Roter Seufzer
Roter Seufzer (auch Seufzer und Leipziger Seufzer genannt) ist der volkstümliche Name des unter dem sächsischen Kurfürsten und polnischen König August dem Starken (1694–1733) in riesigen Mengen 1701 und 1702 geprägten minderwertigen Sechs-Pfennig-Stücks. Der Name dieser Sechser ist auf den Verlust zurückzuführen, den die Bevölkerung durch die stark kupferhaltigen Münzen erlitt.<ref> Heinz Fengler, …: transpress Lexikon Numismatik, S. 358: Seufzer</ref>
Münzgeschichte
In den Jahren 1701 und 1702<ref>Gerhard Schön: Deutscher Münzkatalog 18. Jahrhundert, S. 564, Nr. 23: 6 Pfennig 1701, 1702, Sachsen (Roter Seufzer)</ref> prägte die Münzstätte Leipzig im Kurfürstentum Sachsen in großen Zahl Sechs-Pfennig-Stücke. Diese Münzen trugen zunächst eine dünne Schicht hochwertigen Silbers, die jedoch im Umlauf schnell abnutzte und eine fast kupferrote Münze erkennen ließ. Die roten Seufzer waren aus knapp zweilötigem Silber (122/1000 Silber; Billon) geschlagen und wogen 1,62 g.<ref>Walter Haupt: Sächsische Münzkunde, S. 170</ref> Die Münzinschrift „LANDMÜNZ.“ bedeutet, dass diese Münze eine Landmünze war und folglich nicht der Reichsmünzordnung entsprechen musste, was auch tatsächlich der Fall war. Die Ausprägung der Roten Seufzer erfolgte in Anlehnung an die minderwertigen kurbrandenburgischen Sechspfenniger<ref>search: Brandenburg/Preußen, Friedrich III. 1688–1701, 6 Pfennig 1693 BH, Minden</ref> mit dem Spottnamen Rote Sechser, die unter dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg (1640–1688) und seinem Nachfolger Friedrich III. (I.) (1688–1713) von 1676–1711<ref>N. Douglas Nicol: Standard Catalog of German Coins 1601 to Present, 1995, S. 110, Brandenburg, 6 Pfennig 1676–1700</ref><ref>Gerhard Schön: Deutscher Münzkatalog 18. Jahrhundert, S. 95, Nr. 6: Brandenburg, 6 Pfennig 1690–1695, 1700, S. 96, Nr. 20, 1703–1711</ref> geprägt wurden.<ref>Heinz Fengler, …: transpress Lexikon Numismatik, S.329: Rote Sechser</ref>
August II. ließ kurz hintereinander zwei Posten der Sechser im umgerechneten Nennwert von je 280.000 Talern ausprägen. Von beiden Posten erzielte der König einen Reingewinn von 236.000 Talern.<ref>Walter Haupt: Sächsische Münzkunde, S.171</ref> Der amtierende Leipziger Münzmeister Ernst Peter Hecht überstand die durch die minderwertigen Sechser hervorgerufene Geldkrise unangefochten. Die Verantwortung für die massenweise ausgebrachten unterwertigen Pfennigmünzen mit dem Münzmeisterzeichen E.P.H., die das Kurfürstentum überschwemmten, trug offensichtlich nicht der Münzmeister. Die Schuld am Münzbetrug schob der König dem Großkanzler und Geheimen Rat Wolf Dietrich Grafen von Beichlingen zu, der wegen der Ausführung eines von ihm emittierten Bankotalers<ref>Walter Haupt: Sächsische Münzkunde, S. 169 (Bankotaler dieser Zeit sind nach dem Burgundischen Fuß geprägte Talermünzen, einem Münzfuß, der etwas leichter war als der Reichsfuß und demzufolge die Taler etwas geringhaltiger als die im Reichsfuß geprägten Taler.)</ref> (Beichlingscher Ordenstaler) 1702 in Ungnade gefallen war.<ref>Walter Haupt: Sächsische Münzkunde, S. 169</ref>
Beichlingen bestritt allerdings, die Ausgabe der Sechser veranlasst zu haben:
„Dieser [Beichlingen] gab untertänigst zu bedenken, er habe nichts ohne besonderes Geheiß getan und erlaube sich, den König zu erinnern, dieser selbst habe die Ausmünzung des anstößigen Geldes […] anbefohlen wegen Anschaffung gewisser Juwelen. Er, der Kanzler, habe seine Bedenken vorgestellt, sei aber nicht gehört worden. Der König habe selbst die Ausprägung eines zweiten Postens […] in solchen Sechsern angeordnet und von diesen beiden Posten einen Reingewinn von 236.000 Talern wirklich genossen. […]“<ref>Walter Haupt Sächsische Münzkunde, S. 171</ref>
Es war die Zeit des Nordischen Kriegs (1700–1721) gegen die Schweden, in der August II. dringend Finanzmittel benötigte. Zur Verantwortung für den „Plan des Finanzunternehmens“ und dessen Auswirkung ist im „Conversations-Lexikon“ von 1831 folgendes festgehalten:
„Seufzer, auch rothe Seufzer war der Name einer geringhaltigen Scheidemünze, die 1701 aus der leipziger Münze ausging. Weil durch sie die Mark fein auf 32 Thlr. ausgebracht war, setzte das Volk eigenmächtig ihren Werth von 6 Pfennigen auf 2 Pf. herab. König August II. befahl zwar unterm 16. Februar 1703 sie für 3 Pfennige das Stück anzunehmen, gewährte aber unter dem 13. April dess. J. dem Publicum, daß es bei seinem Umlaufpreise von 2 Pf. blieb. Der Plan zu diesem Finanzunternehmen soll vom Grafen Beichlingen ausgegangen sein. In 2 Jahren waren mehr als für eine halbe Mill. Thlr. solcher Seufzer ausgeprägt worden.“<ref>Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie für die gebildeten Stände (Conversations-Lexikon), Zehnter Band, Reutlingen 1831, S. 182</ref>
Wer für die Ausgabe der Roten Seufzer verantwortlich war, steht nicht fest. Die minderwertigen Sechser wurden durch Edikt vom 16. Februar 1703 auf 3 Pfennige abgewertet. Die Bevölkerung bewertete sie jedoch nicht höher als 2 Pfennige und erreichte damit durch Edikt vom 13. April 1703 die weitere Abwertung. Damit schadete sie sich am meisten selbst, denn die Landeskassen brauchten sie nunmehr nur noch mit 2 Pfennigen einzulösen. Zuletzt wurden sie nur noch als Spielmarken verwendet.<ref> Walter Haupt: Sächsische Münzkunde, S. 170/171</ref>
Literatur
- Walter Haupt: Sächsische Münzkunde, Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1974
- Heinz Fengler, Gerd Gierow, Willy Unger: transpress Lexikon Numismatik, Berlin 1976
- Friedrich von Schrötter, N. Bauer, K. Regling, A. Suhle, R. Vasmer, J. Wilcke: Wörterbuch der Münzkunde, Berlin 1970 (Nachdruck der Originalausgabe von 1930)
- Gerhard Schön: Deutscher Münzkatalog 18. Jahrhundert, München 1984
- Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie für die gebildeten Stände (Conversations-Lexikon), Zehnter Band, Reutlingen 1831
Einzelnachweis
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