Georg Leibbrandt


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Datei:LeibbrandtGeorg.jpg
Georg Leibbrandt (1899–1982)
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Leibbrandt an zweiter Stelle auf der Teilnehmerliste der Wannseekonferenz

Georg Leibbrandt (* 5. September 1899 in Hoffnungsthal bei Odessa; † 16. Juni 1982 in Bonn) war ein deutscher Dolmetscher, Bürokrat und Diplomat, der in der Zeit des Nationalsozialismus als Russlandexperte galt. Zunächst Mitglied der Sturmabteilung, besetzte er später führende außenpolitische Positionen im Außenpolitischen Amt der NSDAP (APA) und im Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete (RMfdbO). Beide Behörden standen unter der Leitung des NS-Chefideologen Alfred Rosenberg. Leibbrandt war Teilnehmer der Wannsee-Konferenz und in einem hohen Maße an der systematischen Judenvernichtung beteiligt. In der Nachkriegszeit wurde ein strafrechtliches Verfahren (Beihilfe zum Mord) gegen Leibbrandt eingestellt.

Herkunft und Jugend

Georg Leibbrandt wurde 1899 als Sohn von Kolonisten in der deutsch-schwäbischen Siedlung Hoffnungsthal bei Odessa geboren.<ref name="Klee364">Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich: Wer war was vor und nach 1945. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2007, S. 364, ISBN 978-3-596-16048-8.</ref> Er besuchte das Gymnasium in Dorpat und Odessa.

Während des Ersten Weltkriegs, als deutsche Truppen in die Ukraine vordrangen, leistete er Dienste als Dolmetscher.<ref name="Piper535">Ernst Piper: Alfred Rosenberg. Hitlers Chefideologe, München 2005, S. 290 und 535, ISBN 3-89667-148-0.</ref> Leibbrandt sprach Deutsch, Russisch, Ukrainisch, Französisch und Englisch.<ref name="Piper535" /> Nach der Oktoberrevolution von 1917 flüchtete er nach Berlin. Ab 1920 studierte er Theologie, Philosophie und Volkswirtschaft in Marburg, Tübingen, Leipzig und London.

Während des Studiums trat er dem Tübinger und dem Leipziger Wingolf bei, dessen Mitglied er bis zu seinem Tod blieb. In Tübingen war er auch im Verein Deutscher Studierender Kolonisten.

Weimarer Republik

Im Jahre 1927 promovierte Leibbrandt mit einer Arbeit über die schwäbische Auswanderung nach Russland im frühen 19. Jahrhundert. Eine der führenden Personen dieser Auswanderungsbewegung war einst sein Großvater.<ref name="Piper535" /> Nachdem er nach seiner Promotion Forschungsreisen nach Frankreich, England und – auf Empfehlung von Clara Zetkin – in die Sowjetunion unternahm, wurde er Rockefeller-Stipendiat und Verbindungsmann der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) in Washington.<ref name="Piper535" />

Nationalsozialismus

Außenpolitisches Amt

Im Jahre 1933 trat er in die NSDAP ein.<ref name="Klee364" /> Im Außenpolitischen Amt der NSDAP (APA) war er Leiter der Ostabteilung, danach war er zuständig für antikommunistische und antisowjetische Propaganda. Im APA versuchte Leibbrandt insbesondere Russlanddeutsche ins Amt zu bringen.<ref name="Piper290">Ernst Piper: Alfred Rosenberg. Hitlers Chefideologe, München 2005, S. 290.</ref> Neben Rosenberg war er der wichtigste außenpolitische Vordenker des APA.<ref name="Piper290" />

Im Jahre 1933 wurde die Antikomintern, „Gesamtverband deutscher antikommunistischer Vereinigungen e.V.“, gegründet. Dieser Verein unterstand dem antibolschewistischen Referat des Propagandaministeriums von Joseph Goebbels und befand sich in direkter Konkurrenz zur Ostabteilung des APA von Leibbrandt.<ref name="Piper316">Ernst Piper: Alfred Rosenberg. Hitlers Chefideologe, München 2005, S. 316. (Quelle: Aktennotiz vom 3. November 1936, BDC Personalakte Rosenberg; nach Piper wurde die Antikomintern erst 1935 gegründet.)</ref> Der Konflikt führte später so weit, dass sämtliche Mitarbeiter der Antikomintern einen Revers unterschreiben mussten, dass ihnen bekannt sei, nicht „mit Dr. Leibbrandt vom Aussenpolitischen Amt der NSDAP“ zusammenzuarbeiten.<ref name="Piper316" /> Am 13. Juli 1934 schrieb Rosenberg in sein Tagebuch: „Das gleiche stellt Leibbrandt für Amerika fest. Dr. G bei der ersten möglichen Gelegenheit gesagt, dass ich diesen Wahnsinn nicht teile.“<ref>Zitiert in: Ernst Piper: Alfred Rosenberg. Hitlers Chefideologe, München 2005, S. 634. Quelle: Robert M. W. Kempner: Eichmann und Komplizen, Zürich 1961, S. 156 f.</ref>

Im Januar 1950 eröffnete das Landgericht Nürnberg-Fürth wegen des Verdachts des mehrfachen Mordes ein Ermittlungsverfahren gegen Leibbrandt.<ref>H.D. Heilmann, Aus dem Kriegstagebuch des Diplomaten Otto Bräutigam. In: Götz Aly u.a. (Hrsg.): Biedermann und Schreibtischtäter. Materialien zur deutschen Täter-Biographie, Institut für Sozialforschung in Hamburg: Beiträge zur nationalsozialistischen Gesundheits- und Sozialpolitik 4, Berlin 1987, S. 167 (Quelle: Ks3/50 = Staatsarchiv Nürnberg, Bestand Landgericht Nürnberg-Fürth, Abgabe 1983, Nr. 2638.)</ref> Die Untersuchung wurde am 10. August 1950 eingestellt.<ref name="Klee364" /> Ein Gerichtsverfahren wurde nicht eröffnet.

In der Nachkriegszeit wohnte Leibbrandt in Unterweissach in Baden-Württemberg.<ref name="Klee364" />

Am 19. September 1966 schrieb Der Spiegel unter dem Titel Hacke empfohlen – Der Herr über Leben und Tod, dass Leibbrandt zu diesem Zeitpunkt das Bonner Büro der Salzgitter AG leitete.<ref> Hacke empfohlen. In: Der Spiegel. Nr. 39, 1966, S. 62 (19. September 1966, online).</ref>

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

<references/>