Thermosphäre
Die Thermosphäre (von griechisch θερμός, thermós „warm, heiß“ und σφαίρα, sfära „Kugel“) ist die vierte und zweitäußerste der Schichten der Erdatmosphäre. Sie erstreckt sich oberhalb der in 80–85 km Höhe liegenden Mesopause (obere Grenze der Mesosphäre) bis unter die Exosphäre in etwa 500−600 Kilometern über der Erdoberfläche.
Trotz ihres Namens ist die Wärme der Thermosphäre nicht spürbar, weil die Luftdichte bereits millionenfach geringer als in Bodennähe ist. Die Temperatur (300−1500 °C) äußert sich nur in der raschen Bewegung der Gasteilchen. Ihre mittlere freie Weglänge beträgt hier mehrere Kilometer, sodass zwischen den Teilchen kaum mehr Zusammenstöße oder Energieaustausch stattfinden.
Wenn Meteore in die Erdatmosphäre einfallen, beginnt ihre Leuchtspur meist in der unteren Thermosphäre. Auch beim Wiedereintritt von Raumfahrzeugen treten hier erste thermische Belastungen auf, die höchsten Temperaturen werden aber in der Regel erst in der Mesosphäre erreicht.
Die international anerkannte Definition der Grenze zwischen Erdatmosphäre und Weltraum ist die Kármán-Linie und liegt in einer Höhe von 100 km, also auf Höhe der Homopause. Demnach läge der größte Teil der Thermosphäre bereits im Weltraum. Diese Definition ist mehr oder weniger willkürlich und kein physikalisch definiertes Kriterium.
In der Thermosphäre umkreisen unter anderem das Space Shuttle und die Internationale Raumstation (ISS) die Erde.
Inhaltsverzeichnis
Temperatur
Die Temperatur nimmt anfangs stark mit der Höhe zu und kann – auch abhängig von der Sonnenaktivität – bis 1700 °C ansteigen. Diese fühlt sich aber wegen der geringen Dichte und des Wärmeverlustes als Schwarzer Körper trotzdem kalt an.
Druck
Der Luftdruck nimmt wie im unteren Teil der Atmosphäre mit zunehmender Höhe ab. Durch den Einfluss der mit der Höhe zunehmenden Temperatur und die sich wandelnde Zusammensetzung erfolgt die Abnahme jedoch langsamer. Im oberen Teil der Thermosphäre folgt der Druck dabei grob einer Exponentialfunktion, die sich aus der barometrischen Höhenformel ergibt.
Obwohl die Atmosphäre hier außerordentlich dünn ist, macht sich der Luftwiderstand über längere Zeit doch bemerkbar. Die Internationale Raumstation (ISS), die in ca. 350 km Höhe die Erde umkreist, verlöre ohne regelmäßige Anhebung ihrer Umlaufbahn durch Raketentriebwerke innerhalb weniger Jahre so stark an Höhe, dass sie auf die Erde stürzte.
Chemische Zusammensetzung
Gasmoleküle werden von der solaren Röntgen- und Extrem-Ultraviolett-Strahlung in Ionen und Elektronen gespalten. Daher ist die Ionosphäre auch ein Teil der Thermosphäre. Aufgrund der geringen Dichte der Ionosphäre können diese Teilchen lange existieren, ehe sie wieder rekombinieren.
Die durchschnittliche Masse der einzelnen Gasteilchen nimmt mit der Höhe immer weiter ab. Das hat seinen Grund zum einen darin, dass die oberen Teile der Thermosphäre stärker dem Sonnenwind und kosmischer Strahlung ausgesetzt sind. Noch vorhandene Moleküle werden daher weiter oben mit größerer Wahrscheinlichkeit in ihre Bestandteile zerlegt. Wegen des geringeren Drucks haben diese Bestandteile außerdem eine geringere Wahrscheinlichkeit, sich wieder zu Molekülen zu vereinen. Ein dritter Grund liegt darin, dass leichte Teilchen bei gleicher Temperatur eine höhere Geschwindigkeit haben und damit weniger stark von der Gravitation beeinflusst werden. Auf diese Weise reichern sich im oberen Teil der Thermosphäre leichte Atome und Ionen an. Diese Anreicherung kann besonders deutlich an der molaren Masse des Gases abgelesen werden.
Geschichte
In der Zeit vor der Weltraumforschung kam die einzige indirekte Information über den Höhenbereich oberhalb 70 km von der Ionosphärenforschung und dem Erdmagnetfeld. Elektromagnetische Wellen unterhalb des VHF-Bereiches (VHF = very high frequencies; 30–300 MHz), die an den unterschiedlichen Ionosphärenschichten reflektiert und gedämpft werden, können an der Erdoberfläche beobachtet werden, abhängig von der Frequenz, der Tages- und Jahreszeit und der solaren Aktivität <ref>Rawer, K., "Wave Propagation in the Ionosphere", Kluwer, Dordrecht, 1993</ref>. Die an der Erdoberfläche gemessenen Schwankungen des Erdmagnetfeldes werden elektrischen Strömen in Ionosphäre und Magnetosphäre zugeordnet (ionosphärische Dynamoschicht) <ref>Chapman, S. and J. Bartels, "Geomagnetism", Clarendon Press, New York,1951</ref>.
Mit dem Start des russischen Satelliten Sputnik war es zum ersten Male möglich, aus den Dopplereffekt-Messungen des Satellitensignals die Abbremsung der Umlaufzeit systematisch zu bestimmen und daraus die Luftdichte im Bereich der Hochatmosphäre sowie ihre zeitlichen und örtlichen Variationen abzuleiten. Hauptsächlich beteiligt an diesen ersten Messungen waren L.G. Jacchia und J.W. Slowey (USA), Desmond King-Hele (England) und Wolfgang Priester und H.K. Pätzold (Deutschland). Heute misst eine ganze Armee von Satelliten direkt die unterschiedlichsten Komponenten des Atmosphärengases in diesem Höhenbereich <ref name="Prölss">Prölss, G.W., Density perturbations in the upper atmosphere caused by dissipation of solar wind energy, Surv. Geophys., 32, 101, 2011</ref>.
Konstituenten des Neutralgases
Es ist üblich, die Atmosphäre in die drei Regionen: untere Atmosphäre (Troposphäre), mittlere Atmosphäre (Stratosphäre und Mesosphäre) und Hochatmosphäre (Thermosphäre) zu unterteilen (Abb. 1). Die Grenzen dieser Regionen bestimmen die zwei Temperaturminima in etwa 12 km Höhe (Tropopause) und in etwa 85 km (Mesopause) (Abb. 2). Die Dichte des Atmosphärengases nimmt nahezu exponentiell mit der Höhe ab (Abb. 3). Die Gesamtmasse der Atmosphäre beträgt M = ρA H ≃ 104 kg/m2 innerhalb einer vertikalen Säule von einem Quadratmeter Querschnitt oberhalb der Erdoberfläche (mit ρA = 1,29 kg/m3 der Atmosphärendichte am Erdboden in z = 0 m Höhe und H ≃ 8 km der mittleren Skalenhöhe der unteren Atmosphäre). 80 % dieser Masse befindet sich bereits innerhalb der Troposphäre, während der Anteil der Thermosphäre nur etwa 0,002 % der Gesamtmasse ausmacht. Es wird deshalb kein messbarer Einfluss der Thermosphäre auf die unteren Atmosphärenschichten erwartet.
Turbulenz ist dafür verantwortlich, dass das Neutralgas im Gebiet unterhalb der Turbopause in etwa 110 km Höhe eine Gasmischung mit konstanter molarer Masse ist (Abb. 2). Oberhalb der Turbopause beginnt sich Gas zu entmischen. Infolge dynamischer Prozesse versuchen die unterschiedlichen Konstituenten dauernd, durch Diffusion in ihren Gleichgewichtszustand zu gelangen. Ihre barometrische Höhenformeln besitzen Skalenhöhen, die umgekehrt proportional zu ihren Molmassen sind. Die leichteren Konstituenten wie atomarer Sauerstoff (O), Helium (He) und Wasserstoff (H) dominieren daher sukzessive im Höhenbereich oberhalb etwa 200 km. Dort ist die mittlere Skalenhöhe fast um den Faktor 10 größer als in den unteren Atmosphärenschichten (Abb. 2). Die Luftzusammensetzung variiert hier mit der geographischen Lage, der Tages- und Jahreszeit, aber auch mit der Sonnenaktivität und den geomagnetischen Fluktuationen. Das Verhältnis N2/O ist ein Maß für die Elektronendichte der ionosphärischen F-Schicht. Dieses Verhältnis kann sich auf Grund dynamischer Prozesse sehr schnell ändern und kann ionosphärische Stürme verursachen <ref>Prölss, G.W., "Physik des erdnahen Weltraums", Springer Verlag, Heidelberg, 2001</ref>.
Energie-Budget
Die thermosphärische Temperatur kann aus Beobachtungen der Gasdichte, aber auch direkt mit Hilfe von Satellitenmessungen bestimmt werden. Das Temperaturprofil gehorcht ziemlich gut dem Gesetz (Bates Profil) <ref>Rawer, K., Modelling of neutral and ionized atmospheres, in Flügge, S. (ed): Encycl. Phys., 49/7, Springer Verlag, Heidelberg, 223</ref>:
- (1) T = T∞ − (T∞ − To) exp{−s (z − zo)}
mit T∞ der global gemittelten exosphärischen Temperatur oberhalb etwa 400 km Höhe, To = 355 K, und zo = 120 km Referenz-Temperatur und -Höhe und s einem empirischen Parameter, der mit T∞ abnimmt. Aus Gleichung 1 lässt sich die Wärmezufuhr oberhalb zo = 120 km zu qo≃ 0,8 bis 1,6 mW/m2 Höhe bestimmen. Diese Wärme wird an die unteren Atmosphärenschichten durch Wärmeleitung abgegeben.
Die mit der Höhe konstante Exosphärentemperatur T∞ dient als Maß für die solare Ultraviolet- und Röntgenstrahlung (XUV). Nun ist die solare Radiostrahlung F bei 10,7 cm ein guter Indikator der solaren Aktivität. Daher lässt sich eine empirische Formel ableiten, die F mit T∞ verknüpft <ref name="Hedin">Hedin,A.E., A revised thermospheric model based on mass spectrometer and incoherent scatter data: MSIS-83 J. Geophys. Res., 88, 10170, 1983</ref> und für geomagnetisch ruhige Bedingungen gilt:
- (2) T∞ ≃ 500 + 3,4 Fo
mit T∞ in K, Fo in 10−2 W m−2 Hz−1 (dem Covington Index) ein Wert für F, über einen Monat gemittelt. Typischerweise variiert der Covington-Index zwischen etwa 70 and 250 im Verlaufe des solaren 11-Jahre-Zyklus und wird niemals kleiner als 50. Das bedeutet, dass T∞ zwischen etwa 740 and 1350 K selbst bei geomagnetisch ruhigen Bedingungen schwankt. Die residuale Temperatur von 500 K in Gleichung 2 stammt etwa zur Hälfte von Energiezufuhr aus der Magnetosphäre. Atmosphärischen Wellen aus der Troposphäre, die in der unteren Thermosphäre dissipiert werden, tragen zur anderen Hälfte von etwa 250 K bei.
Energiequellen
Solare XUV-Strahlung
Die solare Röntgen- und extreme ultraviolette Strahlung (XUV) mit Wellenlängen kleiner als 170 nm wird in der Thermosphäre nahezu vollständig absorbiert und verursacht die hohen Temperaturen. Ein Teil des neutralen Gases wird ionisiert und ist für die Entstehung der unterschiedlichen Ionosphärenschichten verantwortlich. Die sichtbare Sonnenstrahlung im Bereich von 380 bis 780 nm bleibt nahezu konstant mit einer Variationsbreite von weniger als 0,1 % (Solarkonstante) <ref>Willson, R.C., Measurements of the solar total irradiance and its variability, Space Sci. Rev., 38, 203, 1984</ref>. Die solare XUV-Strahlung ist dagegen zeitlich extrem variabel. So können z. B. solaren Röntgenstrahlen, die mit Sonneneruptionen verbunden sind, innerhalb eines Zeitraums von wenigen Minuten drastisch ansteigen. Fluktuationen mit Perioden von 27 Tagen bzw. 11 Jahren gehören zu den prominenten Variationen der solaren XUV-Strahlung. Irreguläre Fluktuationen über alle Zeitspannen sind jedoch die Regel <ref>Schmidtke, G., Modelling of the solar radiation for aeronomical applications, in Flügge, S. (ed), Encycl. Phys. 49/7, Springer Verlag, Heidelberg, 1</ref>. Bei magnetosphärisch ruhigen Bedingungen liefert die XUV-Strahlung etwa die Hälfte der Energiezufuhr in die Thermosphäre. Diese Wärmezufuhr geschieht während des Tages und besitzt ein Maximum in Äquatornähe.
Solarer Wind
Eine zweite Energiequelle ist die Energiezufuhr aus der Magnetosphäre, die ihrerseits ihre Energie der Wechselwirkung mit dem solaren Wind verdankt. Der Mechanismus dieses Energietransports ist noch nicht in allen Einzelheiten bekannt. Eine Möglichkeit wäre ein hydromagnetischer Prozess. Solare Windpartikel dringen in die polaren Gebiete der Magnetosphäre ein, dort wo die geomagnetischen Kraftlinien im Wesentlichen vertikal gerichtet sind. Dabei wird ein elektrisches Feld erzeugt, das vom Morgen zum Abend gerichtet ist. Entlang der letzten geschlossenen Feldlinien des Erdmagnetfeldes mit ihren Fußpunkten in den Polarlichtzonen können elektrische Entladungsströme in die ionosphärische Dynamoschicht fließen, dort als elektrische Pedersen- and Hall-Ströme in zwei engen Strombändern (DP1) zur Abendseite und von dort wieder zurück zur Magnetosphäre gelangen (magnetosphärisches elektrisches Konvektionsfeld). Durch ohmsche Verluste der Pedersenströme wird die Thermosphäre vor allen Dingen in den Polarlichtzonen aufgeheizt. Zusätzlich dringen bei gestörten magnetosphärischen Bedingungen hochenergetische elektrisch geladene Partikel aus der Magnetosphäre in die Polarlichtzonen ein, die die elektrische Leitfähigkeit drastisch ansteigen lassen und damit die elektrischen Ströme verstärken. Am Erdboden beobachtet man dieses Phänomen als Polarlichter.
Bei geringer magnetosphärischer Aktivität beträgt diese Energiezufuhr etwa ein Viertel des Gesamtenergiebudgets in Gleichung 2, also etwa 250 K <ref>Knipp, D.J., W.K. Tobiska, and B.A. Emery, Direct and indirect thermospheric heating source for solar cycles, Solar Phys., 224, 2506, 2004</ref>. Während starker magnetosphärischen Aktivität wächst dieser Anteil beträchtlich und kann bei extremen Verhältnissen den Einfluss der XUV-Strahlung weit überschreiten
Atmosphärische Wellen
Es existieren zwei Arten von großskaligen atmosphärischen Wellen in der unteren Atmosphäre: interne Wellen mit endlich großen vertikalen Wellenlängen, die Wellenenergie nach oben transportieren können und deren Amplituden exponentiell mit der Höhe wachsen, und externe Wellen mit unendlich großen vertikalen Wellenlängen, deren Wellenenergie außerhalb ihres Quellengebietes exponentiell abnimmt und die keine Wellenenergie transportieren können. <ref name=VollandTP>Volland, H., "Atmospheric Tidal and Planetary Waves", Kluwer, Dordrecht, 1988</ref>. Viele atmosphärische Gezeiten-Wellen sowie die atmosphärischen Schwerewellen, die in der unteren Atmosphäre angeregt werden, gehören zu den internen Wellen. Da ihre Amplituden exponentiell wachsen, werden diese Wellen spätestens im Höhenbereich um 100 km durch Turbulenz zerstört. Ihre Wellenenergie wird in Wärme umgewandelt. Es ist dies der Anteil von etwa 250 K in Gleichung 2. Die von ihrer Meridionalstruktur her am besten an die Wärmequelle in der Troposphäre angepasste ganztägige Gezeitenwelle (1,−2) ist eine externe Welle und spielt in der unteren Atmosphäre nur eine marginale Rolle. In der Thermosphäre entwickelt sich diese Welle jedoch zur dominanten Gezeitenwelle. Sie treibt den elektrischen Sq-Strom im Höhenbereich zwischen etwa 100 und 200 km (ionosphärische Dynamoschicht).
Thermosphärische Erwärmung, im Wesentlichen durch Gezeitenwellen, erfolgt vorzugsweise auf der Tageshemisphäre in niedrigen und mittleren Breiten. Ihre Variabilität hängt von den meteorologischen Bedingungen ab und überschreitet selten 50 %.
Dynamik
Oberhalb etwa 150 km Höhe degenerieren alle atmosphärischen Wellen zu externen Wellen, und es ist kaum mehr eine vertikale Wellenstruktur sichtbar. Ihre Meridionalstruktur ist die der Kugelfunktionen Pnm mit m einer meridionalen Wellenzahl und n der zonalen Wellenzahl (m = 0: zonal gemittelte Wellen; m = 1: ganztägige Wellen; m = 2: halbtägige Wellen etc.). Die Thermosphäre verhält sich in erster Näherung wie ein gedämpftes Oszillatorsystem mit Tiefpassfilterwirkung. Das heißt, dass kleinskalige Wellen (mit großen Wellenzahlen n und m) gegenüber den großskaligen Wellen unterdrückt werden. Im Falle geringer magnetosphärischer Aktivität kann man die beobachtete zeitlich und örtlich variierende Exosphärentemperatur durch eine Summe von Kugelfunktionen beschreiben: <ref>Köhnlein, W., A model of thermospheric temperature and composition, Planet. Space Sci. 28, 225, 1980</ref>
- (3) T(φ,λ,t) = T∞{1 + ΔT20 P20(φ) + ΔT10 P10(φ) cos[ωa(t − ta)] + ΔT11 P11(φ) cos(τ − τd) + …}
Es ist φ die geographische Breite, λ die geographische Länge, t die Zeit, ωa die Kreisfrequenz der Jahrsperiode, τ = ωdt + λ die Lokalzeit und ωd die Kreisfrequenz eines solaren Tages. ta = 21. Juni ist die Zeit des Sommeranfangs auf der Nordhemisphäre und τd = 15:00 die Lokalzeit des maximalen Windes.
Der erste Term rechts in Gleichung 3 ist die global gemittelte Temperatur der Exosphäre (von der Größenordnung von 1000 K). Der zweite Term [(mit P20 = 0,5(3 sin2φ − 1)] wird durch die unterschiedliche solare Erwärmung in niedrigen und hohen Breiten erzeugt. Ein thermisches Windsystem entsteht mit Winden hin zu den Polen im oberen Zirkulationsast und entgegengesetzten Winden im unteren Ast (Abb. 4a). Es sorgt für einen Wärmeausgleich zwischen niedrigen und hohen Breiten. Der Koeffizient ΔT20 ≈ 0,004 ist klein, da die Joulesche Erwärmung in den Polarlichtzonen den solaren XUV-bedingten Wärmeüberschuss in niedrigen Breiten teilweise kompensiert. Der dritte Term (mit P10 = sin φ) ist für den Transport des Wärmeüberschusses auf der Sommerhemisphäre in die Winterhemisphäre verantwortlich (Abb. 4b). Seine relative Amplitude ist etwa ΔT10 ≃ 0,13. Der vierte Term schließlich (mit P11 = cos φ der dominierenden Gezeitenwelle (1, −2)) beschreibt den Transport des Wärmeüberschusses von der Tagseite auf die Nachtseite (Abb. 4d). Seine relative Amplitude ist etwa ΔT11≃ 0,15. Weitere Terme (z. B. halbjährige, halbtägige Wellen etc.) müssen zur Gleichung 3 hinzuaddiert werden. Sie sind jedoch von geringerer Bedeutung. Entsprechende Summen lassen sich für Luftdruck, Luftdichte, Gaskonstituenten, etc. herleiten <ref name="Hedin"/> <ref>von Zahn, U., et al., ESRO-4 model of global thermospheric composition and temperatures during low solar activity, Geophy. Res. Lett., 4, 33, 1977</ref>.
Thermosphärenstürme
Weit stärker als die solare XUV-Strahlung variieren die magnetosphärischen Störungen, die am Erdboden als geomagnetische Störungen beobachtet werden können. Sie sind schwer vorhersagbar und besitzen Fluktuationen mit Dauern von Minuten bis zu mehreren Tagen. Die Reaktion der Thermosphäre auf einen starken Magnetosphärensturm nennt man einen Thermosphärensturm. Da die Energiezufuhr in höheren Breiten erfolgt (im Wesentlichen in die Polarlichtzonen), ändert der zweite Term P20 in Gleichung 3 sein Vorzeichen. Wärme wird jetzt von den Polargebieten in die niedrigen Breiten transportiert. Zusätzlich zu diesem Term sind weitere Terme höherer Ordnung beteiligt, die jedoch schnell abklingen. Die Summe dieser Terme bestimmt die "Laufzeit" der Störungen von hohen zu niedrigen Breiten, also die Reaktionszeit der Thermosphäre. Gleichzeitig kann sich ein Ionosphärensturm entwickeln. Wichtig für die Entstehung einer ionosphärischen Störung ist die Änderung des Dichteverhältnisses von Stickstoffmolekülen (N2) zu Sauerstoffatomen (O). Eine Vergrößerung der N2-Dichte erhöht die Verlustprozesse des ionosphärischen Plasmas und ist daher für eine Abnahme der Elektronendichte in der F-Schicht verantwortlich (negativer Ionosphärensturm)<ref name="Prölss"/>.
Literatur
<references/>
Weblinks
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