NS-Prozesse


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Als NS-Prozesse bezeichnet man in einer verbreiteten Kurzform die Strafprozesse zu Verbrechen des Nationalsozialismus. Im Fachdiskurs ist für Verfahren zu den nationalsozialistischen Gewaltverbrechen die Kurzform NSG-Verfahren verbreitet.<ref>Siehe z. B.: Bundesarchiv: Vgl. Andreas Eichmüller: Die Strafverfolgung von NS-Verbrechen durch westdeutsche Justizbehörden seit 1945. Eine Zahlenbilanz, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 56 (2008), S. 624 ff.</ref> ergibt sich für die strafrechtliche Verfolgung von NS-Verbrechen durch die deutsche Justiz in den westlichen Besatzungszonen und der Bundesrepublik Deutschland (einschließlich West-Berlins und des Saarlands) das folgende Ergebnis:

Die Staatsanwaltschaften leiteten nach dem 8. Mai 1945 bis Ende des Jahres 2005 in 36.393 Fällen Ermittlungsverfahren gegen 172.294 Beschuldigte ein. Von 16.740 Angeklagten wurden 6656 rechtskräftig verurteilt, davon

  • 16 zum Tode (4 davon vollstreckt),
  • 166 zu lebenslanger Freiheitsstrafe,
  • 6.297 zu zeitlich begrenzter Freiheitsstrafe,
  • 130 zu Geldstrafe und
  • 47 von Strafe abgesehen/unbekannte Strafen.

Die hohe Zahl der Beschuldigten kam teilweise dadurch zustande, dass die Staatsanwaltschaften ganze Dienststellen und Einheiten der Wehrmacht, deren Angehörige für eine Tatbeteiligung in Betracht kamen, förmlich beschuldigt haben. Dies schien geboten, um vorsorglich eine drohende Verjährung abzuwenden.

Die Höchststrafe wurde in 182 Fällen verhängt. In der Mehrzahl der Fälle wurden die Angeklagten auch bei Tötungsdelikten nicht als Täter mit eigenem Tatvorsatz verurteilt, sondern nur der Beihilfe für schuldig befunden.

Inzwischen geht die Strafverfolgung aus biologischen Gründen, Tod oder Verhandlungsunfähigkeit der Beschuldigten, verstorbenen Zeugen, etc. dem Ende zu. Allerdings laufen immer noch mehrere Ermittlungsverfahren und vereinzelt finden auch noch Prozesse statt.

Deutsche Demokratische Republik

Bereits in der SBZ fanden parallel zu den geheimen sowjetischen Militärtribunalen Verfahren vor deutschen Gerichten statt, die nach dem Kontrollratsgesetz Nr. 10 und landeseigenen Gesetzen durchgeführt wurden. Sie wurden von einer Arbeitsgruppe zu NS-Straftaten in der Justizverwaltung koordiniert.

Im August 1947 befahl die sowjetische Militäradministration den Innenministerien der fünf Länder der SBZ, weitere NS-Straftaten zu ermitteln. Im Februar 1948 befahl sie, die eingeleiteten NS-Prozesse abzuschließen. Bis 1949 verurteilten ostdeutsche Gerichte 8055 Personen wegen NS-Verbrechen, die fast alle auf dem Gebiet der SBZ stattgefunden hatten: z. B. im KZ Radeberg oder bei der „Euthanasie“-Aktion T4. 3115 Angeklagte wurden wegen Massenverbrechen, 2426 wegen Denunziationen, 901 wegen Mitgliedschaft in NS-Organisationen und 147 wegen Justizverbrechen verurteilt.

1950 schlossen die sowjetischen Besatzungsbehörden die letzten Internierungslager in der DDR und übergaben mehr als 3.400 Häftlinge sowie die volle Kompetenz zur Strafverfolgung von NS-Tätern an die DDR-Justiz. Diese seit 1945 Internierten wurden noch im selben Jahr in den sogenannten Waldheimer Prozessen verurteilt. Dabei wurden 33 Todesurteile verhängt, von denen 24 vollstreckt wurden. Nach heutigen Erkenntnissen waren nicht alle der Verurteilten NS-Täter.

Bis 1956 sank die Zahl der verurteilten NS-Täter in der DDR auf Null. In den 1960er Jahren folgten einige spektakuläre Anklagen in Abwesenheit gegen ehemalige NSDAP-Angehörige, die in der Bundesrepublik in Staats- und Regierungsämter aufgestiegen waren: so gegen Theodor Oberländer 1960 und Hans Globke 1963. Damit wurde der staatliche Antifaschismus propagandistisch gegen die Bundesrepublik gerichtet. Besonderes Aufsehen erregte 1966 der Prozess gegen Horst Fischer, Lagerarzt in Auschwitz-Monowitz.

1968 legte eine große Strafrechtsreform in der DDR alle Straftatbestände für NS-Verbrechen umfassend fest. Bis zur Wende von 1989 wurden danach weitere NS-Prozesse gegen offiziell etwa 10.000 Personen – zusätzlich zu den 3.000 Waldheim-Urteilen von 1950 – durchgeführt.

Nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 wurden die in den Waldheimprozessen zu Unrecht mitverurteilten Täter rehabilitiert; die dort gefällten Todesurteile wurden aufgehoben, gegen einige beteiligte DDR-Richter wurden Verfahren wegen Rechtsbeugung eingeleitet.<ref>Artikel NS-Prozesse. In: Enzyklopädie des Holocaust. 1998, S. 1037f</ref>

Belgien

Am 20. Juni 1947 verabschiedete Belgien ein Gesetz über die Zuständigkeit der Militärgerichtsbarkeit für Kriegsverbrechen. 75 Deutsche wurden vor belgischen Militärgerichten zur Verantwortung gezogen.

Bulgarien

Bulgarien verurteilte 11.122 Inländer, davon 2.730 zum Tode. Deutsche, die man der Teilnahme an Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verdächtigte, sollen an die Sowjetunion ausgeliefert worden sein. Die Gesetzesverordnung über die Aburteilung der für den Eintritt Bulgariens in den Weltkrieg gegen die Alliierten Nationen und für die damit verbundenen Verbrechen Verantwortlichen vom 6. Oktober 1944 richtete sich ausschließlich gegen Bulgaren.

Dänemark

In Dänemark wurden 14.049 Personen wegen Kollaboration mit den Deutschen zu Haftstrafen verurteilt. 78 Todesurteile wurden verhängt, davon 46 vollstreckt.<ref name="Rückerl 1982">Rückerl: NS-Verbrechen vor Gericht. Heidelberg 1982, S. 103.</ref> Ungefähr 13.500 wurden wegen Landesverrats verurteilt. Das dänische Gesetz über den Landesverrat wurde im Sommer 1945 vom dänischen Reichstag verabschiedet. Es galt mit rückwirkender Kraft ab dem 9. April 1940, dem ersten Tag der deutschen Besetzung Dänemarks. Von diesen 13.500 Personen wurden ca. 7.500 wegen militärischer Kollaboration verurteilt. Sie hatten im Frikorps Danmark oder in anderen Militäreinheiten auf deutscher Seite gekämpft, viele hatten sich auch an deutschen Wach- oder Antisabotagekorps beteiligt. 2000 hatten bei der deutschen Polizei gedient, 1100 wurden wegen Denunziation, Mord, Folter oder anderer Gewalttaten verurteilt. Wegen Hochverrats wurden einige Führer der dänischen Nazipartei DNSAP verurteilt, die Mitgliedschaft an sich war jedoch nicht strafbar. Ungefähr 600 kommunale oder staatliche Beamte wurden allerdings wegen der Mitgliedschaft in der DNSAP entlassen. Etwa 1100 Personen wurde wegen wirtschaftlicher Kollaboration verurteilt, 318 Millionen Kronen wurden konfisziert.<ref>Bundesarchiv (Hrsg.): Europa unterm Hakenkreuz. Okkupation und Kollaboration (1938–1945). Ergänzungsband 1. Berlin, Heidelberg 1994, ISBN 3-8226-2492-6, S. 111ff.</ref> Außerdem wurden 80 Deutsche verurteilt.

Frankreich

Am 28. August 1944 wurde eine Verordnung über die Bestrafung von Kriegsverbrechen erlassen, die durch ein Gesetz vom 15. September 1948 ergänzt wurde. Am 26. Dezember 1964 erklärte das Gesetz Nr. 64/1326 Verbrechen gegen die Menschlichkeit für unverjährbar.

Die genauen Verurteilungszahlen sind unklar: zum Teil werden 10.519 Hinrichtungen angegeben, von denen nur 850 aufgrund eines Gerichtsurteils ergangen sind; andere Quellen gehen von 4.783 Todesurteilen (ca. 2.000 vollstreckt) und 50.000 Haftstrafen aus.<ref>Rückerl: NS-Verbrechen vor Gericht. Heidelberg 1982, S. 102.</ref> Durch verschiedene Kommissionen zur Épuration/Reinigung/Säuberung sollte in einer zweiten Phase nicht nur der Polizeidienst auf sein Handeln in der Vichy-Zeit und Kollaboration allgemein in einer einigermaßen rechtlich nachvollziehbaren Weise überprüft werden.

Siehe auch: Klaus Barbie

Großbritannien

Die ersten britischen Militärgerichtsverfahren basierten auf einem Königlichen Sonderedikt (Royal Warrant) vom 14. Januar 1945.

Israel

In Israel erließ die Knesset 1950 das Gesetz zur Bestrafung von Nazis und Nazihelfern (Nazis and Nazi Collaborators (Punishment) Law). Es orientierte sich am Londoner Statut sowie an der Criminal Code Ordinance (CCO) von 1936.<ref name="Der Eichmann-Prozess in Jerusalem">Christian Hofmann: Der Eichmann-Prozess in Jerusalem. Arbeitskreis Shoa.de e.V., abgerufen am 25. Mai 2015: „Rechtsgrundlage der Anklage war das von Israel im Jahre 1950 erlassene »Nazis and Nazi Collaborators (Punishment) Law, 5710-1950« (NNCL), das sich am »Londoner Statut« von 1945 orientierte, auf dessen Grundlage der Internationale Militärgerichtshof in Nürnberg eingerichtet und durchgeführt wurde sowie die »Criminal Code Ordinance« (CCO) von 1936.[…] Die von der Verteidigung am 17.12.1961 eingelegte Berufung blieb erfolglos: Am 29. 05.1962 bestätigte das Berufungsgericht das Urteil in vollem Umfang.[…] Am 31. 05. 1962 lehnte der israelische Staatspräsident schließlich alle Gnadengesuche ab. Wenige Stunden später wurde das Todesurteil vollstreckt.“</ref> Auf der Basis dieses israelischen Gesetzes wurde Adolf Eichmann, ehemaliger Leiter des Judenreferats im Reichssicherheitshauptamt, 1961 in einem Prozess vor dem Jerusalemer Bezirksgericht zum Tod verurteilt und 1962 hingerichtet.<ref name="Der Eichmann-Prozess in Jerusalem"/>

Italien

Siehe auch: Erich Priebke

Jugoslawien und Albanien

Jugoslawien und Albanien haben keine Statistik der Strafverfahren veröffentlicht. Aber noch vor dem Nürnberger Nachfolgeprozess gegen die Generale in Südosteuropa wurden 19 deutsche Generale in Jugoslawien hingerichtet. Bereits 1946 wurden die Auslieferungen von mutmaßlichen Kriegsverbrechern von den Westalliierten stark eingeschränkt, nachdem Bedenken aufgetreten waren, ob sie ein faires Verfahren erhalten würden.

Niederlande

In den Niederlanden wurden 35.615 Personen wegen Kollaboration mit den Deutschen verurteilt. Von ca. 200 ausgesprochenen Todesurteilen wurden 38 vollstreckt.<ref name="Rückerl 1982"/> Dazu kamen 204 Urteile gegen Deutsche.

Norwegen

Direkt nach dem Krieg wurden gegen 92.805 Norweger Verfahren eröffnet, vorwiegend wegen Landesverrats. 46.085 Personen wurden bestraft, davon 28.919 mit Geldbußen und Rechtsverlust, 17.136 mit Haft. 30 Personen wurden zum Tode verurteilt, 25 Todesurteile wurden vollstreckt. Nach einer Aufstellung des norwegischen Justiz- und Polizeiministeriums ahndeten die Strafen<ref>Bundesarchiv (Hrsg.): Europa unterm Hakenkreuz. Okkupation und Kollaboration (1938–1945). Ergänzungsband 1. Berlin, Heidelberg 1994, ISBN 3-8226-2492-6, S. 119ff.</ref> in

  • 1.971 Fällen Ausübung von Ämtern in der norwegischen Verwaltung
  • 7.146 Fällen Aktivitäten in Organisationen und Gliederungen der norwegischen faschistischen Partei Nasjonal Samling (NS)
  • 2.784 Fällen Propaganda für die NS oder für die Teilnahme am Krieg auf deutscher Seite
  • 9.649 Fällen Zugehörigkeit zum Hird, der SA der NS, und zu den bewaffneten Hird-Abteilungen, zur Germanischen SS und ähnlichen Organisationen
  • 4.816 Fällen Kriegsteilnahme auf deutscher Seite, auch als Krankenschwester beim Deutschen Roten Kreuz
  • 1.295 Fällen Zugehörigkeit zur deutschen Sicherheitspolizei (Sipo) sowie zur norwegischen Staats- und Grenzpolizei
  • 1.043 Fällen Beteiligung an Mord- und Gewalttaten
  • 4.765 Fällen Denunzianten- und Spitzeltätigkeit für die Sipo
  • 290 Fällen Spionage- und Abwehrtätigkeit für die Besatzungsmacht
  • 3.208 Fällen „Wirtschaftlicher Landesverrat“
  • 5.014 Fällen Tätigkeit in deutschen Dienststellen, Betrieben und Einrichtungen
  • 40.072 Fällen Zugehörigkeit zur NS und ihr angeschlossenen Organisationen
  • 1.907 Fällen Landesverrat in anderen Formen bzw. andere strafbare Handlungen

Außerdem wurden in Norwegen 80 Deutsche verurteilt.

Österreich

Hauptartikel: Volksgericht (Österreich)

In Österreich wurden 13.625 eigene Staatsbürger verurteilt. Die Gesetzgebung zu Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurde wiederholt novelliert, das erste Verbotsgesetz stammt vom 8. Mai 1945. Zuletzt 1992 geändert, gilt es heute noch. Am 26. Juni 1945 wurde ein Verfassungsgesetz … über Kriegsverbrechen und andere nationalsozialistische Untaten (Kriegsverbrechergesetz)<ref>Kriegsverbrechergesetz (KVG)</ref> erlassen, das 1957 aufgehoben wurde.

Polen

Datei:Majdanek - Anton Thernes (1944).jpg
Angeklagter Anton Thernes beim Majdanek-Prozess, Lublin 1944

In Polen wurden insgesamt 5.385 Deutsche und Österreicher verurteilt, nationalsozialistische Verbrechen verübt zu haben. Mehr als jeder dritte der in Polen verurteilten deutschen NS-Täter ist von den vier Besatzungsmächten dorthin überstellt worden, vorwiegend aus der amerikanischen Besatzungszone.

Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit waren in Polen Straftaten nach dem „Dekret für die Strafzumessung für die faschistisch-nazistischen Verbrecher, die sich der Mordtaten und der Misshandlung der Zivilbevölkerung und der Kriegsgefangenen schuldig gemacht haben, sowie der Verräter des polnischen Volkes vom 31. August 1944“, geändert und ergänzt am 22. Januar und 28. Juni 1946 sowie am 3. April 1948.

Sowjetunion

In der Sowjetunion wurden seit 1941 Rechtsgrundlagen zur Strafverfolgung von NS-Tätern geschaffen. Diese wurde in vielen sogenannten Molotow-Noten angekündigt. Am 2. November 1942 wurde dazu die Außerordentliche Staatskommission zur Untersuchung der Verbrechen der deutsch-faschistischen Besatzer gegründet. Diese blieb bis 1948 bestehen. Der United Nations War Crimes Commission trat die Sowjetunion nicht bei.

NS-Prozesse wurden in der SU nach dem Militärstrafrecht der Einzelrepubliken durchgeführt. Der Kriegsverbrecher-Erlass vom 19. April 1943 definierte dazu die Strafmaße genauer. Im Juli 1943 fand in Krasnodar auf dieser Basis der erste NS-Prozess überhaupt statt: Dieses Verfahren gegen sowjetische Helfer des Sonderkommandos 10a machte den Einsatz deutscher Gaswagen für Massenmorde international bekannt. Im Dezember 1943 folgte in Charkow ein Prozess gegen drei deutsche und einen sowjetischen Angeklagten.<ref>Norbert Frei (Hrsg.): Transnationale Vergangenheitspolitik, Wallstein-Verlag Göttingen, 2006, S. 218</ref> Fast alle Angeklagten beider propagandistisch begleiteten Prozesse wurden zum Tod verurteilt.

Bis 1950 folgte eine unbekannte Zahl von Prozessen gegen als Kollaborateure angeklagte einheimische Staatsbürger, deutsche Kriegsgefangene und von den Westmächten ausgelieferte mutmaßliche NS-Verbrecher. Der NKGB, ab 1946 MGB, führte die geheimen Ermittlungen, während die Verfahren vor NKWD- bzw. MVD-Gerichten stattfanden.

Ende 1945 begann eine Prozessreihe gegen hochrangige SS- und Wehrmachtführer, u. a. in Minsk und Riga, darunter gegen Friedrich Jeckeln. Diese Serie hielt bis 1948 an. Ab 1949 folgten viele Schnellverfahren vor allem gegen deutsche Kriegsgefangene, niedrige NS-Ränge und vermutete Kollaborateure. Letztere wurden oft ohne rechtsstaatliche Verfahren und Berufungsgarantien wegen Landesverrat und „Konterrevolution“ verurteilt, nach zeitweiliger Abschaffung der Todesstrafe meist zu 25 Jahren Zwangsarbeit.

Tschechoslowakei

Am 19. Juni 1945 erließ der Staatspräsident ein Dekret über die Bestrafung der Naziverbrecher, Verräter und ihrer Helfershelfer und über außerordentliche Volksgerichte, das am 24. Januar 1946 eine Gesetzesfassung erhielt. Es trat am 31. Dezember 1948 außer Kraft, danach waren allgemeine Strafrechtsnormen die Grundlage für weitere Verurteilungen. Die Zahl der in der Tschechoslowakei verurteilten Deutschen wird auf etwa fünfzig Prozent der verurteilten 33.463 NS-Täter geschätzt.

Ungarn

Ungarn verurteilte seit 1945 auf Basis der Verordnung Nr. 81/45 über die Volksgerichtsbarkeit, Kriegsverbrechen und volksfeindliche Vergehen über 19.000 von 40.000 als NS-Verbrecher und Kollaborateure angeklagten Personen. Es wurden 380 Todesurteile verhängt. Wie viele Verurteilte Deutsche waren, ist unbekannt.

Die provisorische Regierung Ungarns nahm die Strafverfolgung von NS-Tätern schon seit Dezember 1944 auf und setzte sofort nach Kriegsende Sondergerichte – genannt „Volkstribunale“ – für ihre Verfahren ein. Diese wurden seit der Machtübernahme der Kommunistischen Partei Ungarns beschleunigt durchgeführt. Bis Ende 1946 verurteilten die Sondergerichte die meisten ungarischen Politiker, die mit dem Deutschen Reich und den Nationalsozialisten kooperiert oder diese Kooperation vorbereitet hatten.

Exemplarisch für die ungarischen Verfahren war der Prozess gegen László Bárdossy, der als Ministerpräsident Ungarns 1941–1942 dessen Kriegserklärung an die Sowjetunion durchgesetzt hatte. Er wurde eines Verfassungsbruchs und der Beteiligung an Judenmorden in Kamenez-Podolsk und Novi Sad schuldig gesprochen und am 10. Januar 1946 durch Hängen hingerichtet.

Die Todesurteile gegen Márton Zöldy und József Grassy, die am Massaker von Novi Sad beteiligt waren, wurden von einem Berufungsgericht aufgehoben. Doch nach ihrer späteren Auslieferung an Jugoslawien, auf dessen Gebiet das Massaker stattgefunden hatte, wurden sie dort erneut zum Tod verurteilt und hingerichtet.

Am 1. März 1946 wurde auch Bardossys Vorgänger Béla Imrédy hingerichtet: Er sollte als Ministerpräsident Ungarns von 1938 bis 1939 die ersten beiden antijüdischen Gesetze vorbereitet und das zweite unterzeichnet haben. Er wurde aber nach 1989 rehabilitiert.

Die meisten Regierungsmitglieder der Kabinette von Döme Sztójay und Ferenc Szálasi wurden ebenfalls im März/April 1946 hingerichtet: darunter Andor Jaross, der frühere Innenminister, und zwei seiner Staatssekretäre. Sie sollten bei Plünderungen jüdischen Besitzes und Deportationen ungarischer Juden federführend gewesen sein. Wegen erwiesener Mitwirkung daran wurden auch Emil Kovacs, Führer der Pfeilkreuzler, Peter Hain, Chef der ungarischen Geheimpolizei und deutscher Agent, und Laszlo Ferenczy von der Gendarmerie hingerichtet.

1967 wurden weitere führende Pfeilkreuzler angeklagt. 16 davon wurden zu langjähriger Zwangsarbeit verurteilt, Vilmos Kroszl, Lajos Németh und Alajos Sándor wurden hingerichtet.<ref>Artikel NS-Prozesse. In: Enzyklopädie des Holocaust. 1998, S. 1044</ref>

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

<references />