Arbeiteraristokratie


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Unter Arbeiteraristokratie wird die Elite innerhalb der Arbeiterschaft (Arbeiterklasse) in den industrialisierten Ländern Westeuropas und Nordamerikas verstanden, die sich ab der Mitte des 19. Jahrhunderts bildete.

Der Begriff wurde schon von Karl Marx (1818–83) in seinem Werk Das Kapital genutzt, er verstand darunter den „bestbezahlten Teil der Arbeiterklasse, (...) ihre Aristokratie“.<ref>Karl Marx: Das Kapital. In: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke (MEW), Band 23, S. 697.</ref> Auch Friedrich Engels spricht von einer „Aristokratie in der Arbeiterklasse“, die in den „großen Trades Unions“ ihre Organisationen gefunden hätten. „[S]ie haben es fertiggebracht, sich eine verhältnismäßig komfortable Lage zu erzwingen, und diese Lage akzeptieren sie als endgültig.“<ref>Friedrich Engels: Vorwort zu englischen Ausgabe der "Lage der arbeitenden Klasse". (1892). In: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke (MEW), Band 22, S. 274.</ref> Schon 1858 führte Engels in einem Brief an Marx aus, dass „das englische Proletariat faktisch mehr und mehr verbürgert, so daß diese bürgerlichste aller Nationen es schließlich dahin bringen zu wollen scheint, eine bürgerliche Aristokratie und ein bürgerliches Proletariat neben der Bourgeoisie zu besitzen.“<ref>Engels an Marx, 7. Oktober 1858, MEW 29, 358.</ref>

Bei Lenin (1870–1924) wurde die Arbeiteraristokratie zu einem Kampfbegriff im Rahmen seiner Imperialismustheorie und richtete sich vor allem gegen westeuropäische und nordamerikanische Gewerkschafts- und Parteiführer<ref>Lenin: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus. 1917; Lenin: Der Imperialismus und die Spaltung des Sozialismus. 1916.</ref> (siehe auch Trade-Unionismus). Lenin definiert die Ursachen und Wirkungen der Entwicklung einer Arbeiteraristokratie folgenderweise: „Ursachen: 1. Ausbeutung der ganzen Welt durch das betreffende Land; 2. seine Monopolstellung auf dem Weltmarkt; 3. sein Kolonialmonopol. Wirkungen: 1. Verbürgerung eines Teils des englischen Proletariats; 2. ein Teil läßt sich von Leuten führen, die von der Bourgeoisie gekauft sind oder zumindest von ihr bezahlt werden.“<ref>Lenin: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus. LW 22, 289</ref>

Analytisch wird der Begriff teilweise als interne Differenzierung der Arbeiterklasse verstanden. Vor allem in der englischen Sozialgeschichte spielt der an die marxistische Tradition angelehnte Begriff eine wichtige Rolle. Dort wird er auf die nach (klein-)bürgerlicher Respektabilität strebende besonders gut qualifizierte Schicht der Arbeiter angewendet. Diese Diskussion wurde auch für den deutschen Fall geführt. Das Ergebnis war, dass es zwar ebenfalls in Deutschland so etwas wie eine Arbeiteraristokratie im 19. und frühen 20. Jahrhundert gegeben hätte, diese Erscheinung aber weniger ausgeprägt war als in Großbritannien. Wohl auch um ideologische Bezüge zu vermeiden, spielt der Begriff der Arbeiteraristokratie im deutschsprachigen Raum heute nur noch eine untergeordnete Rolle. Wichtiger wurden Begriffe wie Leistungs-, Funktions- und Werteliten.<ref>die Diskussion zusammenfassend mit Hinweisen auf grundlegende Literatur: Gerhard A. Ritter, Klaus Tenfelde: Arbeiter im Deutschen Kaiserreich. 1871–1914. (= Geschichte der Arbeiter und der Arbeiterbewegung in Deutschland seit dem Ende des 18. Jahrhunderts. 5). Dietz, Bonn 1992, ISBN 3-8012-0168-6, S. 464.</ref>

Im globalen Maßstab betrachtet, könnte heute auch argumentiert werden, die westlichen Arbeiterklassen nehmen im Gegensatz zu den restlichen Arbeiterklassen auf der Welt die Position der Aristokratie ein.<ref>Arbeiteraristokratie. In: Kritisches Wörterbuch des Marxismus. Band 1, 1983.</ref>

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

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