Art (Biologie)


aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Wechseln zu: Navigation, Suche

Dieser Artikel wurde aufgrund von formalen und/oder inhaltlichen Mängeln in der Qualitätssicherung Biologie zur Verbesserung eingetragen. Dies geschieht, um die Qualität der Biologie-Artikel auf ein akzeptables Niveau zu bringen. Bitte hilf mit, diesen Artikel zu verbessern! Artikel, die nicht signifikant verbessert werden, können gegebenenfalls gelöscht werden.

Lies dazu auch die näheren Informationen in den Mindestanforderungen an Biologie-Artikel.

</div>

Die Art, auch Spezies oder Species<ref>Art. Lexikon der Biologie, Online-Ausgabe, abgerufen am 11. Dezember 2014.</ref> (abgekürzt oft spec., von lateinisch species ‚Art‘) ist die Grundeinheit der biologischen Systematik. Bislang gelang keine allgemeine Definition der Art, die die theoretischen und praktischen Anforderungen aller biologischen Teildisziplinen gleichermaßen erfüllt. Vielmehr existieren in der Biologie verschiedene Artkonzepte, die zu unterschiedlichen Klassifikationen führen. Historisch wie auch aktuell spielen drei Ansätze von Artkonzepten eine wichtige Rolle:

  • auf der Grundlage einer angenommenen Fortpflanzungsgemeinschaft (biologischer Artbegriff)
  • auf Grund der Annahme einer Gruppe von Individuen mit charakteristischen gemeinsamen Artmerkmalen, mithilfe derer die Zugehörigkeit zu einer Art klar abgrenzbar sein soll, und die anhand äußerer (morphologischer Artbegriff) oder erblicher Merkmale (phylogenetisches Artkonzept) bestimmt werden.

Das Problem der Artdefinition besteht aus zwei Teilproblemen:

  1. Gruppenbildung: Welche Individuen gehören zusammen?
  2. Rangbildung: Welche der zahlreichen, ineinander geschachtelten Gruppen abgestufter Ähnlichkeiten und Beziehungen wollen wir „Art“ nennen?<ref>Christopher D. Horvath: Discussion: Phylogenetic Species Concept: Pluralism, Monism, and History. In: Biology and Philosophy. Band 12, Nr. 2, 1997, S. 225–232, doi:10.1023/A:1006597910504</ref>

Die Hauptunterschiede der verschiedenen Artkonzepte liegen dabei auf der Ebene der Rangbildung. Eine Gruppe von Lebewesen unabhängig von ihrem Rang nennen Taxonomen eine Sippe oder ein Taxon.

Art als Taxon

Eine Art als Taxon ist eine gemäß den Regeln der Taxonomie und der biologischen Nomenklatur formal beschriebene und benannte Form von Lebewesen. Eine taxonomische Art stellt eine wissenschaftliche Hypothese dar und ist unabhängig von den jeweils zugrundegelegten Artkonzepten.<ref>Ernst Mayr: What is a Species, and What is Not? In: Philosophy of Science. Band 63, 1996, S. 262–277 (Volltext online).</ref> Die Art ist eine Rangstufe der klassischen, auf Carl von Linné zurückgehenden, Taxonomie. Einige rein merkmalsbezogen arbeitende Systematiker sind der Ansicht, Arten wären mehr oder weniger willkürlich zusammengestellte, künstliche Gruppen, nur die Individuen wären letztlich real: manche gehen dabei so weit, dass der Artbegriff, wie alle anderen Rangstufen, ihrer Ansicht nach besser abgeschafft werden sollte.<ref>F. Pleijel & G.W. Rouse (2000): Least-inclusive taxonomic unit: a new taxonomic concept for biology. Proceedings of the Royal Society London Series B 267: 627-630.</ref> Die meisten Biologen sind aber der Ansicht, dass Arten natürliche Einheiten mit realer Existenz darstellen; es gäbe dann Artkriterien, an denen sich reale Arten identifizieren ließen. Dieser Vorstellung liegt letztlich eine Unterscheidung zwischen durch Genfluss oder horizontalen Gentransfer geprägten Einheiten, unterhalb des Artniveaus, und den Arten, bei denen dies nicht zutrifft (engl.: lineages). Für viele Biologen, darunter Anhänger eines phylogenetischen Artkonzepts (vgl. unten), sind sie sogar die einzigen in diesem Sinne natürlichen taxonomischen Einheiten<ref>Kevin de Queiroz: The General Lineage Concept of Species and the Defining Properties of the Species Category. In In R. A. Wilson (editor): Species: New Interdisciplinary Essays. MIT Press, 1999. 978 0262731232 S. 49–89.</ref><ref>Fredrik Ronquist: Systematics – Charting the Tree of Life. In: Pablo Vargas, Rafael Zardoya (editors): The Tree of Life. Sinauer Associates, 2014. ISBN 978 1605352299.</ref>

Der wissenschaftliche Name einer Art (oft lateinischen oder griechischen Ursprungs) setzt sich nach der von Carl von Linné 1753 eingeführten binären Nomenklatur aus zwei Teilen zusammen, die beide kursiv geschrieben werden. Der erste Teil dieses Namens ist der groß geschriebene Gattungsname. Der zweite Teil wird immer klein geschrieben und in der Botanik und bei Prokaryoten als Epitheton („specific epithet“<ref>International Code of Nomenclature for algae, fungi, and plants (Melbourne Code) Article 23</ref><ref>International Code of Nomenclature of Bacteria: Bacteriological Code, 1990 Revision. Rule 12a, Names of Species</ref>) bezeichnet, in der Zoologie als Artname oder Artzusatz („specific name“<ref>International Code of Zoological Nomenclature online Artcle 5.1: Names of species.</ref>) Um Verwechslungen zwischen dem Artzusatz und dem gesamten Artnamen, also dem Binomen aus Gattungsname und Artzusatz, zu vermeiden, werden in der Zoologie entweder die eindeutigen englischen Begriffe verwendet oder hinzugefügt, oder gelegentlich und informell auch Begriffe wie „epithetum specificum“ oder „epitheton specificum“ verwendet.<ref>G. Becker (2001): Kompendium der zoologischen Nomenklatur. Termini und Zeichen, erläutert durch deutsche offizielle Texte. -- Senckenbergiana Lethaea 81 (1): 10 („epithetum specificum“), 12 („epitheton specificum“); Frankfurt am Main.</ref>

Beispiele

  • Bei der Rotbuche (Fagus sylvatica) bezeichnet der Namensteil Fagus die Gattung, sylvatica ist das Artepitheton.
  • Beim Löwen (Panthera leo) bezeichnet der Namensteil Panthera die Gattung, leo ist der Artname („specific name“).

Sowohl in der Botanik (Code Article 46) als auch in der Zoologie (Code Article 51) wird empfohlen, dem wissenschaftlichen Artnamen die Namen der Autoren beizufügen, die die Art beschrieben haben, zumindest, wenn es um taxonomische oder nomenklatorische Fragen geht. Dies ist zum Beispiel wichtig, um Homonyme zu erkennen, das sind Fälle, in denen zwei Autoren versehentlich zwei verschiedene Arten mit demselben Namen benannt haben. Im Geltungsbereich des International Code of Botanical Nomenclature wird es empfohlen, die Autorennamen abzukürzen, wobei in der Regel das Namensverzeichnis von Brummit und Powell als Grundlage dient (vergleiche Artikel Autorenkürzel der Botaniker und Mykologen), „L.“ steht beispielsweise für Linné.

  • Beispiel: Shiitake Lentinula edodes (Berk.) Pegler
    Miles Josef Berkeley hat die Art zuerst beschrieben, David Norman Pegler hat sie in das heute gültige System eingeordnet.

Nach den Regeln des International Code of Zoological Nomenclature sollen zumindest einmal in jedem wissenschaftlichen Text dem Artnamen die Autor(en) und das Jahr der Publikation hinzugefügt werden (Code Recommendation 51a). Wenn im entsprechenden Fachgebiet zwei Autoren mit demselben Nachnamen tätig waren, soll der abgekürzte Vorname hinzugefügt werden, um Eindeutigkeit herzustellen. Wenn die Art heute in eine andere Gattung gestellt wird als in die, in der sie ursprünglich beschrieben wurde, müssen Autor(en) und Jahr in Klammern gesetzt werden (Code Articel 51.3). Zwischen Autor und Jahr wird in der Regel ein Komma gesetzt.

  • Beispiel: Löwe Panthera leo (Linnaeus, 1758)
    Carl Nilsson Linnæus hat die Großkatze zuerst und als Felis leo beschrieben. Wer sie zuerst in die heute meist für den Löwen verwendete Gattung Panthera Oken, 1816 gestellt hat, ist in der Zoologie nicht relevant. Statt Linnæus wird Linnaeus geschrieben, da der Autor in lateinischen Buchstaben angegeben werden soll (Code Recommendation 51B).

Historisches

Die Philosophen der Antike kannten noch keine systematischen Konzepte und somit keinen Artbegriff im heutigen Sinne. Von Aristoteles sind als erstem Philosophen Schriften bekannt, in denen zwei getrennte – allgemein philosophisch zu verstehende – Begriffe είδος (eidos, ins Deutsche mit „Art“ übersetzt) und γένος (genos, deutsch „Gattung“) voneinander abgrenzt werden. In seinen Kategorien charakterisiert er an Hand eines Beispiels aus der Welt der Lebewesen diese als zweite Wesenheiten (δεύτεραι ουσίαι), die in dem Einzelnen vorhanden sind. So ist ein einzelner Mensch in der Art Mensch vorhanden und ein einzelnes Pferd in der Art Pferd, beide gehören jedoch zur Gattung des Lebenden (ζῷον zoon).<ref>Aristoteles: Organon, Lehre von den Kategorien, Fünftes Kapitel (Αριστοτέλης: Κατηγορίαι). Die Wesenheit, welche vorzugsweise und zuerst und hauptsächlich so genannt wird, ist diejenige, welche weder von irgend einem Substrate ausgesagt wird, noch in irgend einem Substrate ist, z. B. der bestimmte Mensch oder das bestimmte Pferd. Zweite Wesenheiten werden sowohl die Arten genannt, in denen, als in ihren Arten, die zuerst genannten Wesenheiten vorhanden sind, als auch die Gattungen dieser Arten; z. B. der bestimmte Mensch ist in dem Menschen vorhanden, als in seiner Art, die Gattung aber der Art ist das Lebende; zweite Wesenheiten werden nun diese genannt, wie der Mensch und das Lebende. Albert Gustav Heydemann (Hrsg. und Übers.): Die Kategorien des Aristoteles. G. Reimer Verlag, Berlin 1834. S. 3. (online). Οὐσία δέ ἐστιν ἡ κυριώτατά τε καὶ πρώτως καὶ μάλιστα λεγομένη, ἣ μήτε καθ' ὑποκειμένου τινὸς λέγεται μήτε ἐν ὑποκειμένῳ τινί ἐστιν, οἷον ὁ τὶς ἄνθρωπος ἢ ὁ τὶς ἵππος. δεύτεραι δὲ οὐσίαι λέγονται, ἐν οἷς εἴδεσιν αἱ πρώτως οὐσίαι λεγόμεναι ὑπάρχουσιν, ταῦτά τε καὶ τὰ τῶν εἰδῶν τούτων γένη· οἷον ὁ τὶς ἄνθρωπος ἐν εἴδει μὲν ὑπάρχει τῷ ἀνθρώπῳ, γένος δὲ τοῦ εἴδους ἐστὶ τὸ ζῷον· δεύτεραι οὖν αὗται λέγονται οὐσίαι, οἷον ὅ τε ἄνθρωπος καὶ τὸ ζῷον. Αριστοτέλης: Κατηγορίαι, Κεφάλαιον 5 (Wikisource).</ref>

In seiner Historia animalium (Περί τα ζώα ιστοριών) wendet Aristoteles die Begriffe είδος und γένος auch auf das Tierreich an, ohne dabei jedoch eine taxonomische Ordnung aufzustellen. Vielmehr spricht er von der Überlappung von Eigenschaften der Tierarten (ἐπάλλαξις epállaxis) und der Notwendigkeit, eine einzelne Art an Hand mehrerer nebengeordneter Merkmale zu definieren. Dennoch beschäftigt er sich bei der Beschreibung der Arten mit einzelnen charakteristischen Merkmalen.<ref>Wolfgang Kullmann: Aristoteles' wissenschaftliche Methode in seinen zoologischen Schriften. In: Georg Wöhrle (Hrsg.): Geschichte der Mathematik und der Naturwissenschaften in der Antike. Band 1. Biologie. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 1999. S. 103–123. Hier S. 110.</ref> Der Begriff είδος wird auch nicht im Sinne eines heutigen Artbegriffes konsequent als unterste Kategorie zwischen dem einzelnen Lebewesen und γένος verwendet, vielmehr kann die Bedeutung meist am besten mit „Form“, „Gestalt“ oder „Wesen“ wiedergegeben werden, während Tierarten in der Regel mit γένος bezeichnet werden.<ref>D. M. Balme: Genos and Eidos in Aristotle's Biology. The Classical Quarterly, New Series, Vol. 12, No. 1 (Mai 1962), S. 81–98, Cambridge University Press, Article Stable URL: jstor</ref><ref>Αριστοτέλης: Περί τα ζώα ιστοριών. In: Aristotelis Opera. Walter de Gruyter, Berlin 1960. (Αριστοτέλης: Των περί τα ζώα ιστοριών, Original online auf Wikisource.)</ref>

Laut biblischer Schöpfungs­geschichte im 1. Buch Mose schuf Gott zwischen dem 3. und 6. Schöpfungstag die Pflanzen und Tiere, „ein jegliches (jedes) nach seiner Art“ (zehnmal Zitat „nach seiner Art“, Genesis 1,11–27 LUT, zu verstehen als „Wesensart“, hebräisch min מין bzw. למינה, Genesis 1,11–27 OT). In der Septuaginta wird מין mit γένος (κατὰ γένος „nach/gemäß der Art“, Genesis 1,11–27 LXX) übersetzt, in der Vulgata dagegen uneinheitlich, manchmal mit genus und manchmal mit species, wobei auch die Präpositionen wechseln (secundum speciem suam, secundum species suas, in species suas, juxta genus suum, secundum genus suum, in genere suo, Genesis 1,11–27 VUL). Es wird hier auch eine Aussage zur Fortpflanzung der Pflanzen und Tiere „nach ihrer Art“ getroffen, indem Gott in Genesis 1,11 LUT spricht: „Es lasse die Erde aufgehen Gras und Kraut, das Samen bringe, und fruchtbare Bäume auf Erden, die ein jeder nach seiner Art Früchte tragen, in denen ihr Same ist“, sowie in Genesis 1,22 LUT zu den Tieren des Wassers und der Luft: „Seid fruchtbar und mehret euch.“

Diese biblischen Aussagen wie auch Aristoteles waren bis in die Neuzeit prägend für die Vorstellungen der Gelehrten des Abendlandes. Pierre Duhem führte 1916 für die philosophische Auffassung vom Wesen oder der „Essenz“ eines Individuums den Begriff des Essentialismus ein.<ref>Pierre Maurice Marie Duhem: Le système du monde: histoire des doctrines cosmologiques de Platon à Copernic, Tome VI : Le reflux de l'aristotélisme (Henri de Gand, Duns Scot, l'essentialisme, les deux vérités...). Hermann, Paris 1916, S. 451–509. (10 Bände, 1913–1959).</ref> Nach Auffassung von Ernst Mayr passten der Schöpfungsglaube und die letztendlich auf Platon zurückgehende Vorstellung von einer „unveränderlichen Essenz“ (είδος als Wesen) gut zusammen und bildeten die Grundlage für einen „essentialistischen Artbegriff“, wie er vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert hinein dominierte. Hiernach gehören alle Objekte, welche dieselbe Essenz gemeinsam haben, derselben Art an.<ref name=mayr2002-185f>Ernst Mayr: Die Entwicklung der biologischen Gedankenwelt – Vielfalt, Evolution und Vererbung. Springer Verlag, Berlin / Heidelberg 2002. Der essentialistische Artbegriff, S. 185f.</ref> Laut Mayr war „ Art besitzt zwei Eigenschaften, durch die sie sich grundlegend von allen anderen taxonomischen Kategorien, etwa dem Genus, unterscheidet. Erstens einmal erlaubt sie eine nichtwillkürliche Definition – man könnte sogar soweit gehen, sie als „selbstoperational“ zu bezeichnen –, indem sie das Kriterium der Fortpflanzungsisolation gegenüber anderen Populationen hervorhebt. Zweitens ist die Art nicht wie alle anderen Kategorien auf der Basis von ihr innewohnenden Eigenschaften, nicht aufgrund des Besitzes bestimmter sichtbarer Attribute definiert, sondern durch ihre Relation zu anderen Arten.“<ref>Ernst Mayr: Evolution und die Vielfalt des Lebens, Springer-Verlag, 1979, ISBN 3-540-09068-1, S. 234f.</ref> Das hat – zumindest nach der Mehrzahl der Interpretationen – zur Folge, dass Arten nicht Klassen sind, sondern Individuen.<ref>Rolf Löther: Die Beherrschung der Mannigfaltigkeit. Philosophische Grundlagen der Taxonomie. Gustav Fischer, Jena 1972; Michael T. Ghiselin: A radical solution to the species problem. Systematic Zoology 1974/23: S. 536–544; David L. Hull: Are species really individuals? Systematic zoology 1976/25: S. 174–191.</ref>

Das Kriterium der Fortpflanzungsfähigkeit bildet den Kern des biologischen Artbegriffs oder der Biospezies. Eine Biospezies ist eine Gruppe sich tatsächlich oder potentiell miteinander fortpflanzender Individuen, die voll fertile Nachkommen hervorbringen:

  • Eine Art ist eine Gruppe natürlicher Populationen, die sich untereinander kreuzen können und von anderen Gruppen reproduktiv isoliert sind.

Dabei sollen die Isolationsmechanismen zwischen den einzelnen Arten biologischer Natur sein, also nicht auf äußeren Gegebenheiten, räumlicher oder zeitlicher Trennung basieren, sondern Eigenschaften der Lebewesen selbst sein:

  • Isolationsmechanismen sind biologische Eigenschaften einzelner Lebewesen, die eine Kreuzung von Populationen verschiedener sympatrischer Arten verhindern.

Die Kohäsion der Biospezies, ihr genetischer Zusammenhalt, wird durch physiologische, ethologische, morphologische und genetische Eigenschaften gewährleistet, die gegenüber artfremden Individuen isolierend wirken. Da die Isolationsmechanismen verhindern, dass nennenswerte zwischenartliche Bastardisierung stattfindet, bilden die Angehörigen einer Art eine Fortpflanzungsgemeinschaft; zwischen ihnen besteht Genfluss, sie teilen sich einen Genpool und bilden so eine Einheit, in der evolutionärer Wandel stattfindet.

Datei:Tigon4.jpg
Tigon (Vater Tiger, Mutter Löwe)

Beispiele:

  • Pferd und Esel sind zwar kreuzbar (Maultier, Maulesel), haben aber aufgrund einer genetischen Barriere keine fruchtbaren Nachkommen, bilden damit verschiedene Biospezies.
  • Löwe und Tiger sind zwar unter künstlichen Bedingungen (Zoo) kreuzbar, (Großkatzenhybride: Liger Tigon) und haben im Zoo unter Umständen auch fruchtbare Nachkommen. In der Natur leben sie zwar teilweise in gemeinsamen Verbreitungsgebieten, natürliche Hybriden wurden bisher jedoch nicht nachgewiesen, was den Schluss nahelegt, dass sie sich nicht verpaaren. Sie gelten aufgrund ethologischer Barrieren als verschiedene Biospezies.

Problematik

  • Geographisch deutlich getrennte Populationen sind, da sie sich in der Natur nicht kreuzen können, nach dem biologischen Artkonzept schwierig zu fassen. Nach der Theorie der allopatrischen Artbildung sind sie quasi „Arten im Entstehungsprozess“. Eine prinzipielle Schwierigkeit besteht eigentlich nicht, da die Frage experimentell entschieden werden kann (wenn keine biologischen Isolationsmechanismen evolviert sind, ist es noch dieselbe Art). Allerdings neigt das phylogenetische Artkonzept (s.u.) dazu, solche Populationen immer als getrennte Arten zu fassen.
  • Das biologische Artkonzept enthält in der ursprünglichen Fassung keinen Zeitbegriff. Untereinander kreuzen können sich evidenterweise nur gleichzeitig lebende Organismen. Ein Kriterium, ob früher lebende Organismen zur selben Art zu zählen sind oder nicht, wird dadurch nicht gegeben (im Extremfall bereits die vorjährigen Individuen einer Art mit einjährigem Entwicklungszyklus). Spätere Erweiterungen des Konzepts (zuerst wohl Simpson 1951<ref>Simpson, George G.: The species concept. Evolution 5(4) (1951): 285-298</ref>) versuchten, dies durch Bezug auf evolutionär definierbare Einheiten zu überwinden.
  • Arten, die sich nur ungeschlechtlich vermehren, werden durch die Definition des biologischen Artkonzepts nicht erfasst. Sie werden als Agamospezies bezeichnet. Hierzu gehören einige Protisten, einige Pilze, einige Pflanzen, wie die kultivierte Form der Banane (siehe hierzu auch Genet), sowie einige Tiere (mit parthenogenetischer Vermehrung). Agamospezies haben auch keinen Genpool und sind somit auch nach dem populationsgenetischen Artkonzept keine Arten.
  • Viele Tier- und Pflanzenarten kreuzen sich auch in der Natur untereinander fruchtbar (Introgression), wie zum Beispiel verschiedene Steinkorallenarten oder Mehlbeer-Bäume sowie verschiedene Arten aus der Familie der Lebendgebärenden Zahnkarpfen jeweils innerhalb einer Gattung, wie beispielsweise Platy und Schwertträger in der Gattung Xiphophorus. Orchideen können sich zum Teil sogar über Gattungsgrenzen hinweg fruchtbar kreuzen. Diese Hybriden sind in der Natur in der Minderheit, die verschiedenen morphologisch beschriebenen Orchideenarten bleiben daher nach dem morphologischen Artkonzept unterscheidbar. Nach dem biologischen Artkonzept handelt es sich dann um getrennte Arten, wenn sich Isolationsmechanismen herausgebildet haben, die eine Hybridisierung normalerweise verhindern, auch wenn sie physiologisch möglich wäre, z. B. klimabedingte Unterschiede bei Tieren in der Fortpflanzungszeit oder bei Pflanzen in der Blütezeit. Diese Mechanismen können zusammenbrechen (z. B. durch menschliches Eingreifen oder drastische Änderungen der Umwelt durch Klimaveränderungen). Dadurch werden dem Konzept nach vorher getrennte Arten wieder zu einer Art (z. B. bei manchen Orchideenarten in Mitteleuropa beobachtet). Derselbe Vorgang kann aber auch natürlich ablaufen (introgressive Hybridisierung).

Das biologische Artkonzept findet häufig Verwendung in der Ökologie, Botanik und Zoologie, besonders in der Evolutionsbiologie. In gewisser Weise bildet es das Standardmodell, aus dem die anderen modernen Artkonzepte abgeleitet sind oder gegen welches sie sich in erster Linie abgrenzen. Die notwendigen Charaktere (Fehlen natürlicher Hybriden bzw. gemeinsamer Genpool) sind bisweilen umständlich zu überprüfen, in bestimmten Bereichen, wie etwa in der Paläontologie, versagen biologische bzw. populationsgenetische Artabgrenzungen weitgehend.

Phylogenetisches oder evolutionäres Artkonzept

Nach diesem Konzept wird eine Art als (monophyletische) Abstammungsgemeinschaft aus einer bis vielen Populationen definiert. Eine Art beginnt nach einer Artspaltung (siehe Artbildung, Kladogenese) und endet

  1. wenn alle Individuen dieser Art, ohne Nachkommen zu hinterlassen, aussterben oder
  2. wenn aus dieser Art durch Artspaltung zwei neue Arten entstehen.

Phylogenetische Anagenese ist die Veränderung einer Art im Zeitraum zwischen zwei Artspaltungen, also während ihrer Existenz. Solange keine Aufspaltung erfolgt, gehören alle Individuen zur selben Art, auch wenn sie unter Umständen morphologisch unterscheidbar sind.

Das phylogenetische Artkonzept beruht auf der phylogenetischen Systematik oder „Kladistik“ und besitzt nur im Zusammenhang mit dieser Sinn. Im Rahmen des Konzepts sind Arten objektive, tatsächlich existierende biologische Einheiten. Alle höheren Einheiten der Systematik werden nach dem System „Kladen“ genannt und sind (als monophyletische Organismengemeinschaften) von Arten prinzipiell verschieden. Durch die gabelteilige (dichotome) Aufspaltung besitzen alle hierarchischen Einheiten oberhalb der Art (Gattung, Familie etc.) keine Bedeutung, sondern sind nur konventionelle Hilfsmittel, um Abstammungsgemeinschaften eines bestimmten Niveaus zu bezeichnen. Der wesentliche Unterschied liegt weniger in der Betrachtung der Art als in derjenigen dieser höheren Einheiten. Nach dem phylogenetischen Artkonzept können sich Kladen überlappen, wenn sie hybridogenen Ursprungs sind.

Problematik

  • Jede Art und jede Artaufspaltung in diesem Modell muss zunächst, dem typologischen oder dem biologischen Artkonzept folgend, definiert werden. Dabei können die beim jeweiligen Artkonzept bereits besprochenen Schwierigkeiten auftreten. Das phylogenetische Artkonzept vereinfacht lediglich die Betrachtung zwischen zwei Artaufspaltungen, indem alle Populationen dieser Zeitspanne zu einer Art zusammengefasst werden. Ernst Mayr meint daher: „Es gibt nur zwei Art-Konzepte, alles andere sind Definitionen“ (siehe unter „Zitate“).

Zusätzlich kommen folgende Schwierigkeiten hinzu:

  • Eine monophyletische Abstammungsgemeinschaft ist nicht unbedingt erkennbar. Der fehlende Nachweis morphologischer und genetischer Unterschiede kann eine bereits erfolgte Aufspaltung nicht ausschließen.
  • Phylogenetische Aufgabelungen sind oft nicht symmetrisch und sind in einer der beiden abgespalteten Linien zuweilen ohne genetische und morphologische Folgen. Die Artgrenzen des phylogenetischen Artkonzepts können daher kaum nachvollziehbar, zu bestimmten Zeitpunkten, sich fertil kreuzende und morphologisch einheitliche Populationen trennen. Wenn eine kleine Gruppe einer Art von einem Kontinent auf eine Insel verfrachtet wird und dort z. B. aufgrund von starker Selektion schnelle Artbildung einsetzt – warum sollte dann aus den, auf dem Kontinent zurückgebliebenen Lebewesen der Ursprungsart, die sich unter Umständen nicht oder nicht nachweisbar verändern, eine neue Art werden?
  • Die Evolution vieler Taxa verläuft reticulat, das heißt vernetzt, und nicht linear sich aufgabelnd. Morphospezies und Biospezies können (zumindest in Einzelfällen) auf verschiedene Abstammungslinien zurückgehen und daher para- oder polyphyletisch sein.

Chronologisches Artkonzept

Belege Dieser Artikel oder nachfolgende Abschnitt ist nicht hinreichend mit Belegen (beispielsweise Einzelnachweisen) ausgestattet. Die fraglichen Angaben werden daher möglicherweise demnächst entfernt. Bitte hilf der Wikipedia, indem du die Angaben recherchierst und gute Belege einfügst. Näheres ist eventuell auf der Diskussionsseite oder in der Versionsgeschichte angegeben. Bitte entferne zuletzt diese Warnmarkierung.

Ein weiterer Versuch, Arten in der Zeit klar abzugrenzen, ist das chronologische Artkonzept (Chronospezies). Auch hier wird die Art zunächst anhand eines anderen Artkonzepts definiert (meist das morphologische Artkonzept). Und dann werden nach den Kriterien dieses Konzepts auch die Artgrenzen zwischen in einer Region aufeinanderfolgenden Populationen definiert. Dieses Konzept findet vorwiegend in der Paläontologie Anwendung und ist daher in der Regel eine Erweiterung des morphologischen Artkonzeptes um den Faktor Zeit:

Eine Art wird durch eine Sequenz zeitlich aufeinander folgender Populationen charakterisiert, deren Individuen innerhalb einer bestimmten morphologischen Variationsbreite liegen.

Dieses Konzept ist dann gut anwendbar, wenn praktisch lückenlose Fundfolgen vorliegen. Die beim morphologischen Artkonzept bereits besprochenen Probleme können auftreten.

Auswirkungen der Kriterien für Artabgrenzungen und der Wahl des Artkonzepts

Seit Darwin ist die Ebene der Art gegenüber unterscheidbaren untergeordneten (Lokalpopulationen) oder übergeordneten (Artengruppen bzw. höheren Taxa) nicht mehr besonders ausgezeichnet. Innerhalb der Taxonomie unterliegt die Artabgrenzung Moden und persönlichen Vorlieben, es gibt Taxonomen, die möglichst jede unterscheidbare Form in den Artrang erheben wollen („splitter“) und andere, die weitgefasste Arten mit zahlreichen Lokalrassen und -populationen bevorzugen („lumper“). Auch das verwendete Artkonzept wirkt sich auf die Artenzahl aus. Es kann gezeigt werden, dass bei Verwendung des phylogenetischen Artkonzepts mehr Arten unterschieden werden als beim biologischen Artkonzept. Die Vermehrung der Artenzahl, z. B. innerhalb der Primaten, die ausschließlich auf das verwendete Artkonzept zurückgehen, ist als „taxonomische Inflation“ bezeichnet worden.<ref>Nick J. B. Isaac, James Mallet, Georgina M. Mace: Taxonomic inflation: its influence on macroecology and conservation. In: Trends in Ecology and Evolution, Band 19, Nr. 9, 2004, S. 464–469.</ref> Dies hat Folgen für angewandte Bereiche, wenn diese auf einem Vergleich von Artenlisten beruhen. Es ergeben sich unterschiedliche Verhältnisse beim Vergleich der Artenzahlen zwischen verschiedenen taxonomischen Gruppen, geographischen Gebieten, beim Anteil der endemischen Arten und bei der Definition der Schutzwürdigkeit von Populationen bzw. Gebieten im Naturschutz.

Literatur

  • Neil A. Campbell: Biologie. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 1997, S. 476 ff. ISBN 3-8274-0032-5
  • Werner Kunz: Was ist eine Art? In der Praxis bewährt, aber unscharf definiert. In: Biologie in unserer Zeit. Wiley-VCH, Weinheim 32.2002,1, S. 10–19. ISSN 0045-205X
  • Ernst Mayr: Das ist Leben – die Wissenschaft vom Leben. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 1997. ISBN 3-8274-1015-0
  • Ernst Mayr: Animal Species and Evolution. Belknap of Harvard University Press, Cambridge 1963, 61977; Artbegriff und Evolution. Parey, Hamburg-Berlin 1967 (deutsch).
  • Ernst Mayr: Grundlagen der zoologischen Systematik, Blackwell Wissenschaftsverlag, Berlin 1975, ISBN 3-490-03918-1
  • Ernst Mayr: Evolution und die Vielfalt des Lebens, Springer-Verlag, 1979, ISBN 3-540-09068-1
  • Peter Ax: Das Phylogenetische System. Urban & Fischer Bei Elsevier, 1997. ISBN 3-437-30450-X
  • Peter Ax: Systematik in der Biologie, Verlag Gustav Fischer, Stuttgart 1988, ISBN 3-437-20419-X
  • Ernst Mayr: Eine Neue Philosophie der Biologie. R. Piper GmbH & Co. KG, München 1991. ISBN 3-492-03491-8. Originalausgabe: Toward a New Philosophy of Biology. The Belknap Press of Harvard University Press, Cambridge, Massachusetts und London 1988.
  • Michael Ruse (hrsg.): What the Philosophy of Biology is – Essays dedicated to David Hull. Kluwer Academic Publishers, Dordrecht 1989. ISBN 90-247-3778-8. Für die Diskussion von Spezies besonders: J. Cracraft, M. T. Ghiselin, P. Kitcher, E. O. Wiley and M. B. Williams
  • Peter Heuer: Art, Gattung, System: Eine logisch-systematische Analyse biologischer Grundbegriffe. Verlag Karl Alber, Freiburg i. Br. 2008, ISBN 978-3-495-48333-6

Für detaillierte und aktuelle Diskussionen spezieller Themen:

  • Robert A. Wilson (hrsg.): Species – New Interdisciplinary Essays. The MIT Press, Cambridge, Massachusetts, London 1999. ISBN 0-262-23201-4
  • Elliot Sober: Philosophy of Biology. Westview Press 2000 (second edition). ISBN 0-8133-9126-1
  • Rainer Willmann: Die Art in Raum und Zeit. Das Artkonzept in der Biologie und Paläontologie, Parey, Hamburg 1985, ISBN 3-489-62134-4

Weblinks

Einzelnachweise

<references />