Schlüsselabhängigkeit
Das Prinzip der Schlüsselabhängigkeit ist ein einfaches Verfahren der Sicherung von Zugfahrten. Es basiert darauf, dass pro Betriebsstelle verschiedene Formen von Schlüsseln jeweils nur einmal vorhanden sind. Hierdurch steht jeder Schlüssel für eine einzelne gesicherte Stellung von Fahrwegelementen, beispielsweise für die Stellung einer Weiche.
Inhaltsverzeichnis
Funktionsweise
Auf dem Prinzip der Schlüsselabhängigkeit können Abhängigkeiten der Außenanlage zu Stellwerken, Abhängigkeiten innerhalb der Stellwerke oder auch ganze Sicherungsanlagen aufgebaut sein. Durch die einfache und relativ robuste Technik gibt es viele Anwendungsmöglichkeiten, in manchen Fällen werden auch bei modernen Stellwerken noch Schlüsselabhängigkeiten neu eingebaut.
Grundsätzlich gibt es für jeden Schlüssel zwei oder mehr mögliche Positionen, er ist entweder in der einen oder in der anderen Position eingeschlossen oder befindet sich gerade auf dem Weg von der einen zu anderen Position.
Das einfachste Beispiel ist eine schlüsselabhängige Weiche: Im Stellwerk kann ein Schlüssel freigegeben werden, und mit diesem Schlüssel wird dann das Schloss an der Weiche aufgeschlossen, so dass diese umgestellt werden kann. Solange der Schlüssel nicht wieder eingeschlossen wird, sind Zugfahrten über diese Weiche in ihrer Ausgangslage ausgeschlossen, da der fehlende Schlüssel anzeigt, dass die Weiche nicht in der erforderlichen Lage gesichert ist und somit eine unrichtige haben könnte.
Kann die Weiche in beiden Stellungen von Zugfahrten befahren werden oder bestehen Folgeabhängigkeiten, existiert für die andere Endlage der Weiche ein weiteres Schloss, dessen Schlüssel dann nach Umstellung der Weiche entnommen werden kann.
Stellwerk
So vielfältig wie die Anwendungsmöglichkeiten sind, so viele Möglichkeiten der Einbindung einer Schlüsselabhängigkeit in die Stellwerkslogik gibt es. Schlösser für Schlüsselabhängigkeiten können eigentlich an jeder Stellwerksbauform angebaut werden.
Schlüsselwerk
Bei den Schlüsselwerken besteht fast das gesamte Stellwerk aus Schlüsselabhängigkeiten, ein Schlüssel für eine Fahrstraße kann nur ausgeschlossen werden, wenn die richtigen Weichenschlüssel eingeschlossen sind. Wenn der Fahrstraßenschlüssel ausgeschlossen wird, kann man mit ihm (direkt oder indirekt) das Signal stellen. Gleichzeitig werden aber die Weichenschlüssel des jeweiligen Fahrweges verschlossen. Da man die Schlüssel für die Weichen nicht mehr entnehmen kann, ist ein Umstellen dieser nicht mehr möglich, der Fahrweg also gesichert.
Mechanische Stellwerke
In mechanischen Stellwerken können Schlüssel mittels eines Hebelbankschlosses, das auf einen freien Hebelplatz aufgesetzt wird und wie ein Hebel einen Verschlussbalken bewegt, direkt in die Signalabhängigkeit eingebunden werden. Hebelbankschlösser gibt es mit einem oder zwei Werkschlössern. Erstere werden verwendet, um Anlagenteile mit nur einer zu sichernden Stellung wie Wegübergangssicherungsanlagen signalabhängig zu machen. Bei Hebelbankschlössern mit zwei Schlössern ist der Übertragungswinkel zum Verschlussbalken nach vorn verlängert und läuft in einen Handgriff aus, da ein festes Anlenken an die Schließriegel beider Werkschlösser nicht möglich ist. Mit einem solchen Hebelbankschloss lassen sich Anlagenteile wie Weichen in zwei Stellungen signalabhängig machen. Genutzt wird diese Möglichkeit auch, um elektrisch ferngestellte Weichen in mechanische Stellwerksanlagen einzubinden. Das Gegenstück der Werkschlösser des Hebelbankschlosses sind dann elektrische Schlüsselsperren. Nur, wenn sich beide Schlüssel in diesen Schlüsselsperren befinden, ist die dazugehörende Weiche umstellbar. Das Vorhandensein des richtigen Schlüssels wird dann bei jeder Fahrstraßeneinstellung auf ähnliche Art und Weise geprüft wie beispielsweise die Lage der Weichen. Ein Einbinden über eine Schlüsselsperre in den elektrischen Teil des Stellwerks (Blockschaltung) ist ebenso denkbar.
Elektromechanische Stellwerke
In elektromechanischen Stellwerken können Weichen mittels besonderer Hebelbankschlösser (nach ihrem Erfinder »Steigerschloss« genannt) schlüsselabhängig gemacht werden. Das Steigerschloss wird auf der Vorderkante des mechanischen Verschlussregisters aufgesetzt. Es enthält zwei Werkschlösser, deren Schlüssel beide nur in der 45°-Stellung des Weichenhebels entnommen werden können. Bei älteren Anlagen gab es oft ein fest eingebautes Steigerschloss an einem unbenutzten Reserveweichenhebel. Dieser musste für die Einbindung einer vorübergehend elektrisch nicht stellbaren Weiche nur mit den betreffenden Verschlussstücken auf den Fahrstraßenschiebern ausgerüstet werden. Das Steigerschloss ist vor allem für zeitweise handbediente Weichen gedacht, der Weichenhebel lässt sich nur in die jeweilige Lage bringen, wenn der zugehörige Schlüssel eingeschlossen ist.
Eine Einbindung einer Schlüsselsperre in die Schaltung ist genauso denkbar.
Gleisbildstellwerke und Elektronische Stellwerke
Bei Gleisbildstellwerken und Elektronischen Stellwerken sind meist nur wenig befahrene Weichen schlüsselabhängig, der Großteil vielmehr elektrisch gesteuert. Der Weichenschlüssel ist in der Grundstellung der Weiche in einer Schlüsselsperre aufbewahrt. Oft befindet sich diese Schlüsselsperre nicht im Stellwerk, sondern in der Nähe der Weiche. Der Fahrdienstleiter kann die Schlüsselsperre freigeben, der Weichenbediener den Schlüssel ausschließen und damit die Weiche umstellen. Dadurch werden aber sämtliche Fahrstraßen über diese Weiche ausgeschlossen. Das Zulassen einer Zugfahrt mittels Hauptsignalfahrtstellung über diese Weiche ist erst wieder möglich, wenn sie verschlossen und der Schlüssel in der Schlüsselsperre verriegelt ist.
Bei WSSB-Stellwerken ist die Möglichkeit, vorübergehend elektrisch nicht fernstellbare Weichen schlüsselabhängig zu machen, von vornherein vorgesehen und in der Regel auch schaltungsmäßig vorbereitet. Dafür sind ein, bei größeren Bahnhöfen auch mehrere Schränke mit elektrischen Schlüsselsperren vorhanden. Je nach Stellwerksbauform werden sie über einen Stecker an Stelle des Weichenschalters (GS I), des Betriebsartensteckers (GS II DR) oder eines besonderen Programmsteckerplatzes auf der Weichengruppe (alle Spurplanbauformen) ohne zusätzliche Schaltarbeiten angeschlossen.
Bauzustände
Wenn an der Strecke gebaut wird, werden Bauweichen oder Weichen, deren normaler Antrieb nicht mehr nutzbar ist, oft schlüsselabhängig gemacht. Da die Weiche vor Ort gestellt wird, ist keine zusätzliche Überwachung durch die Stellwerkstechnik mehr nötig, lediglich eine Schlüsselsperre oder ein einfaches Schloss muss in das Stellwerk eingebunden werden. Dadurch braucht im Stellwerk selbst nicht viel geändert zu werden. Einzelne Gleissperren oder Bauweichen werden auch schlüsselabhängig zu ferngesteuerten Weichen gemacht. Im an die Weiche angebrachten Riegelhandschloss muss ein Bolzen an die abliegende Weichenzunge gedrückt werden, damit der Schlüssel der Bauweiche oder Gleissperre ausgeschlossen werden kann. Solange der Schlüssel in der Weiche eingeschlossen ist, kann man diese vom Stellwerk aus beliebig stellen, die verschlossene Gleissperre oder Bauweiche bietet Flankenschutz. Wenn ein Fahrzeug in das Baugleis einfahren soll, wird die Weiche entsprechend gestellt, und die Bau-Gleissperre kann über die Schlüsselabhängigkeit abgelegt werden.
Außenanlagen
Durch die meisten Schlüsselabhängigkeiten werden Weichen gesichert, relativ häufig auch Gleissperren. Aber auch die Sicherung von anderen Hindernissen, wie zum Beispiel beweglichen Brücken, ist möglich.
Jedes dieser Objekte ist mit einem Schloss ausgerüstet, teilweise auch mit einem Schloss für jede Stellung.
Weichen
Um Weichen zu verschließen, gibt es mehrere Varianten. Eine ist das abgebildete Weichenschloss. Wenn die Zunge auf der Seite des Schlosses abliegt, kann ein Schubriegel gegen sie geschoben und mit dem Schloss verschlossen werden. Die abliegende Weichenzunge und über den Spitzenverschluss auch die anliegende sind blockiert, und die Weiche lässt sich nicht mehr stellen. Schließt man das Schloss auf, so ist die Weiche wieder stellbar. Dabei wird der Schubriegel verschoben, und der Schlüssel kann nicht mehr aus dem Schloss ausgeschlossen werden.
Andere Bauformen basieren auf dem gleichen Grundprinzip: Entweder man hat den Schlüssel ausgeschlossen (und dafür im Stellwerk eingeschlossen) und kann die Weiche nicht stellen, oder man hat den Schlüssel eingeschlossen, kann dadurch die Weiche stellen, aber Fahrten über die Ursprungslage der Weiche sind durch den im Stellwerk fehlenden Schlüssel ausgeschlossen. Häufig sitzt das Schloss am Weichenhebel, der dann in Endlage verschlossen wird.
Auch Weichenhebel in mechanischen Stellwerken können mit Schlössern versehen sein, sodass die Weiche erst dann zu stellen geht, wenn ein bestimmter Schlüssel eingeschlossen wurde.
Weichen können entweder nur ein Schloss für nur eine Stellung haben, oder aber auch zwei Schlösser, jedes für eine Stellung.
In einer Lage gesichert
Weichen, die nur in einer Stellung von Zugfahrstraßen befahren werden, werden meist auch nur in dieser Stellung gesichert. Solange der Schlüssel im Stellwerk eingeschlossen ist, ist bekannt, wie die Weiche steht, und Zugfahrten über diese Weiche können stattfinden. Wird der Schlüssel ausgeschlossen, sind Zugfahrten dadurch ausgeschlossen, und die Weiche kann gestellt werden. Rangierfahrten auf dem Hauptgleis und ins Nebengleis dürfen stattfinden.
In beiden Lagen gesichert
Wird die Weiche in beiden Lagen von Zugfahrten befahren, so werden beide Lagen über Schlösser gesichert. Zum Umstellen der Weiche müssen beide Schlüssel in der Weiche eingeschlossen sein, ausgeschlossen werden kann immer nur derjenige Schlüssel, der auch der Lage der Weiche entspricht. Wenn dieser Schlüssel im Stellwerk eingeschlossen wird, sind Zugfahrten über die jeweilige Lage der Weiche möglich.
Gleissperren
Schlüsselabhängige Gleissperren haben oft in beiden Stellungen ein Schloss, wie bei den Weichen kann hier auch immer nur der Schlüssel ausgeschlossen werden, der der Stellung der Gleissperre entspricht. Der Schlüssel für die aufgelegte Gleissperre kommt dann meist aus dem Stellwerk, der für die abgelegte Gleissperre dient zum Aufschließen einer folgeabhängigen Weiche.
Folgeabhängigkeiten
Zwei Fahrwegelemente sind folgeabhängig, wenn sie nacheinander gestellt werden müssen, das zweite Element lässt sich erst stellen, wenn das erste sich in der richtigen Stellung befindet. Meist ist eine Weiche folgeabhängig zu einer Gleissperre oder der dazugehörigen Schutzweiche/Flankenschutzweiche.
Folgeabhängigkeiten lassen sich mit Schlüsselabhängigkeiten relativ einfach umsetzen. Mit dem Schlüssel aus dem Stellwerk kann man das erste Fahrwegelement (sehr häufig eine Gleissperre) aufschließen und umstellen. In der anderen Stellung erhält man einen weiteren Schlüssel, mit dem man das zweite Fahrwegelement (meist die zugehörige Weiche) aufschließen und stellen kann. Bei Bedarf kann dieses auch noch in der zweiten Stellung verschließbar sein.
Auf diese Weise können zwei Fahrwegelemente gesichert werden, im Stellwerk werden beide aber nur als ein Element eingebunden. Lediglich die Beschriftung weist darauf hin, dass zwei Elemente mit einem Schlüssel umgestellt werden können: Das zuerst umgestellte Element steht normal auf der Beschriftung zum Schlüssel, das folgeabhängige steht in Klammern darunter.
Reihenfolge der Folgeabhängigkeit
Das typische Beispiel für eine Folgeabhängigkeit ist eine Weiche mit der flankenschutzbietenden Gleissperre. Historisch wurde erst die Gleissperre abgelegt und dann die Weiche ins Nebengleis gestellt. Der Vorteil daran ist, dass man nicht versehentlich verkehrtherum auf die Gleissperre fahren kann, da diese dann Schaden nimmt und die Entgleisung in die falsche Richtung geht. Der Nachteil ist, dass eine Rangierfahrt aus dem Nebengleis versehentlich die falsch gestellte Weiche auffahren könnte.
In neuerer Zeit ging man dazu über, bei nicht örtlich besetzten Stellwerken die Folgeabhängigkeit andersherum zu bauen, die Weiche wird zuerst gestellt, und mit dem Schlüssel der Weiche in der umgestellten Lage kann die Gleissperre abgelegt werden. Der Grund ist, dass die Weiche nicht mehr aufgefahren werden kann, dafür könnte man aber falschherum auf die aufgelegte Gleissperre fahren. Eine aufgefahrene Weiche müsste aufwendig überprüft werden, aus diesem Grund wurde dies oft vertuscht. Eine defekte Gleissperre lässt sich wesentlich schwieriger vertuschen.
Weitere Schlüsselabhängigkeiten
Hindernisse im Fahrweg können schlüsselabhängig gebaut werden. Gegenstände, die zeitweise in den Lichtraum hereinragen, wie z.B. Wasserkräne, bekommen ein Schloss, dessen Schlüssel sich nur dann ausschließen lässt, wenn der Lichtraum frei ist. Im Stellwerk können Fahrten entsprechend nur dann freigegeben werden, wenn der Schlüssel im Stellwerk oder einer Schlüsselsperre eingeschlossen ist.
Ähnliche Verfahren lassen sich bei Hubbrücken, Toren an Werkseinfahrten oder ähnlichen Anwenden. Der jeweilige Schlüssel lässt sich immer nur dann ausschließen, wenn das Gleis befahrbar ist.
Anschlussstellen
Wegen des Kostenaufwandes für den Bau elektrischer Weichenantriebe werden auch heute noch und auch beim Neubau von Elektronischen Stellwerken in Anschlussstellen (kurz Anst) schlüsselabhängige Weichen verbaut.
Bei Ausweichanschlussstellen (kurz Awanst) fährt die Bedienfahrt als Sperrfahrt vom Bahnhof zur Awanst und lässt sich den dort in einer Schlüsselsperre befindlichen Schlüssel vom Stellwerk des Ausgangsbahnhofes freigeben. Mit diesem Schlüssel lässt sich die Anschlussweiche umstellen, meist ist diese aber folgeabhängig zu einer Flankenschutzweiche oder Gleissperre. Wenn die Bedienfahrt in den Anschluss eingefahren ist, kann die Strecke über den Schlüssel wieder freigegeben werden.
Eine Fahrt der Gegenrichtung, also vom Anschlussgleis auf die Strecke, funktioniert im Prinzip genauso.
Bei normalen Anschlussstellen ist das Einschließen und wieder Freigeben der Strecke nicht möglich, aus diesem Grund kann der Schlüssel auch im verantwortlichen Stellwerk des Bahnhofs aufbewahrt werden und wird von jeder Bedienfahrt mitgenommen.
Literatur
- H.-J. Arnold: Eisenbahnsicherungstechnik. transpress, Berlin 1987, ISBN 3-344-00152-3.