Stoßdämpfer


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Der Stoßdämpfer ist bei Fahrwerken ein sicherheitsrelevantes Bauteil, das die Schwingungen der gefederten Massen schnell abklingen lässt. Korrekt wäre die Bezeichnung „Schwingungsdämpfer“, weil dieses Bauelement die Schwingungsenergie in Wärme umwandelt. Ohne diese Energieumwandlung würde die gedämpfte Schwingung zu langsam abklingen.

Datei:Stoßdämpfer Konventionell.jpg
Hydraulischer Stoßdämpfer und unterer Federteller eines MacPherson-Federbeins

Die Stoßdämpfung dient nicht dazu, durch Fahrbahnunebenheiten ins Fahrzeug eingeleitete Stöße abzufangen. Dafür ist die Federung zuständig.

Aufbau und Funktion

Hydraulische Stoßdämpfer

Stoßdämpfer-Bewegungsmodell
In dem Bewegungsmodell des Stoßdämpfers wird gezeigt, wie sich mit der Ein- und Auswärtsbewegung der Kolbenstange der Ölspiegel im Stoßdämpfer hebt und senkt. Die Bewegung des Ölspiegels ist aber stark übertrieben dargestellt. Der Hub des Ölspiegels ist größer als der Hub der Kolbenstange. Das entspricht weder den Abmessungen des Modells noch den Verhältnissen in einem wirklichen PKW-Dämpfer. Für die Bewegung des Ölspiegels gilt, dass das Volumen der einfahrenden Kolbenstange gleich dem Volumen des Ölanstiegs in der Ringfläche zwischen den Rohren ist, also:

<math>A_S * h = A_R * H</math> oder <math>H = h*A_S /A_R</math>

<math>A_S</math> = Querschnittsfläche der Kolbenstange
<math>A_R</math> = Ringfläche zwischen dem Außen- und dem Innenrohr
<math>d</math> = Durchmesser der Kolbenstange
<math>D_a</math> = Innendurchmesser des äußeren Rohres (Behälterrohr)
<math>D_i</math> = Außendurchmesser des inneren Rohres (Zylinderrohr)
<math>h</math> = Hub der Kolbenstange
<math>H</math> = Hub des Ölspiegels

Mit wirklichen Dämpferabmessungen (d= 11: Da = 36; Di = 29,4) ergibt sich H = h* 0,28

Der Hub des Ölspiegels macht also nur das 0,28-fache des Kolbenstangenhubs aus. Diesen realistischen Wert sollte auch das Bewegungsmodell zeigen. Dies kann einfach durch Änderung des Ölspiegelhubs geschehen. Am besten natürlich mit zusätzlichen Anpassungen der Maße d, Da und Di im Bewegungsmodell, damit Berechnung und Erscheinungsbild exakt übereinstimmen.

Datei:Oil damper mov.gif
Ölstoßdämpfer mit Ausgleichsvolumen (Zweirohrdämpfer)

Hydraulische Stoßdämpfer bestehen im Wesentlichen aus einem an einer Kolbenstange in einem ölbefüllten Zylinder geführten Kolben. Bei axialer Bewegung der Kolbenstange (und damit des Kolbens) gegenüber dem Zylinder muss das Öl durch enge Kanäle und Ventile im Kolben strömen. Durch den Widerstand, der dem Öl dabei entgegengebracht wird, werden Druckdifferenzen erzeugt, die über Wirkflächen die Dämpfungskräfte erzeugen. Die daraus resultierende Dämpfarbeit wird in Erwärmung des Öls umgesetzt. Die Viskosität und damit Dämpfungswirkung des Öls ist auch temperaturabhängig. Um den Temperaturanstieg des Dämpfers auf ein für die beteiligten Bauteile erträgliches Niveau zu begrenzen, muss der Dämpfer ausreichend Wärme an die Umgebungsluft abgeben können.

Das Volumen der einsinkenden Kolbenstange muss innerhalb des Dämpfers ausgeglichen werden. Einen reinen Öldämpfer kann es also nicht geben, denn Öl ist wie alle Flüssigkeiten nahezu inkompressibel. Der Ausgleich kann etwa durch ein unter hohem Druck (~30 bar) stehendes Gaspolster aus Stickstoff oder Luft realisiert werden, das durch einen beweglichen Kolben vom Ölvolumen getrennt angeordnet ist (Einrohrdämpfer). Durch Verschiebung des trennenden Kolbens übernimmt das Gaspolster den Volumenausgleich beim Einfahren der Kolbenstange. Das Gas wirkt wie eine zusätzliche Feder, sodass die Wirkung der Federung unterstützt wird.

Zug- und Druckstufe

Ein direkt angelenkter hydraulischer Stoßdämpfer wird beim Ausfedern auf Zug und beim Einfedern auf Druck beansprucht. Deshalb wird die Dämpfung beim Ausfedern als Zugstufe, beim Einfedern als Druckstufe bezeichnet.

Um das „Anfedern“ beim Auffahren auf rampenförmige Einzelhindernisse zu verbessern, wird die Zugstufe meist härter als die Druckstufe ausgeführt.<ref>Braess/Seiffert: Handbuch der Kraftfahrzeugtechnik, 3. Auflage 2003, ISBN 3-528-23114-9.</ref> Ein weiterer Grund für diese Auslegung ist ein harmonischer Aufbau des Wankwinkels bei schnellen Ausweichmanövern.

Mechanische Stoßdämpfer

Mechanische Stoßdämpfer bestehen prinzipiell aus federbelasteten Reibflächen. Geschichtete Blattfedern bestehen aus mehreren Federblättern und stellen kombinierte Feder-/Dämpfer-Einheiten dar, die wegen ihres robusten, langlebigen und kostengünstigen Aufbaus bevorzugt in Lkw eingesetzt werden. Durch die Biegung der Feder wird der Stoß aufgefangen und in der Feder gespeichert. Die Reibung zwischen den einzelnen Federblättern dämpft die Schwingung und erzeugt Wärme. Diese Dämpfung ist jedoch nicht abhängig von der Geschwindigkeit, mit der die Federbewegung stattfindet, und ist deshalb im Vergleich zur geschwindigkeitsabhängigen Dämpfung von hydraulischen Stoßdämpfern weniger effektiv. Der Reibbeiwert zwischen den Federblättern ist abhängig vom Schmierungszustand, trocken reibende Blattfedern quietschen. In der Regel werden deshalb die Blattfedern gut gefettet oder mit Kunststoffzwischenlagen versehen und hydraulische Stoßdämpfer eingebaut.

Weitere Formen

Eine besondere in der Formel 1 eingesetzte Bauart ist der außen anliegende Drehstoßdämpfer. Eine Neuentwicklung sind die Luftfederdämpfer, die sowohl im Nutzfahrzeugbereich wie auch bei Personenwagen eingebaut werden. Sie können neben der Federung und Dämpfung auch die Niveauregulierung übernehmen. Auch Motorräder und Fahrräder werden mit Luftfederdämpfern ausgestattet, in denen das Medium Luft sowohl Feder- als auch Dämpferaufgaben übernimmt. Erforscht wird die Entwicklung eines elektromechanischen Dämpfersystems für Straßenfahrzeuge. Der Vorteil hier ist, dass statt Wärme primär elektrische Energie erzeugt wird, die im Fahrzeug direkt genutzt werden kann.

Bedeutung der Stoßdämpfer in Kraftfahrzeugen

Nach Bremsen, Reifen und der Lenkung ist der Stoßdämpfer das wichtigste Bauteil, um ein Fahrzeug sicher beherrschen zu können. Dennoch wird in Deutschland im Rahmen der Hauptuntersuchung (zum Beispiel beim TÜV) nur eine Sichtprüfung der Stoßdämpfer durchgeführt. Eine Funktionsprüfung kann mit einem shock tester (engl. Stoßdämpfer = shock absorber, oder kurz: shock) durchgeführt werden, bei dem die einzelnen Räder des Fahrzeugs in Schwingung versetzt werden und danach die Abklingkurve der Schwingung aufgezeichnet wird.

Durch die Stoßdämpfer werden die Reifen vor allem beim Durchfahren von Kurven, aber auch bei Vollbremsungen auf der Straße gehalten. Ohne deren Schwingungsdämpfung würden die Räder nach dem Einfedern selbsttätig wieder ausfedern, dadurch das Fahrzeug nach oben beschleunigen, und somit die Normalkraft der Räder auf die Fahrbahn verringern, was dazu führen würde, dass die Reibkraft, die die Reifen auf die Fahrbahn bringen können, sinkt. Das Fahrzeug rutscht dann (Übergang von Haft- in Gleitreibung: Es tritt Schlupf auf, diesen kann man als Quietschen wahrnehmen). Bildlich formuliert „hüpft“ das Fahrzeug wie ein Gummiball auf der Fahrbahn. Die Reifen können jedoch nur Antriebs-, Brems- und Querkräfte (Kurvenfahrt) übertragen, wenn sie mit einer bestimmten Kraft auf die Fahrbahn gepresst werden. Ein Fahrzeug mit Federn ohne Stoßdämpfer ist daher nicht sicher steuerbar.

Gelegentlich wird angegeben, dass bei Fahrzeugen ohne ABS der Bremsweg von 50 km/h bis zum Stillstand um vier Meter länger ist, wenn die Stoßdämpfer verschlissen sind (dies ist abhängig vom Fahrbahnzustand). Mit nicht funktionierenden Stoßdämpfern verdoppelt sich die Wahrscheinlichkeit eines Überschlags bei einem Notausweichmanöver (Iso-Spurwechseltest, Elchtest). Die Lebensdauer von Stoßdämpfern in Pkw ist von der Einsatzart abhängig und kann zwischen 60.000 und 80.000 km liegen.<ref>Stoßdämpfer: Wirkung geht schleichend verloren (Abgerufen am 25. Januar 2013).</ref>

Bei der Auslegung eines Fahrzeuges werden Federn und Dämpfer aufeinander abgestimmt. In der Praxis können Nachrüstsätze aus dem Zubehörhandel, bei denen kürzere Federn (Tieferlegung) mit dem vorhandenen Dämpfer kombiniert werden, zu schlechterem Fahrverhalten führen: Wenn die Federraten höher sind, die Dämpfungsraten jedoch unverändert bleiben, können sich Schwingungen im Fahrwerk länger halten, das Fahrzeug „hüpft“ nach Überfahren von Bodenwellen. Bei Serienfahrwerken mit defekten Dämpfern ist die Frequenz etwas niedriger, es wippt langsamer. In beiden Fällen ist die maximal erreichbare Kurvengeschwindigkeit bei einem bestimmten Radius niedriger als bei intakten bzw. auf die Federn abgestimmten Stoßdämpfern, da die Reifen bei Unebenheiten wegen auftretender Schwingungen schneller den Kontakt zur Fahrbahn verlieren.

Erkennen von defekten Stoßdämpfern in Pkw

Nachlassende Dämpfung wird oft unbewusst durch ein geändertes Fahrverhalten des Fahrers ausgeglichen. Es gibt einige Anzeichen von nachlassenden Stoßdämpfern, wobei die auftretenden Effekte nicht schlagartig auftreten, sondern mit wachsendem Verschleiß des Dämpfers einhergehen:

  • Mehrfaches Nachschwingen, wenn man das Fahrzeug in Radnähe mit der Hand in Schwingungen versetzt (einfacher Funktionstest, das Verhalten zeigt sich vor allem bei Dämpfern, die völlig funktionslos geworden sind)
  • Nach Unebenheiten schwingt das Fahrzeug nach
  • Poltergeräusche auf schlechten Straßen bei niedriger Geschwindigkeit (30-Zone)
  • Ungleichmäßige Abnutzung von Reifen und erhöhter Reifenverschleiß
  • Flatternde Lenkung oder vielfach unterbrochene Bremsspur nach einer Vollbremsung wegen springender Räder
  • schwammiges Kurvenfahrverhalten, bei welliger Fahrbahn driftet das Fahrzeug in Abhängigkeit von der Anregung der Vertikalschwingungen nach außen
  • steigende Seitenwindempfindlichkeit

Gänzlich defekte Dämpfer erkennt man auch durch erhebliche Mengen austretenden Öls an den Kolbenstangen der Dämpfer. Umgekehrt kann aber aus einem vollkommen dichten Stoßdämpfer nicht die einwandfreie Funktion abgeleitet werden.

Bauformen von Stoßdämpfern in Pkw

Bei den Stoßdämpferausführungen in PKW unterscheidet man grundsätzlich zwischen Achsdämpfer, das heißt einem allein eingebauten Schwingungsdämpfer, einer Feder-Dämpfer-Einheit („Federbein“), bei der Feder und Dämpfer zu einer Baugruppe vereint sind und dem MacPherson-Federbein, das zusätzlich das Rad in Längs- und Querrichtung führt. Konventionelle Stoßdämpfer in PKW werden heutzutage hauptsächlich in hydraulischer Ausführung in Ein- und Zweirohrbauweise gefertigt.

Reibungsdämpfer

Datei:Reibungsstoßdämpfer (Mercedes-Benz SSKL).jpg
Reibungsstoßdämpfer an einem Mercedes-Benz SSKL

Vor der Entwicklung der hydraulischen Stoßdämpfer wurden die Fahrzeuge mit Reibungsdämpfern ausgerüstet. Diese lassen die Schwingungen schneller abklingen, wirken aber unerwünscht federungsverhärtend: In Ruhestellung besteht eine Haftreibung zwischen den Reibflächen, die erst durch eine größere Kraft überwunden werden muss (Losbrechkraft). Dies tritt nicht nur vor der Anregung, sondern unter Umständen auch während des Schwingungsvorgangs an den Scheitelpunkten der Bewegung auf.

Reibungsdämpfer bestanden aus zwei ineinanderliegenden Zylindern und mehreren Stahlscheiben und Reibbelägen. Der äußere Zylinder war fest mit dem Aufbau verbunden und die Stahlscheiben waren im Zylinder gegen Verdrehen gesichert. Die Reibbeläge waren fest mit dem inneren Zylinder verbunden und dieser über ein Gestänge mit der Fahrzeugachse. Durch die Anordnung von abwechselnd Stahlscheiben und Reibbelägen ist die Wirkungsweise mit einer Mehrscheibenkupplung gleichzusetzen. Durch Veränderung der Vorspannung einer innenliegenden Feder konnte der Dämpfungsgrad eingestellt werden.

Hebelstoßdämpfer

Hebelstoßdämpfer sind hydraulische Stoßdämpfer, die über einen Hebel betätigt werden. Beim Houdaille-Stoßdämpfer ist es ein Schwenkkolben in einem unterteilten zylindrischen Gehäuse, bei anderen Konstruktionen wird ein Hubkolben in einem Zylinder über einen Kniehebel betätigt. Der Hebel kann Teil der Radaufhängung sein, zum Beispiel oberer Querlenker einer Doppelquerlenkerradaufhängung oder Längslenker an einer Starrachse. Hebelstoßdämpfer kamen in den 1930er Jahren auf und wurden bis in die 1970er Jahre verwendet.

Einrohrdämpfer

Der Einrohr- oder Gasdruckstoßdämpfer ist in die Arbeitskammer (Ölraum) und Gegendruckraum (Gaskammer) untergliedert. Im Ölraum wird die eigentliche Dämpfarbeit vollbracht, das heißt die am Kolben sitzenden Dämpfungsventile setzen dem durch den Kolben hindurchfließenden Öl einen Widerstand entgegen. Dadurch wird eine Druckdifferenz erzeugt, die der sich relativ zum Behälter bewegenden Kolbenstange eine Dämpfkraft entgegensetzt. Die Gaskammer gleicht Volumenänderungen beim Ein- und Ausfahren der Kolbenstangen und durch Temperaturschwankungen aus. Üblicherweise hat ein Einrohrdämpfer einen Basisinnendruck von ca. 20 - 30 bar. Diese Vorspannung wird benötigt, damit beim Einfedern nicht die Ölsäule in der oberen Arbeitskammer (Kammer über dem Kolben) abreißt und im Öl Gasblasen entstehen (Gefahr der Kavitation). Dies würde sich negativ auf die Dämpfkraftcharakteristik des Dämpfers auswirken.

Zweirohrdämpfer

Der Zweirohrdämpfer hat zusätzlich zum Zylinderrohr, in dem sich der an der Kolbenstange befestigte und mit weiteren Ventilteilen bestückte Kolben axial bewegt, ein weiteres koaxial angeordnetes Behälterrohr. Der Kolben teilt den inneren Ölraum in einen oberen und unteren Arbeitsraum. In der Druckstufe fährt die Kolbenstange ein und es strömt ein Teil des Öls aus dem unteren Arbeitsraum durch das Kolbenventil in den oberen Arbeitsraum. Das der eintauchenden Kolbenstange entsprechende Ölvolumen wird dabei durch ein am unteren Ende des Zylinderrohres befindliches Bodenventil in den so genannten Ausgleichsraum zwischen Zylinder- und Behälterrohr gedrückt. Dabei wird ebenfalls durch das Bodenventil eine für die Dämpfung relevante Druckdifferenz erzeugt. Beim Ausfahren der Kolbenstange (Zugstufe) übernimmt das Kolbenventil die Dämpfung, während durch das Bodenventil das der ausfahrenden Kolbenstange entsprechende Ölvolumen weitgehend ungehindert zurückfließt.

Siehe auch

Literatur

  • Peter Heuslinger, Moderne Mechanik in der Kfz-Technik,Verlag Liebentreu-Haslinger, Ulm, 2002
  • Peter Causemann, Kraftfahrzeugstoßdämpfer,Verlag Moderne Industrie, Landsberg/Lech, 2001

Weblinks

Commons Commons: Schwingungsdämpfer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

<references />