Gewehr
Das Gewehr ist nach heutigem Sprachgebrauch mit Ausnahme des Luftgewehrs eine zu den Handfeuerwaffen zählende Schusswaffe, die als Schulterwaffe (von der Schulter geschossen) mit zwei Händen zu bedienen ist. Das deutsche Waffenrecht definiert Gewehre als Langwaffen.
In der Hauptsache werden Gewehre technisch nach Art und Beschaffenheit ihrer Läufe, vornehmlich in Büchse mit gezogenem Lauf (Ausnahmen bilden Läufe mit polygonalem Laufprofil) und Flinte mit glattem Lauf (Ausnahmen bilden Läufe für spezielle Flintenlaufgeschosse) unterteilt. Weitere technische Unterscheidungen werden nach der Art der Ladeeinrichtung oder auch der Bauweise getroffen. Darüber hinaus sind Unterscheidungen nach Verwendung und sprachgebräuchliche Unterscheidungen zu finden.
Inhaltsverzeichnis
Etymologie
Das Wort Gewehr stammt von dem althochdeutschen Wort weri ab, was so viel wie „Befestigung“ oder „Verteidigung“ bedeutet. Der ursprüngliche Sinn lebt in dem Wort Wehr („Staudamm“) weiter; vgl. auch Feuerwehr.
Durch Kollektivbildung entstand das Wort giweri und daraus das Sammelwort Gewehr, das schließlich im Militärwesen auf jegliche von einem Mann trag- und bedienbare Waffe (Trutzwaffen<ref>Eintrag Gewehr. In: dtv Brockhaus Lexikon. Band 7 Gew–Hat. 1988</ref>, aber auch Blankwaffen wie z. B. Schilde) übertragen wurde. Vor der Erfindung der Feuerwaffen beschrieb „Gewehr“ eine Waffe jeder Art.
Man unterschied dabei nach der Art des Tragens das Obergewehr, z. B. Stangenwaffen wie Pike und Sponton („Kurzgewehr“) sowie Feuerwaffen, von den Untergewehren, worunter blanke Waffen wie Degen, Pallasche, Säbel, Faschinenmesser und Dolche verstanden wurden. In der preußischen Kavallerie des 19. Jahrhunderts bedeutete der Befehl „Gewehr auf“ für die berittene Truppe das Blankziehen von Säbel oder Pallasch.
Später unterschied man das Feuer-Gewehr oder Schießgewehr (auch kleines Gewehr für die Handfeuerwaffen des Fußvolks im Gegensatz zum Geschütz) vom Seiten-Gewehr für die Blankwaffen. Der Begriff „Seitengewehr“ hat sich für das Bajonett erhalten.
Geschichte
Das Gewehr in der heutigen Form ist die Weiterentwicklung der Urform aller Feuerwaffen, des Handrohrs, das um ca. 1300 zum ersten Mal eingesetzt wurde. Ursprünglich bestand dieses aus einem gegossenen Metalllauf (vergleichbar mit einer kleinen Kanone) ohne jegliche Holzkomponenten (Schaft etc. fehlten noch komplett). Gezündet wurden diese Handrohre durch eine kleine Öffnung mittels einer Lunte.
Waren die ersten Handrohre noch sehr ungenau, so waren die Nachfolger in der Mitte des 16. Jahrhunderts bereits etwas genauer. Ein Nachfolger war die Arkebuse oder Hakenbüchse, die in Form und Aussehen dem uns bekannten Gewehr schon etwas näher kam. Meist hatten diese frühen Gewehre schon einen mechanischen Abzug und waren immer noch mit einem Luntenschloss ausgestattet. Aufgrund ihres hohen Gewichtes wurden die Hakenbüchsen normalerweise auf eine Gabel gestützt oder auf Mauern abgelegt und verfügten über einen Haken zum Abstützen der Waffe gegen den Rückstoß, woher sie auch ihren Namen bezogen.
Schließlich schritt die Kunst der Waffenschmiede voran und die Arkebuse wurde Ende des 16. Jahrhunderts von der Muskete abgelöst. Die Muskete wurde weiterentwickelt und setzte sich auf den Schlachtfeldern immer mehr durch. Den Erfindungen waren kaum Grenzen gesetzt und so wurde der Zündmechanismus immer weiter verbessert. Nach dem Luntenschloss wurden verschiedene Zündungen mit Feuersteinen entworfen, Radschloss, Schnapphahn und schließlich das Steinschloss, das die Waffe zu einer handlichen und vielseitig einsetzbaren Waffe machte. Durch die Zündung per Feuerstein, auch Flint genannt, setzte sich der Name Flinte durch.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts kam eine neue Zündung auf, das Perkussionsschloss. Das Zünden der Ladung durch ein Zündhütchen war nochmals ein großer Schritt zur sicheren und einfachen Handhabung. Waren die Vorgängermodelle noch sehr anfällig gegenüber Wind und Feuchtigkeit, so war das Zündhütchen gegen Witterungseinflüsse weitgehend unanfällig und sorgte für eine weitgehend sichere Zündung der Treibladung.
Alle bisher genannten Gewehre waren so genannte Vorderladergewehre. Mitte des 19. Jahrhunderts setzten sich die ersten Hinterladergewehre durch, wie z. B. das Sharps Rifle. Frühe Hinterladergewehre wurden noch mit Papierpatronen geladen.
In den 1860er Jahren wurde die industrielle Fertigung moderner Patronen aufgenommen, was wiederum Einfluss auf die weitere Entwicklung der Gewehre hatte. Erst durch die moderne Metallpatrone war der Weg zur Entwicklung und zum Bau von Mehrladewaffen und deren große Verbreitung frei.
Technik
Ursprünglich wird konstruktionsbedingt bei Gewehren über den Lauf visiert und das Ziel aufgenommen, dabei wird die Waffe an der Schulter abgestützt. Gewehre gehören zu den Handfeuerwaffen (nicht zu verwechseln mit Faustfeuerwaffen, die nur mit einer Hand bedient werden), weil sie von Hand geführt, von Hand bedient und aus der Hand, in diesem Fall von der Schulter, geschossen werden. Gewehre lassen sich in die Baugruppen und Bauteile Lauf mit Patronenlager (dieser entscheidet über die Treffgenauigkeit), Schaft mit Vorder- und Hinterschaft sowie Handschutz (der Hinterschaft entscheidet über die Anschlaggenauigkeit), Verschluss, optronisches wie Zielfernrohr oder Reflexvisier und oder mechanisches Visier sowie das Kaliber - dieses entscheidet die Wirkung im Ziel. Die Treibladungsmenge im Verhältnis zum Geschossgewicht sowie die Rohrlänge, die bestimmt, wie gut die Treibladung ausgenutzt wird, bestimmen über die Reichweite der Waffe. Die Geschosshärte und die Geschossart bestimmen die Stoppwirkung oder die Durchschlagskraft des Projektils.
Unterscheidungen
Unterscheidung nach Laufprofil
Gewehre werden aus technischer Sicht nach der Art und Beschaffenheit des Laufes unterschieden:
- Gewehr mit gezogenem Lauf (Ausnahmen bilden Läufe mit polygonalem Laufprofil).
- Gewehr mit glattem Lauf (Ausnahme bilden gezogene Läufe für Flintenlaufgeschosse).
- Gewehr mit zwei oder mehreren glatten und gezogenen Läufen in unterschiedlichen Kombinationen und Anordnungen.
Unterscheidung nach Ladeeinrichtung
Gewehre werden aus technischer Sicht nach der Art der Ladeeinrichtung unterschieden:
- Gewehr, das durch den Lauf von vorne geladen wird.
- Gewehr, das von hinten einzeln geladen wird.
- Mehrlader, auch Repetierer (dies trifft auch auf Flinten zu)
- Gewehr, das aus einem Magazin durch manuelle Betätigung des Lademechanismus (Repetieren) geladen und gespannt wird –
als Unterhebelrepetierer, Vorderschaftrepetierer, Kammerstängelrepetierer.
- Gewehr, das durch einen automatisierten Mechanismus geladen und gespannt wird (sog. Halbautomat).
- Gewehr, das durch einen automatisierten Mechanismus geladen, gespannt und abgefeuert wird (sog. Vollautomat).
Unterscheidung nach Bauweise
Gewehre werden auch nach Bauweise oder Schäftung unterschieden.
Unterscheidung nach Verwendung
Gewehre werden unabhängig von technischen Unterscheidungsmerkmalen auch nach ihrer Verwendung unterschieden.
- Ordonnanzgewehr (Militärgewehr)
- Kavalleriekarabiner
- Scharfschützengewehr (Präzisionsgewehr)
- Dienstgewehr
- Matchgewehr
- Jagdgewehr
Unterscheidung nach Sprachgebrauch
Gewehre werden auch im allgemeinen Sprachgebrauch, unabhängig von technischen oder verwendungstechnischen Merkmalen unterschieden. Diese Pseudonyme sind zum großen Teil geschichtlich gewachsen und somit aus dem täglichen Sprachgebrauch nicht wegzudenken.
- Maschinenkarabiner auch Sturmgewehr
- Sportgewehr
- Flinte (Schrotgewehr)
- Vorderschaftrepetierflinte (Pump Gun)
Waffenrechtliche Definitionen
Deutschland
Das Waffengesetz definiert unter folgenden Voraussetzungen das Gewehr als Langwaffe:
- a) Lauf und Verschluss sind geschlossen (also schussbereit) mindestens 30 cm lang.
- b) die kürzeste bestimmungsgemäß verwendbare Gesamtlänge überschreitet 60 cm (Lauf, Verschluss und Schaft).
Österreich
Das Waffengesetz 1996 unterteilt alle Schusswaffen in vier Schusswaffenkategorien:
- Kategorie A (verboten):
- Kriegsmaterial, Vorderschaftrepetierflinten (sog. Pumpguns).
- Kategorie B (genehmigungspflichtig):
- Faustfeuerwaffen (Pistolen, Revolver), Halbautomatische Gewehre, Repetierflinten.
- Kategorie C (meldepflichtig):
- Gewehre mit gezogenem Lauf (Büchsen), auch Kleinkaliber.
- Kategorie D (meldepflichtig):
- Gewehre mit glattem Lauf (Flinten).
Es gibt keine gemeinsame Einstufung für alle Gewehre nach der Bauform, sondern eine auf die Funktion (und damit die Gefährlichkeit) bezogene Klassifizierung von Schusswaffen im allgemeinen.
Schweiz
Im Bundesgesetz über Waffen, Waffenzubehör und Munition (Waffengesetz , WG, 514.54) vom 12. Dez. 2008 gelten gemäss
- Art. 4. a, Geräte als Waffen, mit denen durch Treibladung Geschosse abgegeben werden können und die eine einzige Person bedienen und tragen kann.
- Gemäss Art. 8 sind diese der Waffenerwerbsscheinpflicht unterstellt.
- Gemäss Art. 10 können folgende Waffen ohne Waffenerwerbsschein erworben werden: Einschüssige und mehrläufige Jagdgewehre, Nachbildungen von einschüssigen Vorderladern, vom Bundesrat bestimmte Handrepetiergewehre, die im ausserdienstlichen und sportlichen Schiesswesen eingesetzt werden. Ihr Erwerb ist der Vertrags- und Meldepflicht unterstellt.
Literatur
- Wörterbuch zur Deutschen Militärgeschichte, Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik VEB - Berlin 1985
- Brockhaus' Konversationslexikon, 14. Auflage 1894, Leipzig, 7. Band
Weblinks
Einzelnachweise
<references />da:Gevær