Endlösung der Judenfrage
Als „Endlösung der Judenfrage“, kurz „Endlösung“, bezeichneten die Nationalsozialisten seit Juli 1941 ihr Ziel, alle von ihnen als Juden definierten Personen in Europa und darüber hinaus zu ermorden, das sie bis zur bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht systematisch verfolgten.<ref>Peter Longerich: Der ungeschriebene Befehl. Hitler und der Weg zur „Endlösung.“ München 2001, S. 27 f. und 166.</ref> Dieser Euphemismus sollte den Holocaust (die Shoah) nach außen tarnen, nach innen ideologisch rechtfertigen.
Zuvor wurde der Begriff von den Nationalsozialisten auch im Sinne einer staatlich organisierten Vertreibung oder Umsiedlung verwendet, wie sie seit etwa 1880 von deutschen Antisemiten gefordert worden war.
Seit den Nürnberger Prozessen wird der Begriff „Endlösung“ fast nur noch als Kürzel für den Holocaust in der Sprache des Nationalsozialismus gebraucht; andere Bedeutungen spielen in der deutschen Alltagssprache keine Rolle mehr. Viele Darstellungen des Holocaust zitieren den Ausdruck (englisch final solution, französisch solution finale), im Deutschen meist in distanzierenden Anführungszeichen.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Genese des Begriffs
- 2 Bedeutungswandel im Nationalsozialismus
- 2.1 Ideologie ab 1919
- 2.2 Judenverfolgung 1933–1939
- 2.3 Abschiebepläne 1939–1941
- 2.4 Vom Vertreibungs- zum Vernichtungsziel
- 2.5 Massenerschießungen sowjetischer Juden
- 2.6 Zentraler Planungsauftrag
- 2.7 Beginn der Deportationen und Vergasungen
- 2.8 Ausweitung auf alle europäischen Juden
- 2.9 Systematische Vergasung
- 2.10 Hitlers politisches Testament
- 3 Historischer Diskurs
- 4 Literatur
- 5 Weblinks
- 6 Einzelnachweise
Genese des Begriffs
„Judenfrage“
Als „jüdische Frage“ bezeichnete man seit etwa 1750 zunächst in Großbritannien (Jewish Question), seit der Französischen Revolution 1789 auch in Frankreich (la question juive) umstrittene Schritte zur Jüdischen Emanzipation und die damit verbundenen Probleme.
In Deutschland erschien 1843 Bruno Bauers Aufsatz „Die Judenfrage“. Seither beschäftigten sich Hunderte von Traktaten, Pamphleten, Zeitungsartikeln und Büchern damit. Unter den vorgeschlagenen „Lösungen“ dieses „Problems“ waren Assimilations-, Umsiedelungs- und Ausweisungsvorschläge von Judengegnern ebenso wie Integrations-, Erziehungs- und Tolerierungskonzepte von Liberalen oder Philosemiten.<ref>Wolfgang Benz: Artikel Endlösung, in: Wolfgang Benz (Hrsg.): Enzyklopädie des Nationalsozialismus, dtv 1998, S. 446</ref> In dieser Debatte war also noch nicht entschieden, ob die „Judenfrage“ die Probleme der deutschen Juden mit ihren Gegnern beschrieb oder umgekehrt deren Problem mit ihrem Dasein.
Etwa seit 1860 erhielt der Begriff zunehmend antisemitischen Sinn: Juden wurden unter diesem Titel immer öfter als Hindernis für Identität und Zusammenhalt der Nation und als Fremde im eigenen Land definiert. Antisemiten wie Wilhelm Marr, Karl Eugen Dühring, Theodor Fritsch, Houston Stewart Chamberlain, Paul de Lagarde und andere erklärten die Judenfrage zum durch Integration unlösbaren Rassenproblem, um ihre Forderungen nach „Entjudung“ der Presse, von Bildung, Kultur, Staat und Wirtschaft, der Ächtung von „Mischehen“ usw. plausibel erscheinen zu lassen und die Juden aus vermeintlich dominierender gesellschaftlicher Stellung zu verdrängen.<ref>Wolfgang Benz: Die „Judenfrage“/The „Jewish Question“. Bibliographie. Herausgeber: Verein der Freunde und Förderer des Zentrums für Antisemitismusforschung, Verlag Saur KG, Berlin 2003, ISBN 3-598-35046-5 (Vorwort)</ref>
„Endlösung“
Frühe Antisemiten etablierten parallel zur allmählichen rechtlichen Gleichstellung der Juden eine Sprache der Entmenschlichung im öffentlichen Diskurs, in der mittels biologistischer Metaphern viel vom „Ausmerzen“, „Ausschalten“, „Beseitigen“, „Entfernen“, „Unschädlichmachen“, „Vertilgen“ oder sogar „Ausrotten“ der Juden – analog zum Umgang mit Krankheitserregern, Insekten oder Parasiten – die Rede war. Als Mittel dazu wurden u. a. Einwanderungs- und Berufsverbote, die Sterilisation zur Verhinderung von Nachwuchs, der Entzug aller Bürgerrechte und wirtschaftliche Unterdrückungsmaßnahmen erörtert und gefordert.<ref>Rainer Erb, Werner Bergmann: Die Nachtseite der Judenemanzipation. Der Widerstand gegen die Integration der Juden in Deutschland 1780–1860. Metropol Verlag, Berlin 1989, ISBN 3-926893-77-X</ref>
1881 verlangte Eugen Dühring in seinem populären Aufsatz Die Judenfrage als Rassen-, Sitten- und Kulturfrage als einer der ersten Antisemiten eine „endgültige Lösung der Judenfrage“.<ref>2. von 6 Auflagen bis 1930, oft umbenannt, u.a.: Eugen Dühring: Die Judenfrage als Frage des Racencharakters und seiner Schädlichkeit für Völkerexistenz, Sitte und Cultur. Mit einer denkerisch freiheitlichen und praktisch abschliessenden Antwort. 5. umgearbeitete Auflage, Berlin 1901</ref> Dazu erwog er ihre „völkerrechtliche Internierung“ in einer für sie bestimmten Region, forderte ein Ausnahmerecht, Vermögenskontrolle, die Deportation von jüdischen Kriminellen und letztlich die „Ausscheidung des Judentums durch den modernen Völkergeist“, um der eigenen Zerstörung vorzubeugen.<ref>nach Alex Bein: Die Judenfrage. Biographie eines Weltproblems, Band 1, Stuttgart 1980, ISBN 3-421-01963-0, S. 224 f.</ref>
Der Zionismus reagierte auf den Antisemitismus mit Vorschlägen zur freiwilligen Auswanderung der jüdischen Minderheiten in ein außereuropäisches Land, um ihr langfristiges Überleben zu sichern. Theodor Herzl begann nach Lektüre Dührings 1881 sein Zionistisches Tagebuch (erstmals veröffentlicht 1920).<ref>Alex Bein: Die Judenfrage. Biographie eines Weltproblems Band 2, Stuttgart 1980, ISBN 3-421-01963-0, S. 186.</ref> Sein programmatisches Buch Der Judenstaat von 1896 trug den Untertitel: Der Versuch einer modernen Lösung der Judenfrage. Darin hieß es:<ref>Zitiert nach Cornelia Schmitz-Berning: Vokabular des Nationalsozialismus, Mouton de Gruyter, 1998, ISBN 3-11-013379-2, S. 331.</ref>
- Ich halte die Judenfrage weder für eine soziale noch für eine religiöse, wenn sie sich noch so oder anders färbt. Sie ist eine nationale Frage, und um sie zu lösen, müssen wir sie vor allem zu einer politischen Weltfrage machen, die im Rate der Kulturvölker zu lösen sein wird.
Ludwig Buechner dagegen befürwortete in einem Brief am 2. September 1884 eine Assimilation der Juden:<ref>Zitiert nach Isidor Singer: Briefe berühmter christlicher Zeitgenossen über die Judenfrage. Nach Manuscripten gedruckt und mit Autorisation der Verfasser zum ersten Male herausgegeben, mit biographischen Skizzen der Autoren und einem Vorwort versehen. Verlag von Oskar Frank, Wien 1885, S. 140.</ref>
- den Krieg – und das haben sie bereits getan –, so haben wir die bei uns befindlichen Juden genauso zu behandeln, wie man Angehörige einer kriegführenden Macht zu behandeln pflegt.“
Denn deutsche Juden seien Teil des Weltjudentums, das für alle etwaigen deutschen Kriegsschäden haften müsse.<ref>Zitiert nach Saul Friedländer: Das Dritte Reich und die Juden. Die Jahre der Verfolgung 1933–1939, C.H. Beck/DTV, München 2000, S. 335.</ref>
Nach den Novemberpogromen 1938 drohte Göring am 12. November 1938:<ref>Zitiert nach Hans-Heinrich Holland: Die Pogromnacht und ihre Vorgeschichte in Herten (2001) (PDF; 1,7 MB).</ref>
„Wenn das Deutsche Reich in irgendeiner absehbaren Zeit in außenpolitische Konflikte kommt, so ist es selbstverständlich, daß wir in Deutschland in allererster Linie daran denken werden, eine große Abrechnung an den Juden zu vollziehen.“
Am 24. November 1938 stand im Schwarzen Korps unter der Überschrift Juden, was nun? zu lesen:<ref>Zitiert nach Chronologie des Holocaust, 24. November 1938.</ref>
„Das Programm ist klar. Es lautet: völlige Ausscheidung, restlose Trennung! in wesentlichen Zügen ausgearbeitet“ und dem Führer und dem Reichsmarschall (Göring) vorgelegt habe. Der Erfolg dieser „Riesenarbeit“ hänge von weiteren sorgfältigen Vorarbeiten zu einer „Gesamtabschiebung der Juden“ und „Ansiedlungsaktion in einem noch zu bestimmenden Territorium“ ab.<ref>Zitiert nach Christopher Browning: Judenmord. NS-Politik, Zwangsarbeit und das Verhalten der Täter. S. Fischer, Frankfurt am Main, 1. Auflage 2001, ISBN 3-10-005210-2, S. 33 f.</ref> Wie diese Ansiedlungspläne einzuschätzen sind, ist in der Geschichtswissenschaft umstritten: Dieter Pohl ist der Meinung, dass „alle diese Planungen auf einen schleichenden Völkermord [abzielten], da sie eine massive Verschlechterung der Lebensbedingungen, die Verhinderung der Fortpflanzung sowie große Zwangsarbeitsprojekte zum Inhalt hatten“.<ref>Dieter Pohl: Verfolgung und Massenmord in der NS-Zeit 1933–1945, Darmstadt 2003, S. 80</ref> Wolfgang Benz sieht in der Ansiedlung eine Tarnfloskel für die bereits geplante Ermordung,<ref>Artikel „Endlösung der Judenfrage“, in: Wolfgang Benz (Hrsg.): Lexikon des Holocaust, Becksche Reihe 1976, S. 63.</ref> während Christopher Browning im Anschluss an Götz Aly annimmt, als Ansiedlungsraum sei die Sowjetunion gemeint gewesen, die zu überfallen man in diesen Wochen geheim plante.<ref>Christopher Browning: Judenmord, a.a.O. S. 32 f.</ref> Hans Mommsen vertritt die These, dass bis Herbst 1941 noch keine systematische Liquidierung der europäischen Juden ins Auge gefasst worden sei; die Ansiedlungspläne seien zwar illusorisch gewesen, aber ernst gemeint.<ref>Hans Mommsen: Die Eskalation der nationalsozialistischen Judenvernichtung. In: Klaus Michael Mallmann und Jürgen Matthäus (Hrsg.): Deutsche, Juden, Völkermord. Der Holocaust als Geschichte und Gegenwart. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2006, S. 60 f.</ref>
Vom Vertreibungs- zum Vernichtungsziel
Seit Beginn des Polenfeldzugs finden sich im Schriftverkehr von NS-Behörden immer öfter Hinweise auf verschärfte „Lösungsmodelle“. So sandte Reinhard Heydrich am 21. September 1939 nach den ersten Massakern an polnischen Juden einen ausführlichen Erlass an alle Einsatzgruppenchefs, in dem es hieß:<ref>Klaus-Michael Mallmann, Jochen Böhler, Jürgen Matthäus: Einsatzgruppen in Polen: Darstellung und Dokumentation. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2008, ISBN 353421353X, S. 145; Dokument online</ref>
„Ich nehme Bezug auf die heute in Berlin stattgefundene Besprechung und weise noch einmal daraufhin, dass die geplanten Gesamtmaßnahmen (also das Endziel) streng geheim zu halten sind. Es ist zu unterscheiden zwischen 1. dem Endziel (welches längere Fristen beansprucht) und 2. den Abschnitten der Erfüllung des Endzieles (welche kurzfristig durchgeführt werden). Die geplanten Maßnahmen erfordern gründlichste Vorbereitung sowohl in technischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Es ist selbstverständlich, dass die heranstehenden Aufgaben von hier in allen Einzelheiten nicht festgelegt werden. Die nachstehenden Anweisungen und Richtlinien dienen gleichzeitig dem Zwecke, die Chefs der Einsatzgruppen zu praktischen Überlegungen anzuhalten. … Als erste Vorausmaßnahme für das Endziel gilt zunächst die Konzentrierung vom Lande in die größeren Städte. Sie ist mit Beschleunigung durchzuführen. … Dabei ist zu beachten, daß nur solche Städte als Konzentrierungspunkte bestimmt werden, die entweder Eisenbahnknotenpunkte sind oder zu mindestens an Eisenbahnstrecken liegen.“
Während Gunnar Heinsohn dieses Dokument als Beleg deutet, das „Endziel“ des Holocaust sei seit Kriegsbeginn beschlossen worden,<ref>Gunnar Heinsohn: Hitlers Holocaust-Motiv. In: Wolfgang Bialas, Lothar Fritze (Hrsg.): Ideologie und Moral im Nationalsozialismus. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2014, ISBN 978-3-647-36961-7, S. 114</ref> sieht Dieter Pohl darin das damalige Ziel, die polnischen Juden in einigen polnischen Städten zu ghettoisieren und später vollständig aus den deutsch besetzten Gebieten zu vertreiben.<ref>Dieter Pohl: Ghettos. In: Wolfgang Benz, Barbara Distel, Angelika Königseder (Hrsg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager Band 9: Arbeitserziehungslager, Durchgangslager, Ghettos. Beck, München 2009, ISBN 3406572383, S. 165</ref>
Ein Entwurf Eichmanns vom 4. Dezember 1940 unter dem Titel „Die Judenfrage“ beschrieb ein zweistufiges Vorgehen: Einer „Anfangslösung der Judenfrage durch Auswanderung“, das hieß Vertreibung aller deutschen, österreichischen und polnischen Juden durch Polizei und Sicherheitsdienste (SD, SS), sollte die „Endlösung der Judenfrage“ folgen: „Durch Umsiedelung der Juden aus dem europäischen Wirtschaftsraum des deutschen Volkes in ein noch zu bestimmendes Territorium. Im Rahmen dieses Projekts kommen rund 5,8 Millionen Juden in Betracht.“<ref>Wolf Gruner (Hrsg.): Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933-1945 Band 3, Andrea Löw: Deutsches Reich und Protektorat September 1939 - September 1941. Oldenbourg, München 2012, ISBN 348658524X, S. 146</ref>
Ebenfalls im Januar 1941 schrieb Sturmbannführer Paul Zapp in ein Redemanuskript für Heinrich Himmler:<ref>Zitiert nach Wolfram Meyer zu Utrup: Kampf gegen die „jüdische Weltverschwörung“. Propaganda und Antisemitismus der Nationalsozialisten 1919 bis 1945, Berlin 2003, S. 449, Anm. 120.</ref>
„An die restlose Bereinigung der Judenfrage kann erst gedacht werden, wenn es gelingt, das Weltjudentum entscheidend zu treffen. Die politische und diplomatische Führung Adolf Hitlers hat die Grundlagen für die europäische Lösung der Judenfrage geschaffen. Von hier aus wird der Hebel zur Lösung der Weltjudenfrage angesetzt werden müssen.“
Hier deutete sich an, dass die Deportationspläne des NS-Regimes ihrerseits auf eine globale „Endlösung“ zielten, die der damals geplante Eroberungskrieg einleiten und ermöglichen sollte. Da die Nationalsozialisten selbst die Weltherrschaft anstrebten, die sie ihren jüdischen Opfern unterstellten, genügte ihnen die Vertreibung der europäischen Juden nicht, sondern galt ihnen nur als Vorstufe zur völligen Vernichtung des „Weltjudentums“.
Der Krieg gegen die Sowjetunion 1941–1945 sollte nicht nur „Lebensraum im Osten“ erobern, sondern auch den „jüdischen Bolschewismus“ vernichten. Dieses Ziel hatte Hitler schon 1925 in Mein Kampf anvisiert. Es war Teil des von ihm propagierten „Abwehrkampfs der arischen Rasse gegen das Weltjudentum“, der in seinem Denken nicht mit der Vertreibung der Juden, sondern letztlich nur ihrer Vernichtung zu gewinnen war. Ab März 1941 wurde der Russlandkrieg als Vernichtungskrieg operativ vorbereitet. Zugleich dachten die Nationalsozialisten immer mehr an eine organisierte Massenvernichtung der Juden und suchten nach geeigneten Methoden dazu.<ref>Artikel Endlösung, in: Israel Gutman (Hrsg.): Enzyklopädie des Holocaust, S. 407f.</ref> Anfang März 1941 ordnete Hitler die gezielte Partisanenbekämpfung an. Am 12. März 1941 schrieb Eichmann an seine Mitarbeiter bereits routinemäßig über die „zweifellos kommende Endlösung der Judenfrage“ und begründete damit ein Auswanderungsverbot für Juden aus allen besetzten Gebieten: Deutschland solle als erstes Land Europas „judenrein“ werden.<ref>Wolfgang Benz: Artikel Endlösung, in: Wolfgang Benz u.a. (Hrsg.): Enzyklopädie des Nationalsozialismus, S. 446.</ref> Für das Frühjahr 1941 bezeugt Himmlers Leibarzt Felix Kersten eine Aussage Himmlers, wonach „die Juden bis Kriegsende bis auf den letzten Menschen ausgerottet werden [müssen]. Das ist der eindeutige Wunsch und Befehl des Führers.“<ref>Dossier Kersten im Centre de Documentation Juive; Felix Kersten: The Kersten Memoirs, 1940–1945. Time Life Education, 1992, ISBN 0-8094-8737-3.</ref>
Im Mai 1941 ließ Heydrich sechs mobile Einsatzgruppen mit etwa 3.000 Mitgliedern aufstellen und für ihre besondere Mordaufgabe im Gefolge der Eroberungen ausbilden. In einem seiner Rundschreiben an alle Polizeileitstellen verlangte er:<ref>Zitiert nach Wolfgang Benz: Der Holocaust, C.H. Beck, 7. Auflage 2008, ISBN 978-3-406-39822-3, S. 52.</ref>
„Eine Einwanderung von Juden in die von uns besetzten Gebiete ist im Hinblick auf die zweifellos kommende Endlösung der Judenfrage zu verhindern.“
Dies verbot den Behörden, ausreisewilligen deutschen und polnischen Juden entsprechende Papiere auszustellen und wird daher als Abkehr vom Ziel ihrer Vertreibung zugunsten ihrer künftigen Vernichtung gedeutet.
Mit dem Kommissarbefehl vom 6. Juni 1941 unterstützten hochrangige Generäle der Wehrmacht die geplanten Kriegsverbrechen.<ref>Arno J. Mayer: Der Krieg als Kreuzzug: Das Deutsche Reich, Hitlers Wehrmacht und die „Endlösung“. Reinbek bei Hamburg 1989, Kapitel 7 und 8</ref> Der Generalplan Ost vom 24. Juni 1941 sah vor, bis zu 30 Millionen Menschen zu deportieren, verhungern zu lassen oder zu erschießen.
Massenerschießungen sowjetischer Juden
Mit Kriegsbeginn am 22. Juni 1941 eskalierte die staatliche Judenverfolgung. Ab dem 24. Juni 1941 begannen die Einsatzgruppen mit systematischen Massenerschießungen von jüdischen Männern auf sowjetischem Gebiet.<ref>Wolfram Wette: Die Wehrmacht. Feindbilder, Vernichtungskrieg, Legenden. Frankfurt 2005, ISBN 3-596-15645-9, S. 115-128</ref>
In den überfüllten polnischen Ghettos, die Hitler als „Durchgangslager“ für die endgültige Abschiebung ihrer Bewohner ansah, starben bereits Zehntausende an Hunger und Seuchen. Damit wuchs die Bereitschaft, die „Endlösung“ früher, schneller und mörderischer durchzuführen. So schrieb der für Posen verantwortliche SS-Sturmbannführer Rolf-Heinz Höppner am 16. Juli 1941 an Eichmann:<ref>Zitiert nach Guido Knopp: Holokaust. Goldmann TB, München 2001, S. 98.</ref>
„Es besteht in diesem Winter die Gefahr, daß die Juden nicht mehr sämtlich ernährt werden können. […] Es ist ernsthaft zu erwägen, ob es nicht die humanste Lösung ist, die Juden, soweit sie nicht arbeitsfähig sind, durch irgendein schnell wirkendes Mittel zu erledigen.“
In Erwartung des baldigen Sieges über die Sowjetunion erhielt Himmler am 17. Juli 1941 Hitlers Auftrag zur „polizeiliche[n] Sicherung der neu besetzten Ostgebiete“. Daraufhin verdoppelte er in wenigen Tagen die Mitgliederzahl der Einsatzgruppen und hielt sie an, ihre „historische Mission“ schneller zu erfüllen. Am 1. August wies Gestapochef Heinrich Müller die Einsatzgruppenleiter an, der Reichskanzlei regelmäßig über ihre Mordergebnisse zu berichten. Ab dem 15. August wurden auch jüdische Frauen und Kinder wahllos ermordet.<ref>Guido Knopp: Holokaust. a.a.O., S. 97</ref>
Am 29. Juli 1941 traf der Lagerkommandant von Auschwitz, Rudolf Höß, in Berlin mit seinem Vorgesetzten Himmler zusammen, der ihm Monate zuvor den Lagerausbau befohlen hatte. Nach 1945 schrieb Höß, er habe bei diesem Treffen den Befehl zur „Massen-Vernichtung der Juden“ erhalten.<ref>Martin Broszat (Hrsg.): Kommandant in Auschwitz. Autobiographische Aufzeichnungen des Rudolf Höß, München 1963, S. 180, zitiert bei Brigitte Bailer-Galander: Auschwitz</ref>
Anfang August 1941 antwortete Hans-Adolf Prützmann, Höherer SS- und Polizeiführer im Reichskommissariat Ostland, einem Untergebenen auf dessen Frage, wohin die baltischen Juden ausgesiedelt würden:<ref>nach Richard Breitman: Heinrich Himmler. Der Architekt der „Endlösung“. 3. Auflage, Zürich 2000, ISBN 3-85842-378-5, S. 277; zitiert in Andreas Zellhuber: „Unsere Verwaltung treibt einer Katastrophe zu …“. Das Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete und die deutsche Besatzungsherrschaft in der Sowjetunion 1941–1945. München 2006, ISBN 3-89650-213-1, S. 235.</ref>
„Nicht so, wie Sie meinen – die sollen ins Jenseits befördert werden.“
Zentraler Planungsauftrag
Am 31. Juli 1941 schrieb Göring, den Hitler 1938 mit der „Gesamtlösung der Judenfrage“ beauftragt hatte, an Heydrich:<ref>Haus der Wannsee-Konferenz: Faksimile Schreiben Görings an Heydrich (PDF); Chronologie des Holocaust, 24.-31-Juli 1941</ref>
„In Ergänzung der Ihnen bereits mit Erlaß vom 24. Januar 1939 übertragenen Aufgabe, die Judenfrage in Form der Auswanderung oder Evakuierung einer den Zeitverhältnissen entsprechend möglichst günstigen Lösung zuzuführen, beauftrage ich Sie hiermit, alle erforderlichen Vorbereitungen in organisatorischer, sachlicher und materieller Hinsicht zu treffen für eine Gesamtlösung der Judenfrage im deutschen Einflußgebiet in Europa. […] Ich beauftrage Sie weiter, mir in Bälde einen Gesamtentwurf über die organisatorischen, sachlichen und materiellen Vorausmaßnahmen zur Durchführung der angestrebten Endlösung der Judenfrage vorzulegen.“
Dem folgte zwischen September und Dezember 1941 – der genaue Zeitpunkt ist umstritten – die Entscheidung, noch während des Krieges alle europäischen Juden zu ermorden, derer das NS-Regime habhaft werden konnte.<ref>Christopher Browning: Judenmord, a.a.O., S. 39</ref> Nun bezeichnete der Begriff Endlösung auch in der Behördensprache faktisch die Durchführung dieser Zielvorgabe, die nach außen weiter als vollständige „Umsiedlung“ in entfernte Ostgebiete getarnt wurde.
Beginn der Deportationen und Vergasungen
Anfang August geriet die deutsche Offensive erstmals, ab Mitte September erneut, ins Stocken; der erwartete „Blitzsieg“ wurde illusorisch. Bis zum 13. September 1941 verbot Hitler die Abschiebung der deutschen, west- und südeuropäischen Juden, um sie nach dem erwarteten schnellen Sieg im Russlandfeldzug direkt in den weiter entfernten Osten deportieren zu lassen. Doch am 17. September ließ er Himmler wissen, das Reich und das Protektorat Böhmen und Mähren müssten „möglichst bald“ von Juden „geleert und befreit“ werden.
Der Gesinnungswandel hing auch mit dem seit der Atlantikcharta vom 14. August und U-Boot-Angriffen vom 11. September absehbaren Kriegseintritt der USA zusammen. Auch ein Rachemotiv ist denkbar: Hitler erfuhr um den 10. September herum, dass Stalin 400.000 Wolgadeutsche nach Sibirien transportieren lassen wolle. Die Briten flogen am 16. September einen Bombenangriff auf Hamburg, der viele Hamburger obdachlos machte. Nun gab Hitler dem Drängen des Gauleiters Kaufmann nach, für sie jüdische Wohnungen zu räumen. Himmler ließ daraufhin zunächst 60.000 deutsche Juden in das restlos überfüllte Ghetto Litzmannstadt deportieren und lieferte damit einen Großteil von ihnen dem sicheren Hungertod aus.<ref>Guido Knopp: Holokaust, a.a.O., S. 112 f.</ref> Fortan wurden größere Gruppen deutscher Juden in polnische Sammellager deportiert. Deren vorige Bewohner wurden zuvor oft massenhaft ermordet, um Platz für die Neuankömmlinge zu schaffen.
Am 5./6. September 1941 – nach anderen Historikern im Dezember – wurden im KZ Auschwitz I erstmals probeweise 900 Kriegsgefangene mit Zyklon B vergast. Mitte Oktober begann der Bau des ersten Vernichtungslagers Belzec. Im November erhielten vier der sechs Einsatzgruppen Gaswagen. Ab 8. Dezember folgten erste Vergasungen im Vernichtungslager Chelmno. Bis zum März 1942 waren laut Täterberichten und Schätzungen knapp 600.000 Juden ermordet worden.<ref>Dieter Pohl: Verfolgung und Massenmord in der NS-Zeit 1933–1945, Darmstadt 2003, S. 77</ref>
Ausweitung auf alle europäischen Juden
Am 8. Dezember 1941, einen Tag nach Japans Angriff auf Pearl Harbor, traten die USA in den Zweiten Weltkrieg ein; am 11. Dezember erklärte Hitler ihnen den Krieg. Am 12. Dezember hielt er eine Rede an die Gau- und Reichsleiter der NSDAP, über die Goebbels am 13. Dezember in sein Tagebuch notierte:<ref>Zitiert nach Peter Longerich: Der ungeschriebene Befehl, Piper, München 2001, S. 138 f.</ref>
„Bezüglich der Judenfrage ist der Führer entschlossen, reinen Tisch zu machen. Er hat den Juden prophezeit, daß, wenn sie noch einmal einen Weltkrieg herbeiführen würden, sie dabei ihre Vernichtung erleben würden. Das ist keine Phrase gewesen. Der Weltkrieg ist da, die Vernichtung des Judentums muß die notwendige Folge sein. […] Wenn das deutsche Volk jetzt wieder im Ostfeldzug an die 160 000 Tote geopfert hat, so werden die Urheber dieses blutigen Konflikts dafür mit ihrem Leben bezahlen müssen.“
Nun wurde die laufende Massenvernichtung der sowjetischen Juden auf alle Juden Europas ausgedehnt und mit neuen Mordmethoden forciert. Dies zeigt eine Rede Hans Franks, des Generalgouverneurs in Polen, vom 16. Dezember 1941:<ref>Zitiert nach Chronologie des Holocaust, Dezember 1941.</ref>
„Mit den Juden – das will ich Ihnen auch ganz offen sagen – muß so oder so Schluß gemacht werden. […] Wir müssen die Juden vernichten, wo immer wir sie treffen und wo es irgend möglich ist, um das Gesamtgefüge des Reiches hier aufrecht zu erhalten. […] Diese 3,5 Millionen Juden können wir nicht erschiessen, wir können sie nicht vergiften, werden aber doch Eingriffe vornehmen müssen, die irgendwie zu einem Vernichtungserfolg führen, und zwar im Zusammenhang mit den vom Reich her zu besprechenden großen Maßnahmen. Das Generalgouvernement muß genau judenfrei werden, wie es das Reich ist.“
Auf der angekündigten Wannseekonferenz am 20. Januar 1942 stellte Heydrich den eingeladenen NS-Behördenvertretern seinen „Gesamtentwurf“ vor, um sie in die Planung der laufenden „Endlösung“ einzuweihen, daran zu beteiligen und ihre Maßnahmen dazu unter seiner Leitung zu koordinieren. Nach dem Konferenzprotokoll waren 11 Millionen Juden aus ganz Europa und Nordafrika, auch aus von Deutschland nicht eroberten Ländern, zur Deportation vorgesehen. Es beginnt mit den Worten:<ref>Haus der Wannsee-Konferenz: Faksimiles des originalen Eichmann-Protokolls (PDF)</ref>
„I. An der am 20.1.1942 in Berlin, Am Großen Wannsee Nr. 56/58, stattgefundenen Besprechung über die Endlösung der Judenfrage nahmen teil: […]“
Datei:Heydrich-Endlosung.jpgSchreiben Heydrichs an Martin Luther, 26. Februar 1942Damit war der Begriff bei allen am Holocaust beteiligten Dienststellen etabliert. Dass diese darunter die Ermordung möglichst aller Juden verstanden, bestätigte Eichmann am 24. Juli 1962 in seinem Jerusalemer Prozess:<ref>Zitiert nach Peter Longerich: Die Ermordung der europäischen Juden. Piper, München 1989, ISBN 3-492-11060-6, S. 92.</ref>
„Es wurde von Töten und Eliminieren und Vernichten gesprochen.“
In dieser Vernehmung berichtete Eichmann auch, Heydrich habe ihm sechs bis acht Wochen nach Beginn des Russlandkrieges mitgeteilt:
„Der Führer hat die physische Vernichtung der Juden befohlen.“
Hitler habe Odilo Globocnik bereits entsprechende Anweisungen erteilt, deren Ausführung Eichmann überprüfen sollte.<ref>Zitiert nach Hannah Arendt: Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen. Piper, 2. Auflage, München 2006, ISBN 3-492-24822-5, S. 168 f. (Text online)</ref> Dieses Ziel kannten oder ahnten neben den Planern, Organisatoren und Ausführenden auch viele gewöhnliche Deutsche, die die öffentlichen Deportationen erlebten und Hitlers Rundfunkreden hörten (→ Holocaustkenntnis von Zeitzeugen). Dieser kam im Kriegsverlauf immer wieder auf seine Ankündigung vom 30. Januar 1939 zurück und ließ keinen Zweifel an ihrem Vollzug.
Systematische Vergasung
Goebbels notierte am 27. März 1942 darüber in sein Tagebuch:<ref>Ralf Georg Reuth (Hrsg.): Joseph Goebbels Tagebücher 1924–1945, 2. Auflage, München/Zürich 2000, ISBN 3-492-11414-8, Band 4, S. 1776 f.</ref>
„Es wird hier ein ziemlich barbarisches und nicht näher zu beschreibendes Verfahren angewandt, und von den Juden selbst bleibt nicht mehr viel übrig. Im großen kann man wohl feststellen, dass 60 % davon liquidiert werden müssen […] An den Juden wird ein Strafgericht vollzogen, das zwar barbarisch ist, das sie aber vollauf verdient haben […] Man darf in diesen Dingen keine Sentimentalität obwalten lassen […] Es ist ein Kampf auf Leben und Tod zwischen der arischen Rasse und dem jüdischen Bazillus. Keine andere Regierung und kein anderes Regime konnte die Kraft aufbringen, diese Frage generell zu lösen. Auch hier ist der Führer der unentwegte Vorkämpfer und Wortführer einer radikalen Lösung […].“
Am 19. April 1942 ordnete Himmler „die Umsiedlung der gesamten jüdischen Bevölkerung des Generalgouvernements bis zum 31. Dez. 1942“ an.<ref>Zitiert nach Heinz Höhne: Der Orden unter dem Totenkopf. Die Geschichte der SS. Goldmann TB, 1983, ISBN 3-442-11179-X, S. 347.</ref> Fortan rollten die Todeszüge aus dem ganzen Reich und den übrigen eroberten Gebieten in die nunmehr fertiggestellten Vernichtungslager, wo die Ankömmlinge selektiert und ein Großteil sofort, der Rest später vergast wurde.
Himmler sprach in seinen Posener Reden vom 4. und 6. Oktober 1943 erstmals unverschleiert auch über seine Aufgabe, die „Judenfrage zu lösen“:<ref>Zitiert nach Peter Longerich: Der Holocaust vor Gericht? Bericht über den Londoner Irving-Prozess. In: Jahrbuch zur Geschichte und Wirkung des Holocaust: Gerichtstag halten wir über uns selbst. Hrsg. v. Irmtrud Wojak, Campus Fachbuch 2001, ISBN 3-593-36721-1, S. 335.</ref>
„Ich meine jetzt die Judenevakuierung, die Ausrottung des jüdischen Volkes.“
In einer Rede am 24. Mai 1944 vor höheren SS- und Polizeiführern erklärte er rückblickend:
„Eine andere Frage, die maßgeblich für die innere Sicherheit des Reiches und Europas war, ist die Judenfrage gewesen. Sie wurde nach Befehl und verstandesmäßiger Erkenntnis kompromisslos gelöst.“
Er betonte auf Schulungskursen für die Holocausttäter immer wieder Hitlers Befehl dazu und die Schwere dieses Auftrags, so am 21. Juni 1944:
„Es war die furchtbarste Aufgabe und der furchtbarste Auftrag, den eine Organisation bekommen konnte: der Auftrag, die Judenfrage zu lösen.“
Demgegenüber hielt der Geheimbericht von Himmlers Inspekteur für Statistik, Richard Korherr, unter dem Titel Die Endlösung der europäischen Judenfrage noch 1943 die übliche Tarnsprache aufrecht, ließ zugleich aber keinen Zweifel an Absicht und Ausmaß der Judenvernichtung:<ref>Korherr-Bericht zitiert nach NS-Archiv: Statistischer Bericht von Korherr, „Geheime Reichssache“</ref>
„Von 1937 bis Anfang 1943 dürfte die Zahl der Juden in Europa teils durch Auswanderung, teils durch den Sterbeüberschuß der Juden in Mittel- und Westeuropa, teils durch die Evakuierungen vor allem in den völkisch stärkeren Ostgebieten, die hier als Abgang gerechnet werden, um schätzungsweise 4 Millionen zurückgegangen sein. […] Insgesamt dürfte das europäische Judentum seit 1933, also im ersten Jahrzehnt der nationalsozialistischen deutschen Machtentfaltung, bald die Hälfte seines Bestandes verloren haben.“
Hitlers politisches Testament
Hitler versuchte kurz vor seinem Suizid am 30. April 1945 in seinem politischen Testament seinen Anteil am Holocaust vor der Nachwelt zu rechtfertigen:<ref>Adolf Hitler: Politisches Testament 1945 (NS-Archiv)</ref>
„Ich habe aber auch keinen Zweifel darüber gelassen, dass, wenn die Völker Europas wieder nur als Aktienpakete dieser internationalen Geld- und Finanzverschwörer angesehen werden, dann auch jenes Volk mit zur Verantwortung gezogen werden wird, das der eigentlich Schuldige an diesem mörderischen Ringen ist: Das Judentum! Ich habe weiter keinen darüber im Unklaren gelassen, dass dieses Mal nicht nur Millionen Kinder von Europäern der arischen Völker verhungern werden, nicht nur Millionen erwachsener Männer den Tod erleiden und nicht nur Hunderttausende an Frauen und Kindern in den Städten verbrannt und zu Tode bombardiert werden dürften, ohne dass der eigentlich Schuldige, wenn auch durch humanere Mittel, seine Schuld zu büssen hat.“
Historischer Diskurs
Die „Endlösung“ steht seit dem Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher von 1945 im Zentrum der historischen Erforschung der NS-Zeit. Seit wann der Ausdruck den beabsichtigten vollständigen Judenmord bezeichnete, wann genau die Entscheidung dazu fiel, welche Faktoren dafür maßgebend waren, wie die verschiedenen Instanzen der NS-Herrschaft dabei zusammenwirkten und welche zeitgenössische Kenntnis vom Holocaust es gab, sind einige der wichtigsten Forschungsfragen zu diesem Thema.
Literatur
Begriffsentwicklung
- Gabriele von Glasenapp: Von der Endlösung der Judenfrage zum Holocaust. Über den sprachlichen Umgang mit der deutschen Vergangenheit. In: Ekkehard Felder: Semantische Kämpfe. Macht und Sprache in den Wissenschaften. Walther de Gruyter, Berlin/New York 2006, ISBN 3-11-019102-4, S. 127-155 (Buchauszug online)
Historische Untersuchungen mit dem Begriff im Buchtitel
- Deutsch
- Gerald Reitlinger, Johann Wolfgang Brügel: Die Endlösung. Hitlers Versuch der Ausrottung der Juden Europas 1939–1945.
- 1. Auflage englisch 1953: The Final Solution: The Attempt to Exterminate the Jews of Europe, 1939–1945. 1987, ISBN 0-87668-951-9;
- 1. Auflage deutsch 1956: Berlin, Colloquium;
- Taschenbuch-Ausgabe: Copress – TB-A. 1983, ISBN 3-7678-0466-2;
- 7. Auflage 1992, ISBN 3-89166-870-8.
- Hans Günther Adler: Der Kampf gegen die „Endlösung der Judenfrage“, Hrsg.: Bundeszentrale für Heimatdienst, Bonn 1958.
- Robert Neumann: Ausflüchte unseres Gewissens. Dokumente zu Hitlers „Endlösung der Judenfrage“ mit Kommentar und Bilanz der politischen Situation. Verlag für Literatur und Zeitgeschehen, Hannover 1960, ISBN 978-3-492-24822-8.
- Ludwig Rosenthal: „Endlösung der Judenfrage“: Massenmord oder „Gaskammerlüge“? Darmstädter Blätter, 1980, ISBN 3-87139-059-3.
- Martin Gilbert: Endlösung. Ein Atlas. Die Vertreibung und Vernichtung der Juden. Rowohlt TB, Reinbek bei Hamburg 1982, ISBN 3-499-15031-X.
- Gerald Fleming: Hitler und die Endlösung. Es ist des Führers Wunsch…, Limes Verlag, 1982, ISBN 3-8090-2196-2 (Neuausgabe 1987 mit Nachwort von Saul Friedländer: Ullstein Taschenbuchverlag, ISBN 3-548-33083-5).
- Götz Aly: Endlösung. Völkerverschiebung und der Mord an den europäischen Juden, Fischer TB, Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-596-14067-6.
- Peter Longerich: Der ungeschriebene Befehl. Hitler und der Weg zur „Endlösung.“ München 2001, ISBN 3-492-04295-3.
- Torsten Ripper: Vom Vorurteil zur Vernichtung. Hitler und die „Endlösung der Judenfrage“. Studien zu Politik und Wissenschaft, Wochenschau-Verlag, Schwalbach/Taunus 2001, ISBN 3-87920-470-5
- Hans Mommsen: Auschwitz, 17. Juli 1942. Der Weg zur europäischen 'Endlösung der Judenfrage' , Dtv, 2002, ISBN 978-3-423-30605-8.
- Christopher R. Browning, Jürgen Peter Krause: Der Weg zur Endlösung. Entscheidungen und Täter. Rowohlt Tb, 2002, ISBN 3-499-61344-1.
- Christopher R. Browning: Die Entfesselung der „Endlösung“. Nationalsozialistische Judenpolitik 1939–1942. (mit einem Beitrag von Jürgen Matthäus) Propyläen, Berlin 2003, ISBN 3-549-07187-6.
- Ahlrich Meyer: Täter im Verhör. Die „Endlösung der Judenfrage“ in Frankreich 1940–1944, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2005, ISBN 3-534-17564-6.
- Ilja Altman: Opfer des Hasses. Der Holocaust in der UdSSR 1941–1945. Mit einem Vorwort von Hans-Heinrich Nolte. Muster-Schmidt, Gleichen / Zürich 2008, ISBN 978-3-7881-2032-0 (Originalausgabe: Жертвы ненависти. Холокост в СССР, 1941—1945 гг. / Žertvy nenavisti. Cholokost v SSSR 1941–1945, Moskau 2002, übersetzt von Ellen Greifer).
- Andere Sprachen
- Arno J. Mayer: Why Did the Heavens Not Darken? The Final Solution in History, Pantheon Books, 1988, ISBN 0-394-57154-1.
- Henry Friedlander: The Origins of Nazi Genocide: From Euthanasia to the Final Solution, University of North Carolina Press, 1995, ISBN 0-8078-2208-6.
- Eric Owen: The Final Solution, PublishAmerica, 2001, ISBN 1-58851-675-X.
- Walter Harmidarow: The Final Solution, Ltdbooks, 2001, ISBN 1-55316-544-6.
- Mark Roseman: The Villa, the Lake, the Meeting: Wannsee and the Final Solution, Penguin, 2003, ISBN 0-14-100395-2.
- Michael Chabon: The Final Solution, Harper Perennial, 2005, ISBN 0-00-719603-2.
- Thomas Streissguth: Adolf Eichmann: Executing the "Final Solution". Holocaust Heroes and Nazi Criminals, Enslow Publishers, 2005, ISBN 0-7660-2575-6.
- Christopher R. Browning: The Origins of the Final Solution. The Evolution of Nazi Jewish Policy, September 1939 – March 1942. With contributions by Jürgen Matthäus. Lincoln, University of Nebraska Press and Jerusalem, Yad Vashem 2004, ISBN 0-8032-1327-1.
- Laurent Joly: Vichy dans la «solution finale» : Histoire du commissariat général aux Questions juives (1941–1944), ISBN 2-246-63841-0.
Weblinks
Wiktionary Wiktionary: Endlösung – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
- Yad Vashem: Final Solution (PDF; 99 kB)
- DHG: Der NS-Völkermord
- Nationalsozialismus.at: Stationen der Vernichtung des europäischen Judentums
- Bundeszentrale für politische Bildung: 1933-1945: Verdrängung und Vernichtung
- Ulrich Herbert (Neue Zürcher Zeitung, 14./15. März 1998): Eine „Führerentscheidung“ zur „Endlösung“? Neue Ansätze in einer alten Diskussion (PDF; 567 kB)
- Fritz Bauer Institut: Holocaust Forschung (Rezensionen in Newsletter Nr. 21/2001)
- Haus der Wannsee-Konferenz: Dokumente zur Wannsee-Konferenz und zur Endlösung der Judenfrage
- Erinnerungsort "Topf und Söhne", Erfurt
Einzelnachweise
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