die Beleuchtung der Niederschlesisch-Märkische Eisenbahn-Waggons und 1869 fuhren zwei Nachtzüge zwischen Berlin und Breslau mit seiner Beleuchtung. 1879 übernahm er mit seinen Brüdern Julius Karl und Oskar das Unternehmen, das ein betriebssicheres Beleuchtungssystem unter Verwendung von Ölgas – „Pintschgas“<ref>Definition: pintsch gas. In: dictionary.die.net. Archiviert vom Original am 14. Juli 2012, abgerufen am 10. Januar 2015 (english).</ref> – und Pressgas für die Beleuchtung produzierte. Das Prinzip wurde in den 1870ern auf Seezeichen erweitert. Sie hielten auch schwerem Seegang stand und brannten drei bis sechs Monate wartungsfrei. 1880 rüsteten sie den Suezkanal und Nord-Ostsee-Kanal mit Leuchtzeichen aus. Er gründete 190 Gasanstalten zur Herstellung von Ölgas und expandierte auch ins Ausland.

1886 brachte er mit Auer von Welsbach den ersten für Gasglühlicht brauchbaren Bunsenbrenner heraus, der den Siegeszug des „Auerlichts“ ermöglichte. Ab 1893 stellte Pintsch auch Glühlampen her. Auer erfand unter anderem auch die Metallfadenlampe (Patentierung 1898) und ließ 1906 das Warenzeichen OSRAM für „Elektrische Glüh- und Bogenlichtlampen“ beim Kaiserlichen Patentamt in Berlin anmelden.

Nach Verabschiedung des Patentgesetzes befürchtete Richard Pintsch den Widerruf der britischen Patente. Um das zu verhindern sollten die Pintsch-Lampen in England produziert werden. 1909 erwarb er die britische Power Plant Construction Co. in Brimsdown, Middlesex und eröffnete die Lampenfabrik Imperial Lamp Works (ab 1910 Brimsdown Lamps Work). Im Ersten Weltkrieg versuchte er die Firma vor Enteignung zu schützen und übertrug bis 1917 70 % der Anteile an einen britischen Rechtsanwalt und den Managing director der Firma. Dennoch wurde sie beschlagnahmt und an die britische Firma Cosmos Lamp Works Ltd. verkauft.<ref name="books-BqjhLmKdj0AC-122">Antje Hagen: Deutsche Direktinvestitionen in Grossbritannien, 1871-1918. Franz Steiner Verlag, 1997, ISBN 978-3-515-07152-9, S. 122 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).</ref> 1910 holte er den Schweizer Ingenieur Hugo Grob ins Unternehmen, der in den nächsten zwei Jahren eine elektrische Zugbeleuchtung entwickelte. Im gleichen Jahr verlieh ihm die Technische Hochschule Charlottenburg die Ehrendoktorwürde (als Dr.-Ing. E.h.). Später wandte er sich der Wasserstofftechnik und der Ballonfahrt zu.

Richard Pintsch war Gründungsmitglied und seit 1910 Ehrenmitglied der Deutschen Maschinentechnischen Gesellschaft<ref>Liste der Ehrenmitglieder der Deutschen Maschinentechnischen Gesellschaft, abgerufen am 25. Mai 2011</ref>, außerdem Mitglied der Preußischen Akademie des Bauwesens und Ehrenmitglied des Vereins zur Beförderung des Gewerbefleißes. Nach ihm ist die Pintschallee in Berlin-Brinz, nahe dem Teltow-Kanal, benannt.<ref>Pintschallee. In: Straßennamenlexikon des Luisenstädtischen Bildungsvereins (beim Kaupert)</ref>

Der 28-jährige Richard Pintsch heiratete 1868 die 27-jährige Marie Heller (1841–71), Tochter des Rentiers Johann Heller und der Friederike Heller. Sie verstarb bereits im 3. Ehejahr. 1875 heiratete er Marie Goldbeck (N.N.–1922), Tochter des Rentiers August Goldbeck und der Katharine Koller. Mit seiner zweiten Ehefrau hatte er drei Söhne und vier Töchter.

Villa Marienfels

Ende der achtziger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts verliebte sich Richard Pintsch in das Berchtesgadener Land. Besonders war er, Ingenieur, Unternehmer und Pionier der Gasbeleuchtung in Deutschland, von der Reichenbach’schen Soleleitung angetan, welche unweit des weitläufigen, kurzerhand erworbenen Grundstückes vom Salzbergwerk Berchtesgaden bis zur ungefähr zwanzig Kilometer entfernten Saline Bad Reichenhall verlief, entlang der Flanke eines kleinen Berges, des Kälbersteins. Der Bauplatz der geplanten Villa Marienfels<ref>Villa Marienfels in Berchtesgaden</ref> an einem ausgesetzten und vorgelagerten, sehr schroffen Steilhang, unweit eines Abschnittes dieser Soleleitung, galt als ausgesprochen schwierig, mit ungünstigsten Bedingungen. Entworfen wurde das höchst ungewöhnliche Gebäude vom Berliner Architekturbüro Cremer und Wolffenstein, die seinerseits unter vielen anderem am Bau der ersten Berliner U-Bahn-Linie beteiligt waren. Die Einzelteile des atemberaubend über dem Stadtkern förmlich schwebenden Hauses im Neurenaissance-Stil wurden 1892 in Berlin-Fürstenwalde gefertigt, dort probeweise zusammengesetzt und dann mit der Eisenbahn nach Berchtesgaden transportiert. Die Montage auf einer weitgehend künstlich erstellten Hangterrasse nahm gerade mal vier Monate in Anspruch. “Villa Marienfels” gilt als das erste Fertighaus der Welt.

Sie wurde mit dem größten technischen Komfort ausgestattet, dazu gehörte eine eigene Wasserversorgung, dreizehn Jahre bevor in Berchtesgaden ein zentrales Leitungsnetz installiert wurde, sie war auch an das Stromnetz der Berchtesgadener Elektrizitätsversorgungs-Gesellschaft angeschlossen, der ersten in ganz Bayern, eine Dampfheizung wurde in sämtlichen Räumen konstruiert, eine Personenrufanlage mit Gegensprechfunktion und - die Attraktion schlechthin! – ein elektrischer Fahrstuhl, mithilfe dessen der herzkranke Herr Pintsch ohne Mühen die fünfzig Höhenmeter bis hinunter zum Markt Berchtesgaden zurücklegen konnte. Die Gestaltung der Inneneinrichtung oblag völlig der Frau des Industriellen, Maria, geborene Goldbeck. Exquisiter Jugendstil, eine gusseiserne Treppe, welche die drei Stockwerke miteinander verbindet, Groteskenmalereien, kostbare Holzdecken mit Schnitzereien und Brandmalereien, bemalte Bleiglasfenster verliehen – und verleihen auch heute noch – den Räumen gediegenen Luxus. Die Planung und der Ausbau des Gartens nahmen fünfundzwanzig Jahre in Anspruch.

Ein Jahr nach Ende des Ersten Weltkriegs starb Richard Pintsch. Nur drei Jahre nach seinem Tod starb 1922 auch seine Ehefrau Maria. Trotz ihrer sieben Kinder fehlte es dem Ehepaar an einem qualifizierten Erben. Sohn Erwin Pintsch verfiel dem Alkoholismus und starb, knapp dreißigjährig, in Berchtesgaden. Sein Grab befindet sich dort auf dem Alten Friedhof. Die vier Töchter wurden wohlhabend verheiratet. Tochter Dr. Ing. Martha Pintsch heiratete Dr. jur. Otto Bormann (1877–1973). Dieser Schwiegersohn schloss 1953 die Julius Pintsch West KG in Hamburg mit der Bamag GmbH in Köln zur Pintsch-Bamag AG mit Hauptsitz in Butzbach zusammen und wurde, bis zu deren Verkauf, deren Hauptaktionär.

Ehrungen und Auszeichnungen

Richard Pintsch erhielt folgende Ehrungen und Auszeichnungen:<ref>Zum Ableben Richard Pintsch. In: Polytechnisches Journal. 334, 1919, S. 221–223.</ref>

  • 1887 Ernennung zum Kommerzienrat
  • 1896 Ernennung zum Geheimen Kommerzienrat
  • am 19. Februar 1910, seinem siebzigsten Geburtstag, wurde ihm der Königliche preußische Kronenorden II. Klasse verliehen
  • am 19. Februar 1910, seinem siebzigsten Geburtstag, ehrte ihn die Königlich Technische Hochschule, Berlin-Charlottenburg, für sein Lebenswerk durch die Verleihung des Ehrendoktor der Ingenieur-Wissenschaften.
  • Inhaber der Bunsen-Pettenkofer-Plakette des Vereins Deutscher Gas- und Wasserfachmänner
  • Ehrenmitglied des Vereins Deutscher Maschinen-Ingenieure und der polytechnischen Gesellschaft
  • Inhaber der Großen goldenen Delbrück-Medaille, die nur alle fünf Jahre vom Verein zur Förderung des Gewerbefleißes verliehen wird
  • seit über 25 Jahren ordentliches Mitglied der Königlichen Akademie des Bauwesens
  • Ehrenbürger der Gemeinde Fürstenwalde
  • Ehrenbürger der Gemeinde Berchtesgaden. Verleihung am 9. August 1906 für seine Verdienste als Wohltäter des Kindergartens und des Bruderhauses der Gemeinde Berchtesgaden

Grablege

Richard und seine Ehefrau Maria Pintsch wurden in der Familiengrabstätte der Familie Pintsch bestattet. Die aufwendige Grabstätte hat die Form eines dorischen Tempels. Der Friedhof I. der evangelischen Georgen-Parochialgemeinde, ehemals Georgenfriedhof ist einer der Friedhöfe der Berliner Evangelischen Georgen-Parochialgemeinde und grenzt an den 1854 errichteten Neuen Marien-Nikolai-Friedhof, zu dem ein Durchgang möglich ist. Er befindet sich in der Greifswalder Straße 234/229 im Ortsteil Berlin Prenzlauer Berg, Bezirk Pankow. Der Friedhof wurde 1970 geschlossen aber seit 1991 sind wieder Bestattungen möglich. Eine geplante Umwidmung nicht mehr benötigter Flächen des Georgen-Parochial- und des benachbarten Neuen Marien-Nikolai-Friedhofs zu Bauland wurde nach Einsprüchen von Anliegern vorerst gestoppt

Weblinks

Literatur

Einzelnachweise

<references />