Garnisonkirche (Berlin)
Die Garnisonkirche (auch Alte Garnisonkirche genannt) war eine evangelische Kirche für die Soldaten der Garnison in Berlin am nach ihr benannten Garnisonkirchplatz in Mitte. Sie wurde im Zweiten Weltkrieg letztmals zerstört und die verbliebene Ruine wurde 1962 beseitigt.
Inhaltsverzeichnis
Kirchbauten
1701–1703 wurde die erste Garnisonkirche in Brandenburg unter König Friedrich I. durch den Baumeister Martin Grünberg gebaut. Die Explosion des Pulverturms am 12. August 1720 zerstörte sie.
Der zweite Kirchbau folgte 1720–1722 durch den Baumeister Johann Philipp Gerlach. Nun erhielt er keinen Turm mehr, nicht einmal einen Dachreiter. Diese schlichte Erscheinung entsprach der religiösen Orientierung des neuen Königs Friedrich Wilhelm I. Die Kirche wurde in der Folgezeit mehrfach umgebaut und an die Bedürfnisse ihrer Nutzer und der jeweiligen Zeit angepasst, so 1863 von August Stüler. 1873 bettete man 555 Särge aus den Grabgewölben der Kirche um. Die Bergung und Öffnung der Särge hielt Adolph Menzel in einer Serie von Bleistiftzeichnungen mit Leichenporträts fest.
Nach einer Neugestaltung des Inneren in den Jahren 1899–1900 brannte die Kirche am 13. April 1908 komplett aus. Ursache für die Brandkatastrophe war der defekte überhitzte Motor einer Orgel. Die Wiederherstellung der 2.700 Menschen fassenden Kirche erfolgte bis August 1909. Im Zweiten Weltkrieg brannte das Gotteshauses nach einem Bombentreffer am 23. November 1943 vollständig aus. Nach dem Krieg wurden die unzerstörten Grüfte mehrfach geplündert. Die Überreste der dort beigesetzten etwa 200 Personen wurden 1949 in 47 Särgen zusammengefasst und in ein Gemeinschaftsgrab auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf im Block Epiphanien, Feld 1a umgebettet. Die Kirchenruine, von der die Außenmauern bis zur Traufhöhe stehengeblieben waren, wurde 1962 abgerissen.
Erhalten ist das Predigerhaus (Frommel-Haus) in der Anna-Louisa-Karsch-Straße (damals Neue Friedrichstraße) und der Alte Garnisonfriedhof.
Berühmtheit erlangte das in goldenen Buchstaben angebrachte Motto über dem Eingangsportal von 1720: Ein Adler mit NON SOLI CEDIT (lateinisch: Er weicht der Sonne nicht) – der preußische Adler weicht dem Machtanspruch des Sonnenkönigs (Ludwig XIV. von Frankreich) nicht.
Orgel
Der zweite Kirchbau erhielt 1724 bis 1726 eine Orgel des Orgelbauers Joachim Wagner. Sie besaß folgende Disposition:
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- Koppeln: 2 Manualschiebekoppeln.
- Spielhilfen: Tremulant; Schwebung zur Vox Humana; Sonnenzug; Zug zu den Paucken-Clavieren; 4 Sperrventile; 4 Züge zu den Engeln, Trompeten und Adlern.
Eine zweite Orgel entstand 1892/93 durch Wilhelm Sauer. Mit 70 Registern auf drei Manualen war sie zum damaligen Zeitpunkt die größte Orgel Berlins und die zweitgrößte von Sauer bis dahin gebaute. Die Traktur war rein pneumatisch. Besonders hervorgehoben wurde die Crescendowalze, die frei einstellbar war: Am oberen Rande des Spieltisches befanden sich 70 den jeweiligen Registern entsprechende Registerknöpfe. Bei Betätigung der Crescendowalze konnten hierdurch gezielt Register abgestellt werden.<ref>Heinrich Reimann: Die neue Orgel in der Berliner Garnison=Kirche. In: Urania. 49, Nr. 8, 1892, S. 57 sq..</ref> Die Orgel hatte folgende Disposition:<ref>Vier neue Orgelwerke von dem Königl. preuß. Hoforgelbauer und akademischen Künstler Wilhelm Sauer in Frankfurt a./O.. In: Urania. 49, Nr. 1, 1892, S. 4.</ref>
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- Koppeln: II/I; III/I; III/II; I/P; II/P; III/P.
- Spielhilfen: Mezzoforte; Forte; Tutti; Rohrwerke; Gamben Stimmen; Flöten Stimmen.
Die 1901 wiedererrichtete Orgel orientierte sich stark an der Disposition von 1892. Die neue Orgel war wie folgt disponiert:<ref>Des Königl. Preußischen Hof-Orgelbaumeister Wilhelm Sauer in Frankfurt a.O. neuere Thätigkeit. In: Urania. 58, 1901, S. 44.</ref>
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- Koppeln: II/I; III/I; III/II; I/P; II/P; III/P.
- Spielhilfen: Mezzoforte, Forte und Fortissimo für je I., II. und III. Manual; Pianissimo, Piano, Mezzoforte, Forte und Fortissimo für das Pedal; Tutti; Rohrwerke; Rollschweller für das ganze Werk; Piano=Pedal mit Auslösung; Druckknopf für das musikalische Beiwerk.
Berliner Garnisonsprediger an der Alten Garnisonkirche
- 1703–1713: Christoph Naumann, erster Garnisonsprediger<ref name="luise">Garnisonkirche. luise-berlin.de, abgerufen am 25. Dezember 2012.</ref>
- 1717–1736: Lapertus Gedicke (1683–1736)
- 1736–1752: Johann Caspar Carstedt (1684–1752)
- 1752–1809: Vakanz
- 1816–1858: Gottlieb Friedrich Ziehe<ref name="intensiv">Berlinische Garnisonkirche mit Garnisonschule. berlinintensiv.de, abgerufen am 25. Dezember 2012.</ref>
- 1858–1869: Friedrich Adolf Strauß (1817–1888)<ref name="intensiv" /><ref name="ausstellung">Der Adler weicht der Sonne nicht – 300 Jahre Berliner Garnisonkirche in der märkischen Landschaft. garnisonfriedhof-berlin.de, abgerufen am 25. Dezember 2012.</ref>
- 1869–1872: Emil Frommel (1828–1896), Feldprediger
- 1876–1918: Max Wölfing (1847–1928), Feldpropst
- 1881–1883: Ludwig Schneller (1858–1953)
- 1918–1933/34: Friedrich Gottlob Erich Schlegel (1866–1938), Feldpropst der Armee und der Marine,<ref name="ausstellung" /> ab 1933 Feldbischof, letzter Garnisonsprediger<ref name="luise" />
Überreste der Garnisonkirche
1998 wurden bei Tiefbauarbeiten Reste der nordöstlichen Ecke der Umfassungsmauer und Wände der Gruftanlage gefunden. Dabei wurde auch die Altarplatte der Kirche geborgen. Die Fundamentreste stehen heute unter Denkmalschutz.<ref>Eintrag in der Berliner Landesdenkmalliste</ref>
Weitere Berliner Garnisonkirchen
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden für das stark vergrößerte Heer gebaut:
- Sankt-Michaels-Kirche, Katholische Garnisonkirche ab 1851
- Johannes-Basilika, Katholische Garnisonkirche ab 1894
- (Neue) Evangelische Garnisonkirche auf dem Südstern
Literatur
Kirchengebäude
- Förderverein (Hrsg.): Der Alte Berliner Garnisonfriedhof. Haude & Spener, Berlin 1995.
- Barbara Kündiger, Dieter Weigert: Der Adler weicht der Sonne nicht – 300 Jahre Berliner Garnisonkirche. Quintessenz, Berlin 2004 (online).
Orgel
- Johann Friedrich Walther: Die, In der Königl. Garnison-Kirche zu Berlin, befindliche Neue Orgel, Wie selbige, Nach ihrer äussern und innern Beschaffenheit erbauet, Mit wenigem beschrieben, Und Nebst einer kurtzen Vorrede, Vom Gebrauch, Kunst und Vortreflichkeit der Orgeln, zum Druck übergeben. Berlin 1726 (Online (PDF; 147 kB)).
- Heinrich Reimann: Die neue Orgel in der Berliner Garnison=Kirche. In: Urania. 49, Nr. 8, 1892, S. 57 sq..
Weblinks
- Garnisonkirche auf der Website des Luisenstädtischen Bildungsvereins
- Homepage des Fördervereins Alter Garnisonfriedhof
- Eintrag in der Berliner Landesdenkmalliste mit weiteren Informationen
Einzelnachweise
<references />
Koordinaten: 52° 31′ 19″ N, 13° 24′ 13″ O{{#coordinates:52,521822222222|13,403497222222|primary
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