Johann Friedrich Ruthe


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Johann Friedrich Ruthe (* 16. April 1788 in Egenstedt nahe Hildesheim; † 24. August 1859 in Berlin) war ein deutscher Oberlehrer, Botaniker und Entomologe, der sich auf diesem Gebiet zu einem Spezialisten für Hymenoptera und Diptera entwickelte.

Mit Unterstützung durch Heinrich Friedrich Link (1767–1851) begann er 1811 sein Studium an der Humboldt-Universität zu Berlin. Hier wurde er u. a. von Karl Rudolphi (1771–1832) und Martin Lichtenstein (1780–1857) unterrichtet. Nach Abschluss seines Studiums wurde er Lehrer an verschiedenen Schulen in Berlin und Frankfurt an der Oder.

Leben

"Johannes" war der zweitälteste Sohn von neun Kindern der Maria Theresia Ludewig (1762–1784) und der älteste ihres Ehemannes Ludwig Ruthe (~1750–1808). Die Familie lebte im dörflichen Umfeld von Hildesheim.

Schulzeit

Die Basisschule im Stiftsdorf Egenstedt genügte den Erwartungen seines Vater nicht. Als dieser 1797 zum "Schweinemeister" und Tierheiler aufstieg und von der Domäne Marienburg zum Amtssitz Steuerwald Hildesheim übersiedelte, holte er Johann Friedrich zu sich, um ihn dort von dem interimistisch eingesetzten Pfarrer, Pater Breitenbach OFMCap, auf den Besuch eines Gymnasiums vorbereiten zu lassen. Das Pfarramt und zugleich den Lehrauftrag übernahm 1804 der Dominikaner Friedrich Kather. Er hinterlässt bei seinem Schüler Johannes ein negatives Bild vom Katholizismus. Dennoch konnte Ruthe bald zum Bischöflichen Gymnasium Josephinum wechseln. Durch Fürsprache von Breitenbach war er vom Schulgeld befreit und konnte kostenlos im Pensionat, dem Johannishaus, wohnen. Seit 1807 gehörte das Fürstentum Hildesheim, nach zwischenzeitlicher Besetzung durch Preußen, zum Königreich Westphalen. Absolventen des Josephinums wurden durch Konskription erfasst. Nach Losentscheit musste Ruthe Soldat werden.

Westphälischer Soldat und Deserteur

Im April 1809 verlässt Ruthe als westphälischer Soldat Hildesheim. Aufgrund miseraler und entwürdigender Behandlung reifen auf dem Marsch über Braunschweig und weiter nach Osten bei den Rekrutierten Gedanken an Desertation. Ruthe findet in Magdeburg Gelegenheit sich abzusetzen. Statt ins preußische Hoheitsgebiet zu flüchten, wo er nicht der Verfolgung ausgesetzt gewesen wäre, kehrt er auf abgelegenen Wegen in seine Heimatstadt zurück.

Er sucht bei seiner Familie Obdacht, muss sich aber, stets auf der Flucht vor Strickreitern, die meiste Zeit in den heimischen Wäldern verbergen. Bevor die kalte Jahreszeit beginnt, wandert er mit dem Bruder seiner Mutter nach Bödexen. Dort hofft er bei nahen Verwandten seines inzwischen verstorbenen Vaters, Aufnahme zu finden. Das hohe Risiko einen Deserteur zu verbergen, gehen die Familienmitglieder jedoch nicht ein.

Ruthe findet während des Winters innerhalb der Stadt Hildesheim einen Unterschlupf.

Hier wird er von einem Gendarm gefangen genommen. Auf dem Transport zu seiner Einheit, von der ihm die Erschießung droht, kann er fliehen und rettet sich 1809 ins sichere Berlin.

Der Verlauf der Freiheitskriege bewirkt, dass er im Schutz des siegreich-heimkehrenden Braunschweiger Heeres ins Hildesheimische gehen kann. Das französische Westphalen hat dort an Einfluss verloren. So verfällt auf die Idee, den Bischof um finanzielle Unterstützung für ein beabsichtigtes Studium zu bitten, um seinen Wunsch, Tierarzt zu werden, den er seit Kindheitstagen hegte, verwirklichen zu können. Enttäuscht geht er 1911 nach Berlin zurück. Er hungert und darbt, bis er in Handwerkerfamilien mit Schreibarbeiten und als Lehrer der Kinder bescheidene Verdienstmöglichkeiten findet.

Naturgeschichtliche Studien und Lehrtätigkeit

In Berlin hatte an die neugegründete Universität ein Jahr zuvor der Lehrbetrieb begonnen.

Obwohl völlig mittellos und körperlich geschwächt immatrikuliert Ruthe sich als stud. med. an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seine Lehrer Rudolphi und Link erkennen die Situation ihres, in einer psychologischen Krise steckenden, dennoch überaus eifrigen Schüler und helfen ihm.

Durch Einflussnahme des Hildesheimer Botanikers Link findet Ruthe eine bezahlte Hauslehrerstelle.

Seine anfänglich in Anatomie und Tierheilkunde belegten Studien verlagerten sich nach und nach über Pflanzenheilkunde zur allgemeinen Botanik. Zuerst nur zum Broterwerb gelegentlich als Lehrer tätig, bildet er sich zum Naturkundelehrer aus.

Ruthe erhält eine Stelle an der Plamannschen Schule in Berlin. Dann wechselt er Arbeits- und Wohnort nach Frankfurt/Oder. Er ist mit einer „Märklerin“ verheiratet. Ein Sohn, Johann Gustav Rudolf Ruthe, wird 1823 geboren.

Später kehrt Ruthe nach Berlin zurück. Von 1829 bis 1842 unterrichtet er an der Klödenschen Gewerbeschule die Fächer Botanik und Zoologie. Einer seiner Schüler, Theodor Fontane, erinnert sich an ausgedehnte Exkursionen und schreibt: „Ruthe war ein prächtiger Mensch ...“ 1842 lässt sich Johann Friedrich Ruthe aus gesundheitlichen Gründen pensionieren.

Einer seiner Söhne, Johann Gustav Rudolf (*1823 Frankfurt/Oder, †1905 Swinemünde) trat in die Fusstapfen des Vaters. Er wurde Tierarzt und Botaniker.<ref>P. Ascherson: Johannes Friedrich Ruthe, Nachruf In: Verhandlungen des Botanischen Vereins für die Provinz Brandenburg und angrenzende Länder, 1. Heft, S. 211-216, Berlin 1859</ref>

Werke

Literatur

  • Ernst Wunschmann: Ruthe, Johann Friedrich. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 30, Duncker & Humblot, Leipzig 1890, S. 47–49.
  • Martin Lowsky: Johann Friedrich Ruthe. Deserteur und Vagabund im Königreich Westphalen, Gelehrter in Berlin. In: H. Joachim Kusserow, Guide Erol Öztanil (Hrsg.): „Mit stahlscharfer Klinge“. Beiträge zu Johann Heinrich Oppermann. Wehrhahn Verlag, Hannover 2012, S. 121–140.

Einzelnachweise

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