Biodiversität


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Biodiversität oder biologische Vielfalt bezeichnet gemäß der Biodiversitäts-Konvention (Convention on Biological Diversity, CBD) „die Variabilität unter lebenden Organismen jeglicher Herkunft, darunter unter anderem Land-, Meeres- und sonstige aquatische Ökosysteme und die ökologischen Komplexe, zu denen sie gehören“. Damit umfasst sie die Vielfalt innerhalb von Arten und die Vielfalt zwischen den Arten sowie die Vielfalt der Ökosysteme.<ref name="CBD">Wortlaut der CBD (deutsche Fassung). Zitat aus Art.2 (PDF).</ref><ref>Diese Konvention wird für einen Staat dann verbindlich, wenn sie von ihm auch ratifiziert wird.</ref> Nach dieser Definition besteht die Biodiversität auch aus der genetischen Vielfalt.<ref>United Nations: Multilateral Convention on biological diversity (with annexes). Concluded at Rio de Janeiro on 5 June 1992. In: United Nations Treaty Series Vol. 1760, S. 146 (Article 2. Use of Terms). (PDF). Deutsche Übersetzung unter: Begriffsbestimmungen, Art. 2 der SR 0.451.43 Übereinkommen über die Biologische Vielfalt. Stand vom 20. März 2007.</ref><ref>Willson, E. O.: Ende der biologischen Vielfalt? Der Verlust an Arten, Genen und Lebensräumen und die Chancen für eine Umkehr. Spektrum, Heidelberg, Berlin, New York, 1992, ISBN 3-89330-661-7.</ref><ref>Streit, B.: Was ist Biodiversität? Erforschung, Schutz und Wert biologischer Vielfalt. Beck, München 2007.</ref>

Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt gelten als wichtige Grundlagen für das menschliche Wohlergehen. In der Zerstörung und Zerstückelung von Lebensräumen wird die weitaus größte Gefahr für die biologische Vielfalt auf der Erde gesehen.<ref name="pearson2">Thomas M. Smith, Robert L. Smith: Ökologie, Pearson Studium Verlag, ISBN 978-3-8273-7313-7, S. 818 f.</ref> Hinsichtlich der Frage, welche biologische Variabilität erhalten und wie Biodiversität parametrisiert werden soll, besteht keine Einigkeit.<ref>Peter Janich, Mathias Gutmann: Normative Grundlagen der Biodiversität. In: W. Barthlott & M. Gutmann (Hg.): Biodiversitätsforschung in Deutschland. Potentiale und Perspektiven. Europäischen Akademie, Bad Neuenahr-Ahrweiler 1998: S. 66–72.</ref> Diese Uneinigkeit gründet in konkurrierenden Biodiversitätsauffassungen und Zielen, die mit der Erhaltung von Biodiversität verfolgt werden.<ref>Thomas Kirchhoff, Ludwig Trepl: Vom Wert der Biodiversität. Über konkurrierende politische Theorien in der Diskussion um Biodiversität. Zeitschrift für angewandte Umweltforschung 2001/S13: S. 27–44; Uta Eser: Der Wert der Vielfalt: ‚Biodiversität‘ zwischen Wissenschaft, Politik und Ethik. In: M. Bobbert, M. Düwell, K. Jax (Hg.): Umwelt – Ethik – Recht. Francke, Tübingen, 2003: S. 160–181; Stefan Baumgärtner: Warum Messung und Bewertung biologischer Vielfalt nicht unabhängig voneinander möglich sind. In: J, Weimann, A. Hoffmann, S. Hoffmann (Hg.): Messung und ökonomische Bewertung von Biodiversität: Mission impossible? Metropolis, Marburg: 2003: S. 43–66; Thomas Potthast: Was ist Biodiversität und warum soll sie erhalten werden? Wissenschaftstheoretische und ethische Perspektiven. In: Stiftung Natur Und Umwelt Rheinland-Pfalz (Hg.): Denkanstöße, Heft 2: Thesen zur Biodiversität. 2005: S. 18–29; Thomas Kirchhoff & Sylvia Haider: Globale Vielzahl oder lokale Vielfalt: zur kulturellen Ambivalenz von ‚Biodiversität‘. In: T. Kirchhoff, L. Trepl (Hg.): Vieldeutige Natur. Landschaft, Wildnis und Ökosystem als kulturgeschichtliche Phänomene. transcript, Bielefeld 2009: S. 315–330; Kristian Köchy: Vielfalt als Wert? Zur aktuellen Debatte um die Biodiversität. In: C. F. Gethmann (Hg.): Deutsches Jahrbuch Philosophie, Band 2: Lebenswelt und Wissenschaft. Meiner, Hamburg: S. 1227–1248.</ref>

Am 29. Dezember 1993 trat die UN-Biodiversitäts-Konvention in Kraft; im April 2012 wurde der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) installiert.<ref>ipbes.net: About IPBES</ref>

Zur Entwicklung des Begriffs und seine Bedeutungsimplikationen

Fachbegriff in der Biologie

Bereits seit längerem existiert der Begriff der „Diversität“ als ökologischer Fachterminus zur Beschreibung der „Verschiedenheit“ der Eigenschaften von Lebensgemeinschaften oder ökologischen Systemen (α- und γ-Diversität, siehe unten). Das bekannteste Beschreibungsmaß für die Diversität ist neben der Artenzahl (species richness) der aus der Informationstheorie abgeleitete Shannon-Wiener-Index. Er berücksichtigt sowohl die Häufigkeitsverteilung als auch den Artenreichtum. Ein weiterer verbreiteter Diversitätsindex in der Biologie ist der Simpson-Index.

Die Diversität einer Lebensgemeinschaft im hier definierten Sinn ist als ökologischer Beschreibungsbegriff zunächst nicht wertend zu verstehen. So können Diversitätsindices nicht ohne Weiteres zum Vergleich eines normativ interpretierbaren Naturschutzwerts von Lebensgemeinschaften herangezogen werden.

Begriff in der Umweltpolitik

Biodiversität ist die Kurzform des Begriffs biologische Vielfalt (engl.: biological diversity oder biodiversity). Die Bezeichnung biodiversity stammt ursprünglich aus dem wissenschaftlichen Umfeld der US-Naturschutzbewegung. Die Nutzung von "Biodiversität" auch in Forschungszusammenhängen führte zu einer gewissen Politisierung des naturwissenschaftlichen Forschungsfeldes der Naturschutzbiologie. Die Etablierung des Begriffs sollte der Durchsetzung politischer Forderungen mit sozialem, ökonomischem und wissenschaftspolitischem Hintergrund dienen.<ref>Reinhard Piechocki: Landschaft – Heimat – Wildnis: Schutz der Natur – aber welcher und warum? Beck, München 2010.</ref> Der Titel des 1986 vom Evolutionsbiologen Edward O. Wilson herausgegebenen Buches Biodiversity (engl. Ausgabe) war die erste weithin wahrgenommene Verwendung des Begriffs. Dem Buch war eine US-amerikanische Tagung zum Thema vorausgegangen.

Im deutschsprachigen Raum wird „Biodiversität“ seit der Debatte um die Verabschiedung der Konvention zur Biologischen Vielfalt (CBD) 1992 auf dem Erdgipfel vermehrt eingesetzt.

Ambivalenter Sprachgebrauch in Deutschland

Manchmal wird der Begriff Artenvielfalt synonym für Biodiversität verwendet. Die in der CBD gewählte Definition umfasst darüber hinaus jedoch weitere Bedeutungen (siehe unten). Im deutschen Sprachraum gilt der Begriff allgemein als „sperrig“ und schwer in der Öffentlichkeit vermittelbar. Selbst die Bundesrepublik Deutschland, Ausrichter der 9. Vertragsstaatenkonferenz 2008, bemühte sich für die öffentliche Wahrnehmung um einen Ersatzbegriff und nannte die Veranstaltung „Naturschutzkonferenz“.

Ebenen, Indikatoren und Maße für die Biodiversität

Die biologische Vielfalt umfasst verschiedene Ebenen:

  1. genetische Diversität – einerseits die genetische Vielfalt aller Gene innerhalb einer Art (= Genetische Variabilität), andererseits die gesamte genetische Vielfalt einer Biozönose oder eines Ökosystems;
  2. Artendiversität – die Vielzahl an Arten in einem Ökosystem;
  3. Ökosystem-Diversität – die Vielfalt an Lebensräumen und Ökosystemen;
  4. Funktionale Biodiversität – die Vielfalt realisierter ökologischer Funktionen und Prozesse im Ökosystem (zum Beispiel abgeschätzt anhand der Anzahl verschiedener Lebensformtypen oder ökologischer Gilden).

Eine vollständige Charakterisierung der Biodiversität muss alle vier Ebenen einbeziehen.

Die CBD hat die Entwicklung von Indikatoren für Biodiversität der Biodiversity Indicators Partnership übertragen.<ref>Einen Überblick über den Stand der Indikatorenentwicklung bietet die Homepage der Biodiversity Indicators Partnership.</ref> Wichtige Indikatoren sind

Dabei handelt es sich aufgrund methodischer Schwierigkeiten teilweise nicht um Maßzahlen für die Biodiversität selbst, sondern um besser bekannte oder leichter messbare Ersatzgrößen, d. h. Indikatoren (eng.: indicators, proxies).

Zur Messung der Artenvielfalt in größerem Zusammenhang als dem der einzelnen Lebensgemeinschaft ist besonders der Ansatz von Whittaker bedeutsam. Nach Robert H. Whittaker (1960, 1977) wird Artendiversität in Alpha-, Beta-, Gamma-, Delta- und Epsilon-Diversität eingeteilt. Diese Einteilungen beschreiben Diversitätsmuster in Abhängigkeit von der beobachteten Fläche bzw. Flächenverteilungsmustern.<ref>www.redpath-museum.mcgill.ca </ref> kann erwartet werden, dass eine Erhöhung der Artenzahl (und/oder der genetischen Variabilität innerhalb der Populationen einer Art) eine stabilisierende Wirkung auf verschiedene Prozessparameter ökologischer Systeme hat. Mit Erhöhung der Artenzahl steigt die Wahrscheinlichkeit, dass mehrere Arten vorkommen, die eine sehr ähnliche ökologische Funktion ausüben können (funktionale Redundanz), sich jedoch in ihren Umwelttoleranzen unterscheiden. Damit sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass bei Veränderungen der Umweltbedingungen alle Arten lokal aussterben, die die fragliche Funktion erfüllen können.<ref name="Shigeo"/><ref>Vgl. Pieter J. den Boer: Spreading of risk and stabilization of animal numbers. Acta Biotheoretica 1968/18 (1–4): S. 165–194.</ref>

Eine hohe Artenzahl ist auch eine Bedingung dafür, dass in einem Ökosystem eine große Anzahl verschiedener ökologischer Funktionen übernommen werden kann (funktionale Diversität). Verändern sich die Umweltbedingungen, so kann eine zuvor wenig bedeutsame Funktion relevant werden. Wird beispielsweise ein zuvor extern reichlich mit reaktiven Stickstoffverbindungen versorgtes Ökosystem von der Stickstoffquelle abgeschnitten, steigt die Bedeutung Stickstoff-fixierender Organismen. In einem artenreichen Ökosystem ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass bereits Arten vorhanden sind, die diese Funktion ausüben können. Ebenso wird bei artenreichen Ökosystemen angenommen, dass die Nahrungsnetzbeziehungen stabiler sind.<ref>McCann, K. S.: The diversity-stability debate. Nature 2000/405: S. 228–233.</ref>

Wenn durch biologische Vielfalt – entsprechend der ökologischen Versicherungshypothese oder ähnlichen Mechanismen – eine Stabilisierung von Prozessen und Zuständen ökologischer Systeme erfolgt, kann der Biodiversität ein Versicherungswert zugeordnet werden. Dies ist zumindest immer dann der Fall, wenn von den Prozessen und Zuständen Ökosystemdienstleistungen abhängen. Durch eine hohe Biodiversität werden also Ökosystemdienstleistungen der Tendenz nach zuverlässiger nutzbar.<ref>R. Marggraf: Ökonomische Aspekte der Biodiversitätsbewertung. Peter Janich, Mathias Gutmann & K. Priess: Biodiversität – Wissenschaftliche Grundlagen und gesellschaftliche Relevanz. Springer, Berlin: S. 355–411; Sandra Rajmis: Wertschätzung von Biodiversität als Quelle ökologischer Versicherungsleistungen in Deutschland. In: Bundesamt für Naturschutz (Hg.): Treffpunkt Biologische Vielfalt VI. Aktuelle Forschung im Rahmen des Übereinkommens über die biologischen Vielfalt. Bundesamt für Naturschutz, Bonn-Bad Godesberg: S. 143–148; Stefan Baumgärtner: The insurance value of biodiversity in the provision of ecosystem services. Natural Resource Modeling 2007/20(1): S. 87–127.</ref> Umweltökonomisch betrachtet ist der Versicherungswert ein Optionswert angesichts einer ungewissen Zukunft, da das Ausmaß künftiger Störungen, die eine Stabilisierung erfordern, nicht bekannt ist.

Es kann auf verschiedene Art und Weise versucht werden, den Versicherungswert wirtschaftswissenschaftlich abzuschätzen. Das eine Verfahren zieht die Störanfälligkeit der Prozesse und Strukturen des Ökosystems heran und ermittelt die Auswirkung davon auf die Bereitstellung von Ökosystemdienstleistungen.<ref name=Lasse/> Da der Versicherungswert hier im Wesentlichen aus dem Verhalten ökologischer Systeme bei Störungen abgeleitet wird, kann die wirtschaftliche Quantifizierung mit Schwierigkeiten verbunden sein.<ref>Stefan Baumgärtner: The insurance value of biodiversity in the provision of ecosystem services. Natural Resource Modeling 2007/20(1): S. 87–127.</ref> Durch Störungen verursachte Veränderungen haben nämlich oft keinen linearen Effekt auf die Bereitstellung von Ökosystemdienstleistungen. Vielmehr erfolgen starke Veränderungen häufig erst, wenn eine bestimmte Schwelle, der sogenannte „tipping point“, überschritten wird. Die Wahrscheinlichkeit, den tipping point zu überschreiten, kann als Anhaltspunkt für den ökonomischen Wert herangezogen werden. Fundierte Kenntnisse in Hinblick auf den aktuellen Zustand des Systems, auf dessen Voraussetzungen sowie auf dessen spezifische Tipping-point-Bereiche sind für die dem Versicherungswert zugrunde liegende Einschätzung erforderlich.<ref name=Lasse>Lasse Loft, Alexandra Lux: Ecosystem Services – Ökonomische Analyse ihres Verlusts, ihre Bewertung und Steuerung (PDF; 2,1 MB) Projektbereich Ergebnis-Transfer und sozial-ökologische Aspekte klimabedingter Biodiversitätsveränderungen, Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE)</ref> Siehe hierzu auch Stabilitätskonzepte von Ökosystemen, insbesondere das der Resilienz.<ref>Siehe z.B. Crawford S. Holling: Resilience and stability of ecological systems. Annual Review of Ecology and Systematics 1973/4: S. 1–23.</ref>

Ein anderes Verfahren zur wirtschaftswissenschaftlichen Quantifizierung des Versicherungswerts nimmt eine direkte Bestimmung der Zahlungsbereitschaft der Bevölkerung vor. Eingesetzt werden dabei sozialwissenschaftliche Befragungsmethoden (stated preference methods) wie die kontingente Bewertung oder das Choice Experiment. Belege dafür, dass ein solcher Versicherungswert von der Bevölkerung als ökonomische Präferenz im Sinne einer Zahlungsbereitschaft anerkannt wird, liegen mittlerweile durch mehrere Untersuchungen aus Indonesien, Chile und Deutschland vor. <ref>Jan Barkmann, Klaus Glenk, Handian Handi, Leti Sundawati, Jan-Patrick Witte, Rainer Marggraf (2007): Assessing economic preferences for biological diversity and ecosystem services at the Central Sulawesi rainforest margin – a choice experiment approach. In: Teja Tscharntke, Christoph Leuschner, Manfred Zeller, Edi Guhardja, Arifuddin Bidin (Eds.) Stability of Tropical Rainforest Margins. Linking ecological, economic and social constraints of land use and conservation. Springer, Berlin, Seiten 181–208.</ref><ref>Claudia Cerda, Iason Diafas, Jan Barkmann, John Mburu, Rainer Marggraf (2007): WTP or WTA, or both? Experiences from two choice experiments for early planning stages. In: Jürgen Meyerhoff, Nele Lienhoff, Peter Elsasser (Eds.) Stated Preference Methods for Environmental Valuation: Applications from Austria and Germany. Metropolis Verlag, Marburg, Seiten 139–173.</ref><ref>Sandra Rajmis, Jan Barkmann, Rainer Marggraf: Pythias Rache: zum ökonomischen Wert ökologischer Risikovorsorge. GAIA 2010/19(2): S. 114–121.</ref> Ein weiteres Verfahren ist die Beobachtung des Entscheidungsverhaltens von Landnutzern. So konnte nachgewiesen werden, dass Bauern den Vorteil schätzen, den eine verringerte Schwankungsbreite des jährlichen Ernteertrages bei höherer Agrobiodiversität mit sich bringt: Sie bauen dann bevorzugt unterschiedliche Feldfrüchte (crop diversity) an.<ref>Salvatore Di Falco, Charles Perrings (2003) Crop Genetic Diversity, Productivity and Stability of Agroecosystems. A Theoretical and Empirical Investigation. Scottish Journal of Political Economy 50(2): 207–216.</ref> Der agronomische Wert der crop diversity wird jedoch durch gegenläufige Spezialisierungsvorteile begrenzt.<ref>Jean-Paul Chavas, Salvatore Di Falco (2012) On the Productive Value of Crop Biodiversity: Evidence from the Highlands of Ethiopia. Land Economics 88: 58–74</ref>

Wert für Pharmazie und Welternährung

Wirtschaftliche Bedeutung hat die Biodiversität außerdem als Reservoir von potenziellen Arznei-Wirkstoffen, von Nahrungsmittelpflanzen und von Genen für die landwirtschaftliche Sortenzüchtung, für biotechnologische Prozesse oder für bionische Entwicklungen (Optionswert).

Der Nutzen von pflanzlichen Arzneimitteln ist immens: Bereits heute sind über 20.000 Arten bekannt, von denen 1.400 potentiell als Krebsmittel von Bedeutung sind. Der wirtschaftliche Gesamtwert wurde 1987 auf über 40 Milliarden US-Dollar geschätzt. Die fortschreitende Verringerung der Biodiversität verringert dieses Potential massiv.<ref name=Hahn />

95,7 % der globalen Nahrungsmittelpflanzen stammen ursprünglich aus den tropischen und subtropischen Regionen, wo die Biodiversität besonders hoch ist. Insofern ist davon auszugehen, dass hier auch zukünftig für die Welternährung wertvolle genetische Ressourcen vorkommen. Insbesondere, da die Nahrungsmittelproduktion weltweit derzeit auf nur rund 30 Arten basiert, obwohl es ca. 30.000 essbare Pflanzen gibt. Die Spezialisierung auf wenige Getreide- und Gemüsesorten ist riskant. Es reicht nicht, genetische Vielfalt nur in Samenbanken zu bewahren. Wie für die Wildpflanzen gilt auch für alle Kulturpflanzen die Regel, dass nur eine ausreichende genetische Vielfalt langfristig vor unerwarteten Entwicklungen (wie z. B. Krankheiten oder Schädlingsbefall) schützt.<ref name=Hahn /><ref>Heiko H. Parzies: Die Ernährung der Welt. In: Süddeutsche Zeitung, 17. Mai 2010.</ref> Zudem wurde festgestellt, dass eine große Vielfalt an bestäubenden Insekten die Pollenverteilung besonders effektiv gestalten und damit zu höheren und sichereren Erträgen führen (Beispiel Kürbisanbau).<ref>Artenvielfalt steigert Nutzpflanzenertrag. In: Scinexx, 11. November 2008.</ref>

Während sich interessierte Wissenschaftler und Firmen-Vertreter in der Vergangenheit frei an der Biodiversität fremder Länder bedienen konnten ("Biopiraterie"), führte die Biodiversitäts-Konvention Eigentumsrechte eines Staates an seinen genetischen Ressourcen ein. Über einen Access and Benefit Sharing (ABS) genannten Mechanismus wird versucht, die Nutzung der genetischen Ressourcen zu erleichtern, gleichzeitig die Quellen-Länder der Biodiversität an deren wirtschaftlicher Nutzung teilhaben zu lassen.

Erhaltung der Gesundheit

Der Rückgang der Artenvielfalt kann die Prävalenz von Infektionskrankheiten in einem Ökosystem erhöhen.<ref name="PMID_21124449">Keesing, F. et al.: Impacts of biodiversity on the emergence and transmission of infectious diseases. In: Nature. 468, Nr. 7324, 2010, S. 647–652. PMID 21124449.</ref> Gefördert wird die Verbreitung von Krankheitserregern wie Viren, Bakterien und auch pathogenen Pilzen. Die Gesundheit von Menschen, aber auch von verbleibenden Tieren und Pflanzen, kann dadurch gefährdet werden.

Soziale Aspekte des Biodiversitätsverlusts

Vielfach treffen die Folgen einer abnehmenden Biodiversität als erstes die arme ländliche Bevölkerung, da sie häufig unmittelbar von Ökosystemdienstleistungen abhängig ist, die wiederum auf einer vielfältigen biologischen Umwelt oder der nachhaltigen Nutzung ihrer Elemente aufbauen. Ersatz für diese Ökosystemdienstleistungen ist diesen Bevölkerungsteilen oft nicht zugänglich oder nicht erschwinglich.<ref>Vgl. den UN Biodiversitätsbericht (PDF; 198 kB) Punkt 5 und 7.</ref>

Schutz der biologischen Vielfalt

Als geeignete Maßnahmen, der Abnahme der Biodiversität zu begegnen, gelten der Ersatz fossiler Brennstoffe und von Holz durch alternative Energiequellen, eine Vergrößerung geschützter Gebiete zur Bewahrung der primären Ökosysteme, insbesondere in den tropischen Regenwäldern, sowie die Erhaltung der jetzigen Diversität in Natur und Landwirtschaft.<ref name="pearson3" />

Konventionen

Eine Grundlage für den Schutz der Artenvielfalt stellt die UN-Biodiversitäts-Konvention (Convention on Biological Diversity (CBD)) dar, die 1992 auf dem Erdgipfel in Rio de Janeiro von 192 Mitgliedsstaaten beschlossen und unterzeichnet wurde. Weitere internationale Abkommen zum Schutz der biologischen Vielfalt sind die Ramsar-Konvention und das Washingtoner Artenschutzabkommen (CITES). In der CBD haben sich die Mitgliedsstaaten verpflichtet, den Verlust der biologischen Vielfalt aufzuhalten. Die drei Hauptziele sind: Der Schutz der Biodiversität, ihre nachhaltige Nutzung und der gerechte Ausgleich der sich aus der Nutzung (genetischer) Ressourcen ergebenden Vorteile.

Offizielle Strategien

Deutschland

Die Bundesregierung verabschiedete 2007 eine Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt. Sie setzt damit einen Auftrag der CBD um. Die Strategie benennt 330 Ziele und etwa 430 Maßnahmen und soll bis zum Jahr 2020 gelten. Im Kern soll der Rückgang der biologischen Vielfalt aufgehalten werden. Über die Umsetzung der Strategie wird der Bundestag regelmäßig unterrichtet.

Österreich

Die Biodiversitäts-Strategie Österreich 2020+ wurde im Rahmen von offenen thematischen Workshops in Zusammenarbeit Hunderter TeilnehmerInnen und unter Leitung des Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW) und Umweltbundesamt (Österreich) erarbeitet und im Dezember 2014 veröffentlicht. Die Umsetzung der Strategie und die Zielerreichung werden durch eine neu gegründete Nationale Biodiversitätskommission begleitet. Die österreichische Biodiversitätsstrategie beinhaltet 12 Ziele in 5 Handlungsfeldern, die sich an internationalen Zielsetzungen orientieren sowie einen umfangreichen Maßnahmenkatalog für den Erhalt der biologischen Vielfalt in Österreich.<ref>Biodiversitäts-Strategie Österreich 2020+ In: umweltbundesamt.at, 21. November 2015.</ref>

Europäische Union

Die Europäische Kommission veröffentlichte am 2. Mai 2011 eine eigene Biodiversitätsstrategie, mit der sie bis 2020 den Verlust der biologischen Vielfalt stoppen will.<ref>Mehr als Blumen und Bienen. Die Biodiversitätsstrategie der EU. In: europa.eu, 3. Mai 2011 .</ref> Die Strategie umfasst sechs Ziele:

Sonstiges

  • Die Vereinten Nationen haben den Internationalen Tag der biologischen Vielfalt seit dem Jahr 2000 auf den 22. Mai festgesetzt, den Tag der Verabschiedung der Konvention (zuvor war seit 1994 der 29. Dezember dafür benannt, der Tag ihres Inkrafttretens).
  • Das Jahr 2010 wurde von der UNO als Internationales Jahr der biologischen Vielfalt ausgerufen.

Siehe auch

Neuere Literatur

  • Bruno Baur: Biodiversität. UTB, Bern 2010, ISBN 978-3-8252-3325-9 (UTB 3325, UTB Profile).
  • Bundesamt für Naturschutz: Daten zur Natur 2008. (Schriftenreihe zum Zustand der Natur in Deutschland sowie zu getroffenen Maßnahmen zur Erhaltung der Biodiversität), Landwirtschaftsverlag, Münster 2008, ISBN 978-3-7843-3858-3.
  • Bundesamt für Naturschutz (Hg.), Thomas Potthast (Bearbeitung): Biodiversität – Schlüsselbegriff des Naturschutzes im 21. Jahrhundert? Bundesamt für Naturschutz, Bonn-Bad Godesberg 2007.
  • Felix Ekardt, Bettina Hennig: Ökonomische Instrumente und Bewertungen von Biodiversität. Metropolis Verlag, Marburg 2015, ISBN 978-3-7316-1120-2.
  • Forum Biodiversität Schweiz: Biodiversität in der Schweiz. Zustand, Erhaltung, Perspektiven. Wissenschaftliche Grundlagen für eine nationale Strategie. Haupt, Bern 2004, ISBN 3-258-06800-3.
  • Uta Eser, Ann-Kathrin Neureuther, Albrecht Müller: Klugheit, Glück, Gerechtigkeit. Ethische Argumentationslinien in der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt. Naturschutz und Biologische Vielfalt 107. Hrsg. Bundesamt für Naturschutz. Bonn-Bad Godesberg 2011, ISBN 978-3-7843-4007-4.
  • Kevin J. Gaston, John I. Spicer: Biodiversity. An Introduction. 2. Auflage, Nachdruck. Blackwell, Malden MA 2005, ISBN 1-4051-1857-1.
  • Carsten Hobohm: Biodiversität. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2000, ISBN 3-8252-2162-8 (UTB 2162 Biologie, Ökologie).
  • Peter Janich, Mathias Gutmann, K. Prieß: Biodiversität: wissenschaftliche Grundlagen und gesellschaftliche Relevanz. Springer, Berlin, 2002.
  • Thomas E. Lovejoy, Lee Jay Hannah (Hrsg.): Climate Change and Biodiversity. Yale University Press, New Haven CT 2006, ISBN 0-300-11980-1.
  • Josef H. Reichholf: Ende der Artenvielfalt? Gefährdung und Vernichtung der Biodiversität. Herausgegeben von Klaus Wiegandt. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-596-17665-6 (Fischer 17665).
  • Bruno Streit: Was ist Biodiversität? Erforschung, Schutz und Wert biologischer Vielfalt. Beck, München 2007, ISBN 978-3-406-53617-5.

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Biodiversität – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons Commons: Kategorie: „Biodiversität“ – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

<references />