Apologetik
Apologetik (aus dem griechischen ἀπολογία apología, „Verteidigung“, „Rechtfertigung“) bezeichnet die Verteidigung einer (Welt-)Anschauung, insbesondere die wissenschaftliche Rechtfertigung von Glaubenslehrsätzen, und jenen Teilbereich der Theologie, in dem man sich mit der wissenschaftlich-rationalen Absicherung des Glaubens befasst. In der katholischen Theologie wird dieser Bereich heute meistens Fundamentaltheologie genannt.
Apologetik hat drei wesentliche Funktionen. Sie will
- durch logische Argumente sowie wissenschaftliche und historische Beweise für die Wahrheit des Glaubens eintreten
- den Glauben gegen Angriffe von Kritikern verschiedener anderer Weltanschauungen und Glaubensrichtungen verteidigen
- entgegengesetzte Glaubensrichtungen oder Weltanschauungen zurückweisen
Die Funktionen der Apologetik, nämlich die vernunftgemäße Verteidigung des eigenen Glaubens und der eigenen Weltanschauung, gibt es auch in vielen anderen Religionen und Weltanschauungen, z. B. im Islam. Sowohl die eigenen wissenschaftlichen Grundlagen diskutierende (‚fundierende‘) wie gegenüber tatsächlichen oder fiktiven Anfragen verteidigende (‚apologetische‘) Anliegen werden in der mittelalterlichen islamischen Theologie in einer als Kalām bezeichneten Disziplin verfolgt. Das Inventar der dabei verwendeten Begriffe und Argumente hat zahlreiche Parallelen mit vorausliegender jüdischer und christlicher Theologie, wird hier weiter ausgearbeitet und dann wiederum von jüdischen und christlichen Theologen des Mittelalters (Scholastik) rezipiert.<ref>Zahlreiche dieser Parallelen versuchte beispielsweise Harry Austryn Wolfson in unterschiedlichen Studien seines Gesamtprojektes einer Geschichte der Religionsphilosophie aufzuzeigen.</ref>
Gegenwärtig wird die Bezeichnung Apologetik im Allgemeinen nur für die Verteidigung des christlichen Glaubens verwendet. Als selbständige Disziplin unter dem Namen der Apologetik entsteht die christliche Apologie erst im Zuge innerchristlicher Auseinandersetzungen und, ihrer klassischen Methodik folgend, nach wissenschaftstheoretischen Weichenstellungen des 14. Jahrhunderts.<ref>Vgl. Albert Lang: Die Entfaltung des apologetischen Problems in der Scholastik des Mittelalters. Herder, Freiburg 1962.</ref>
Inhaltsverzeichnis
Geschichtliche Entwicklung
Bereits im Neuen Testament wird von Apologetik gesprochen. In 1 Petr 3,15 EU heißt es:
„Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort (ἀπολογίαν) zu stehen, der nach der Vernünftigkeit ("λόγος") der Hoffnung fragt, die euch erfüllt.“
Im zweiten und dritten Jahrhundert sahen christliche Apologeten wie Justin der Märtyrer, Clemens von Alexandria und Tertullian ihre Hauptaufgabe darin, den christlichen Glauben gegen Anklagen wegen illegaler Aktivitäten zu verteidigen.
Augustinus von Hippo argumentiert schon in seinen frühesten Schriften gegen den Manichäismus. Vernunftmäßige Argumente für den christlichen Glauben ziehen sich wie ein roter Faden durch seine Schriften:
„Sie irren sich sehr, die denken, dass wir an Christus glauben ohne irgendwelche Beweise betreffend Christus.“
Anselm von Canterbury (1033–1109) war der Erste, der den seither viel diskutierten ontologischen Gottesbeweis aufführte (hier verkürzt dargestellt). Insbesondere sein Buch Cur deus homo (Warum Gott Mensch wurde) hat eine deutlich apologetische Ausrichtung:
„Gott muss als das schlechthin vollkommene Wesen gedacht werden. ), S. 17.</ref>
Literatur
Handbücher und Nachschlagewerke
- Norman Geisler: Baker Encyclopedia of Christian Apologetics, 2000, ISBN 0-8010-2151-0
- Campbell Campbell-Jack (Hg.): New dictionary of Christian apologetics Leicester: Inter-Varsity Press 2006. ISBN 978-0-8308-2451-9
- Peter Kreeft, Ronald K. Tacelli: Handbook of Christian Apologetics. Hundreds of Answers to Crucial Questions. InterVaristy Press, Downers Grove (Illinois) 1994 (406 S.)
Frühchristliche Apologetik
- Sonja Ackermann: Christliche Apologetik und heidnische Philosophie im Streit um das Alte Testament; SBB 36; Stuttgart: Kath. Bibelwerk, 1997; ISBN 3-460-00361-8
- Norbert Brox u.a. (Hrsg.:) Kommentar zu frühchristlichen Apologeten (KfA), 12 Bde.; Freiburg u.a.: Herder, 2001ff.
- Michael Fiedrowicz: Apologie im frühen Christentum: die Kontroverse um den christlichen Wahrheitsanspruch in den ersten Jahrhunderten; Paderborn u.a.: Schöningh, 20012; ISBN 3-506-72733-8
- Robert M. Grant: Greek apologists of the second century, Philadelphia, Pa. : Westminster Pr. 1988, ISBN 0-664-21915-2
- Johann Ev. Hafner: Selbstdefinition des Christentums: ein systemtheoretischer Zugang zur frühchristlichen Ausgrenzung der Gnosis; Freiburg im Breisgau-Basel-Wien: Herder, 2003; ISBN 3-451-28073-6
- Ferdinand R. Prostmeier (Hg.): Frühchristentum und Kultur; Kommentar zu frühchristlichen Apologeten. Ergänzungsband 2 [KfA.E 2]; Freiburg u.a.: Herder, 2007
- Christoph Schubert (Hg.): Ad veram religionem reformare: frühchristliche Apologetik zwischen Anspruch und Wirklichkeit Erlangen: Univ.-Bund Erlangen-Nürnberg; Erlangen: Univ.-Bibliothek 2006; ISBN 3-930357-74-7
Mittelalterliche und frühneuzeitliche Apologetik
- Gerhard Heinz: Divinam Christianae religionis originem probare: Untersuchung zur Entstehung des fundamentaltheologischen Offenbarungstraktates der katholischen Schultheologie. Mainz: Matthias-Grünewald-Verl 1984. ISBN 3-7867-1128-3
- Albert Lang: Die Entfaltung des apologetischen Problems in der Scholastik des Mittelalters. Freiburg: Herder 1962.
- Eugen Seiterich: Die Glaubwürdigkeitserkenntnis: eine theologische Untersuchung zur Grundlegung der Apologetik Heidelberg: Kerle 1948.
Moderne Apologetik
- Franz Delitzsch: System der christlichen Apologetik. Leipzig: Dörffling & Franke 1869
- Abraham Peter Kustermann: Die Apologetik Johann Sebastian Dreys: (1777 - 1853); kritische, historische und systematische Untersuchungen zu Forschungsgeschichte, Programmentwicklung, Status und Gehalt. Tübingen: Mohr 1988, ISBN 3-16-445397-3
- Friedrich Schleiermacher: Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern (1799); Stuttgart: Reclam 1997, Reclams UB 8313 (ISBN 3-15-008313-3); Stuttgart: Brockhaus, 8. Auflage, 2002, UTB S 1655 (ISBN 3-8252-1655-1); Berlin u.a.: de Gruyter 2001 (ISBN 3-11-017267-4)
- Anton Seitz: Natürliche Religionsbegründung: eine grundlegende Apologetik. Regensburg: Manz, 1914
Neuere apologetische Ansätze
- Kurt Aland: Apologie der Apologetik: zur Haltung und Aufgabe evangelischen Christentums in den Auseinandersetzungen der Gegenwart. Berlin: Christlicher Zeitschriftenverlag 1948
- Kenneth Boa, Robert Bowman: Faith Has Its Reasons: Integrative Approaches to Defending the Christian Faith, Navpress Publishing Group, 2001, ISBN 978-1576831434
- William Lane Craig: Reasonable Faith: Christian Truth and Apologetics.Crossway Books, Westchester 1994, ISBN 0-89107-764-2
- Brian Hebblethwaite: In defence of Christianity. Oxford University Press 2005, ISBN 0-19-927679-X
- Heinrich Ott: Apologetik des Glaubens: Grundprobleme einer dialogischen Fundamentaltheologie. Wiss. Buchges., Darmstadt 1994, ISBN 3-534-12328-X
- Alvin Plantinga: Warranted Christian belief. Oxford Univ. Press, New York u.a.2000, ISBN 0-19-513192-4
- Bernard L. Ramm: Ein christlicher Appell an die Vernunft. (amerikanisches Original: The God Who Makes A Difference). ICI, Asslar 1995 (hauptsächlich über Existenz Gottes).
- Michael Roth: Gott im Widerspruch? Möglichkeiten und Grenzen der theologischen Apologetik. de Gruyter, Berlin-New York 2002, ISBN 3-11-017377-8
- Yossef Schwartz (Hrsg.): Religious apologetics – philosophical argumentation. Mohr Siebeck, Tübingen 2004, ISBN 3-16-148310-3
Stärker praxisbezogene und populäre Literatur
- Johannes B. Bauer (Hrsg.): Die heißen Eisen in der Kirche.Styria, Graz-Wien-Köln 1997, ISBN 3-222-12489-2 (Fundamentalismus, Geburtenregelung, Organspende, Sterbehilfe, Diakonat der Frauen, Priesterehe etc.)
- Walter Kern, Jörg Splett (Hrsg.): Warum Glauben? Begründung und Verteidigung des Glaubens in neununddreißig Thesen. Echter-Verl., Würzburg 1961
- C.S. Lewis: Pardon, ich bin Christ. 1942, ISBN 3-7655-3150-2
- Manfred Lütz: Gott. Eine kleine Geschichte des Größten. Pattloch Verlag, München 2007, ISBN 978-3-629-02158-8
- Stephan Holthaus: Apologetik. Eine Einführung in die Verteidigung des christlichen Glaubens. Edition fth. Jota, Hammerbrücke 2009, ISBN 978-3-935707-60-2
- Timothy Keller: Warum Gott? Vernünftiger Glaube oder Irrlicht der Menschheit? Brunnen Verlag, Gießen 2010, ISBN 978-3-7655-1766-2. Aehnlich wie Alvin Platinga plädiert Keller für Indizien für Gott statt Gottesbeweise
- Matthias Clausen: Ich denke, also bin ich hier falsch? Glauben für Auf- und Abgeklärte. Gerth Medien, 2011, ISBN 978-3-8659-1588-7
- Alister McGrath: Mere Apologetics: How to Help Seekers and Skeptics Find Faith. Baker Books, 2012, ISBN 978-1-4412-3583-1. Insbesondere zur Theodizee-Frage
- John Ortberg: Weltbeweger. Jesus – wer ist dieser Mensch? Gerth, Asslar 2013, ISBN 978-3-86591-877-2 (Originaltitel: Jesus – Who is this man? Ortberg legt dar, wie der unbedeutende Handwerker Jesus von Nazareth am Rand des römischen Weltreichs die Weltgeschichte, Kultur, Bildung und Gesundheitswesen geprägt und verändert hat)
Apologetisch ausgerichtete Weblogs
- Stephan Lange: Glaube – Naiv, zu schön, zu simpel? – Denkangebote zu ‚Gott & Glaube‘, mitdenkend.de
Siehe auch
Wiktionary Wiktionary: Apologetik – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, ÜbersetzungenEinzelnachweise
<references />
Weblinks