Wallonisch-Niederländische Kirche
Die Wallonisch-Niederländische Kirche in Hanau war die Doppelkirche reformierter Konfession der 1597 durch Graf Philipp Ludwig II. von Hanau-Münzenberg für Religionsflüchtlinge aus Frankreich und den spanischen Niederlanden gegründeten Neustadt Hanau.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Ursprünglich war von Nicolas Gillet geplant, die Kirchen innerhalb der Zeilen der Blockrandbebauung zu platzieren. Der Rundbau zwischen vier Häuserblöcken sollte von zwölf Säulen getragen und mit vier Eingängen versehen werden.<ref name="bott76">Bott , S. 229</ref> Die Kirche wurde letzten Endes als Solitär auf einem Platz von der Größe eines Häusergevierts errichtet (heute: Französische Allee), das die gleiche Fläche einnahm wie der Marktplatz. Am 9. April 1600 fand die Grundsteinlegung statt, zu der berühmte Persönlichkeiten wie Friedrich IV. und Luise Juliana von Oranien geladen wurden. Die Bauarbeiten waren von ständigem Geldmangel und technischen Schwierigkeiten gezeichnet. Da ein Großteil der Bauzeit für den größeren wallonischen Teil der Kirche verwandt werden würde, wollten die Flamen ihren Teil aus eigenen Mitteln ohne Hilfe der Wallonen bauen. Diese wiederum wollten einen hölzernen Behelfstempel am ehemals geplanten Marktplatz (de Borse) errichten, wo Philipp Ludwig nun das Rathaus errichten wollte. Wegen Differenzen zwischen Stadtschultheiß Dr. Wilhelm Sturio und Kämmerer Wilhelm Post wurde der Bau jedoch nicht genehmigt. Es sollte jedoch noch 120 Jahre dauern, bis auf diesem Platz das Rathaus stehen würde. Die Außenarbeiten wurden schließlich mit dem ersten Gottesdienst vom 29. Oktober 1608 abgeschlossen, der Innenausbau dauerte noch mehrere Jahre.
Die Wallonisch-Niederländische Kirche in Hanau wurde von den gewaltigen Steildächern der beiden Kirchenhälften dominiert. Die größere wallonische Kirche wurde aus einem Zwölfeck gebildet, die kleinere niederländische aus einem Achteck. Beide waren ineinander verschränkt. Zwischen den beiden Kirchen, in der Mitte der Trennwand, stand der achteckige, aber den gewaltigen Walmdächern verhältnismäßig untergeordnete, Turm. Im Innern waren beide Kirchen als reformierte Gotteshäuser nur schlicht eingerichtet.
Gemeinde
Die Gemeinde gehörte von 1996 bis 2008 zur Evangelisch-reformierten Kirche (Landeskirche), ist seitdem aber wieder selbständig. Ursprünglich war die Trennung von der ebenfalls reformierten Landeskirche der Grafschaft Hanau-Münzenberg wohl durch den sprachlichen Unterschied bedingt. Die Wallonisch-Niederländische Gemeinde beteiligte sich dann aber auch nicht an der Hanauer Union, wodurch sich ein konfessioneller Unterschied ergab: Sie blieb reformiert, die Landeskirche wurde uniert. Im Laufe des 19. Jahrhunderts und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts setzte sich Deutsch vermehrt als Gottesdienstsprache durch. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Gottesdienste nur noch in Deutsch abgehalten.
Zerstörung und Wiederaufbau
Im Zweiten Weltkrieg wurde die Doppelkirche durch Luftangriffe – wie die gesamte Hanauer Innenstadt – bis auf die Außenmauern zerstört. Wieder aufgebaut wurde nach dem Krieg lediglich die kleinere, ehemals niederländische Kirchenhälfte. Die größere, wallonische blieb als Ruine und Mahnmal erhalten. In den 1980er Jahren wurde dort auf Erdgeschosshöhe – von außen kaum wahrnehmbar – ein Gemeinde- und Diakoniezentrum eingebaut, sowie eine Gedenkstätte errichtet. Für die Gestaltung erhielt Walter Kromp 1988 den Kunstpreis des Main-Kinzig-Kreises.<ref>Gemeindeblatt März/April/Mai 2008 Mahnmal als Erinnerung der Zerstörung der Hanauer Neustadt</ref> Die Verbindung von Baudenkmal und denkmalgerechter Nutzung des Ruinenteils erhielt 1988 den Hessischen Denkmalschutzpreis.<ref>Hanauer Anzeiger 1.Juli 2006 32. Tag der Hessischen Denkmalpflege in Hanau</ref>
Kombinations-Orgel
Die Orgel ist eine sog. Hybrid- bzw. Kombinationsorgel. Sie umfasst eine herkömmliche Pfeifenorgel mit 25 Registern auf zwei Manualen und Pedal, die in der Kirche vorhanden war, und seit 2010 zusätzlich ein digitales Instrument.
Die Pfeifenorgel ist als selbständiges Instrument mit eigenem Spieltisch auf der Westempore aufgestellt. Die Digital-Orgel hat 48 Register und 11 Effektregister, die von einem eigenen, viermanualigen Spieltisch auf der Seitenempore zusammen mit den Registern der Pfeifenorgel angespielt werden können. Zusätzlich sind in dem ditigalen Instrument 110 Register als Dateien hinterlegt. Der Klang der elektronischen Orgeln wird durch 45 Lautsprecher, darunter 3 Subbass-Woofer, die einen Orgelklang in 3D-Surround ermöglichen, in den Kirchenraum übertragen. Die Lautsprecheranlage ist flankierend zur Pfeifenorgel aufgebaut.<ref>Nähere Informationen zur Kombinations-Orgel</ref>
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- Koppeln: I/II, III/II, IV/II, III/I, IV/I, I/P, II/P, III/P, IV/P und vier Unison off-Koppeln
- Effekt- und Soloregister: Chimes, Glockenspiel, Harfe, Celesta, Cymbelstern, Trompete, Panflöte, Oboe, Klarinette, Tuba, Strings
Literatur
- Heinrich Bott: Gründung und Anfänge der Neustadt Hanau 1596–1620. Marburg 1970, ISBN 3-7708-0409-0, S. 225ff.
- Heinrich Bott: Stadt und Festung Hanau. In: Hanauer Geschichtsblätter 20, 1965, S. 61–125.
- Georg Dehio: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler – Hessen. Bearb.: Magnus Backes. 2. Aufl., München 1982.
- Eckhart Fischer-Defoy: Zuflucht – Hanau (= Tagungsschrift zum 32. Deutschen Hugenottentag). Hanau 1981.
- Eröffnung des Diakoniezentrums der Kathinka-Platzhoff-Stiftung und der Übergabe der neuen Gedenkstätte der Wallonisch-Niederländischen Gemeinde. Hanau 1987.
- Konsistorium der Wallonisch-Niederländischen Gemeinde: Unsere Kirche – Dedenkschrift zur Jubiläumsfeier der Wallonisch-Niederländischen Gemeinde in Hanau am 3., 4. und 5. Juni 1972. Rückblick auf 375 Jahre. Hanau 1972.
- Werner Kurz: „Mutter“ der Wallonisch-Niederländischen Kirche. In: Hanauer Anzeiger, 8. September 2007, S. 33.
- Friedrich Otto: Die Wallonische und Niederländische Gemeinde in Hanau. In: Hanau Stadt und Land. Ein Heimatbuch für Schule und Haus. Hanau 1954, S. 460–464.
- J. P. Thyriot: Festschrift zur Erinnerung an die 300jährige Wiederkehr des 29. Oktober 1608, an welchem der erste Gottesdienst in der Wallonischen u. Niederländischen Doppelkirche in der Neustadt Hanau stattgefunden hat. Hanau 1908.
Weblinks
Internetseite der Wallonisch-Niederländischen Gemeinde Hanau
Einzelnachweise
<references />
Koordinaten: 50° 7′ 53″ N, 8° 55′ 1″ O{{#coordinates:50,1314|8,917|primary
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