Sexuelle Identität


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Sexuelle Identität wird häufig synonym für sexuelle Orientierung verwendet. Dies ist auch in der Rechtssprache der Fall. Umstritten ist, ob die Begriffe tatsächlich deckungsgleich sind.

Der Begriff Identität ist auf das Individuum bezogen und beschreibt, wie sich die Person selbst definiert. Im Gegensatz dazu ist die Orientierung auf eine andere Person gerichtet. Sie wird auch als Neigung bezeichnet und definiert das nachhaltige Interesse einer Person bezüglich des Geschlechts eines potenziellen Partners auf der Basis von Emotion, romantischer Liebe, Sexualität und Zuneigung.<ref>Definition sexuelle Orientierung</ref> Mit diesem Hintergrund wird deutlich, warum Sexuelle Identität im Gegensatz zu Sexueller Orientierung auch Transgender einschließen könnte und oft auch explizit so gemeint ist; dies ist aber umstritten. Darüber hinaus kann z. B. die Asexualität eine Identität sein; ob es eine Orientierung oder das Fehlen einer Orientierung darstellt, ist ebenfalls umstritten.

Der Begriff der sexuellen Identität kann auch umfassender sein als lediglich die Frage nach der Wahl des biologischen Geschlechts eines potentiellen Sexpartners. Ob Geschlechtsverkehr anonym, in Beziehungen oder sowohl anonym als auch in Beziehungen ausgeübt wird, die Häufigkeit des Verkehrs, und das Verständnis der eigenen Geschlechtsrolle spielen alle in der sexuellen Identität eine Rolle.

Berührungspunkte zwischen Transgender-Identität und nicht-heterosexuellen Identitäten

Es gibt zwar Berührungspunkte zwischen Menschen mit nicht-heterosexuellen Identitäten und Transgendern, sowohl in der politischen Arbeit als auch im Leben vieler Transgender (siehe dazu auch Heteronormativität und den Abschnitt Homosexualität und Transgender des Artikels über Homosexualität). Die jedoch ebenfalls bestehenden eindeutigen Unterschiede durch ein Subsumieren unter sexuelle Identität zu verwischen lehnen nicht nur Transgender ab, da Transgender keine Frage der Sexualität oder Partnerschaftswahl ist. Queer ist in dieser Hinsicht als Bezeichnung für Transgender problematisch, und auch LGBT ist nur als politisch zusammenfassende Bezeichnung der für die Anliegen ganz unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen eintretenden, sich dabei allerdings für den Abbau ähnlicher, ja teils derselben Vorbehalte einsetzenden Aktivisten zu verstehen.

Fragwürdig ist es auch, wenn Intersexualität als sexuelle Identität aufgefasst ist, denn diese hat, trotz des Namens, wenig mit Sexualität, nichts mit Präferenzen im Bereich der Partnerschaft, und in vielen Fällen auch nichts mit Identität zu tun.

Transgender und Intersexuelle weisen darauf hin, dass sie zusätzlich dazu, intersexuell bzw. Transgender zu sein, auch eine sexuelle Identität haben, es sich daher also um zwei verschiedene Dinge handle; Beispiele wären eine intersexuelle Lesbe oder ein schwuler Transmann.

Falsch zugewiesene Menschen, die sich nicht als Transgender oder Intersexuelle bezeichnen, bestreiten den Zusammenhang von sexueller Identität und körperlicher Beschaffenheit. (->Genitalismus)

Chance für Begriffsklarheit: „Sex...“ / „Gender“

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Die Begriffsverwirrung um Sex und Gender hat einen weiteren Ursprung, der älter ist als die Zusammenfassung grundlegend verschiedener Persönlichkeitsaspekte bzw. -konzepte unter Transgender: in dem von Karl Maria Kertbeny im 19. Jahrhundert geprägten und bereits von Sprachgelehrten seiner Zeit als missglückt bedauerten griechisch-lateinischen Ausdruck „homosexuell“. Zur Verwechslung des lateinischen Worts für Mann mit der beabsichtigten Bedeutung des griechischen Adjektivs homós (= gleich) kommt die Verwendung der Basis für den zweiten Wortteil, Sexus (Geschlecht), mit dem Fokus auf die Bandbreite von Wunsch und/oder Bedürfnis über Lust bis Betätigung (d.h. Geschlechtlichkeit). Verkürzt: es ist eine Verschiebung von „was bin ich“ zu „was will ich“ / „wessen bedarf ich“, womit Missverständnisse vorprogrammiert waren. Aufgrund fehlender (nicht als anstößig geltender) Ausdrücke verwendete auch die so genannte sexuelle Revolution diese Begriffsbedeutung, was die heutige Gebrauchsdefinition von Sex besiegelte.

Die aktuelle Begriffsentwicklung böte die Chance zur Entwirrung. Kurz und populär: Sex bezieht sich auf die biologischen und physiologischen Eigenschaften, die Männer und Frauen definieren (z. B. Geschlechtsorgane, Chromosomen). Gender bezieht sich auf die gesellschaftlich konstruierten Rollen, Verhaltensweisen, Aktivitäten und Attribute, die für Männer und Frauen angemessen erachtet werden.<ref>Definition Gender, sex</ref>

Diese Einteilung wird von genitalismuskritischen Aktivisten aber vehement abgelehnt.

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz in Deutschland

Im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz wird im Gegensatz zur EU-Richtlinie 2000/78/EG nicht der Begriff „sexuelle Ausrichtung“ verwendet, sondern „sexuelle Identität“ mit einem Verweis auf den schon bestehenden § 75 BetrVG. Auf jeden Fall ist die sexuelle Selbstdefinition sowie die sexuelle Ausrichtung auf andere Menschen (sexuelle Orientierung) erfasst. Daneben ist auch der Transvestitismus einbezogen, wegen des Eingriffs in die kindliche Sexualität jedoch nicht die Pädophilie und auch keine strafrechtlich relevanten Handlungen. Nach der Gesetzesbegründung sollen Intersexualität und Transsexualität auch hierdurch geschützt sein, nach der Rechtsprechung des EuGH jedoch als Geschlecht.<ref>Sibylle Raasch: Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG): seit August 2006 in Kraft (Memento vom 29. Januar 2009 im Internet Archive), Deutscher Juristinnenbund Aktuelle Informationen 2007, Heft 1, S. 3</ref>

Einflussfaktoren der sexuellen Entwicklung

Über die der sexuellen Identität und Orientierung zu Grunde liegenden Einflüsse ist bisher wenig bekannt. Eine nicht unwesentliche Rolle spielen dabei die Erziehung sowie persönliche Erfahrungen, jedoch tragen auch genetische Faktoren und Umwelteinflüsse zu einer Differenzierung bei. Der John/Joan-Fall der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts zeigt, dass es neben der Erziehung noch weitere Faktoren geben muss.

Nature vs. Nurture

Am 22. August 1965 wurden in Winnipeg, Manitoba, eineiige Zwillinge geboren, bei denen im Alter von 6 Monaten eine Vorhautverengung festgestellt wurde, welche kurze Zeit später operativ behoben werden sollte. Durch einen Fehler beim Eingriff bei einem der Kinder (Bruce) wurde der Penis irreparabel geschädigt. Die Eltern Janet Reimer und Ron Reimer entschieden sich, auf Anraten des Sexualwissenschaftlers Dr. John Money (8. Juli 1921 in Morrinsville, Neuseeland; † 7. Juli 2006 in Towson, Maryland), den Penis amputieren zu lassen und das Kind von da an als Mädchen mit dem Namen Brenda aufzuziehen. Die Theorie der Genderneutralität, die diese Entscheidung unterstützte, wurde von Dr. Money entwickelt und besagt die erziehungsabhängige Herausbildung der sexuellen Identität in den ersten Lebensjahren. Seiner Meinung nach würde Brenda sich immer wie ein Mädchen fühlen, solange man ihr verheimliche, dass sie bei der Geburt ein Junge war. Als Brenda mit 12 Jahren begann, Hormone zur Unterstützung der Verweiblichung zu nehmen, kam es zu Widerstand ihrerseits. Somit erfuhr sie schließlich die Wahrheit über ihr Geschlecht. Darauf hin lebte Brenda erneut als Mann und nannte sich fortan David. Später heiratete er und adoptierte die Kinder seiner Frau Jane. Nachdem David und sein Bruder Brian erfuhren, dass Dr. John Money das Experiment als Erfolg vermarktete und auch noch Jahre nach der erneuten Geschlechtsoperation von David keine Anstalten machte, seine Aussage zu revidieren, gingen die Brüder mit ihren Erfahrungen an die Öffentlichkeit und schilderten den Fall aus ihrer Perspektive. Kurz darauf starb Brian an einer Überdosis Medikamente. David verlor seinen Job und wurde von seiner Frau verlassen, woraufhin er sich im Jahre 2004 mit 38 Jahren das Leben nahm.<ref>Leben des David Reimer</ref> Der dargelegte Fall zeigt den nicht alleinigen Einfluss der Erziehung (nurture) auf die sexuelle Identität. Es spielen also auch andere Faktoren (nature) eine Rolle. Die These der Genderneutralität von Dr. Money erweist sich somit als nicht zutreffend.

Weitere Faktoren

Neben der Erziehung gibt es weitere Einflussfaktoren auf die sexuelle Entwicklung von Kindern. Durch Studien von Amateau und McCarthy an Ratten wurden 2004 verschiedene Substanzen (bspw. PGE2) nachgewiesen, die, zum Teil irreversibel, das sexuelle Verhalten von Ratten beeinflussen.<ref>Stuart K. Amateau und Margaret M. McCarthy: Induction of PGE2 by estradiol mediates developmental masculinization of sex behavior In: Nature Neuroscience 2004, 7, S. 643-650</ref> Ob diese Ergebnisse jedoch auf den Menschen übertragen werden können, ist zurzeit fraglich und bedarf weiterer Studien.

Siehe auch

Literatur

  • John Colapinto: As Nature Made Him: The Boy Who Was Raised As A Girl. Harper Collins, ISBN 0-06-019211-9.
  • Anne Fausto-Sterling: Sexing the Body: Gender Politics and The Construction of Sexuality. Basic Books, ISBN 0-465-07713-7.
  • Clellan S. Ford, Frank A. Beach: Patterns of Sexual Behavior. Ace Books, 1951.
  • Francis Mark Mondimore: A Natural History of Homosexuality. Johns Hopkins University Press, ISBN 0-8018-5440-7.
  • John Money: Gay, Straight, and In-between: The Sexology of Erotic Orientation. Oxford University Press, 1988, ISBN 0-19-506331-7.
  • D. Haig: The inexorable rise of gender and the decline of sex: social change in academic titles, 1945-2001. Archives of Sexual Behavior 33/2004, S. 87-96 (PDF-Datei).
  • Karl Marxen: Aber doch nicht in der Öffentlichkeit! Schutz der sexuellen Identität im Grundgesetz. Forum Recht 04/2009, Seite: 126-128 (PDF-Datei).
  • Gunnar Duttge, Wolfgang Engel, Barbara Zoll (Hrsg.): Sexuelle Identität und gesellschaftliche Norm. Göttinger Schriften zum Medizinrecht - Band 10, Universitätsverlag Göttingen, Göttingen 2010, ISBN 978-3-941875-72-2.
  • M. F. Bear's B.W., Connors's M.A. Paradiso: Neuroscience- Exploring the Brain, Lippincott Williams & Wilkins; Third edition edition (2006)

Einzelnachweise und Anmerkungen

<references />

Weblinks

Commons Commons: Sexuelle Identität – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Informationsfibel (PDF-Datei; 3,03 MB) zu Begriffen der sexuellen und geschlechtlichen Identität