Vorbehaltsfilm
Als Vorbehaltsfilme bezeichnet die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung Propagandafilme aus der Zeit des Nationalsozialismus aus ihrem Filmbestand, deren Inhalt kriegsverherrlichend, rassistisch oder volksverhetzend ist und die deshalb auf Beschluss des Stiftungs-Kuratoriums nicht für den Vertrieb freigegeben werden. Vorbehaltsfilme können nur mit Zustimmung und unter den Bedingungen der Stiftung gezeigt werden. Diese verlangt in jedem Fall eine historische Einführung und eine Diskussion mit fachkundigem Leiter. Für wissenschaftliche Zwecke ist eine Sichtung der Filme in den Räumen der Stiftung möglich.<ref>Murnau Stiftung: Geschichte 1933–1945: Drittes Reich.</ref>
Bei Propagandafilmen wie Heimkehr, Der ewige Jude, Hans Westmar, die nicht zum Rechtebestand der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung gehören, bleibt es innerhalb des gesetzlichen Rahmens den Rechte- bzw. Materialinhabern vorbehalten, für einen verantwortungsvollen Umgang mit den Filmen zu sorgen.
Inhaltsverzeichnis
Historischer Hintergrund
Nach dem Untergang des Dritten Reichs wurden etwa zwei Drittel der deutschen Filmproduktion zwischen 1933 und 1945 durch die Alliierten gesichtet und in drei Kategorien eingeteilt: ohne Auflagen freizugeben, mit Schnitten freizugeben oder gar nicht freizugeben. Von den rund 1150 produzierten abendfüllenden Spielfilmen (die genaue Zahl hängt davon ab, wie man die Grenzen anhand von Faktoren wie Produktionsdaten oder Koproduktionen mit anderen Ländern zieht) wurden über 300 komplett verboten. Allerdings konnten potentielle Verleiher bei der FSK bereits seit ihrer Gründung 1949 Anträge stellen, um die Filme von der Verbotsliste streichen zu lassen, und so schmolz diese bereits in den ersten Jahren beträchtlich ab. Dabei mussten bis zum Inkrafttreten der Pariser Verträge am 5. Mai 1955 auch die Alliierten einer Streichung von der Liste zustimmen, die erst durch die deutsche Souveränität ihre juristische Verbindlichkeit verlor.
Eine leicht zugängliche Bilanz der Alliierten stellt der Catalogue of Forbidden German Feature and Short Film Productions dar, der 1951 von John F. Kelson erstellt und 1996 vom Imperial War Museum nachgedruckt wurde. Darin findet sich sowohl eine (unvollständige) Gruppierung der Filme nach verschiedenen Propagandathemen mit kurzen Einschätzungen als auch im Anhang eine Fassung der Verbotsliste von 1952.
Bei ihrer Gründung 1966 erhielt die Murnau-Stiftung die Rechte an insgesamt rund 6000 Filmen, die zwischen 1920 und 1960 produziert wurden, darunter etwa 60 % der abendfüllenden Spielfilme zwischen 1933 und 1945. Da der Rechtebestand vornehmlich die Filme der 1937/38 verstaatlichten großen Firmen Ufa, Terra, Tobis und Bavaria umfasst und die größte Zahl an Propagandafilmen zwischen 1940 und 1942 entstand, befindet sich ein sehr großer Teil der NS-Propagandafilme im Rechtebestand der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung. Zwischen 1979 und 1985 wurden dann zahlreiche Propagandafilme von der ehemaligen Liste bei der FSK eingereicht, die meisten wurden (eventuell mit Schnittauflagen) freigegeben und einige kommerziell als VHS vertrieben, nur etwas mehr als ein Dutzend erhielt wie z. B. Stukas keine Zulassung.
Die gegenwärtige Fassung der Liste
Die heutige Vorbehaltsfilmliste setzt sich wie folgt zusammen: erstens aus den 12-15 Filmen, die von der FSK abgelehnt wurden, dazu kommen zweitens ca. 20-25 Filme, die wie z. B. Jud Süß der FSK nie vorgelegt wurden, zuletzt gibt es einige Filme, die trotz Zulassung der FSK wieder aus dem Vertrieb zurückgezogen wurden, dazu gehören der antisemitische Robert und Bertram mit einer FSK 6 oder auch Der Herrscher mit einer FSK 12. Seit die Murnau-Stiftung die Rechte hält, wurden die Filme angeblich gelegentlich überprüft und es wird entschieden, ob sie weiterhin gesperrt werden sollen. Die letzte Überprüfung soll 1995/96 stattgefunden haben (Stand 2012).
Kritik
Die Behandlung der Vorbehaltsfilme durch die Murnau-Stiftung wird oft kritisch betrachtet. Kritiker werfen der Stiftung vor, die Urheberrechte im Sinne einer Filmzensur zu nutzen, ohne hierfür einen gesetzlichen Auftrag zu haben. Anders als bei der FSK bestehen für ihre Entscheidungen keine gesetzlichen Wertungen, die den Stiftungsrat binden. Auch sind ihre Entscheidungen dem Rechtsweg entzogen.<ref>NS-Propaganda – Wie viel Gift steckt noch in den "Vorbehaltsfilmen"? In: Die Welt. 31. Januar 2012.</ref>
Zudem ist die genaue Zusammenstellung der Liste für die Öffentlichkeit nirgendwo ausgewiesen und es gibt keinerlei Informationen über die Gründe, warum einzelne Filme als Vorbehaltsfilme gewertet werden (und warum andere nicht). Auch sind die ausgewählten Filme besonders augenfällige Beispiele für NS-Propaganda, während zahlreiche subtiler agitierende Filme freigegeben sind, wie z. B. Der große König oder Bismarck.
Betroffene Filme
Betroffen sind etwa 40 Filmtitel:
Dokumentation
Am 6. März 2014 erschien der Dokumentarfilm Verbotene Filme von Regisseur Felix Moeller im Kino über aktuelle Rezeption und digitale Archivierung von Vorbehaltsfilmen.<ref>Dokumentation Verbotene Filme – Ein Film von Felix Moeller auf www.blueprintfilm.de / Eine Blueprint Film Produktion (München) in Koproduktion mit Rundfunk Berlin-Brandenburg und Hessischer Rundfunk in Zusammenarbeit mit Arte.</ref>
Siehe auch
- Filmzensur
- Liste der unter alliierter Militärzensur verbotenen deutschen Filme
- Liste der am höchsten prädikatisierten NS-Spielfilme
- Nationalsozialistische Filmpolitik
Weblinks
- Herbert Heinzelmann: Ein Sonderfall deutscher Kulturgeschichte: Vom Umgang mit NS-Propagandafilmen, 21. September 2006
- Hans Schmid: Artikelreihe über Vorbehaltsfilme und die Arbeit der Stiftung in Telepolis. Teil 1: Ich klage an!, 27. März 2010. Teil 2: Meister der Elastizität, 28. März 2010.
- Hanns-Georg Rodek: NS-Propaganda – Wie viel Gift steckt noch in den "Vorbehaltsfilmen"? In: Die Welt. 31. Januar 2012
Einzelnachweise
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