Staffelung (Flugverkehrskontrolle)
Staffelung, auch Separation (englisch: separation, traffic resolution), ist eine Methode der Flugverkehrskontrolle. Man versteht darunter die Leitung bzw. Lotsung von Luftfahrzeugen mit dem Ziel, ausreichenden Sicherheitsabstand zwischen den einzelnen Luftfahrzeugen herzustellen. Die Staffelung wird von am Boden befindlichen Flugverkehrskontrollstellen oder den Piloten selbst durchgeführt.
Inhaltsverzeichnis
ICAO-Mindeststaffelungsabstände
Die Mindeststaffelungsabstände beziehen sich auf die unterschiedlichen Gewichts- bzw. Wirbelschleppenkategorien von Flugzeugen. Dies ist deshalb erforderlich, da Flugzeuge bei höherem Anstellwinkel Wirbelschleppen erzeugen, die ein nachfolgendes Flugzeug gefährden können (Turbulenzen), besonders dann, wenn das vorausfliegende Flugzeug verhältnismäßig sehr viel größer ist. Nachfolgend werden folgende Luftfahrzeug-Gewichtskategorien verwendet:
- L → light → bis 7 Tonnen MTOW
- M → medium → über 7 Tonnen bis weniger als 136 Tonnen MTOW
- H → heavy → 136 Tonnen MTOW und schwerer
- J → super → derzeit nur für Airbus A380 und Antonow An-225
Der folgende Begriff Flugzeug bezieht sich auf alle Luftfahrzeuge – somit auch auf Luftschiffe, Hubschrauber, Paragleiter usw.
Radarstaffelung
In der Regel sind dafür Radar-Fluglotsen verantwortlich, die per Funk den Piloten entsprechende Anweisungen erteilen. Den Piloten werden Kurse und Flughöhen zugewiesen. Man spricht dann auch von Radarstaffelung, da die Bewertung aufgrund von Radar-Daten erfolgt.
Nicht jedes Flugzeug wird von Fluglotsen gestaffelt. Dies hängt davon ab, ob sich das Flugzeug in kontrolliertem oder unkontrolliertem Luftraum befindet und ob der Flug nach Instrumenten-Flug-Regeln (IFR) oder nach Sichtflugregeln (VFR) durchgeführt wird (vgl. hierzu: Luftraumstruktur).
Die Radarstaffelung muss mindestens 2,5 NM (Nautische Meile oder auch Seemeile) im Endanflug betragen – ansonsten 3 NM. Voraussetzung dabei ist, dass keine schwerere Kategorie vor einer leichteren fliegt. Erlaubt ist also die Anflugfolge: L-L, M-M, L-M, L-H, M-H. Bei heavy hinter heavy (H-H) muss ein Abstand von 4 NM eingehalten werden.
Allgemein gelten in Deutschland und in Österreich folgende Werte für Radarstaffelung zwischen zwei Flugzeugen:
- Der Abstand in gleicher Höhe ist 3 NM in der Nähe der Flughäfen und 5 NM auf der Strecke (Lateralstaffelung) groß.
- Der Höhenabstand beträgt generell 1000 ft. Er wird ab Flugfläche 290 auf 2000 ft. erhöht (Vertikalstaffelung). Von der 2000 ft. Staffelung in größeren Flughöhen wird dank verbesserter Technik und zwecks besserer Auslastung des überfüllten Luftraumes zunehmend wieder Abstand genommen (Reduced Vertical Separation Minimum).
Wirbelschleppenstaffelung
Da Wirbelschleppen vor allem von der Flugzeugmasse abhängig sind, bedeutet dies für die Lotsen, dass sie einen erhöhten Abstand einhalten müssen, wenn ein schweres Flugzeug vor einem leichten herfliegt. So ist zwischen einem Jumbo und einer Cessna 172 ein Abstand von mindestens 6 NM einzuhalten, während ungefähr gleich große Flugzeuge nur 3 NM Abstand einhalten sollten.
Zwei Flugzeuge der Gewichtskategorie heavy (H-H) müssen wegen der Wirbelschleppen einen Minimalabstand von 4 NM einhalten.
- light hinter medium → 5 NM (M-L)
- medium hinter heavy → 5 NM (H-M)
- light hinter heavy → 6 NM (H-L)
Eigenverantwortliche Staffelung
Eigenverantwortung unter VFR
Piloten, die unter VFR-Regeln operieren, haben in Abhängigkeit vom beflogenen Luftraum die Verpflichtung, ihre Staffelung selbständig sicherzustellen. Bei kontrolliertem VFR wird die Staffelung gegebenenfalls wieder durch die Flugverkehrskontrollstelle hergestellt. Dies passiert meist dann, wenn sich VFR-Flieger in Bereichen befinden, wo auch Flugzeuge unter IFR-Regeln unterwegs sein können, z. B. An- und Abfluggebiete von Flughäfen.
Eigenverantwortung unter IFR
Der Fluglotse kann die Staffelungsverpflichtung auf den Luftfahrzeugführer (Pilot) während eines Fluges unter IFR-Regeln übertragen, wenn dieser damit einverstanden ist. Bevor ihm die Verantwortung für die Staffelung (delegation of separation) übergeben wird, wird im Vorfeld durch die Flugverkehrskontrollstelle ermittelt, ob der Pilot das andere Flugzeug sehen kann. Der Pilot darf dann während der Tageszeit (zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang) und bei guter Sicht (lokal definiert durch Flugwetterdienste) den Mindestabstand auf eigene Verantwortung unterschreiten, womit die Zahl der sich gleichzeitig im Luftraum (Kontrollzone des Flughafens, Luftstraße, etc.) befindlichen Flugzeuge erhöht werden kann. Man kann dies während Stoßzeiten in den Kontrollzonen großer Verkehrsflughäfen beobachten.
Beispiel einer Verantwortungsübergabe
Ein fiktives, aber durchaus so mögliches, Szenario einer Verantwortungsübergabe der Staffelung von der Flugverkehrskontrollstelle (FVKSt) an den Piloten könnte sich per Funk etwa so, wie hier angeführt, abspielen.
- Name vom Flug
- AUA540 ist ein Austrian-Airlines-Flug, ausgesprochen: Austrian Five Four Zero
- Kommunikation
- Typischer Kommunikationsablauf zwischen der FVKSt und dem Piloten:
- … die FVKSt gibt eine Verkehrsinformation und fragt nach Sichtkontakt …
- FVKSt: AUA540, traffic, Airbus 380, one o'clock, one zero miles, crossing right to left, one thousand feet above, fast moving, report traffic in sight.
- … der Pilot bestätigt den Erhalt des Anrufes …
- Pilot: AUA540, looking out.
- ... falls der Pilot den Verkehr nicht sichtet, aktualisiert die FVKSt nach einer gewissen Zeit die Meldung über den Verkehr ...
- FVKSt: AUA540, mentioned traffic, twelve o'clock, five miles.
- … wenn der Pilot den Airbus sichtet, ruft er …
- Pilot: AUA540, traffic in sight.
- … die FVKSt fragt, ob eine Delegation möglich ist …
- FVKSt: AUA540, are you able to maintain own separation to mentioned traffic?
- … der Pilot bestätigt …
- Pilot: AUA540, affirm.
- … die FVKSt übergibt die Verantwortung an den Piloten …
- FVKSt: AUA540, maintain own separation.
- Einzelne Sprechgruppen können ggf. zusammengefasst werden, um die Frequenzbelastung zu verringern.
Sicherheit/Problematik
- IFR
Die Höhenstaffelung kann ein Pilot bei entgegenkommenden Flugzeugen nur schwer abschätzen, außerdem steht nur sehr wenig Zeit zur Verfügung. Linienmaschinen bzw. Jets fliegen mit rund 900 km/h, also mit rund 250 m/s aufeinander zu (5 km werden von beiden somit in 10 Sekunden durchflogen). Die Zeit von der Sichtung bis zu einem möglichen Zusammenstoß beträgt bei exzellenter Sicht (50 km oder mehr) somit nur wenige Sekunden und reduziert sich bis auf Null bei schlechter Sicht. Dies ist besonders dann extrem gefährlich, wenn
- der Luftraum "voll ist" und Staffelungen auf ein Minimum reduziert werden,
- anderer Verkehr überhaupt nicht bekannt ist (unter IFR äußerst unwahrscheinlich),
- anderer Verkehr nicht, oder nur schlecht erkannt werden kann (fehlerhaft oder falsch eingestellte Instrumente - Transponder, defekte Radargeräte, etc.),
- Verkehr an anderer Position als wirklich geglaubt wird (Falsch- oder Fehlinformationen von Lotsen, unvollständige oder falsche Positionsmeldungen anderer Piloten, etc.),
- man sich auf Grund fehlerhafter Bordinstrumente oder Sensoren an anderer Position als wirklich zu befinden glaubt (zum Beispiel: vereiste Einlässe des Höhenmessers, GPS-Fehlfunktionen),
- widersprüchliche Angaben vorliegen, man diese zwar erkennt aber in kurzer Zeit nicht erkennen kann, was falsch und richtig ist (häufige Ursache),
und man sich somit unter Umständen in falscher Sicherheit wägt. Piloten, die unter IFR-Regeln operieren, verlassen sich hauptsächlich auf ihre Instrumente und die Luftverkehrsleitstellen. Sie halten somit auch nicht dauernd im Luftraum Ausschau nach anderen Flugzeugen. Dies ist bei schlechten Sichtbedingungen (in der Nacht, in Wolken) oftmals gar nicht möglich und auch nicht zielführend, da die Überwachung der Instrumente unter IFR Priorität hat. Zur Kollisionsvermeidung haben deshalb auch alle Linien- bzw. Transportflugzeuge (zumindest wenn in Europa oder den USA zugelassen) ein TCAS, ein Kollisions-Warn- und Vermeidungsssystem an Bord. Das TCAS operiert komplett unabhängig von Bodenstationen und wertet die Transpondersignale anderer Luftfahrzeuge auf mögliche Gefahren hin aus. Es schlägt gegebenenfalls Alarm, errechnet ein mögliches Ausweichmanöver und schlägt dieses den Piloten vor.
- VFR
VFR-Piloten müssen in der Regel permanent Ausschau nach anderen Flugzeugen halten. Da aber VFR-Piloten meist mit Flugzeugen unterwegs sind, die eine verhältnismäßig geringe Reisegeschwindigkeit im Gegensatz zu Jets erreichen, bleibt auch mehr Zeit zur Erfassung und Kollisionsvermeidung entsprechend der vorgeschriebenen Ausweichregeln.
Folgende Gegebenheiten erschweren das Auffassen (Sichten) und erhöhen das Kollisionsrisiko, da ein visuelles Verschmelzen mit dem Hintergrund erfolgt:
- Wettererscheinungen,
- Flüge neben, über und unter Wolken,
- Flüge gegen die Sonne,
- Blend-Effekte bzw. Spiegelungen von Wolken, Luftschichten und Bodenbegebenheiten (Seen, Wasser, Wüste),
- Stark strukturiertes Gelände (Städte, dichte Siedlungsgebiete usw.),
- Flüge in gebirgigem Gelände auf gleicher oder geringerer Höhe der umliegenden Gipfelniveaus,
- Luftfahrzeuge mit Tarnfarbe (Militär) sowie
- Ausgefallene (nicht eingeschaltete) Positionsleuchten und Strobes.
- Allgemein
Bei einem Flugzeug, das auf den Piloten zugeflogen kommt, lässt sich auch nur schwer einschätzen, ob es auf gleicher Flughöhe, und somit auf Kollisionskurs, oder völlig ungefährlich 1000 ft (etwa 300 m) tiefer oder höher entgegenkommt. Als Faustregel gilt, dass ein Flugzeug, das in Höhe der Horizontlinie erscheint, auf der gleichen Flughöhe wie das eigene Flugzeug fliegt.
- Vermeidung (eher VFR)
Unter erschwerten Flugbedingungen sowie unter der Annahme möglichen fremden Verkehrs in der Luft kann man auf sich mit folgenden Methoden aufmerksam machen:
- passiv
- Einhalten genereller/aller Regeln unter VFR und IFR
- Einhalten örtlicher Flugverkehrsbeschränkungen und -regeln
- Verwendung eines Transponders mit Höhencodierung
- Eher helle Farben/Lackierung auf der Flugzeugoberseite und dunkle auf der Unterseite (Kontrast zur Umgebung)
- Verwendung und Beobachtung des TCAS
- aktiv
- Beobachtung des Luftraums (95 % der Zeit, 5 % Instrumente und Navigation – unter VFR)
- Erhöhte Aufmerksamkeit in Zonen hoher Aktivität (Segelflug- und Paragleitergebiete, Flugplätze etc.)
- Einschalten der Landescheinwerfer (sowie jeglicher anderer Beleuchtung)
- Versuch der Kontaktaufnahme, am besten auf der Frequenz der Flugverkehrskontrollstelle oder des nächstgelegenen Flugplatzes und Positionsmeldung
- Schlangenlinienflug (ein Objekt, welches weite Schlangenlinien fliegt, ist leichter zu erkennen als ein starr geradeaus fliegendes) oder eine Orientierungskurve (360°) bzw. kurzes Kippen und Drehen, sodass auch tote Winkel (unter bzw. über dem Flugzeug) eingesehen werden können.
- Vermeidung von Flügen in geringer Höhe (Abheben von der Landschaft/Struktur)
Folgen mangelnder Staffelung
Wird die Staffelung nicht eingehalten, sei es aufgrund von Piloten- oder Lotsenfehlern, können die Folgen von Beinahe-Zusammenstößen bis zum Zusammenprall reichen, auch wenn weitere Sicherungssysteme, wie z. B. TCAS dies verhindern sollten.
- Schwere Unglücke als Folge mangelnder Staffelung
sind in der Regel Kollisionen in der Luft die für alle Beteiligten meist tödlich ausgehen (Ausnahme meist nur möglich bei Flugzeugen mit Fallschirm/Schleudersitz)
- Das schwerste Flugzeugunglück über Deutschland ist der Zusammenstoß unter IFR-Regeln eines russischen Passagierflugzeugs des Typs Tupolew Tu-154 und einer Frachtmaschine der DHL Typ Boeing 757 in 11 000 m Höhe über dem Bodensee bei Überlingen am 1. Juli 2002, obwohl beide Maschinen TCAS an Bord hatten; siehe auch Flugzeugkollision von Überlingen.
- Zusammenstoß unter VFR-Bedingungen/Regeln eines Helikopters (Super Puma) und eines Kleinflugzeugs (Katana) bei Zell am See in Österreich am 5. März 2007; siehe auch bei Zwischenfälle im Artikel zum Flugplatz Zell am See.
- Frontalzusammenstoß unter IFR-Regeln zweier Passagiermaschinen, eine jugoslawische Douglas DC-9 und eine britische Hawker Siddeley Trident, am 10. September 1976 im Luftraum über Zagreb in Kroatien; siehe auch Flugzeugkollision von Zagreb.
- Der Zusammenstoß einer brasilianischen Boeing 737 und einer Embraer Legacy 600 über den Regenwäldern Brasiliens am 29. September 2006; siehe auch Gol-Transportes-Aéreos-Flug_1907. Alle Insassen der Embraer haben das Unglück überlebt und das leicht beschädigte Flugzeug wurde repariert.
Quellen
Weblinks
- ICAO 4444 - Rules of the air and air traffic services (PDF-Datei, 1,4 MB), 13te Ausgabe (1999)
- Zeitplan vor einem Flug – Zeitlicher Ablauf zur Durchführung eines typischen Trainings-Luftkampfauftrages für eine Patrouille Tiger F5. bei Schweizer Luft-Waffe
- Flugsicherung (PDF-Datei, 2,06 MB) bei SkyGuide
- Staffelung (Flugbetrieb) (PDF-Datei, 128 kB) bei der Technischen Fachhochschule Wildau
- 3 Verkehrsvorschriften (PDF-Datei, 416 kB) bei AirCademy Ltd.
- Verantwortlichkeiten bei VFR-Flügen in Kontrollzonen (PDF-Datei, 32 kB) bei der Bundesstelle für Flug-Unfalluntersuchung
- Luftraumstruktur – In Deutschland (PPT-Datei, 640 kB) bei www.segelflug.de, Rainer Bauernfeind