Tarnkleidung
Tarnkleidung ist Kleidung, die durch ihr Muster und ihre Farbgebung die Konturen des Trägers vor entsprechendem Hintergrund „verwischt“, also tarnt und die optische Aufklärung erschweren soll. Tarnkleidung wird meist von Soldaten oder Jägern getragen. Besondere Tarnkleidung für den Winter sind Schneetarnanzüge, für Scharfschützen der Ghillie-Anzug.
In der Regel ist Tarnkleidung auf eine bestimmte Umgebung angepasst. Es werden aber auch Tarnmuster zur universellen Verwendung entwickelt, so das Universal Camouflage Pattern oder Multicam.
Inhaltsverzeichnis
Geschichtliche Entwicklung
Bis ins 19. Jahrhundert zogen europäischen Soldaten in farbenfrohen und auffälligen Uniformen ins Feld. Die Farben orientierten sich damals vielfach noch an den im Mittelalter aufgekommenen Wappenfarben des jeweiligen Landesherren. Die ab 1808 so bezeichnete Grande Armée Napoleons hingegen war in den Farben der Landesfahne gekleidet. Durch die individuellen landestypischen Erscheinungsbilder ihrer Uniformen war es den Soldaten möglich, im Kampfgetümmel Freund und Feind deutlich zu unterscheiden.
Nur in seltenen Fällen war militärische Tarnkleidung notwendig. Im preußischen Heer Friedrichs II. wurde 1740 aus dem Stamm des Forstpersonals ein Jägerkorps zu Fuß für Streifendienst und Kleinkrieg gebildet, welches einen zeisiggrünen Rock, gelbe Lederhosen und braunlederne Patronenranzen trug. Zumeist beschränkte man sich aber in der Praxis bei besonderen Gelegenheiten auf das Verdecken von blanken Ausrüstungsstücken durch Laub oder Gras etc.
Nach Einführung des rauchschwachen Pulvers war das Schlachtfeld nicht mehr durch Rauchschwaden verhüllt und es war wesentlich leichter geworden, nicht versehentlich den eigenen Kameraden zu erschießen. Auch die Entwicklung weiter reichender und schnell feuernder Waffen, insbesondere des Maschinengewehrs, hatte eine Änderung der Taktik zur Folge.
Ende 19. Jahrhunderts
Im ausgehenden 19. Jahrhundert wurde erstmals mit einfarbigen tarnenden Uniformen experimentiert. Die damals vorherrschenden kolonialen und lokalen internationalen Konflikte fanden zumeist in tropischen, trockenen Klimazonen statt. Die dort vorherrschenden natürlichen Gegebenheiten machten heranrückende Soldaten oft zu einem leichten Ziel. Sowohl in Großbritannien als auch in den USA wurden daher nach einigen Erfahrungen im Jahr 1902 die bisher vorherrschenden traditionellen Uniformen durch neue, khaki- bzw. sandfarbene Ausrüstungsgegenstände ersetzt.
Doch Teile der Ausrüstung, bzw. koloniale Truppen waren bereits zuvor vielfach mit deckenden Farben ausgerüstet worden. In der gleichen Zeitphase begann man damit, auf Schimmel als Reitpferde in den meisten modernen Feldheeren weitgehend zu verzichten. Um 1900 erhielt das ostasiatische Expeditionskorps der kaiserlichen Armee eine Tropenuniform in „erdfarbenem Feldgrau“. 1907 wurden im gesamten deutschen Heer feldgraue Uniformen mit braunem Lederzeug eingeführt. Im Ersten Weltkrieg hatten die meisten daran teilnehmenden Armeen ihre Uniformen auf Tarnfarben umgestellt.
Nach dem Ersten Weltkrieg
Nach dem Ersten Weltkrieg wurden erstmals Tarnmuster für Uniformen verwendet. Am bekanntesten wurde das Splittertarnmuster 31, das 1931 bei der Reichswehr eingeführt wurde, international Nachahmung fand und seitdem bis heute in vielen Varianten verbreitet ist. So rüstete Italien bereits 1937 seine Fallschirmjäger damit aus. Die Fallschirmtruppe der Wehrmacht war ebenfalls mit dieser Spezialbekleidung ausgestattet.
Das deutsche Platanenmuster – Herbstfarbe, das für die Tarnbekleidung der Waffen-SS von 1937 bis 1945 speziell entwickelt wurde, war wohl das älteste in Großserie hergestellte und im Kampfeinsatz durchgängig verwendete Flecktarn der Welt.
1942 begann die US-Army erbeutete Ausrüstungsgegenstände der Waffen-SS nach ihrer Tarnwirkung zu studieren. Bereits im Sommer desselben Jahres waren Einheiten der US-Armee und Marineinfanterie mit einer amerikanischen Variante des deutschen Flecktarnmusters ausgerüstet.
Nach dem Zweiten Weltkrieg
Eines der bekanntesten Tarnmuster ist sicher das „Woodland“-Muster der USA, eine vergrößerte Version des ERDL-Musters (Engineer Research & Development Laboratory) von 1948, das schon in Vietnam zum Einsatz kam. Heutzutage hat praktisch jede Armee der Welt ihr eigenes Tarnmuster, welches damit auch schon wieder einen Erkennungswert darstellt.
Anfang des 21. Jahrhunderts kamen neuartige, mit Hilfe von computergenerierten Fraktalen erstellte Digitaltarnmuster auf, wie zum Beispiel das CADPAT der Kanadischen Armee, das Type 07 der Chinesischen Volksbefreiungsarmee oder auch das MARPAT des United States Marine Corps.
Strukturtarnung
Eine andere Form der Tarnkleidung, bei der weniger die Farbgebung als vielmehr die Struktur entscheidend ist, ist die sogenannte Strukturtarnung. Hierbei werden zusätzlich zur farblichen Tarnung auch Materialien zur Veränderung der Silhouette genutzt. Der bekannteste Vertreter und somit oftmals ein Synonym hierfür ist der sogenannte Ghillie-Anzug.
Ein Ghillie-Anzug ist ein Tarnanzug, der hauptsächlich von Scharfschützen eingesetzt wird. Er verbirgt die Form des menschlichen Körpers und lässt ihn mit seiner Umgebung „verschmelzen“. In der Regel besteht ein Ghillie-Anzug aus einem Netzmaterial, entweder in Form eines Überwurfes oder als zweiteilige Ausführung. Zudem kann bestehende Tarnkleidung mit Hilfe von bis zu 80 cm langen, gefärbten Jutestreifen in einen Ghillie-Anzug verwandelt werden. Die Streifen werden eingeknotet oder angenäht und je nach Material auch zusätzlich zerfasert, um die gewünschte Tarnwirkung zu erzielen.
Siehe auch
Literatur
- Laurent Mirouze: Infanteristen des Ersten Weltkriegs (= Europa-Militaria. Nr. 3). Dissberger, Düsseldorf 1990, ISBN 3-924753-28-8.
- Laurent Mirouze: Infanteristen des Zweiten Weltkriegs (= Europa-Militaria. Nr. 2). Dissberger, Düsseldorf 1990, ISBN 3-924753-27-X.
- Andrew Steven, Peter Amodio: Uniformen der Waffen-SS. In Farbe (= Europa-Militaria. Nr. 6). 2. berichtigte Auflage. Dissberger, Düsseldorf 1992, ISBN 3-924753-44-X.
- Cristian Della Giovampaola, Nader Engheta: Digital Metamaterials. In: Nature Materials. September 2014, doi:10.1038/nmat4082.