Sterile-Insekten-Technik
Sterile-Insekten-Technik (englisch sterile insect technology, SIT), auch Autozidmethode oder Selbstvernichtungsverfahren genannt,<ref name="Pflanzenkrankheiten und Pflanzenschutz"> Horst Börner et al.: Pflanzenkrankheiten und Pflanzenschutz. Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2009, ISBN 978-3-540-49067-8 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).</ref> ist eine Methode, um Populationen von Schadinsekten mittels einer großen Anzahl steriler Individuen zu dezimieren oder auszurotten. Die künstlich produzierten und sterilisierten Individuen werden im Zielgebiet freigelassen, paaren sich mit fertilen Weibchen und senken die Wahrscheinlichkeit, dass erfolgreich Nachkommen gezeugt werden. Die Wirkung ist, im Gegensatz zu Insektiziden, die auch nützliche Insekten vernichten und zu großen Umweltschäden führen können, beschränkt auf die betroffene Insektenart. Ein weiterer Vorteil der Technik ist, dass Menschen im gleichen Gebiet aber mit unterschiedlichen Einkommen gleichermaßen geholfen wird, im Gegensatz beispielsweise zum Kauf von Arzneimitteln.<ref>Luc Alphy: Sex bis zum Aussterben – Mit sterilen Insekten gegen gefährliche Mücken in der Sendereihe Wissenschaft im Brennpunkt des Deutschlandfunks. Abgerufen am 1. Oktober 2010.</ref> Resistenzerscheinungen können sich prinzipiell entwickeln, indem Weibchen, die eine Mehrfachbegattung zulassen, positiv selektioniert werden.<ref>Brockhaus Enzyklopädie. Brockhaus GmbH, Mannheim 2006, Band 3, S. 31.</ref> Bisher sind aber nur sehr wenige solche Fälle bekannt, von denen nur einer ausreichend dokumentiert ist.<ref name="PMID19725763">L. Alphey, M. Benedict u. a.: Sterile-insect methods for control of mosquito-borne diseases: an analysis. In: Vector borne and zoonotic diseases. Band 10, Nummer 3, April 2010, ISSN 1557-7759, S. 295–311, doi:10.1089/vbz.2009.0014, PMID 19725763, PMC 2946175 (freier Volltext).</ref>
Die SIT wird im Rahmen eines Forschungsprogramms von FAO und IAEO entwickelt.
Inhaltsverzeichnis
Vorgehensweise
Die Schadinsekten werden im Labor gezüchtet, und die Männchen mit ionisierender Strahlung, Chemosterilantien oder mittels Genmanipulation sterilisiert, damit sie keine Nachkommen mehr zeugen können. Die sterilen Männchen werden in großer Anzahl im Zielgebiet freigelassen und konkurrieren mit den in der Natur lebenden, nicht sterilen Männchen um die Weibchen. Bei genügend großer Anzahl steriler Tiere ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Weibchen von einem sterilen Männchen begattet wird und dadurch keine Nachkommen bekommt, derart hoch, dass sich die Population stark verringert oder sogar ganz verschwindet. Bei der Sterilisation dürfen die Individuen allerdings nicht in ihrer Begattungs- oder Konkurrenzfähigkeit geschädigt werden, damit sie keine Nachteile gegenüber natürlich vorkommenden Individuen erleiden.<ref name="Pflanzenkrankheiten und Pflanzenschutz" /><ref>Manfred Fortmann: Das große Kosmosbuch der Nützlinge. Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co., Stuttgart 2000, ISBN 3-440-06588-X. S 283.</ref> Rechtliche Rahmenbedingungen verhindern allerdings oft das Freilassen genetisch veränderter Individuen.<ref name="Volkart Wildermuth">Volkart Wildermuth: Sex bis zum Aussterben in der Sendereihe Wissenschaft im Brennpunkt des Deutschlandfunks. Abgerufen am 1. Oktober 2010.</ref>
Geschichte und Einsatzgebiete
Entwickelt wurde die die Technik von Raymond C. Bushland und Edward F. Knipling in den späten 1930er Jahren auf Basis von Kniplings Idee, als beide eine Alternative zu chemischen Pestiziden suchten. Zu dieser Zeit verursachten die parasitären Larven der Neuwelt-Schraubenwurmfliege (Cochliomyia hominivorax) im südlichen Nordamerika bedeutende Verluste unter den Viehbeständen. Die Art wurde im Zuge der ersten Tests mit der SIT in den frühen 1950er Jahren auf Sanibel, Florida, nahezu ausgerottet. In den 1960er und 70er Jahren konnte dank der SIT die Schraubenwurmfliegenpopulationen in den USA unter Kontrolle gehalten werden.<ref name="foodprice">The World Food Prize for 1992: Kurzbiografie von Raymond C. Bushland und Edward F. Knipling und Informationen zur SIT (englisch). Abgerufen am 1. Oktober 2010.</ref> Mit Flugzeugen wurden dazu wöchentlich bis zu 50 Millionen sterilisierte Insekten ausgesetzt. Mit flächendeckenden SIT Programmen wurde unter anderem auch in Kalifornien die Mittelmeerfruchtfliege (Ceratitis capitata) erfolgreich bekämpft.<ref>Thomas M. Smith u. a.: Ökologie. Pearson Education Deutschland GmbH, München 2009, ISBN 978-3-8273-7313-7. S. 286</ref> 1992 erhielten Knipling und Bushland den Welternährungspreis.<ref name="foodprice" />
Mit der SIT werden auch Krankheitsüberträger wie beispielsweise die Tsetsefliegen (Glossina ssp.) oder Anophelesmücken bekämpft. Beispielsweise konnte bis 1997 die Tsetsefliege und die durch sie übertragene Schlafkrankheit auf der Insel Sansibar ausgerottet werden.<ref name="Volkart Wildermuth" />
Weblinks
- Volkart Wildermuth: Sex bis zum Aussterben – Mit sterilen Insekten gegen gefährliche Mücken in der Sendereihe Wissenschaft im Brennpunkt des Deutschlandfunks
- The World Food Prize for 1992: Kurzbiografie von Raymond C. Bushland und Edward F. Knipling und Informationen zur SIT (englisch).
Einzelnachweise
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