College
Colleges (lateinisch collegium academiae, Studiengemeinschaft) sind Bildungseinrichtungen unterschiedlichen Typs in Ländern, in denen Englisch die Amts- oder vorrangige Verkehrssprache ist, so beispielsweise in England und den USA. Teilweise werden sehr unterschiedliche Bildungseinrichtungen als College bezeichnet. So wird in den USA oft auch eine Hochschule so genannt, kann aber als Community College auch eine sonstige Institution zur Berufsausbildung bezeichnen. In Großbritannien und Irland können darunter sowohl eine Schule als auch eine Hochschule oder gar nur Teile davon verstanden werden.
In Frankreich bezeichnet Collège die école secondaire, die in etwa der Sekundarstufe I entspricht; im Deutschen ist Kolleg ein regional unterschiedlich verwendeter Begriff für eine Lerninstitution, beispielsweise Berufskolleg.
Inhaltsverzeichnis
USA, Kanada
College als Hochschule
In den meisten Fällen bezeichnet der Begriff College in den USA und Kanada eine tertiäre Bildungseinrichtung, also eine Hochschule. Das kanadische tertiäre Bildungssystem gleicht im Wesentlichen dem US-amerikanischen. In Kanada unterliegen im Gegensatz zu den USA praktisch alle Colleges und Universitäten einem einheitlichen staatlichen Qualitätskontrollsystem und die meisten davon sind Mitglied in der Association of Universities and Colleges of Canada (AUCC), weshalb der Standard der kanadischen Universitäten als gleichmäßiger gilt als jener in den USA. In aller Regel wird an Colleges kursbasierte (Ein-)Fach-Ausbildung und an Universitäten forschungsbasierte Bildung angeboten, weshalb – auch wegen sehr großer Unterschiede in der Qualität der Lehre und damit des Rufs (Hochschulranking) – der Abschluss an einer Universität allgemein als höherwertig angesehen wird als jener an einem College. Auch ist in der Regel ein späterer Wechsel von course-based Ausbildungen (Bachelor) zu research-based Studien (Bachelor Honours) praktisch unmöglich, lediglich in Ausnahmefällen durch nachträgliche Studienleistungen und Prüfungen.
Als einziges allgemein gültiges Bewertungssystem für die Qualität einer Hochschule, ihrer Lehre und Absolventen gilt in den USA und in Kanada das Hochschulranking. Beispielsweise finden sich im langjährigen Durchschnitt die Harvard University in den USA und die McGill University in Kanada jeweils auf Platz 1 (World’s Best Universities).
Vor allem solche Institutionen werden als College geführt, die sogenannte Undergraduate Studies anbieten, also Studiengänge, die in der Regel nach drei (häufiger) oder vier (seltener) Jahren zu einem Bachelor, oder vergleichbaren ersten akademischen Abschluss führen. Der mindestens vierjährige Bachelor Honours (wissenschaftliches Diplomstudium mit Bachelor Thesis) wird praktisch nur an Universitäten angeboten.
Einerseits können Colleges eigenständige Einrichtungen sein, also Institute, die ausschließlich diese Undergraduate-Programme anbieten. Seltener kann mit College aber auch ein jeweils ausbildungsrechtlich unabhängiger Teil einer größeren Universität gemeint sein, welche die Undergraduate-Abschlüsse anbieten, während die Universität zugleich darauf aufbauende Master-Studiengänge anbietet, wobei die Zulassungsbedingungen zum Master recht unterschiedlich sein können. Beispielsweise wird häufig an Eliteuniversitäten ein universitärer Bachelor Honours, mit mindestens cum laude Abschluss, verlangt.
Daraus ergibt sich auch die heutige Ausbildungspraxis in den USA bzw. in Kanada: Größere Hochschulen, die in der Wissenschaft und Forschung tätig sind, müssen aus mehreren Fakultäten bestehen und unterschiedliche wissenschaftliche Bildung bzw. Studiengänge anbieten, sind in der Regel Universitäten (University), während Einrichtungen, die ausbildungsorientierte Three-Years- (häufiger) oder Four-Years- (seltener) (Fach-)Bachelor-Studiengänge anbieten, als College zugelassen sind. Allerdings bezeichnen sich einige, mittlerweile größere Hochschulen aus historischen Gründen weiterhin auch als College (z. B. die Universität Dartmouth College).
Im ersten Jahr werden mancherorts die Studenten umgangssprachlich oft als Frischlinge (freshmen) bezeichnet, weniger informell als (frei übersetzt) Erstsemesterstudenten (first year students), im zweiten Studienjahr als sophomores, im dritten als Junioren (juniors) und im vierten als Senioren (seniors). Eine Ausnahme bilden die Militärakademien, die stattdessen oder zusätzlich die Bezeichnungen plebes, yearlings, cows und firsties verwenden.
Möchten Bachelor-Absolventen nach dem Erhalt des ersten akademischen Grades, des Bachelors, weiterstudieren, können sie sich an einer graduate school bzw. an einer Universität für ein Master-Studium bewerben, auch um dort den PhD zu erwerben, der zum Tragen eines Doktorgrads berechtigt. Jedoch sind die Zulassungsbedingungen sehr unterschiedlich. Manche Spitzenuniversitäten verlangen beispielsweise neben einem universitären Bachelor Honours-Abschluss zusätzlich ein umfassendes Motivationsschreiben, schriftliche Referenzen von früheren Professoren und ein wissenschaftliches Master Thesis proposal. Für berufsnahe Studienfächer wie klinische Medizin, Betriebswirtschaftslehre (business) oder Rechtswissenschaften (Jura) wechselt man in der Regel auf eine professional school, wobei es in diesen Fachbereichen auch Bachelor-Abschlüsse gibt.
Das Studium am College ist traditionell stärker schulisch strukturiert als an den Hochschulen im deutschen Sprachraum vor dem Bologna-Prozess; es besteht Anwesenheitspflicht. In den USA gibt es sowohl staatliche als auch private Colleges. An beiden Einrichtungen werden Studiengebühren (fees and tuition) erhoben (etwa zwischen $2.000 und $30.000, an Eliteinstitutionen ab $35.000 pro Jahr), in vielen Fällen zu 100 % unterstützt durch staatliche Studienfinanzierung, je nach finanzieller Situation der Familie, genannt Federal Student Aid oder Student Financial Aid, wobei die Gebühren an privaten Colleges in der Regel höher sind als an staatlichen.
Weitere Bedeutungen
Neben der beschriebenen Form bieten Colleges auch zweijährige Ausbildungen an, beispielsweise an staatlich finanzierten Community Colleges, mit typischerweise berufsbildenden Programmen, die mit Certificates, Diplomas oder auch einem Associate Degree abgeschlossen werden. Letztgenannte, sogenannte Associate-Programme, dienen der Vermittlung von berufsspezifischem Wissen, seltener auch als Vorbereitung zum Besuch eines vierjährigen Colleges und ersetzen gleichzeitig oftmals die ersten beiden Studienjahre. Community Colleges bieten Transfer-Programme an, die es Studenten erlauben, nach nur zwei Jahren in das dritte Studienjahr einer staatlichen Hochschule einzusteigen und nach zwei weiteren Studienjahren ein Bachelor’s Degree zu erwerben. Der durchlässige Umstieg in universitäre wissenschaftliche Bachelor Honours-Studiengänge ist allerdings nicht vorgesehen.
Großbritannien und Irland
In Großbritannien und Irland wird der Begriff College sehr differenziert benutzt und bezeichnet je nach Kontext unterschiedliche Einrichtungen des Bildungssystems:
- einige private weiterführende Schulen (Public Schools) wie etwa das Eton College.
- weiterführende Schulen, sogenannte Sixth Form Colleges, deren Schüler etwa 16 bis 18 Jahre alt sind und an diesen Schulen ein Advanced Level erwerben können
- die einzelnen Bestandteile mancher Universitäten, wie etwa bei Cambridge, Durham, Oxford oder der University of London
- weitere Einrichtungen außerhalb des traditionellen Bildungssystems. Dazu gehören auch University Colleges, also eigenständige, von anderen Universitäten unabhängige Einrichtungen des höheren Bildungssystems, die zum Teil den Status einer Universität erreicht haben, wie z. B. das Imperial College London oder das University College Dublin.
- Schulen, die wirtschaftlich-ökonomisch orientiert sind, wie z. B. das ADT College London.
Verhältnis von Universitäten und Colleges
Für einige Hochschulen bilden Colleges rechtlich und wirtschaftlich selbstständige Einheiten, sodass solche Universitäten auch als Föderation von Colleges bezeichnet werden könnten. Der Grad der Bindung zwischen College und der zugehörigen Universität schwankt dabei.
Bei den Universitäten Cambridge, Durham und Oxford sind die Colleges etwa für die sozialen und wirtschaftlichen Belange der Studenten zuständig und übernehmen mit der Bereitstellung von Mensen, Studentenwohnheimen, Gemeinschaftsräumen, Bibliotheken oder Sport viele Aufgaben, die in Deutschland z. B. von Studentenwerken ausgeführt werden. Außerdem übernehmen sie beispielsweise durch Tutorien auch Teile der fachlichen Betreuung. Die Universität selbst ist allerdings für die Prüfungen zuständig und bietet die Vorlesungen an.
Bei der University of London geht die Eigenständigkeit der Colleges sogar so weit, dass sie fast als eigenständige Hochschule angesehen werden können. Auf der anderen Seite gibt es aber auch einige Colleges an Hochschulen, die zwar die oben beschriebenen Aufgaben übernehmen, dabei aber wesentlich weniger selbstständig sind, als für Oxford und Cambridge dargestellt.
Vor allem auch durch die wirtschaftliche Eigenständigkeit vieler Colleges – sie haben eigene Angestellte, aber auch Eigentum – sind diese teilweise in einer wirtschaftlich besseren Lage als die Universitäten, zu denen sie gehören.
Deutschland
Dem Deutschen ist der Begriff College in der eingedeutschten Form Kolleg nicht unbekannt. Der Begriff des Kollegs hat eine lange Tradition. Kollegien bezeichneten in der frühen Universitätsgeschichte in erster Linie eine Einrichtung, die dem gemeinsamen Wohnen von Akademikern und Studierenden diente. Das Kolleg war insofern den residential colleges englischer Tradition nicht unähnlich.
Das College als neuer Hochschultyp in Deutschland
Das deutsche Hochschulsystem befindet sich in einem Prozess zunehmender Differenzierung. Dieser Prozess schließt die Entwicklung neuer Hochschultypen ebenso ein, wie eine Binnendifferenzierung innerhalb größerer Hochschulen. Bisher gibt es in Deutschland nur wenige Hochschultypen wie Colleges oder Professional Schools. In anderen Ländern – wie den Niederlanden – hat sich das College längst erfolgreich etabliert. Wer in Deutschland eine Hochschule gründen will, hat laut Gesetz bislang lediglich die Wahl zwischen Universität und Fachhochschule. Trotz dieser strengen Gesetzeslage durchbrechen mehr und mehr Hochschulen in der Praxis diese formalen Vorgaben. Im Zuge der Bologna-Reformen bildeten sich auch an deutschen Hochschulen zunehmend Studienmodelle aus, die sich an der Struktur amerikanischer Colleges orientieren. Grund für diese Neuentwicklung sind gesellschaftliche Veränderungen, die eine stärkere Differenzierung und Individualisierung erfordern. Wachsende Studierendenzahlen und ein Arbeitsmarkt, der zunehmend Flexibilität und Interdisziplinarität verlangt, sind nur zwei der Gründe für den Bedarf an neuen Studienprofilen.
Im November 2010 sprach sich der deutsche Wissenschaftsrat dafür aus, sich neuen Hochschultypen zu öffnen: so auch die Empfehlung des Rates an Bund und Länder. Nach Meinung des Wissenschaftsrates reichen Universitäten und Fachhochschulen allein nicht mehr aus, um die gewachsene Vielfalt der individuellen und gesellschaftlichen Erwartungen an akademische Einrichtungen erfüllen zu können. Neben Dualen Hochschulen, Fernuniversitäten und Professional Schools benannte das Gremium Colleges als alternative Formen. Frank Ziegele, Geschäftsführer Centrum für Hochschulentwicklung, sieht die Empfehlung des Wissenschaftsrates in erster Linie als Signal für die Vorteile der Vielfalt, das den Hochschulen Mut zur stärkeren Differenzierung und Profilierung machen soll. Das Angebot verschiedener Hochschultypen sieht Ziegele als Mittel zur Individualisierung, auf die es in Zukunft verstärkt ankommen wird.
Das deutsche College
Ein College kann sowohl als eigenständige Einrichtung organisiert sein oder aber jene Teileinheit einer Universität bilden, in welcher Bachelorprogramme angesiedelt sind. Ein Beispiel für eine eigenständige Einrichtung war das inzwischen eingestellte European College of Liberal Arts in Berlin; als Teileinheit einer Universität ist das College z.B. an der Leuphana Universität Lüneburg organisiert. Das College bietet Studierenden, die mit einem Bachelor erstmals einen akademischen Abschluss erwerben, einen Rahmen und ein gemeinsames Dach, um ihre fachwissenschaftlichen, fächerübergreifenden und sozialen Fähigkeiten auszubilden. So sind das Lehr- und Lernangebot wie auch die Beratungs- und Serviceangebote im Studium gezielt auf die Studiensituation der Bachelorstudierenden ausgerichtet. Neben einer intensiven fachlichen und individuellen Betreuung steht die Förderung der Studiengemeinschaft, des wissenschaftlichen Dialogs unter Studierenden und zwischen Studierenden und Dozenten/innen wie auch der Persönlichkeitsbildung u.a. durch viele Möglichkeiten zum studentischen Engagement im Fokus. In der Regel steht ein breites Fächerspektrum zur Verfügung. Häufig wird dabei eine fachliche Spezialisierung mit zusätzlichen interdisziplinären oder fachübergreifenden Studienelementen angeboten, die den Blick über die jeweils gewählte Fachdisziplin hinaus ermöglichen. Häufig können die Studierenden zwischen Major- und Minor-Fächern (Haupt- und Nebenfächern) bzw. mehreren miteinander kombinierbaren Studienrichtungen wählen. Der Bachelor an einem College wird in der Regel in sechs Semestern absolviert. Das College-Konzept muss in Deutschland vor dem Hintergrund der wenigen praktischen Erfahrungen und der laufenden Diskussionen im Wissenschaftsrat derzeit noch als experimentell bezeichnet werden.
Das deutsche Community College
Allgemein wird proklamiert, dass in Deutschland kein gültiges Äquivalent zu den Community Colleges existiert. Nach System und Aufbau sowie dem Anspruch nach berufsorientierender Bildung folgend, verbunden mit dem höheren allgemeinbildenden Charakter, zeichnen sich die Fachoberschulen als gültiges Gegenstück ab. Dies zum einen, da der Inhalt des Wahlpflichtfaches einerseits den berufsbildenden Standard erfüllt, andererseits die allgemeinbildenden Fächer dem Anspruch der höheren Bildung genügen. So wird z.B. auf einer FOS (Fachoberschule) für Sozialwesen die Wahl zwischen Soziologie, Psychologie und Pädagogik freigestellt, hingegen in den allgemeinbildenden Fächern wie z.B. Mathematik weit über den Standard der Realschule hinaus gelehrt.
Arabischer Oman
Das arabische omanische Hochschulsystem ist relativ jung. Es gibt ein binäres Hochschulwesen, das im Wesentlichen aus Universitäten und Colleges sowie einigen höheren Instituten („Higher Institutes“) besteht. Im Oman bezeichnet der Begriff „College“ zumeist eine Bildungseinrichtung des tertiären Schulsystems, an denen ein so genannter „Undergraduates“-Abschluss erreicht werden kann. Die Studenten erwerben hier ihre ersten berufsqualifizierenden Abschlüsse.
Das erste Studienjahr schließt in der Regel mit dem „Higher National Certificate (HNC)“ ab, das einen eigenständigen Abschluss darstellt. Mit einem weiteren Studienjahr kann ein „Higher National Diploma (HND)“ erworben werden. Nach Abschluss eines dritten Studienjahres wird der akademische Grad eines Bachelor erlangt.
Colleges finden sich sowohl in staatlicher als auch in privater Trägerschaft. Forschungsaktivitäten werden – da die meisten Institute erst seit ein paar Jahren bestehen – noch nicht durchgeführt; die Aufgabe beschränkt sich meist auf die reine Ausbildung.
Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Bildungseinrichtungen, die zwar als College bezeichnet werden, aber eher dem sekundären Bildungssektor zugerechnet werden und sogenannten Berufsfachschulcharakter haben. Einige der Colleges entsprechen eher den Berufsfachschulen und Fachoberschulen als einer Hochschule bzw. Fachhochschule. Ein Berufsausbildungssystem, das mit dem Bundesdeutschen vergleichbar ist, fokussiert auf technische Berufe, und soll nun mit Hilfe der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) aufgebaut werden.
An der einzigen staatlichen Universität des Landes, der Sultan-Qabus-Universität, werden die Fachbereiche, an denen die „Undergraduates“ studieren, als „Colleges“ bezeichnet. Die Einrichtungen, an denen man darauf aufbauend einen Master-Titel erwerben kann, heißen dort „Schools“.
Weblinks
- Amerika-Dienst zum amerikanischen Bildungssystem
- Faz.net: Neue Hochschultypen - Die ungeliebte Artenvielfalt
- Empfehlung des Wissenschaftsrates zur Differenzierung von Hochschulen (PDF; 1,4 MB)