Hardy-Raum
In der Funktionentheorie ist ein Hardy-Raum <math>H^p</math> ein Funktionenraum holomorpher Funktionen auf bestimmten Teilmengen von <math>\mathbb{C}</math>. Hardy-Räume sind die Entsprechungen der <math>L^p</math>-Räume in der Funktionalanalysis. Sie werden nach Godfrey Harold Hardy benannt, der sie 1914<ref name="Hardy-1914">G.F. Hardy: The mean value of the modulus of an analytic function. Proc. London Math. Soc. 14, pp. 269-277 (1914).</ref> einführte.
Inhaltsverzeichnis
Definition
Üblicherweise werden zwei Klassen von Hardy-Räumen definiert, abhängig von dem Gebiet <math>D \subset \mathbb{C}</math> in der komplexen Ebene, auf dem ihre Funktionen definiert sind.
Hardy-Räume auf der Einheitskreisscheibe
Sei <math>\mathbb{D} = \{z \in \mathbb{C}: |z| < 1\}</math> die Einheitskreisscheibe in <math>\mathbb{C}</math>. Dann besteht für <math>p>0</math> der Hardy-Raum <math>H^p(\mathbb{D})</math> aus allen holomorphen Funktionen <math>F: \mathbb{D} \to \mathbb{C}</math>, für die gilt
- <math>\sup_{0<r<1} \left(\frac{1}{2\pi} \int_0^{2\pi} \left|F(re^{i\theta})\right|^p \; {\rm d}\theta\right)^{1/p}<\infty.</math>
Der Wert des Terms auf der linken Seite dieser Ungleichung wird als „<math>H^p</math>-Norm“ von <math>F</math> bezeichnet, in Symbolen <math>\|F\|_{H^p}</math>.
Für <math>p=\infty</math> setzt man <math>\textstyle \|F\|_{H^\infty(\mathbb{D})} = \sup_{z\in\mathbb{D}}|F(z)|</math> und definiert <math>H^\infty(\mathbb{D})</math> als Raum aller holomorphen Funktionen <math>F: \mathbb{D} \to \mathbb{C}</math>, für die dieser Wert endlich ist.
Hardy-Räume auf der oberen Halbebene
Sei <math>\mathbb{H} = \{x+iy \in \mathbb{C}: y > 0\}</math> die obere Halbebene in <math>\mathbb{C}</math>. Dann besteht für <math>p>0</math> der Hardy-Raum <math>H^p(\mathbb{H})</math> aus allen holomorphen Funktionen <math>F: \mathbb{H} \to \mathbb{C}</math>, für die gilt
- <math>\sup_{y>0} \left( \int_0^{\infty} \left|F(x + iy)\right|^p \; {\rm d}x\right)^{1/p}<\infty.</math>
Der Wert des Terms auf der linken Seite dieser Ungleichung wird ebenfalls als „<math>H^p</math>-Norm“ von <math>F</math> bezeichnet, in Symbolen <math>\|F\|_{H^p(\mathbb{H})}</math>.
Für <math>p=\infty</math> setzt man <math>\textstyle \|F\|_{H^\infty(\mathbb{H})} = \sup_{z\in\mathbb{H}}|F(z)|</math> und definiert <math>H^\infty(\mathbb{H})</math> als Raum aller holomorphen Funktionen <math>F: \mathbb{H} \to \mathbb{C}</math>, für die dieser Wert endlich ist.
Wenn allgemein von Hardy-Räumen <math>H^p</math> die Rede ist, ist in der Regel klar, welche der beiden Klassen gemeint ist (also ob <math>D=\mathbb{D}</math> oder <math>D=\mathbb{H}</math>); üblicherweise ist es der Raum <math>H^p(\mathbb{D})</math> von Funktionen auf der Einheitskreisscheibe <math>\mathbb{D}</math>.
Faktorisierung
Für <math>p\geq 1</math> kann jede Funktion <math>f \in H^p</math> als Produkt <math>f=Gh</math> geschrieben werden, worin <math>G</math> eine äußere Funktion und <math>h</math> eine innere Funktion ist.
Für <math>H^p = H^p(\mathbb{D})</math> auf der Einheitsscheibe beispielsweise ist <math>h</math> eine innere Funktion genau dann, wenn <math>|h(z)|\leq 1</math> auf der Einheitskreisscheibe gilt und der Grenzwert
- <math>\lim_{r\rightarrow 1^-} h(re^{i\theta})</math>
für fast alle <math>\theta</math> existiert und sein absoluter Betrag gleich 1 ist. <math>G</math> ist eine äußere Funktion, wenn
- <math>G(z)=\exp\left(i\phi+\frac{1}{2\pi} \int_0^{2\pi}
\frac{e^{i\theta}+z}{e^{i\theta}-z} g(e^{i\theta}) {\rm d}\theta \right)</math> für einen reellen Wert <math>\phi</math> und eine reellwertige und auf dem Einheitskreis integrable Funktion <math>g</math>.
Weitere Eigenschaften
- Für <math>1 \leq p \leq \infty</math> sind die Räume <math>H^p</math> Banachräume.
- Für <math>p>1</math> gilt <math>H^p(\mathbb{D}) \cong L^p([0,1])</math> und <math>H^p(\mathbb{H}) \cong L^p(\mathbb{R})</math>.
- Für <math>1< p < q<\infty</math> gilt <math>H^\infty(\mathbb{D}) \subset H^q(\mathbb{D}) \subset H^p(\mathbb{D}) \subset H^1(\mathbb{D})</math>. Dabei sind alle diese Inklusionen echt.
Reelle Hardy-Räume
Aus den Hardy-Räumen der oberen Halbebene entwickelten Elias Stein und Guido Weiss die Theorie der reellen Hardy-Räume <math>\mathcal{H}^p(\R^n)</math>.
Definition
Sei <math>\phi \in S</math> eine Schwartz-Funktion auf <math>\R^n</math> und <math>\phi_t(x) = t^{-n} \phi(t^{-1}x)</math> für t > 0 eine Dirac-Folge. Sei <math>f \in S'</math> eine temperierte Distribution, so sind die radiale Maximalfunktion <math>m_\phi(f)</math> und die nicht-tangentiale Maximalfunktion <math>M_\phi(f)</math> definiert durch
- <math> \begin{align}
m_\phi(f)(x) =& \sup_{t > 0}|f * \phi_t(x)|,\\ M_\phi(f)(x) =& \sup_{|y-x| < t < \infty} |f * \phi_t(y)|. \end{align}</math> Hierbei bezeichnet <math>*</math> die Faltung zwischen einer temperierten Distribution und einer Schwartz-Funktion.
Charles Fefferman und Elias M. Stein bewiesen für <math>f \in S'(\R^n)</math> und <math>0 < p \leq \infty</math>, dass die folgenden drei Bedingungen äquivalent sind:
- <math>m_\phi(f) \in L^p</math> für ein <math>\phi \in S</math> mit <math> \int_{\R^n} \phi \neq 0</math>,
- <math>M_\phi(f) \in L^p</math> für ein <math>\phi \in S</math> mit <math> \int_{\R^n} \phi \neq 0</math>,
- <math>M_\phi(f) \in L^p</math> für jedes <math>\phi \in S</math> und <math>M_\phi(f)</math> ist in einer geeigneten Teilmenge <math>U \subset S</math> gleichmäßig beschränkt in <math>\phi</math>.
Man definiert den reellen Hardy-Raum <math>\mathcal{H}^p(\R^n)</math> als den Raum, welcher alle temperierten Distributionen enthält, die die obigen Bedingungen erfüllen.
Atomare Zerlegung
Insbesondere <math>\mathcal{H}^1(\R^n)</math>-Funktionen haben die Eigenschaft, dass man sie in eine Reihe "kleiner" Funktionen sogenannter Atome zerlegen kann. Ein <math>\mathcal{H}^p</math>-Atom ist für <math>p \leq 1</math> eine Funktion <math>a</math>, so dass gilt:
- <math>a</math> hat ihren Träger in einem Ball <math>B</math>;
- <math>|a| \leq \mu(B)^{-1/p}</math> fast überall; und
- <math>\int_{B}x^\beta a(x) \mathrm{d} \mu(x) \,=\, 0</math> für alle <math>\beta</math> mit <math>|\beta| \leq n(p^{-1} - 1)</math>.
Die Forderungen 1 und 2 garantieren die Ungleichung <math>\int_{\R^n}|a(x)|^p\mathrm{d} x \leq 1</math> und die Forderung 3 bringt die stärkere Ungleichung
- <math>\int_{\R^n} (M_\Phi(a)(x))^p \mathrm{d} x \leq c</math>.
Der Satz über die atomare Zerlegung sagt nun, für <math>f \in \mathcal{H}^p(\R^n)</math> mit <math>p\leq 1</math> kann <math>f</math> als Reihe von <math>\mathcal{H}^p</math>-Atomen <math>a_k</math>
- <math>f = \sum_{k=1}^\infty \lambda_k a_k</math>
geschrieben werden. Dabei ist <math>(\lambda_k)_k</math> eine Folge komplexer Zahlen mit <math>\sum_{k=1}^\infty|\lambda_k|^p < \infty</math>. Die Reihe <math>\sum_{k=1}^\infty \lambda_k a_k</math> konvergiert im Distributionensinne und es gilt weiter
- <math>\|f\|_{\mathcal{H}^p} \leq c \left(\sum_{k=1}^\infty|\lambda_k|^p\right)^{1/p}</math>.
Verbindung zu den Hardy-Räumen
Wie oben schon erwähnt, sind die reellen Hardy-Räume aus den Hardy-Räumen der Funktionentheorie heraus entwickelt worden. Dies wird im folgenden Abschnitt erläutert, jedoch beschränken wir uns hier auf den Fall <math>1 - 1/n < p <\infty</math>. Der interessante Fall p=1 wird also mit abgehandelt und für <math>n = 1</math> erhält man die ganze Spanne <math>0 < p < \infty</math>.
Seien
- <math>u_0, u_1, \ldots, u_n : \R^{n+1}_+ \to \R</math>
Funktionen auf der oberen Halbebene, welche die verallgemeinerten Cauchy-Riemann'schen Differentialgleichungen
- <math> \sum_{j=0}^n \frac{\partial u_j}{\partial x_j} = 0</math> und
- <math> \frac{\partial u_j}{\partial x_k} = \frac{\partial u_k}{\partial x_j}</math>
für <math>0 \leq j, k \leq n</math> erfüllen.
Jede Funktion <math>u_j</math> ist also eine harmonische Funktion und im Fall <math>n=1</math> entsprechen die verallgemeinerten Cauchy-Riemann'schen Differentialgleichungen genau den normalen Cauchy-Riemann-Gleichungen. Somit gibt es also eine holomorphe Funktion <math>f = u_0 + i u_1</math> bezüglich der Variablen <math>x_1 + ix_0</math>.
Nach einem weiteren Satz von Fefferman und Stein erfüllt eine harmonische Funktion <math>u</math> genau dann eine der drei äquivalenten <math>H^p</math>-Bedingungen, falls eine Funktion <math>F = (u, u_1, \ldots , u_n)</math> existiert, welche den verallgemeinerten Cauchy-Riemann'schen Differentialgleichungen genügt und welche <math>L^p</math>-beschränkt ist, was
- <math>\sup_{x_0 > 0} \int_{\R^n} |F(x,x_0)|^p\mathrm{d} x < \infty</math>
bedeutet.
Weitere Eigenschaften
- Für <math>1 < p \leq \infty</math> gilt analog <math>\mathcal{H}^p(\R^n) \cong L^p(\R^n)</math>. Also auch die reellen Hardy-Räume können für diese p mit den entsprechenden <math>L^p(\R^n)</math>-Räumen identifiziert werden.
- Für den Fall <math>p = 1</math> kann man <math>\mathcal{H}^1(\R^n)</math> als echte Teilmenge von <math>L^1(\R^n)</math> auffassen.
- <math>\mathcal{H}^p(\R^n) \cap L^1_{loc}(\R^n)</math> liegt für <math>0 < p < \infty</math> dicht in <math>\mathcal{H}^p(\R^n)</math>.
- Der Hardy-Raum <math>\mathcal{H}^1(\R^n)</math> ist nicht reflexiv, der Funktionenraum BMO ist sein Dualraum.
Anwendungen
Hardy-Räume finden Anwendung in der Funktionalanalysis selbst, aber ebenso in der Kontrolltheorie und in der Streutheorie. Sie spielen auch in der Signalverarbeitung eine grundlegende Rolle. Einem reellwertigen Signal <math>f</math>, das für alle <math>t\in \mathbb{R}</math> von endlicher Energie ist, ordnet man das analytische Signal <math>F</math> zu, so dass <math>f(t) = \Re F(t)</math>. Ist <math>f\in L^2(\mathbb{R})</math>, so ist <math>F\in H^2(\mathbb{H})</math> und
- <math>F(t) = f(t) + i g(t).</math>
(Die Funktion <math>g</math> ist die Hilberttransformierte von <math>f</math>). Beispielsweise ist für ein Signal <math>f(t) = A(t) \cos\varphi(t)</math>, dessen zugeordnetes analytisches Signal <math>F\in H^2(\mathbb{H})</math> ist, durch <math>F(t) = A(t)e^{i\varphi(t)}</math> gegeben.
Literatur
- Joseph A. Cima and William T. Ross: The Backward Shift on the Hardy Space. American Mathematical Society 2000, ISBN 0-8218-2083-4.
- Peter Colwell: Blaschke Products - Bounded Analytic Functions. University of Michigan Press, Ann Arbor 1985, ISBN 0-472-10065-3.
- Peter Duren: Theory of <math>H^p</math>-Spaces. Academic Press, New York 1970.
- Kenneth Hoffman: Banach spaces of analytic functions. Dover Publications, New York 1988, ISBN 0-486-65785-X.
- Javier Duoandikoetxea: Fourier Analysis. American Mathematical Society, Providence, Rhode Island 2001, S. 126, ISBN 0-8218-2172-5.
- Elias M. Stein: Harmonic Analysis: Real-Variable Mathods, Orthogonality and Oscillatory Integrals, Princeton University Press 1993, ISBN 0-691-03216-5
Einzelnachweise
<references/>