Agglutinierender Sprachbau
In agglutinierenden Sprachen (lat. agglutinare „ankleben“) wird die grammatische Funktion, beispielsweise Person, Zeit, Kasus, durch das Anfügen von Affixen kenntlich gemacht (Agglutination). Der agglutinierende Sprachbau ist in der Sprachtypologie Wilhelm von Humboldts und August Wilhelm Schlegels eine Unterart des synthetischen Sprachbaus.
Den agglutinierenden Sprachen stehen die fusionalen Sprachen gegenüber, die verschiedene grammatische Kategorien durch Affixe fusionieren. Der Unterschied zwischen agglutinierenden und fusionalen Sprachen ist nicht scharf. Rein agglutinierende oder rein fusionale Sprachen sind selten.
Inhaltsverzeichnis
Beispiele für Agglutination
Die finnische Wortform taloissani „in meinen Häusern“ kann folgendermaßen zerlegt werden:
- talo („Haus“) + i (Plural) + ssa (Inessiv, „in“) + ni (zeigt Besitz durch eine 1. Person Singular an: „mein“).
Der Plural wird aber nicht immer mit dem Infix -i- gebildet: talo → talot („die Häuser“).
Die ungarische Grammatik folgt dem gleichen Prinzip<ref name="H-Bausteine">Agglutinierende Bausteine der ungarischen Sprache</ref>:
- ház („Haus“) → házam („mein Haus“) → házaim („meine Häuser“) → házaimban („in meinen Häusern“).
Auch hier wird der Plural nicht immer mit dem Infix -i- gebildet: ház → házak („Häuser“) → házakban („in Häusern“).
Ebenso im Türkischen:
- göz („Auge“) → gözler („Augen“) → gözlerim („meine Augen“) → gözlerimin („meiner Augen“, Genitiv) → gözleriminse („falls es meinen Augen gehört“)
- Weitere Formen: gözleri (je nach Kontext „Augen“, Akkusativ aber auch „seine/ihre Augen“, Nominativ), gözlerimi („meine Augen“, Akkusativ)
Arten von Affixen
Die meisten agglutinierenden Sprachen setzen Suffixe ein.
Khasi (eine Mon-Khmer-Sprache) verwendet ausschließlich Präfixe und Präpositionen. Vergleiche: nga leit („ich gehe“) – nga la leit („ich ging“) – nga la lah leit („ich war gegangen“).
Die Hattische Sprache, die Sumerische Sprache, das Burushaski und die Maya-Sprachen setzen Präfixe, Suffixe und sogar Infixe ein.
Agglutinierende Sprachen
Gute Beispiele für agglutinierende Sprachen sind Baskisch, Georgisch, Japanisch, Tatarisch, Türkisch, Tschetschenisch, die dravidischen Sprachen, die uralischen Sprachen (z. B. Finnisch, Estnisch, Ungarisch), Guaraní, Quechua, Aymara, Inuktitut, Swahili, Malaiisch. Auch Esperanto und eine Reihe anderer Plansprachen gehören in diese Kategorie.
Beispiele aus der früheren Geschichte sind die meisten Sprachen des Nahen Ostens, wie Elamitisch, Hurritisch, Urartäisch, Guti, Lullubi, Kassitisch sowie Sumerisch.
Die agglutinierenden Sprachen können nur teilweise nach Sprachfamilien gruppiert werden, zum Beispiel sind Finnisch und Ungarisch miteinander verwandt (finno-ugrische Sprachen). Manchmal beruhen Elemente der Agglutination auf dem Kontakt mit benachbarten Sprachen. So wird die neupersische Sprache oft zu den agglutinierenden Sprachen gezählt<ref>Language Profile: Farsi (siehe IV. Morphology). Associates in Cultural Exchange</ref> und stellt damit eine Ausnahme innerhalb der iranischen Sprachen dar. Die Agglutination im Neupersischen geht wahrscheinlich auf die Beeinflussung durch andere Sprachen zurück.
Agglutinative Sprachen neigen zu einer hohen Zahl an Affixen/Morphemen pro Wort und zu großer Regularität. Beispielsweise kennt das Japanische nur drei irreguläre Verben (siehe unregelmäßige japanische Verben).
Literatur
- Harald Haarmann: Grundzüge der Sprachtypologie. Kohlhammer, Stuttgart u. a. 1976, bes. S. 54–59, ISBN 3-17-002486-8
- Alfréd Tóth: Are all agglutinative languages related to one another? Mikes International, Den Haag 2007, ISBN 978-90-8501-120-0 (Digitalisat)
Einzelnachweise
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