Gynäkomastie
Klassifikation nach ICD-10 | ||
---|---|---|
N62 | Gynäkomastie | |
ICD-10 online (WHO-Version 2013) |
Gynäkomastie (aus griechisch γυνή (gynä) = Frau und μαστός (mastos) = Brust) ist die Vergrößerung der Brustdrüse beim Mann. Die echte Gynäkomastie durch Vermehrung des Drüsengewebes muss dabei von einer falschen Gynäkomastie durch Fetteinlagerung – wie sie bei Übergewicht und Fettsucht (Adipositas) auftritt – unterschieden werden.
Diese Brustveränderung wird von den betroffenen Männern oft als peinlich empfunden und kann zu teilweise erheblichen Störungen des Selbstvertrauens führen.
Inhaltsverzeichnis
Arten der Gynäkomastie
normale physiologische Veränderung
- Neugeborenengynäkomastie: Wird durch die weiblichen Hormone der Mutter ausgelöst, die über die Plazenta auf das Neugeborene übertragen wurden. Sie bildet sich wieder zurück.
- Pubertätsgynäkomastie: entsteht bei etwa 50 % der Jungen im Verlauf der Pubertät und bildet sich in aller Regel, aber nicht immer vollständig zurück. Lange Zeit glaubte man, dass dieses pubertäre Brustwachstum durch die erhöhte Östrogenbildung und eine darurch bedingte Verschiebung des Östrogen/ Testosteron-Verhältnisses in Richtung Östrogen verursacht ist. Durch eine Studie in Dänemark konnte diese Annahme nicht bestätigt werden. Vielmehr sprechen neue Befunde dafür, dass der signifikant erhöhte insulinähnliche Wachstumsfaktor Insulin-like growth factor 1 (IGF-1) zusammen mit den erhöhten Östrogenen dieses Brustwachstum bewirkt, bei ebenfalls erhöhtem Testosteronspiegel und damit einem unveränderten Verhältnis von Östrogenen zu Testosteron.<ref>COPENHAGEN Puberty Study → Mikkel G. Mieritz1, Lars Lau Rakêt, Casper P. Hage u.a.: A longitudinal study of growth, sex steroids and insulin-like growtht factor I in boys with physiological gynaecomastia. In: The Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism. (J Clin Endocrinol Metab.) veröffentlicht online 19. August 2015, doi:10.1210/jc.2015-2836 (Volltext als PDF-Datei).</ref>
- Altersgynäkomastie: Mit zunehmendem Alter erhöht sich der Anteil der Fettgewebsmasse im Vergleich zur abnehmenden Körpermasse, dadurch erhöht sich auch die Umwandlung von männlichen Hormonen (Androgene) in weibliche Hormone (Östrogene) im Fettgewebe. Gleichzeitig dazu nimmt die männliche Hormonbildung im Hoden ab.
- Pseudogynäkomastie: bei allgemeiner Fettsucht (Adipositas). Der Übergang vom Übergewicht zur Adipositas wird etwa bei einem Body-Mass-Index (BMI) von 30 erreicht.
Ein besonders häufiges Vorkommen wurde bei Soldaten des Wachbataillons der Bundeswehr festgestellt.<ref name=":0">Kuhne et al.: gms | GMS Interdisciplinary Plastic and Reconstructive Surgery DGPW | Gynecomastia in German soldiers: etiology and pathology. In: www.egms.de. 2012 (http://www.egms.de/en/journals/iprs/2012-1/iprs000003.shtml, abgerufen am 6. Dezember 2015).</ref> Die 200 operierten Patienten zeigten im Vergleich zu einer gesunden Kontrollgruppe einen signifikant anderen Hormonstatus.<ref name=":0" />
Krankhafte (pathologische) Gynäkomastie
Auch eine echte Gynäkomastie ist keine eigenständige Erkrankung, sondern ein Symptom, denn verschiedene hormonale Störungen bzw. Erkrankungen, eine Kastration oder auch Nebenwirkungen von Medikamenten können zu einer Brustvergrößerung führen:
- Mangel an männlichen Hormonen (Hypogonadismus)
- Erhöhte Östrogenbildung
- Chronische Erkrankungen (Nierenversagen, Leberversagen, Alkoholmissbrauch)
- Medikamente: Zu den häufigsten Auslösern gehören – neben Hormonen – Säureblocker wie Cimetidin, Ranitidin und Omeprazol, der Aldosteronantagonist Spironolacton, das Prostatamittel Finasterid, Herzglykoside wie Digoxin und Calciumantagonisten vom Typ Nifedipin und Verapamil sowie Neuroleptika vom Phenothiazintyp oder Sulpirid.<ref>Arznei-Telegramm, Berlin.</ref>
- Brustkrebs (sehr selten)
Ursachen
Ursachen der echten Gynäkomastie sind in der Regel Störungen im Hormonhaushalt. Dabei lassen sich im Wesentlichen unterscheiden:
- die erhöhte Ansprechbarkeit des Brustgewebes auf weibliche Geschlechtshormone
- das Vorhandensein von erhöhten Mengen an weiblichen Geschlechtshormonen, z. B. bei der Hormontherapie des Prostatakarzinomes, bei östrogenproduzierenden Hodentumoren und Erkrankungen der Hypophyse und des Hypothalamus. Auch in der Pubertät kann ein Überschuss an Östrogen entstehen, der die Brust anwachsen lässt (Pubertätsgynäkomastie).
- die verringerte Produktion von männlichen Geschlechtshormonen (wie bei Unterfunktion der Keimdrüsen oder bei Altersgynäkomastie durch verringerte Hormonbildung im Hoden bei gleichzeitigem Östrogenüberschuss)
- davon unabhängige Ursachen wie Schilddrüsenerkrankungen, Leberzirrhose und die Dialyse bei Niereninsuffizienz (Nierenversagen)
- die Aufnahme hoher Hormonkonzentrationen durch die Ernährung, insbesondere durch hormonbehandeltes Fleisch.
- die Substitution von Testosteron (medizinisch indiziert oder als Anabolika), da dieses im Fett- und Muskelgewebe mittels des Enzyms Aromatase teilweise in Östrogen umgewandelt wird.
- eine Nebenwirkung von Spironolacton (Aldosteron-Antagonist).
- das Vorliegen des Karyotyps 47,XXY mit Gynäkomastie als ein Phänotyp des Klinefelter-Syndroms.
Beim einseitigen Befund der Gynäkomastie ist auch beim Mann das Vorliegen eines Mammakarzinomes (Brustkrebs) nicht auszuschließen. Meist handelt es sich jedoch um ein Fibroadenom der Brust.
In Europa ist beschrieben, dass der übermäßige Genuss von mit Hopfen gebrautem Bier durch den Gehalt der Hopfenblüten an Phytoöstrogenen an der Entstehung einer Gynäkomastie beteiligt sein kann. Gleichwohl ist die hohe Kalorienzufuhr bei der Aufnahme alkoholischer Getränke wesentlich (Zunahme des Körperfettes – sogenannte „falsche Gynäkomastie“).
Behandlung
Bei der echten Gynäkomastie ist aus gesundheitlicher Sicht in der Regel kein operativer Eingriff nötig. Da die psychische Belastung bei vielen Betroffenen durch äußere Einflüsse jedoch oft sehr hoch ist, wird häufig versucht, die Rückbildung der Brust durch Einnahme von Hormonpräparaten herbeizuführen, was jedoch nicht in allen Fällen zum gewünschten Erfolg führt. Wird die Brust durch einen operativen Eingriff verkleinert, geschieht dies meist durch einen kurzen Schnitt am Rand des Brustwarzenhofes, durch den das Drüsengewebe und eventuell überschüssiges Körperfett entfernt werden.
Eine Operation ist jedoch nur eine Behandlung des Symptoms, nicht der Ursachen der Gynäkomastie. Eine nachhaltige Behandlung erfordert deshalb je nach Ursache der Brustvergrößerung:
- Änderung der Ernährung (Gewichtsreduktion, weniger Alkohol)
- Nach Möglichkeit Absetzen von Medikamenten
- Bei bestehendem Androgenmangel kann männliches Hormon substituiert werden, Nebenwirkungen sind zu beachten (siehe auch Testosteronzufuhr).
Vorbeugung vor Medikamenteneinsatz
Durch eine radiologische Bestrahlung des Brustgewebes kann die Bildung einer Gynäkomastie durch den Einsatz von Antiandrogene teilweise oder ganz verhindert werden. Die Erfolgsrate dieser Prophylaxe liegt zwischen 60 und 92 %.<ref>Neu B., Sautter V., Sautter-Bihl M.-L.: Strahlentherapie zur Prophylaxe und Therapie einer antiandrogenbedingten Gynäkomastie bei Prostatakarzinom (PDF; 640 kB)</ref>
Linderung von Beschwerden
Bei einer ausgeprägten Gynäkomastie können sich Beschwerden wie Druckgefühl, Schmerzen in der Brust, Überempfindlichkeit der Brustwarzen oder Hautreizungen in der Brustfalte einstellen. Auch die Bewegung des Gewebes wird oftmals als unangenehm empfunden. Beim Sport kann diese Bewegung des Gewebes zu starken Schmerzen führen. Kompressionsshirts, ein Sport-BH oder Büstenhalter können in diesen Fällen Linderung verschaffen.
Siehe auch
- Weibliche Brust
- Lipomastie (Lipomatosen: Fettanhäufungen an bestimmten Körperstellen)<ref>Medizinisches Wörterbuch, m-press münchen gmbh</ref>
Einzelnachweise
<references/>
Weblinks
Gesundheitshinweis | Dieser Artikel behandelt ein Gesundheitsthema. Er dient nicht der Selbstdiagnose und ersetzt keine Arztdiagnose. Bitte hierzu diese Hinweise zu Gesundheitsthemen beachten! |