Telekommunikationsrecht
Als Telekommunikationsrecht (auch: TK-Recht) wird das Rechtsgebiet bezeichnet, das sämtlichen Arten der Telekommunikation einen rechtlichen Rahmen gibt. In Deutschland ist es vor allem durch die Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes geprägt.
Im Unterschied zum Medienrecht regelt das Telekommunikationsrecht im Wesentlichen die Übertragung von Informationen ohne Betrachtung ihres Inhaltes.
Die Zuständigkeit für das Telekommunikationsrecht wurde in Deutschland durch Organisationserlass der Bundeskanzlerin vom 17. Dezember 2013 aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur übertragen, einschließlich der diesbezüglichen Fachaufsicht über die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (Bundesnetzagentur, früher Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post, RegTP). Diese Zuständigkeitsübertragung schließt deren europäische und internationale Bezüge sowie die Grundsatz- und Planungsangelegenheiten ein.<ref>BKorgel – Organisationserlass der Bundeskanzlerin, Abs. IV (zu BMVI)</ref>
Inhaltsverzeichnis
Deutschland
Verfassungsrechtliche Grundlagen
Art. 73 Abs. 1 Nr. 7 GG besteht eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Bereich Post und Telekommunikation.
Auf dieser Grundlage wurden durch den Bund folgende Gesetze erlassen:
Auch die Verwaltung für den Bereich Post und Telekommunikation liegt nach der Postreform gemäß Art. 87f Abs. 2 Satz 2 GG beim Bund
Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes
Grund für die schrittweise Liberalisierung der deutschen Telekommunikationsmärkte waren in erster Linie gemeinschaftsrechtliche Vorgaben. Die Europäische Kommission machte hier von ihrer Liberalisierungs- und Binnenmarktharmonisierungskompetenz Gebrauch.<ref>Christian Marchlewitz: Wie, warum und zu welchem Ende studiert man Telekommunikationsrecht?, in: StudJur, 2 2011, S. 10.</ref> Grundlegende Vorgaben: • Art. 86 Abs. 3 EG • Art. 95 EG • Richtlinienpaket 2002 • Roaming VO (VO (EU) Nr. 531/2012) Ziel der Liberalisierung ist es, leistungsfähige Telekommunikationsinfrastrukturen zu fördern und ausreichende Dienstleistungen zu gewährleisten, indem Monopolstellungen von Unternehmen abgebaut werden. Durch eine größere Vielfalt von Art, Qualität und Preis der Leistungen werden den Konsumenten so Wahlmöglichkeiten im Bereich der Telekommunikationsdienste eingeräumt. Dies soll zu einem effektiven und nachhaltigen Wettbewerb führen.
Um diesen Wettbewerb zu ermöglichen, gilt für den Telekommunikationsmarkt eine sog. asymmetrische Regulierung. Das bedeutet, dass durch Sonderregeln für marktbeherrschende Unternehmen die neu hinzutretenden Wettbewerber unterstützt werden sollen. Ein marktbeherrschendes Unternehmen (typischerweise die Deutsche Telekom) ist verpflichtet, „Wettbewerbern auf diesem Markt diskriminierungsfrei den Zugang zu seinen intern genutzten und zu seinen am Markt angebotenen Leistungen, soweit sie wesentlich sind, zu den Bedingungen zu ermöglichen, die es sich selber bei der Nutzung dieser Leistungen für die Erbringung anderer Telekommunikationsdienstleistungen einräumt“ (§ 33 TKG 1996). Mit Inkrafttreten des Telekommunikationsgesetzes 1996 verlor die Deutsche Telekom ihr Monopolrecht auf dem Telekommunikationsmarkt. Erste Schritte zur Liberalisierung waren die Aufhebung des Netzmonopols der Deutschen Telekom 1996 und des Monopols für Sprachtelefondienste 1998. Seitdem können Endverbraucher über andere private Anbieter im Call-by-Call- oder Preselection-Verfahren telefonieren. Dies waren die ersten Schritte zur Marktöffnung in Deutschland. In den folgenden Jahren wurde das TKG in mehreren Novellen überarbeitet. Die Änderungen im TKG 2004 basieren auf der Umsetzung des europäischen TK-Richtlinienpaket 2002. Nachdem im Bereich des Kundenschutzes eine weitere Novellierung im Februar 2007 stattgefunden hat, wurden die letzten Änderungen des TKG im Jahr 2012 vorgenommen. Die Marktöffnung gilt angesichts des regen Wettbewerbs als gelungen (im Gegensatz zur Liberalisierung des Strommarktes 1998). Zwar wird der Markt von einigen großen Unternehmen geprägt – zu denen weiterhin die Deutsche Telekom gehört -, jedoch gibt es mittlerweile eine große Anzahl an Anbietern, die mit diesen in Konkurrenz stehen. Die Preise für Telekommunikation sind daher seit der Liberalisierung stark gesunken, was ein Indikator für funktionierenden Wettbewerb ist. Um diesen Wettbewerb zu gewährleisten, gibt es die Bundesnetzagentur, die als deutsche Regulierungsbehörde agiert. Sie prüft, ob Unternehmen auf den relevanten Märkten einer Regulierung bedürfen und suchen dementsprechende Regulierungsinstrumente aus.
Regulierung des Telekommunikationsmarktes
Ausgangspunkt jeglicher Regulierung im Telekommunikationsbereich sind die §§ 9 bis 15 TKG, in denen das sogenannte Marktregulierungsverfahren geregelt ist. Dieses Verfahren unterteilt sich in die Marktdefinition und die Marktanalyse. Durch den Erlass einer Regulierungsverfügung nach § 13 TKG wird das vorangegangene Verfahren mit der Zugangsregulierung und der Entgeltregulierung verbunden.
Marktdefinition
Durch die Marktdefinition lokalisiert die Bundesnetzagentur potentielle Märkte, welche Gegenstand einer Regulierung sein können. Wie bereits erwähnt gibt es mehrstufige europarechtliche Vorgaben (Art. 15 Rahmenrichtlinie) nach denen die regulierungs-bedürftigen Märkte ausgewählt werden. Zum einen bestehen Vorgaben für die sachliche und räumliche Abgrenzung der Märkte. Hinsichtlich der sachlichen Marktabgrenzung wird auf die Austauschbarkeit der Produkte auf der Nachfrageseite sowie auf die Angebotsumstellungsflexibiltät abgezielt. Ob diese Kriterien erfüllt sind, kann durch den hypothetischen Monopolistentest ermittelt werden. Der Test geht der Frage nach, wie Nachfrager und Wettbewerber auf eine kleine, aber signifikante Preissteigerung bei einem bestimmten Produkt reagieren würden. Die Ausweichprodukte sind dann demselben sachlichen Markt zugehörig. Dieser Test kann allerdings nur eine klare Aussage machen, solange die Nachfrager ihre Kaufentscheidung im Preis begründen. Aus diesem Grund empfiehlt die EU-Kommission zur weiteren Marktabgrenzung eine Zusammenfassung aller Produkte, die für denselben Endzweck verwendet werden. Zur räumlichen Marktabgrenzung verweist die EU-Kommission auf die ständige Rechtsprechung des EuGH. Dieser legt fest, dass es sich bei einem Markt um ein Gebiet handelt, “in dem die Unternehmen bei den relevanten Produkten an Angebot und Nachfrage beteiligt sind und die Wettbewerbsbedingungen einander gleichen oder hinreichend homogen sind und von Nachbargebieten unterschieden werden können, in denen erheblich andere Wettbewerbsbedingungen bestehen.“ Für den Telekommunikationsbereich sind somit das von einem Netz erfasste Gebiet sowie bestehende Rechts- und Verwaltungsinstrumente (Lizenzgebiete oder Frequenzgebiete) mit einzubeziehen. Weiterhin sind von der Bundesnetzagentur weitere Kriterien zur Marktabgrenzung zu berücksichtigen. Diese lassen sich durch einen sogenannten Drei-Kriterien-Test definieren. Demnach bedürfen Märkte einer Regulierung, wenn beträchtliche und anhaltende Marktzutrittsschranken vorhanden sind und auch keine Aussicht auf wirksamen Wettbewerb vorliegt. Weiterhin kann dieses Marktversagen auch nicht durch die Anwendung des allgemeinen Wettbewerbsrechts abgewendet werden. Als weiteren Punkt hat die EU-Kommission eine Märkteempfehlung abgegeben, nach denen sich die nationalen Regulierungsbehörden, somit in Deutschland die Bundesnetzagentur, zu richten haben. Die EU-Kommission hat demzufolge schon vorab eine Marktdefinition vorgenommen. Sie unterscheidet in Endkundenmärkte und Vorleistungsmärkte.
Marktanalyse
Anschließend an die Marktdefinition führt die Bundesnetzagentur eine Marktanalyse durch. Diese hat zum Ziel, dass Unternehmen auf den vorher festgelegten regulierungsbedürftigen Markt zu identifizieren, welches über beträchtliche Marktmacht verfügt. Gem. § 11 Abs. 1 S. 3 TKG liegt beträchtliche Marktmacht eines Unternehmens dann vor, wenn es entweder allein oder gemeinsam mit anderen eine der Beherrschung gleichkommenden Stellung einnimmt. Es wird beträchtliche Marktmacht vermutet, wenn die wirtschaftlich starke Stellung eines Unternehmens diesem gestattet, sich unabhängig von den anderen Marktteilnehmern zu verhalten. Bei einem Marktanteil von über 50 % liegt nach ständiger Rechtsprechung des EuGH jedoch immer, außer in besonderen Ausnahmefällen, beträchtliche Marktmacht vor. Gem. § 12 Abs. 1 TKG hat die Bundesnetzagentur eine nationale Konsultation durchzuführen, durch die interessierte Parteien die Gelegenheit erhalten zu den Ergebnissen nach §§ 10, 11 TKG Stellung zu nehmen. Auch hat die Bundesnetzagentur gem. § 12 Abs. 2 TKG ein gemeinschaftsweites Konsolidierungsverfahren durchzuführen, wenn die Ergebnisse nach §§ 10, 11 TKG Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten haben.
Regulierungsverfügung
Der § 13 TKG hat die Regulierungsverfügung zum Gegenstand. Diese stellt eine Verbindung der vorangegangenen Schritte mit den weiteren des zweiten Teils des TKG dar. Durch sie werden die Regulierungsinstrumente festgelegt. Die Bundesnetzagentur hat die Möglichkeit durch diese Regulierungsverfügung, als Verwaltungsakt, den Marktteilnehmern Verpflichtungen aufzuerlegen. Adressaten können sowohl Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht sein, als auch Unternehmen ohne beträchtliche Marktmacht. Als Beispiel für letzteres wäre hier der § 18 TKG anzuführen, der Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze ohne beträchtliche Marktmacht zu Zusammenschaltung mit anderen Netzen verpflichten kann. Nicht Gegenstand einer Regulierungsverfügung sind zum einen die sonstigen Verpflichtungen nach § 13 TKG, sowie die nachträgliche Entgeltregulierung nach § 38 TKG. Ebenfalls nicht Bestandteil ist die besondere Missbrauchsaufsicht nach §§ 42, 43 TKG.
Zugangsregulierung
Die Entstehung von Wettbewerb kann sich nur frei entfalten, wenn es den Endnutzern ermöglicht wird die Leistungen sämtlicher Anbieter in Anspruch zu nehmen. Allerdings besitzt auch heute noch die Deutsche Telekom AG im Festnetzbereich fast ausschließlich die Rechte an den Endnutzeranschlüssen. Weiterhin ist der Aufbau einer doppelten Infrastruktur aus Kostengründen nicht sinnvoll. Dennoch müssen Telefondienstleister Zugang zu den Netzen haben, um ihre Leistungen an den Kunden erbringen zu können. Aus diesem Grund können Netzbetreiber von der Bundesnetzagentur zur Zusammenschaltung mit anderen Netzen verpflichtet werden. Auch kann die Bundesnetzagentur Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze mit beträchtlicher Marktmacht dazu verpflichten anderen Marktteilnehmern nach §§ 19, 21 TKG diskriminierungsfreien Zugang zu deren zu Netzen gewähren.
Entgeltregulierung
Gem. § 27 Abs. 1 TKG ist Ziel der Entgeltregulierung, eine missbräuchliche Ausbeutung, Behinderung oder Diskriminierung von Endnutzern oder von Wettbewerbern durch preispolitische Maßnahmen von Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht zu verhindern. Ob und inwieweit die Bundesnetzagentur in diesen Bereich eingreift hängt zum einen von der Art der Leistung (Endkundenleistung oder Zugangsleistung) und zum anderen von der jeweiligen Marktposition (beträchtliche Marktmacht oder keine beträchtliche Marktmacht) des Unternehmens ab. Es kann eine ex-ante-Regulierung (§§ 30 – 37 TKG) sowie eine ex-post-Regulierung (§ 38 TKG) erfolgen.
TKG-Novelle 2004
Aufgrund mehrerer europäischer Richtlinien – unter anderem der Richtlinie 2002/58/EG (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) – wurde das Telekommunikationsgesetz im Jahr 2004 umfassend reformiert. Demnach müssen nun unter anderem nach § 110 TKG technische Einrichtungen zur Überwachung vorgehalten werden, wenn eine Telekommunikationsanlage betrieben wird. Diese Regelung war vor allem in der Kritik, da diese hohe Investitionen z. B. bei vielen E-Mail-Providern erforderte.<ref>Lauschverhalten unter der Lupe, heise-online.</ref> Erneute Kritik über die Verhältnismäßigkeit<ref>[1]</ref> kam auf, als 2012 in einem Bericht<ref>Bundestagsdrucksache 1708639</ref> von 37,3 Millionen abgehörten E-Mails die Rede war.
Literatur
- Jürgen Kühling, Tobias Schall, Michael Biendl: Telekommunikationsrecht. 2. Auflage, C. F. Müller, Heidelberg 2014, ISBN 978-3-8114-9667-5.
- Andreas Neumann, Alexander Koch: Telekommunikationsrecht. 2. Auflage, Deutscher Fachverlag, Frankfurt am Main 2013, ISBN 978-3-8005-1492-2.
- Bernd Holznagel, Christoph Enaux, Christian Nienhaus: Telekommunikationsrecht. 2. Auflage, C.H. Beck, München 2006, ISBN 3-406-52357-9.
- Peter Dahlke: Rechtssystematische Besonderheiten im Telekommunikationsrecht. Eul 2004, ISBN 3-89936-212-8.
- Detlev Gabel, Sven Asmussen, Mirko Andreas Wieczorek: Das novellierte Telekommunikationsrecht – Überblick und Auswirkungen auf Verbraucher- und Datenschutz. JurPC Web-Dok. 58/2012 (online).
- Arndt / Fetzer / Scherer (2008): Telekommunikationsgesetz Kommentar (Berliner Kommentare), Berlin, Erich Schmidt Verlag.
- Heun (2007): Handbuch Telekommunikationsrecht, 2. Auflage, Köln, Dr. Otoo Schmidt Verlag.
- Koenig/ Loetz/ Neumann (2004): Telekommunikationsrecht, Heidelberg, Verl. Recht und Wirtschaft.
- Kühling/ Schall/ Biendl (2014): Telekommunikationsrecht, 2. Auflage, Heidelberg, C.F. Müller.
- Kühling / Elbracht (2008): Telekommunikationsrecht, Heidelberg, C. F. Müller Verlag.
- Neumann/ Koch (2013): Telekommunikationsrecht, 2. Auflage, Frankfurt am Main : Dt. Fachverlag Fachmedien Recht und Wirtschaft.
- Neumann / Koch (2013): Einführung Telekommunikationsrecht, 2. Auflage, Frankfurt am Main, Deutscher Fachverlag GmbH.
- Säcker (2013): Telekommunikationsgesetz Kommentar, 3. Auflage, Frankfurt am Main, Deutscher Fachverlag GmbH.
Weblinks
- Hubertus Gersdorf: Telekommunikationsrecht (PDF; 423 kB). Vorlesungsskript, Stand Mai 2008.
Einzelnachweise
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