Identitätsphilosophie


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Identitätsphilosophie ist ein z. B. bei Hegel auftauchender polemischer Begriff für die von Schelling in der Zeit zwischen 1801 und 1806 formulierte Auffassung zum Leib-Seele-Problem, dass Natur und Geist als Einheit betrachtet werden können und nur zwei Seiten bzw. Pole derselben Wirklichkeit darstellen.<ref name="HWP" /> <ref name="EPW" />

Hintergrund

Schellings Ausführungen sind vor allem im Kontext des Leib-Seele-Problems zu sehen, das seit René Descartes (1596–1650) zu einem allgemeinen Paradigma geworden war. Allerdings ist die Kritik Hegels möglicherweise auch auf das aus seiner Sicht mangelnde naturwissenschaftliche Wissen zu beziehen. Dieses Problem war bereits aufgrund von Descartes Annahme der Zirbeldrüse als einer vermittelnden Hirnstruktur offenkundig geworden. Seine Annahme erschien mehr und mehr unwahrscheinlich, insbesondere nachdem es zu einer Revision durch die Monadologie von Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716) gekommen war, in der das Eingreifen Gottes (›concursus dei‹) wieder stärker hervorgehoben wurde.<ref name="FLP" /> Die Konzeption Schellings unter Berufung auf die Identitätsvorstellungen von Benedictus de Spinoza (1632–1677) sollte sich jedoch als zukunftsträchtig erweisen, da sie von Gustav Theodor Fechner (1801–1887) wiederaufgegriffen wurde, siehe Kap. Rezeption.<ref name="THC" />

Schellings Aussagen

Schelling selbst hat seine Konzeption der Identität von Natur und Geist und damit von Reellem und Ideellem stets als ›absolutes Identitätssystem‹ bezeichnet.<ref>Schelling, F. W. J. : Darstellung meines Systems der Philosophie. Zeitschrift für spekulative Physik II/2 (1801). Werke, hg. K. F. A. SCHELLING (1856-1861) 4, 113 oder III-XIV, 1-127, Sämtliche Werke III, 1-108.</ref> Die Bezeichnung ›Identitätsphilosophie‹ hatte sich jedoch als polemische Bezeichnung relativ schnell eingebürgert. Als ›System‹ lässt sich die Identitätsphilosophie insofern auffassen, als naturwissenschaftliche Forschungsergebnisse, die sich auf psychologisch subjektive Sachverhalte beim Menschen beziehen, methodisch und sachbezogen auf einen Einheitspunkt zu bringen sind. Schelling gebrauchte für diesen Einheitspunkt die Bezeichnung ›Indifferenzpunkt‹.<ref name="EPW">Mittelstraß, Jürgen (Hg.): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Bibliographisches Institut Mannheim / Wien / Zürich, B.I. – Wissenschaftsverlag 1984, Band 2 (H-O), ISBN 3-411-01604-3; Stw. „Identitätsphilosophie“ Seite 193.</ref> Zu diesem Punkt müsse die Philosophie gelangen, von dem aus sich das Absolute als ungeschiedene Identität ergreifen lasse. Ziel war für Schelling die ›positive Philosophie‹.<ref name="HWP">Eisler, Rudolf: Historisches Wörterbuch der Philosophie (HWPh). Völlig neu bearbeitete Ausgabe des ›Wörterbuchs der philosophischen Begriffe‹ von Rudolf Eisler. Fischer Taschenbuch, Bücher des Wissens, Frankfurt / M 1975, ISBN 3-436-02101-6; (a) zu Stw. „Fördernder Einfluss auf die Romantische Medizin“: Seite 225 f.; (b) zu Stw. „Hemmender Einfluss auf die Entwicklung naturwissenschaftlicher Medizin“: Seiten 260, 262; (b) zu Stw. „Endogenität“: Seite 260</ref> Unter Wilhelm Wundt und Gustav Theodor Fechner gelangte auf dem Boden dieser Betrachtungsweise die deutsche Psychologie zur Vorherrschaft. Es erscheinen grundsätzlich zwei Formen des Monismus (auf jeder Seite des „Indifferenzpunkts“) möglich: die spiritualistische und die materialistische.<ref name="FLP">Hofstätter, Peter R. (Hrsg.): Psychologie. Das Fischer Lexikon, Fischer-Taschenbuch, Frankfurt a.M. 1972, ISBN 3-436-01159-2, Stw. „Leib-Seele-Problem“ Seite 207 f.</ref> Erst Gotthard Günther führt beide Gegenpole zusammen: (siehe seine Texte "Erkennen und Wollen" sowie "Metaphysik der Institution", in letzterem sich explizit auf Schelling beziehend).

Siehe auch

Einzelnachweise

<references />

Literatur

  • F.W.J. Schelling: Bruno oder über das göttliche und natürliche Prinzip der Dinge. Ein Gespräch. Berlin 1802 (Sämtl. Werke III, 109-228)
  • F.W.J. Schelling: Fernere Darstellungen aus dem System der Philosophie. Neue Z. f. speculative Physik I. erstes und zweites Stück (1802). 1-188, 1-180 (mit Zusätzen aus Handexemplar in: Sämtl. Werke Erg.Bd. l, 385-562)
  • F.W.J. Schelling: Vorlesungen über die Methode des akademischen Studiums. Tübingen 1803 (Sämtl. Werke III, 229 374).
  • Düsing, Klaus: Spekulation und Reflexion. Zur Zusammenarbeit Schellings und Hegels in Jena. Hegel-Stud. 5 (1969), 95-128
  • Folkers, Horst: Hegels erste philosophische Positionsbestimmung. Die Stellung der Differenzschrift in der Ausbildung der Identitätsphilosophie. Diss. vorgelegt von Horst Folkers [als Typoskript], Heidelberg, Univ., Diss., 1986.
  • Lauth, Reinhard: Die Entstehung von Schellings Identitätsphilosophie in der Auseinandersetzung mit Fichtes Wissenschaftslehre: (1795 - 1801). Freiburg (Breisgau), München: Alber 1975, ISBN 3-495-47322-X
  • Karl Leonhard Reinhold: Anleitung zur Kenntnis und Beurteilung der Philosophie in ihren sämmtlichen Lehrgebäuden. (1805) 147-154: Von dem absoluten Dogmatismus, oder dem sogenannten Identitätssysteme
  • Johann Eduard Erdmann: Versuch einer wiss. Darstellung der Geschichte der neueren Philosophie. (Neu-A. 1932) 3/2, 309-352
  • Nicolai Hartmann: Die Philosophie des deutschen Idealismus l (1923) 153-162
  • Hermann Zeltner: Schellings philosophische Idee und das Identitätssystem (1931); in: Schelling (1954) 53-55. 286-295
  • Helmuth Plessner: Das Identitätssystem. Studia philos. 14 (Basel 1954) 68-84
  • Xavier Tilliette: Schelling. Une philosophie en devenir l (Paris 1971) 305-438.