Schachtanlage Asse


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Datei:Asse1.jpg
Fördergerüst des Schachts Asse II
Datei:Schnitt-Schachtanlage Asse.svg
Schnittzeichnung der Anlage

Die Schachtanlage Asse ist ein ehemaliges Salzbergwerk in Niedersachsen, das ab 1965 als Forschungsbergwerk betrieben wurde und wo zwischen 1967 und 1978 die Endlagerung radioaktiver Abfälle großtechnisch erprobt und praktiziert wurde.

Das Bergwerk liegt im gleichnamigen Höhenzug Asse zehn Kilometer südöstlich von Wolfenbüttel. Nach dem älteren ihrer zwei Tagesschächte, abgeteuft 1906, wird die gesamte Anlage auch Asse II genannt.

Die Anlage wurde seit 1965 im Auftrag des Bundes von einer Forschungseinrichtung betrieben, die anfänglich Gesellschaft für Strahlenforschung mbH (GSF) hieß und nach mehreren Namenswechseln jetzt als Helmholtz Zentrum München (HMGU) firmiert. Die Forschungsarbeiten zur Endlagerung radioaktiver Abfälle liefen 1995 aus. Von 1995 bis 2004 wurden verbliebene Hohlräume aus dem ehemaligen Salzabbau verfüllt. 2007 wurde die endgültige Schließung beantragt. Das Schließungskonzept war politisch umstritten; die Entscheidung stand aber unter gewissem Zeitdruck, da die bergmechanische Stabilität des Grubengebäudes nur auf wenige Jahre gesichert schien.

Nach Presseberichten über radioaktiv kontaminierte Salzlauge 2008 wurde dem Betreiber vorgeworfen, die Aufsichtsbehörden unzureichend informiert zu haben. Dies wurde nachher amtlich bestätigt. Um die Anlage atomrechtlich angemessen schließen zu können, wird sie nicht mehr nach Bergrecht, sondern seit dem 1. Januar 2009 als ein Endlager nach Atomrecht betrieben. Deshalb ist seit 1. Januar 2009 das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) als Betreiber für den Betrieb und die Stilllegung der Anlage verantwortlich.<ref name="Kabinettsbeschluss">Kabinett beschließt Betreiberwechsel für Asse – Stilllegung der Asse erfolgt nach Atomrecht. Gemeinsame Pressemitteilung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom 5. November 2008.</ref> Durch den Wechsel des Betreibers fiel die politische Zuständigkeit vom Bundesministerium für Bildung und Forschung zum Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Der neue Betreiber verwarf das Schließungskonzept seines Vorgängers, führte einen Vergleich dreier Optionen zum Umgang mit den eingelagerten Stoffen durch und stellte im Januar 2010 einen Plan zur Rückholung der eingelagerten Abfälle vor.<ref>endlager-asse.de</ref>

Standort und Betrieb als Salzbergwerk 1906 bis 1964

Die Salze der Asse wurden in der Zechsteinzeit, vor 250 bis 230 Millionen Jahren, aus dem Meer ausgeschieden (Barrentheorie). Die ehemals flach gelagerten Schichten wurden tektonisch vor etwa 110 Millionen Jahren zum heutigen Assesattel aufgefaltet. Während die flacher einfallende Nordflanke aus den Deckgebirgsschichten von unterem Buntsandstein bis zur Tagesoberfläche hochgedrückt worden ist, besteht die steilstehende Südflanke aus Sedimenten des Oberen Buntsandsteins und Muschelkalks und den zeitlich darauffolgenden Deckgebirgsschichten.

Datei:Fuellort Asse 490.jpg
Füllort des Schachts Asse II ca. 490 m unter der Erdoberfläche

In der bergmännischen Geschichte der Asse wurde zunächst das Kali-Salz Carnallit abgebaut, später dann Steinsalz. Besonders intensiver Abbau wurde in der Südwestflanke, in der die Schichten des Deckgebirges steil stehen, betrieben. Diese Eingriffe haben den Spannungszustand des Salzsattels beeinträchtigt. Umlagerungen führten hier und im Deckgebirge zu Verformungen, welche sich bis hinauf zur Tagesoberfläche durchpausen.

In den Jahren 1894 und 1895 wurden erstmals drei Tiefenbohrungen durchgeführt, die Vorkommen bei 296 m Teufe hervorbrachten.<ref name="Bergbau"> Dipl.-Ing. E. Albrecht, Ring Deutscher Bergingenieure (Hrsg.): Der Ausbau des Steinsalzbergwerkes Asse II für die Einlagerung radioaktiver Rückstände. Nr. 4/1792, Gesellschaft für Strahlen- und Umweltforschung mbH, München.</ref> Im Bergwerk Asse I bei Wittmar<ref name="Lage">Die Braunschweig-Schöninger Eisenbahn – Teil 5, Anschlußbahn Asseschacht.</ref> wurde ab 1899 Kali abgebaut. Im Herbst 1905 kam es zu Laugenzufluss aus einem gegen den Salzton getriebenen Vorbohrloch, der so stark zunahm, dass die Grube 1906 aufgegeben wurde.<ref>100 Jahre Schachtanlage Asse (PDF; 29 kB). Festvortrag des Leiters des Forschungsbergwerkes Asse, Günther Kappei.</ref>

Zwischen 1906 und 1908 wurde 1,4 Kilometer entfernt auf der Flur von Remlingen<ref name="Lage" /> der Schacht Asse II bis zu einer Tiefe von 765 m abgeteuft. Es wurden drei Baufelder angelegt: Im Norden für den Abbau von Carnallit (1 Mio. m³ Ausbruch, 1909–1925), im Süden für Jüngeres (Leine-)Steinsalz (3,4 Mio. m³, 1916–1964), und in größerer Tiefe im Kern des Salzstocks für Älteres (Staßfurt-)Steinsalz (0,5 Mio. m³, 1927–1964).<ref>Gebirgsmechanische Zustandsanalyse des Tragsystems der Schachtanlage Asse II – Kurzbericht (PDF; 2,2 MB), Seite 7. Institut für Gebirgsmechanik GmbH, 2007.</ref> Der Steinsalzabbau auf Asse II endete 1964. Ein Teil des Ausbruchs ist sofort wieder versetzt worden; es verblieb ein Hohlraumvolumen von gut drei Millionen Kubikmetern. An einigen Stellen beträgt die Salzbarriere zum Deckgebirge nur noch wenige Meter. In den 1920er Jahren ist feuchter Versatz in die Kali-Abbaue eingebracht worden;<ref name="MUK-Status27">Statusbericht des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt und Klimaschutz über die Schachtanlage Asse II, Seite 27. Niedersächsisches Ministerium für Umwelt und Klimaschutz, Hannover 2008.</ref> daher scheint der überwiegende Teil des derzeit im Salzstock befindlichen Wassers zu stammen, das sich auf dem Boden der Sohlen sammelt und, wo diese Gefälle haben, in sogenannte Sümpfe abfließt.

Der Schacht 3 (Asse III) bei Klein Vahlberg wurde ab 1911 angelegt, da die Bergbehörde aus Sicherheitsgründen einen zweiten Schacht verlangte. Während der Arbeiten hatte die Anlage starke Laugenzuflüsse und geriet dreimal unter Wasser. Dadurch wurde die eigentliche Salzförderung erst gar nicht begonnen.<ref>Frankfurter Rundschau, 16. Juli 2009</ref> Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Arbeiten fortgesetzt und erreichten im Jahre 1923 die Endtiefe von 728 m. 1924 wurde der Schacht auf Grund des Kali-Wirtschaftsgesetzes, unter anderem durch den Einbruch der Kalinachfrage, stillgelegt.<ref name="Bergbau" />

Asse IV ist ein zweiter Tagschacht des Bergwerks Asse II und liegt in unmittelbarer Nähe von Schacht II.

Einlagerungsphase 1965 bis 1978

Zielsetzung

Als in den 1960er Jahren die ersten deutschen Kernkraftwerke geplant wurden, war klar, dass man nach einer Abklingzeit von einigen Jahrzehnten ein Endlager für hochradioaktive Abfälle brauchen würde. In der Internationalen Konferenz über die Beseitigung radioaktiver Abfallprodukte in Monaco wurde erstmals diskutiert, dass radioaktive Produkte in fester Form oder in Behältern verschlossen, in künstlichen oder natürlichen Kavernen im Erdreich gelagert werden könnten.<ref>Weichenstellung schon unter Adenauer auf Braunschweiger-Zeitung.de (abgerufen am 5. November 2014)</ref> Aufgrund der geologischen Voraussetzungen in Deutschland galt die Einlagerung in Salzstöcken als aussichtsreichste Option. Es herrschte große Zuversicht, innerhalb weniger Jahrzehnte ein Endlager in Betrieb nehmen zu können. Als Standort wurde schon damals Gorleben vorgeschlagen. Als Prototyp für das Endlager und zur Klärung der noch offenen technischen Fragen erwarb die GSF 1965 im Auftrag des Bundes das soeben stillgelegte Bergwerk Asse II von der damaligen Eigentümerin der Wintershall zu einem Preis von 700 000 DM.<ref name="Besprechungsnotiz">Besichtigung der Schachtanlage Asse der Wintershall AG in Reutlingen. (PDF; 824 kB) Zeitpunkts. Orts. Teilnehmer, 29. Januar 1964. Remlingen bei Wolfenbüttel.</ref>

„Ziel war es, für ein geplantes Endlager im Salzstock Gorleben die entsprechenden Techniken und die wissenschaftlich-technischen Daten zu ermitteln und bereitzustellen. Der Salzstock Gorleben war in der Eignungsuntersuchung. Wir von der GSF sollten im Forschungsbergwerk Asse die entsprechenden Technologien und wissenschaftlichen Untersuchungen durchführen.“

Klaus Kühn: ehemaliger Betriebsleiter der Asse, 2001

Obwohl bereits die Problematik von eindringendem Wasser bekannt war, Kläger aber vor Gericht mit ihren Bedenken gescheitert waren, wurde das Bergwerk Asse II als trocken und für geeignet zur Einlagerung von radioaktiven Abfällen erklärt. So verkündete 1972 der damalige Staatssekretär im Bundeswissenschaftsministerium Klaus von Dohnanyi:

„Das Eindringen von Wasser kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.“

Klaus von Dohnanyi<ref>zit. n. Frankfurter Rundschau vom 16. Juli 2009</ref>

Anlässlich einer Fachbesichtigung im Jahre 1964 hieß die Formulierung:

„Auf der 750-Meter-Sohle befinden sich ein Sammelbecken für magnesiumhaltige Lauge, die in 79 Litern pro Tag aus alten Carnallit-Abbauen zufließt, sowie ein Behälter zum Auffangen des Tropfwassers aus dem Schacht. Dieses kommt aus drei Rissen, mit etwa 2 Litern pro Minute … Laut Prof. Mohr kann der Wasserzulauf durch Zementieren eingedämmt werden.“

– Besichtigungsnotiz<ref>Deutschlandfunk, Forschung aktuell, Sendung vom 19. Februar 2010, Björn Schwentker: Asse unter Druck – Durch Wassereinbruch könnten Gase entstehen</ref> Damit könnte ein unbeherrschbarer Zustand auftreten, wenn aus dem Deckgebirge zu einem derzeit unkalkulierbaren Zeitpunkt plötzlich weitere und unter Umständen weitaus größere Mengen an Wasser oder Lauge durchbrechen würden. Die zuströmende Lösung würde weitere Salze (Carnallit) im Grubengebäude auflösen, wodurch die Standsicherheit des Bergwerks weiter abnehmen würde.<ref>Telepolis: Das Versuchsendlager Asse säuft immer schneller ab 18. September 2009</ref> Darüber hinaus wäre bei Flüssigkeitszutritt auch mit einer massiven Zunahme der Korrosion und so mit einer damit verbundenen verstärkten Entstehung von Wasserstoff zu rechnen. In Verbindung mit dem ebenfalls vorhandenen Methan könnte dies bereits nach 50 Jahren zu einem sogenannten Blow-Out führen, bei dem die Gase durch den entstandenen hohen Gasdruck unkontrolliert an die Oberfläche strömen könnten, wobei sie radioaktiv kontaminierte Flüssigkeiten und Schlämme mit sich führen könnten. Die freiwerdenden Gase und Flüssigkeiten würden in kurzer Zeit in die Biosphäre austreten und dort zu radioaktiver Belastung führen.<ref>Ralf E. Krupp: Strömungs- und Transportmodell, Langzeitsicherheit Asse II (PDF; 772 kB), Offener Brief an die Arbeitsgruppe Optionenvergleich (AGO), 29. Dezember 2009, Burgdorf</ref> Diese Problematik wird auch nicht durch die Flutung der Grube durch das sogenannte Schutzfluid verhindert, im Gegenteil: die beim Scheitern der Müllrückholung vorgesehene und bereits für Teilverfüllungen angewendete Magnesiumchlorid-Lösung beschleunigt die Korrosion der Metalle zusätzlich massiv.

Das Schließungskonzept der GSF

Grundzüge eines Schließungskonzepts sind seit 1995 im Rahmen von Haupt- und Sonderbetriebsplänen genehmigt worden; aufgrund dieser Betriebspläne wurden Teile des Konzepts bereits umgesetzt. Der eigentliche Antrag zur Schließung des Bergwerks wurde im Januar 2007 beim Landesbergamt eingereicht. Dieser Antrag beinhaltete einen Abschlussbetriebsplan sowie einen Langzeitsicherheitsnachweis. Nach einer ersten Prüfung beschied die Genehmigungsbehörde die eingereichten Unterlagen als nicht ausreichend und forderte weitere Nachweise an.

Der Plan sah vor, den Salzstock durch Verfüllung von Hohlräumen mechanisch zu stabilisieren. Das Einblasen von Salzgrus führte zwar zu einer Beruhigung im Gebirge, für eine dauerhafte Stabilisierung reicht der dadurch zu erreichende Gegendruck aber nicht aus. Um das Restporenvolumen im Füllmaterial weiter zu minimieren und dadurch zum Abbau mechanischer Spannungen beizutragen, sollte ein Schutzfluid eingebracht werden. Vorgesehen war dafür eine Magnesiumchlorid-Lösung, mit deren Hilfe einer Zersetzung des Carnallits durch zutretende Natriumchlorid-Lösung entgegengewirkt werden sollte. Das Schließungskonzept sah zudem den Bau von Strömungsbarrieren vor.

Die Flutung der Asse mit einem Schutzfluid wurde der Öffentlichkeit als das aus bergmännischer Sicht einzig sachgerechte Vorgehen vorgestellt. Problematisch blieb jedoch, ob dies mit den Anforderungen des Strahlenschutzes vereinbar ist. Entsprechend der Grundregel, Entsorgungsprobleme nicht durch Verdünnung zu lösen, ist es internationaler Standard, radioaktiven Abfall trocken einzulagern. Wenn die Einlagerungskammern in der Asse geflutet werden, ist damit zu rechnen, dass ein Teil des radioaktiven Inventars gelöst wird und im Verlauf von Jahrhunderten durch die porös verfüllten Hohlräume des verschlossenen Bergwerks diffundiert. Um diese Diffusion zu begrenzen, sollten Strömungsbarrieren gebaut werden. Der Betreiber versuchte, durch Modellrechnungen den Nachweis zu führen, dass dauerhaft ein radiologisches Schutzziel erreicht wird, das jegliche Beeinträchtigung der Biosphäre ausschließt.

Ein weiterer Einwand gegen die Flutung lautet, der Zement, in dem viele der Abfälle gebunden sind, könne mit zutretendem Wasser chemisch reagieren, Gas freisetzen und Druck aufbauen bis hin zum Risiko einer Explosion.<ref>Verbuddelt und Vergessen – Radioaktiver Abfall im Forschungslager Asse II bei Remlingen (Memento vom 28. September 2007 im Internet Archive). In: Braunschweiger Uni-Zeitung, Ausgabe WS0607 – 4, im Internet Archive</ref>

Vorbereitende Arbeiten

Von August 1995 bis April 2004 wurden – bis auf wenige Resthohlräume – die alten Abbauhohlräume zwischen der 725- und 490-m-Sohle mit Rückstandsalzen des ehemaligen Kalisalzbergwerkes Ronnenberg verfüllt. Jeden Werktag wurden 18 Eisenbahnwaggons antransportiert. Vor Ort wurden die Hohlräume mit einem Schiebeschild bis unter die Firste dicht verfüllt. Insgesamt wurden etwa 2,15 Millionen Tonnen Salzhaufwerk in die Abbaue der Südflanke der Schachtanlage Asse II eingebracht.<ref>Asse – Historie – Verfüllung. Helmholtz Zentrum München, 2008.</ref>

Das ursprüngliche Schließungskonzept sah unter anderem vor:

  • Bau von Strömungsbarrieren zur wirksamen Begrenzung und Lenkung der in Zukunft möglichen Lösungsbewegungen im Grubengebäude.
  • Verfüllung der Hohlräume unterhalb der 800-m-Sohle.
  • Einspeisung von Magnesiumchlorid-Lösung als Schutzfluid.
  • Rückbau der Schächte Asse II und Asse IV.
  • Gewährleistung der Grubensicherheit durch regelmäßige Unterhaltungsarbeiten im Grubengebäude (Kontrollen von Bereichen mit Steinfallgefahr, Prüfung von Förderkorb, Seil und Fördermaschine, Wartung der unter Tage angelegten Fahrbahnen, Überwachung und Instandhaltung von Maschinen und elektrotechnischen Einrichtungen).

Nach dem Betreiberwechsel zum 1. Januar 2009 ist das alte Schließungskonzept zurückgestellt worden. Zunächst wurden verschiedene Schließungsoptionen betrachtet, aus denen man bis Ende 2009 die relativ beste Option auswählen wollte.

Im Januar 2010 schlug das Bundesamt für Strahlenschutz vor, den Atommüll komplett aus dem maroden Lager zu bergen. Die Optionen einer Einbetonierung der Fässer oder ein Umlagern der Fässer in tiefere Schichten waren zuvor verworfen worden.<ref>Bundesamt spricht sich für Rückholung der Asse-Abfälle aus Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. Januar 2010</ref><ref>Atommülllager Asse soll geräumt werden (Memento vom 16. Januar 2010 im Internet Archive) NDR, 15. Januar 2010 </ref> Der Fachverband für Strahlenschutz lehnte in einer Stellungnahme vom 15. Februar 2011 eine vorzeitige Festlegung auf die Rückholung der Abfälle aus Strahlenschutzgründen ab.<ref>Fachverband für Strahlenschutz e.V.: Rückholung der Abfälle aus der Schachtanlage Asse II. 15. Februar 2011, abgerufen am 30. April 2013 (PDF; 57 kB).</ref> Für die Rückholung der eingelagerten Abfälle wurde ein Zeitraum von zehn Jahren angesetzt, die Kosten wurden in einem Gutachten zunächst auf rund zwei Milliarden Euro geschätzt.<ref>Atommüll wird aus Asse herausgeholt Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. Januar 2010</ref> Der damalige Bundesumweltminister Röttgen schätzte die Kosten bereits Ende Januar 2010 mit 3,7 Milliarden Euro deutlich höher ein.<ref>Joachim Wille: Milliardengrab Asse. Frankfurter Rundschau, 28. Januar 2010, abgerufen am 29. Mai 2012.</ref>

2012 wurde bekannt, dass der Beginn der Rückholung im ungünstigsten Fall erst im Jahr 2036 beginnen könnte.<ref>Maroder Salzstock: Bergung des Asse-Atommülls könnte erst 2036 beginnen. Spiegel-Online, 29. Mai 2012, abgerufen am 21. Mai 2015.</ref> 2015 erfolgten Überlegungen, sich bei den bergungsvorbereitenden Sondierungen zunächst auf leichter zugängliche Bereiche des Bergwerkes zu konzentrieren, um möglicherweise bereits 2023 mit der Rückholung anfangen zu können.<ref>Wolfgang Riek: Asse: Atommüll-Bergung zehn Jahre früher? HNA-Online, 15. April 2015, abgerufen am 21. Mai 2015.</ref>

Zur Rückholung des Atommülls ist ein zusätzlicher Schacht Asse 5 erforderlich, da der Schacht Asse 2 aus technischen Gründen nicht geeignet ist. Am 5. Juni 2013 begannen die Bohrarbeiten an der Erkundungsbohrung für Schacht 5. Die Bohrung soll 790 m tief werden und etwa zwei Millionen Euro kosten.<ref>Bohrung zur Erkundung für neuen Bergungsschacht bei der Asse gestartet. BfS, 5. Juni 2013, abgerufen am 6. Juni 2013.</ref>

Öffentlichkeitsbeteiligung und Optionenvergleich

Bis 2008 wurde die Asse nach Bergrecht betrieben. Der wesentliche Unterschied zum Betrieb nach Atomrecht besteht darin, dass Genehmigungsverfahren ohne Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt werden können. Aufgrund wachsenden öffentlichen Drucks und aus politischen Gründen beschlossen die beteiligten Minister (Bundesumweltminister, Bundesbildungsministerin, Niedersächsischer Umweltminister) 2007 jedoch, die Öffentlichkeit an der Prüfung des Schließungsantrags zu beteiligen. Es wurde ein Arbeitskreis Optionenvergleich eingesetzt, um Alternativen zum Schließungskonzept des Betreibers zu prüfen, und im Landkreis Wolfenbüttel wurde eine Begleitgruppe eingerichtet.

Als Optionen neben der Flutung mit Magnesiumchlorid-Lösung wurden inzwischen eine Verfüllung mit festem Material (Schotter, Sorelzement), eine Umlagerung von Teilen des Atommülls innerhalb des Bergwerks oder eine Rückholung der Fässer genannt.

Bundesweite Aufmerksamkeit und Betreiberwechsel

Datei:Bundesamt fuer Strahlenschutz Asse.jpg
Eingang zu Schachtanlage Asse II (August 2009)

Die Veröffentlichung des Statusberichts und seine Interpretation insbesondere durch Bundesumweltminister Sigmar Gabriel machten bundesweit Schlagzeilen. Der Minister erhob schwere Vorwürfe gegen den Betreiber und die bergrechtliche Genehmigungsbehörde. Beide hätten atomrechtliche Maßstäbe vermissen lassen. Die Einlagerung von Kernbrennstoffen widerspreche früheren Aussagen. „Unglaublich“ sei auch, dass die Undichtigkeit des Bergwerks bereits seit 1967 bekannt sei und nicht erst seit 1988. Da „grob fahrlässig“ gehandelt worden sei, müsse auch die Frage von Strafanzeigen geprüft werden. Die Einlagerung der Atommüll-Fässer sei damals in feuchten Kammern erfolgt, wie die Befragung von Mitarbeitern ergeben habe. „Es gab nie ein sicheres Endlager Asse, sondern es wurden bewusst Informationen zu Laugenzutritten unterdrückt“, kritisierte Gabriel.<ref>2. September 2008 – ATOMMÜLL "Es ist der GAU"</ref> Er sprach von einem „psychologischen GAU für die Endlager-Debatte“ und einer Belastung für die Suche nach einem geeigneten Standort. <ref>Gabriel: Atommülllager Asse „GAU für die Endlager-Debatte“. www.heute.de, 2. September 2008.</ref> Asse II sei „die problematischste kerntechnische Anlage, die wir in Europa finden“. Stefan Wenzel MdL, Bündnis 90/Die Grünen erstattete im Juli 2007 Strafanzeige nach § 327, § 328 StGB wegen illegalen Umgangs mit Kernbrennstoffen und sonstigen radioaktiven Stoffen. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast stellte im September 2008 Strafanzeige gegen die Verantwortlichen des Atomlagers.<ref>Prüfbericht verschärft Endlagerdebatte. Der Spiegel, 2. September 2008 (abgerufen am 2. September 2008).</ref> In beiden Fällen wurden die Ermittlungen von der Staatsanwaltschaft Braunschweig eingestellt. Im Jahr 2008 wurden sie zum dritten Mal wieder aufgenommen. Die Sanierung sollte etwa 2,2 Milliarden Euro kosten.<ref>Teure Sanierung, Süddeutsche Zeitung, 11./12. Oktober 2008, S. 7</ref>

Am 5. November 2008 beschloss das Bundeskabinett auf Vorschlag von Bundesforschungsministerin Annette Schavan und Bundesumweltminister Sigmar Gabriel, die Asse ab 1. Januar 2009 dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) zu unterstellen.<ref name="Kabinettsbeschluss" />

Mit einem Gesetzbeschluss des Deutschen Bundestages vom 29. Januar 2009 wird festgelegt, dass der Betrieb und die Stilllegung der Schachtanlage Asse II unter die Vorschriften des Atomgesetzes fällt. Das Bundesamt für Strahlenschutz als neuer Betreiber wird die Schließung der Anlage im Rahmen eines atomrechtlichen Planfeststellungsverfahrens vorantreiben und ist für den vorläufigen Weiterbetrieb der Anlage verantwortlich.<ref>http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/116/1611609.pdf Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Atomgesetzes vom 15. Januar 2009, Seite 9 ff.</ref> Die Kosten für den Weiterbetrieb und die Schließung der Asse übernimmt der Bund (§ 57b Atomgesetz). Im Mai 2009 legte die Landtagsfraktion der Grünen eine Broschüre vor, die die parlamentarische Debatte der letzten Jahrzehnte, das Inventar, die Rolle der Forschung und die Rolle der Asse als Prototyp für Gorleben näher beleuchtet.<ref>Verscharrt in alle Ewigkeit?! Das Atommüll-Desaster in der Asse und die Konsequenzen, V.i. S.d.P.: Stefan Wenzel, MdL, Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen im niedersächsischen Landtag; Mai 2009</ref>

In dem gegenüber der Schachtanlage liegenden Steigergebäude hat das Bundesamt für Strahlenschutz die Infostelle Asse eingerichtet. Hier wird der aktuelle Zustand der Grube und das Stilllegungskonzept anhand von Modellen und Computeranimationen dargestellt:<ref>Endlager Asse – Informationen direkt vor Ort, 14. Juni 2012</ref>

Im Januar 2010 behauptete die amtierende Bundesforschungsministerin Annette Schavan Fehler im Umgang mit dem Atommülllager Asse. Das Lager sei nicht nur für wissenschaftliche Zwecke genutzt worden, zumal die große Anzahl der 126.000 eingelagerten Fässer für die Forschung nicht notwendig gewesen sei. Zudem würde man nach dem aktuellen Stand der Technik dort kein Atommülllager mehr errichten.<ref>taz: Schavan räumt Fehler ein (15. Januar 2010).</ref><ref>Hannoversche Allgemeine: Schavan: Atommüll in Asse nicht nur für Forschung (23. Januar 2010)</ref>

Seit 2009 setzt sich ein Untersuchungsausschuss des niedersächsischen Landtags mit den Geschehnissen um das Atommülllager Asse auseinander.<ref>SPD stimmt für Asse-Untersuchungsausschuss. In: ndr.de. 28. April 2009. Archiviert vom Original am 1. Mai 2009. Abgerufen am 11. Februar 2010.</ref> Durch Ermittlungen des Ausschusses wurde bekannt, dass die Behälter zur Einlagerung des radioaktiven Materials nur auf eine Haltbarkeit von drei Jahren ausgelegt waren. Es wurde somit in Kauf genommen, dass sie innerhalb kurzer Zeit verrotten würden. Dies wird von Stefan Wenzel, dem Obmann der Grünen im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Asse im niedersächsischen Landtag als Hinweis darauf gesehen, dass die Industrie von Anfang an ein billiges Endlager in der als Forschungsbergwerk deklarierten Einlagerungsgrube gesehen habe.<ref>Billige Entsorgung, parteiübergreifend. In: Deutschlandfunk. 11. Februar 2010. Abgerufen am 11. Februar 2010.</ref>

Gesetz zur Bergung und geschätzte Kosten

Das Gesetz zur Beschleunigung der Rückholung radioaktiver Abfälle und der Stilllegung der Schachtanlage Asse II („Lex Asse“) wurde am 28. Februar 2013 durch den Bundestag beschlossen.<ref>Gesetz vom 20. April 2013 BGBl. I S. 921.</ref> Die Kosten werden auf vier bis sechs Milliarden Euro geschätzt.<ref>Spiegel Online: Marodes Endlager Asse: Bundestag beschließt Gesetz zu Atommüll-Bergung vom 28. Februar 2013</ref> Sie sollen nicht durch die Betreiber, sondern durch den Bund getragen werden.<ref>§ 57b Abs. 8 AtomG: „Die Kosten für den Weiterbetrieb und die Stilllegung trägt der Bund.“</ref>

Krebserkrankungen an der Asse

2008 stellte der Landkreis Wolfenbüttel eine Anfrage nach Leukämiehäufigkeiten um das Lager Asse an das seit 2000 bestehende Epidemiologische Krebsregister Niedersachsen. Dem Krebsregister, das Daten in diesem Gebiet beginnend ab 2002 erhebt, standen erst 2010 genügend Daten zur Beantwortung der Anfrage zur Verfügung. Mit Datenstand vom 1. Oktober 2010 stellte es fest, dass im Zeitraum von 2002 bis 2009 auf dem Gebiet der Samtgemeinde Asse gegenüber dem der anderen Gemeinden des umgebenden Landkreises Wolfenbüttel auffällig häufig Leukämie- und Schilddrüsenkrebserkrankungen aufgetreten waren und dass ebenso im Zeitraum 2002 bis 2008 die Sterblichkeit durch Leukämieerkrankungen auffällig hoch gewesen war. Die Überschreitungswahrscheinlichkeiten, mit denen die ermittelten Fallzahlen unter Annahme des jeweiligen Erwartungswertes des Vergleichsgebietes zufällig erreicht würden, betragen für die Leukämieinzidenz 0,30 % (18 Fälle; 8,5 erwartet), für die Inzidenz des Schilddrüsenkarzinoms 0,08 % (12 Fälle; 3,9 erwartet) und für die Leukämiemortalität 0,86 % (11 Fälle; 4,7 erwartet). Bei anderen Krebsarten sowie in den anderen Gemeinden des Landkreises zeigten sich keine signifikanten Auffälligkeiten. Ob diese Erhöhungen einen Bezug zur Asse haben, konnte bis dato noch nicht verifiziert werden.<ref name="EKN1">Epidemiologisches Krebsregister Niedersachsen: Auswertung des EKN zur Krebshäufigkeit in der Samtgemeinde Asse (PDF; 541 kB). Oldenburg : EKN, 2010</ref><ref name="EKN2">Epidemiologisches Krebsregister Niedersachsen: Auswertung des EKN zur Krebshäufigkeit in den Gemeinden Cremlingen, Stadt Wolfenbüttel, SG Baddeckenstedt, SG Oderwald, SG Schladen, SG Schöppenstedt und SG Sickte (PDF; 855 kB). Oldenburg : EKN, 2010</ref>

Das Bundesamt für Strahlenschutz gibt an, dass in der Umgebung des Lagers keine Kontamination mit radioaktiven Substanzen festgestellt werden konnte.<ref>BfS: Sicherheit der Bevölkerung und der Beschäftigten steht an erster Stelle (Memento vom 29. November 2010 im Internet Archive), abgerufen 26. November 2010</ref><ref>Asse II: Erneut keine erhöhten radioaktiven Belastungen, 27. August 2010</ref> Auch aus den statistischen Daten lassen sich bisher keine Ursachen und damit auch kein eventueller Zusammenhang zur Schachtanlage Asse nachweisen. Bemerkenswert ist, dass von den Erhöhungen bei den Leukämien nur Männer, beim Schilddrüsenkarzinom nur Frauen sichtbar betroffen sind. Bekannte Risikofaktoren für Leukämie sind ionisierende Strahlung, verschiedene Chemikalien (z.B. Zytostatika, Benzol, Pestizide) sowie einige seltene genetische Veränderungen. Diskutiert wird der Einfluss von Viren und ungenügendes Training des Immunsystems im Kindesalter. Bekannte Risikofaktoren für Schilddrüsenkarzinome sind ionisierende Strahlung, besonders im Kindesalter (das Alter aller zwölf hier Betroffenen liegt jedoch über 30), Strumaerkrankungen, besonders bei unter 50-jährigen, gutartige Adenome der Schilddrüse sowie genetische Disposition. Insbesondere beim Schilddrüsenkrebs sind außerdem Unterschiede in der Intensität diagnostischer Maßnahmen denkbar, die zu unterschiedlichen Entdeckungsraten bei Frühformen führen. Aufgrund der Tatsache, dass die Mehrzahl der Meldungen durch Laborärzte anonym nur nach Alter und Geschlecht erfolgt und auch nicht rückverfolgbar ist, wurden die Betroffenen bzw. Angehörigen der Verstorbenen aufgerufen, sich über ihre Ärzte zu melden, damit zur Ursachenforschung erforderliche Angaben zu Arbeitsstätten, genauem heutigem sowie früheren Wohnorten und gegebenenfalls weiteren Risikofaktoren erhoben werden können. Zur genaueren kleinräumigen Einordnung der Fälle und zur Identifizierung von Risikofaktoren wurde vom Landkreis Wolfenbüttel eine Expertengruppe gebildet<ref name="EKN1"/>, die dann im Dezember 2012 zu der Erkenntnis kam, dass ein Zusammenhang zwischen den Erkrankungen und dem Lager nicht zu erkennen sei.

Untersuchungsausschuss

Im Landtag Niedersachsens beschäftigte sich ab 2009 auch ein Untersuchungsausschuss mit der Schachtanlage Asse II. Der Ausschuss sollte u.a. klären, was in der Asse eingelagert worden ist und welche Kriterien für die Auswahl der Asse II als Forschungsstandort angelegt worden sind. Im Oktober 2012 legte der Ausschuss seinen Abschlussbericht vor.<ref>http://www.bundestag.de/blob/286700/df7d7e083edf0619ac153225b11277f8/kmat_03_ua_asse2-data.pdf</ref>

Weblinks

Commons Commons: Schachtanlage Asse – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Betreiber
Begleitgruppen
Bürgerinitiativen
Offizielle Berichte
Audio
  • [3], Deutschlandfunk, Wissenschaft im Brennpunkt, Sendung vom 21. Februar 2010, Björn Schwentker: Alles muss raus – Was wird aus dem Atommülllager Asse?, aufgerufen am 28. Februar 2010
Video
Geschichte

Einzelnachweise

<references/>

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