Kanarisches Spanisch
Das Kanarische Spanisch ist ein Dialekt des Standardspanischen. Es wird in der autonomen spanischen Region der Kanarischen Inseln gesprochen. Dazu zählen die sieben Hauptinseln Teneriffa, La Palma, Gran Canaria, Fuerteventura, Lanzarote, El Hierro und La Gomera. Der Archipel wurde zuerst vermutlich von Berberstämmen aus Nordafrika besiedelt, im 15. Jahrhundert eroberten jedoch Spanier und Portugiesen die Inseln. Bereits 1496 war mit der Eroberung Teneriffas die Eingliederung in das spanische Königreich unter den Katholischen Königen abgeschlossen.
Inhaltsverzeichnis
Sprachliche und kulturelle Einflüsse
Spanien
Die spanischen Siedler stellen die größte Gruppe der Einwanderer ab dem 16. Jahrhundert. Sie kamen in Schiffen vom spanischen Festland und besiedelten zunächst die großen Hauptinseln. Die meisten Siedler stammten aus dem Zentrum und dem Südwesten Spaniens, wo sich während der Rückeroberung Spaniens von den Mauren ein relativ einheitliches Spanisch herausgebildet hatte. Die neuen Siedler repräsentierten somit nicht die sprachliche Vielfalt Spaniens. Sprachliche Phänomene wie der Seseo, der Yeísmo oder die Schwächung des implosiven /s/ sind besonders bei Sprechern aus Andalusien auffällig. So wird vermutet, dass der Seseo erstmals Ende des 15. Jahrhunderts auftrat, der Yeímso im 17. Jahrhundert und die Aspiration des /s/ im 18. Jahrhundert. Da dies jedoch umgangssprachliche Entwicklungen waren, können keine genau Zeiträume festgelegt werden, denn zum einen waren viele Spanier zu dieser Zeit noch Analphabeten und zum anderen wurde die Umgangssprache nur selten in die Schriftsprache übernommen. Besonders diese drei sprachlichen Besonderheiten fanden durch die Einwanderung andalusischer Siedler auch auf den Kanarischen Inseln Verbreitung.<ref>Berschin, Helmut; Fernández-Sevilla, Julio; Felixberger, Josef (2005): Die spanische Sprache. Verbreitung, Geschichte, Struktur. 3. Aufl. Hildesheim [u. a.]: Olms. S.102</ref>
Einige Jahre später und in geringerer Zahl erreichten Menschen aus Galicien, Extremadura und León die Inseln. Da deren Varietäten alle auf der gleichen sprachlichen Basis standen, war eine Verständigung gegeben, jedoch passten sich die unterschiedlichen Dialekte durch lexikalische oder phonologische Übernahme einander an, sodass daraus eine neue Varietät entstand.[9]
Die spanischen Eroberer kultivierten die Flächen der Inseln für die Landwirtschaft und bauten Geschäftsbeziehungen zum spanischen Festland und den neuen Kolonien in Südamerika auf. Die Kanaren waren ein wichtiges geostrategischer Punkt im Handel über den Atlantik.<ref>Pérez García, Antonio. Síntesis de la Historia Canaria</ref> Das galt sowohl für Waren und Schiffe als auch für den Personentransport. Die Inseln wurden außerdem als Ausgangspunkt für Operationen im nordwestlichen Afrika genutzt.<ref>Abu-Tarbush, José (2002): Islam y comunidad islámica en Canarias. Prejuicios y realidades. 1. Aufl. La Laguna, Santa Cruz de Tenerife: Servicio de Publicaciones, Universidad de La Laguna. S.73</ref>
Im 17. Jahrhundert setzten großen Migrationswellen ein. Viele Kanarier handelten mit Zucker. Dieses Geschäft war jedoch durch Konkurrenz etwa aus Kuba nicht mehr gewinnbringend. Die Bevölkerung verarmte und musste Hunger leiden. Viele Menschen emigrierten daraufhin in die Kolonien nach Lateinamerika. Weitere große Veränderungen kamen Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Kanaren blieben weiterhin ein wichtiger Knotenpunkt für die Verbindungen zu den spanischen Kolonien in Asien, Afrika und Lateinamerika. Der Schwerpunkt der Wirtschaft verlegte sich jedoch vom Export in den Tourismus, der auch heute noch die Haupteinnahmequelle der Inseln ist. Auf den Inseln selbst setze eine Welle der Urbanisation ein, die Menschen zogen vom Land in die großen Städte der Hauptinseln, wie etwa Las Palmas auf Gran Canaria oder Santa Cruz auf Teneriffa. 1978 bekamen die Kanarischen Inseln eine eigene Verfassung, in der sie zu einer autonomen Region Spaniens erklärt wurden.<ref>Pérez García, Antonio. Síntesis de la Historia Canaria.</ref>
Als Knotenpunkt zwischen der Alten und der Neuen Welt erfuhren die Kanarischen Inseln ständig neue kulturelle sowie sprachliche Einflüsse. Ein konstanter Einfluss waren die Seefahrer, keine andere Berufsgruppe beeinflusste die Gesellschaft der Inseln mehr. So wurden viele Vergleiche oder Sprichwörter der marinen Sprache in die Alltagssprache übernommen. Anwendung findet heute etwa noch der Ausspruch: „Que rumbo llevas?“, wobei mit rumbo ursprünglich der Kurs eines Schiffes gemeint war. Auch heute ist die Bedeutung nahezu gleich: je nach Kontext wird nach Zielen und Absichten gefragt. Viele spanische Sprichwörter sind dem Stierkampf, dem Militär oder der Kirche entlehnt. Ein Großteil dieser Sprichwörter hat jedoch ihre ursprüngliche Bedeutung verloren oder wird nun in einem allgemeineren Sinn verwendet; sie wurden ihrer semantischen Bedeutung also erweitert. Weil der Einfluss der Seefahrer aber über viele Jahre konstant blieb, haben sich die Bedeutungen der Seefahrerphrasen kaum verändert.<ref>Morera, Marcial (1993): La formación del vocabulario canario. 1. Aufl. [Santa Cruz de Tenerife, Canary Islands]: Centro de la Cultura Popular Canaria. S.89</ref>
Portugal
Die ersten portugiesischen Siedler ließen sich schon im späten Mittelalter auf den Kanarischen Inseln nieder. Die erste Expedition soll im Jahr 1341 stattgefunden haben, um Früchte und Zucker anzubauen, den die Siedler von der Insel Madeira mitbrachten. Tatsächlich konnten sie das Zuckerrohr auf den Inseln kultivieren und exportieren. So wurde er in die Neue Welt gebracht, dort ebenfalls heimisch und starke Konkurrenz zum kanarischen Markt. Die Portugiesen besiedelten alle Inseln des Kanarischen Archipels und hatten Einfluss auf alle Lebensbereiche und Gesellschaftsschichten.<ref>Corbella, Dolores (1996): Fuentes del vocabulario canario: los préstamos léxicos. In: Javier Medina López (Hrsg.): El español de Canarias hoy. Análisis y perspectivas. Frankfurt am Main, Madrid: Vervuert; Iberoamericana. S.115</ref> Man erkenne den portugiesischen Baustil heißt es etwa in Torrianis Beschreibung des Panoramas von Santa Cruz de La Palma in seinem Buch „Descripción e historia del Reino de las Islas Canarias“.<ref>Torriani, L. (1978).Descripción e historia del Reino de las Islas Canarias. Santa Cruz de Tenerife: Goya ediciones.S 242</ref> Auffällig sind im kanarischen Wortschatz außerdem Anthroponyme, personengebundene Eigennamen, wie Almeida oder Dorta, und Toponyme, Ortsbezeichnungen, wie Porto Nao oder La Bocaina. Da viele Portugiesen Bauern, Händler oder Fischer waren, wurden auch aus deren Fachsprache Wörter oder Handlungsweisen übernommen. Dieser große Einfluss der Portugiesen blieb bis 1640 bestehen, als sich Portugal vom spanischen Königreich trennte und seine Unabhängigkeit erkämpfte. In einigen Gebieten stellten die Portugiesen noch bis Mitte des 18. Jahrhunderts den größten sprachlichen und kulturellen Einfluss dar.<ref>Corbella, Dolores.Fuentes del vocabulario canario. S.116</ref> Zwischen dem 16. und dem 18. Jahrhundert siedelten außerdem neue Gruppen von Portugiesen auf den Inseln. Viele von ihnen waren jedoch Analphabeten.<ref>Morera, Maricial. La formacion del vobaluario canario.S.156</ref>
Nach der Trennung der spanischen und portugiesischen Königshäuser, blieben die Kanarischen Inseln in spanischer Hand. Die Portugiesen mussten sich somit anpassen und vor allem die spanische Sprache lernen.<ref>Corbella, Dolores. Fuentes del vocabulario canario. S.116</ref> Das Portugiesische beeinflusste sowohl die Aussprache des Kanarischen Spanisch als auch dessen Vokabular. Auffallend sind etwa die Velarisierung der Konsonanten /x/y/j/. Durch diesen Prozess wird dem Laut ein dunklerer Ton verliehen. Außerdem verlieren sich die stimmhaften nasalen Laute. Ein stimmhafter nasaler Laut ist zum Beispiel das ng im Deutschen. Des Weiteren werden zwei aufeinanderfolgende Vokale wie bei dem portugiesischen Suffix -eiro nur noch als ein Vokal ausgesprochen. Dieser Prozess heißt Monophthongierung und tritt nur bei bestimmten Diphthongen auf.<ref>Morera, Maricial. La formacion del vobaluario canario. S.156</ref>
Das Portugiesische hat besonders den Wortschatz der Kanaren beeinflusst. So sind ein Viertel der Kanarismen portugiesischen Ursprungs. Als Kanarismen werden solche Wörter bezeichnet, die speziell auf den Kanarischen Inseln vorkommen. Hauptsächlich wurden Substantive ins Spanische übernommen. Diese bezeichnen etwa Gerätschaften oder bestimmten Techniken. Die meisten Lusismen, so die Bezeichnung für die portugiesischen Wörter, sollen auf den Inseln La Palma und Teneriffa zu finden sein.<ref>Corbella, Dolores. Fuentes del vocabulario canario. S. 117–121</ref>
Indigene Völker
Bereits vor der spanischen Eroberung der Kanarischen Inseln bewohnten Indigene die Inseln. Sie werden häufig als Guanchen bezeichnet. Mit der Kolonialisierung wurden sie von den Spaniern unterdrückt. Dadurch gingen ihre Sprache sowie ihre kulturellen und religiösen Bräuche verloren. Als Naturvölker glaubten die Guanchen an mehrere Götter. Die spanischen Siedler folgten dem katholischen Glauben und glaubten damit nur an einen Gott. Auch die Art der Guanchen Handel zu treiben wurde zu einem merkantilistischen System entwickelt. Diesen Prozess kulturellen und religiösen Anpassung nennt man „Kastellanisierung“.<ref>Corbella, Dolores. Fuentes del vocabulario canario. S.109</ref> Auf den Kanaren geschah diese Entwicklung in einem Zeitraum von nur wenigen Generationen und war bereits Ende des 16. Jahrhunderts abgeschlossen. Während dieses Prozesses heirateten einige Spanier Guanche-Frauen, denn die Eroberer waren ohne Frauen auf die Inseln gekommen. Durch den starken Zwang zur Anpassung und die Unterdrückung gibt es heute nur wenig Belege über Sprache und Lebensweise der Guanchen.<ref>Morera, Marcial. La formación del vocabulario canario. S.14</ref>
Der Eroberer Diego de Herrera übernahm mit dem Acta del Bufadero am 21. Juli 1464 offiziell Besitz über Teneriffa für die spanische Krone. Sprachlich betrachtet gab es zu Beginn der Kolonialisierung eine Zeit der Zweisprachigkeit. Die sogenannten trujamanes waren für Eroberer wie Diego de Herrera sehr wichtig, denn sie konnten zwischen Inselsprache und Spanisch übersetzen. Mit der Kolonialisierung breitete sich zunächst die Zweisprachigkeit unter den Guanchen aus, bevor deren Sprachen ausstarb. Auf der Insel La Gomera soll es bis 1488 allerdings noch einsprachige Zentren gegebene haben. Trotzdem hatten die Guanchen nur einen geringen Einfluss auf die Sprache der Kolonialherren. Das lag außerdem an ihrer geringen Bevölkerungsgröße: Anfang des 15. Jahrhunderts sollen gerade 4000 Guanchen den Archipel bewohnt haben. Durch die ethnische Mischung von Guanchen und Siedlern passten sich die neuen Generationen dem kulturellen und sprachlichen System der Eroberer vollständig an.<ref>Dolores Corbella: Fuentes del vocabulario canario. S.109 f.</ref>
Indigene Einflüsse finden sind heute nur noch im Vokabular der Inselbewohner. Diese haben meist bezeichnenden Charakter, das heißt, es wurden häufig Begriffe aus Flora und Fauna oder geografische Bezeichnungen übernommen. Den Eroberern fehlten eigene Begriffe für die Dinge, die sie auf den Kanaren entdeckten, daher übernahmen sie die Wörter der Guanchen. Beispiele sind baifo, gasnais, jaira, tafor und tenique. Deswegen gibt es heute keine phonologischen oder morphosytaktischen Veränderungen, sondern lediglich übernommenes Vokabular. Wahrscheinlich sind rund 120 Wörter im spezifisch kanarischen Wortschatz prähispanischer Herkunft, die meisten davon sind Substantive. Diese beschreiben meist das Relief, wie auchón, chajoco, juaclo. Mehr als ein Viertel der Guanchismen sind Bezeichnungen für bestimmte Pflanzen: agonane, escán, mulurá. Nur wenige Begriffe wurden aus dem kulturellen Leben übernommen. So existieren heute noch die Begriffe sirinoque und tafuriaste, die Tänze der Guanchen bezeichnen. Übernommen wurden außerdem die Bezeichnungen der Einwohner: guanche und majo. Viele der Guanchismen sind spezifisch für einige Inseln. So wird heute nur rund ein Viertel der indigenen Wörter auf mehr als vier Inseln benutzt.<ref>Corbella, Dolores. Fuentes del vocabulario canario. S. 110–114</ref>
Andere Kulturen
Weitere sprachliche Einflüsse kommen von etwa von Engländern und Morisken. Außerdem beeinflusste der ständige Austausch mit den spanischen Varietäten aus Südamerika das Kanarische Spanisch.
Bereits im 15. Jahrhundert, während der Kolonialisierung, brachten die Spanier Morisken, zum Christentum konvertierte Araber, auf die Inseln und hielten sie als Sklaven. Sie wurden zur Arbeit auf den Plantagen oder in Herrschaftshäusern gezwungen. Die Morisken stammten von der iberischen Halbinsel oder Nordafrika, zum Beispiel Marokko. Als Sklaven wurden sie hauptsächlich auf den östlichen Inseln wie Lanzarote und Fuerteventura beschäftigt. Ende des 16. Jahrhunderts befanden sich rund 1.500 Morisken im Archipel.<ref>Abu-Tarbush, José. Islam y comunidad islámica en Canarias. S. 30f</ref> Da der Kontakt zwischen Siedlern und Sklaven nur oberflächlich war, wurden nur Teile des Wortschatzes übernommen. So wird heute noch das Wort arife als Bezeichnung für stickige beziehungsweise schwüle Hitze benutzt. Es stammt vom arabischen acrâf. Außerdem ähnlich übernommen wurde das Wort mahalulo als Bezeichnung für ein junges Kamel. Die arabische Basis des Wortes ist mahallula. Das Präfix al- ist ebenfalls aus dem Arabischen und heute an vielen spanischen Wortstämmen zu finden: alcail, alfaisán.<ref>Corbella, Dolores. Fuentes del vocabulario canario. S.130f</ref>
Die ersten Engländer besuchten vermutlich schon im 15. Jahrhundert die Kanarischen Inseln, ließen sich jedoch erst im 16. Jahrhundert dort nieder. Viele von ihnen waren Händler. Besonders das Geschäft mit Wein war für viele Engländer lukrativ. Die Geschäftsbeziehungen der Engländer wurden so stark, dass einige Händler ein Monopol im Weinhandel besaßen. Der Einfluss der englische Händler reicht bis Anfang des 20. Jahrhunderts. Später kamen sie als Reisende oder Wissenschaftler auf die Inseln. Aus dieser Zeit stammt etwa die Wortprägung charcha. Das bezeichnet den Ort, wo Menschen begraben wurden, die einen anderen als den katholischen Glauben hatten. So wurden das Wort inglés auch mit der Bedeutung nicht getauft verwendet.<ref>Corbella, Dolores. Fuentes del vocabulario canario. S.128f</ref> Aus dem englischen Übernommene Wörter sind etwa trinqui (von engl. drink), queque (von engl. cake) oder guachimán (von engl. clergyman). Auffallend ist hier, dass die Wörter nicht in der korrekten englischen Schreibweise übernommen wurden. Das weist darauf hin, dass die Wörter aus der gesprochenen Sprache übernommen wurden. Diese veränderte Schreibweise beeinflusst rückwirkend dann die Aussprache. So wird zum Beispiel das /r/ bei trinqui nicht wie im Englischen retroflex, sondern als Vibrant gesprochen.<ref>Morera, Marcial. La formación del vocabulario canario. S.55</ref>
Als Brücke zwischen dem spanischen Festland und Südamerika erfuhren die Kanarischen Inseln ständigen Einfluss der Varietäten aus den spanischen Kolonien. Als die Gebiete in Südamerika im 16. Jahrhundert erobert wurden, wurde auch das Spanisch der damaligen Zeit mitgenommen. Mit dem Handel über die Kanaren gelangten auch die spanischen Varietäten wieder auf die Kanaren. Diese hatten sich getrennt vom Standard-Spanischen entwickelt. Die Kanaren waren außerdem ein wichtiger Hafen für Migration. Bereits im 17. Jahrhundert verließen viele Menschen die Kanaren und zogen in die neuen Kolonien in Süd- und Mittelamerika. Eine entgegengesetzte Bewegung fand zu Beginn des 20. Jahrhunderts statt. Zu dieser Zeit verzeichneten die Kanarischen Inseln ihre höchste Einwanderungsrate.<ref>Corbella, Dolores. Fuentes del vocabulario canario. S.123</ref>
Sprachliche Besonderheiten
Phonetik
- Assimilation oder Dissimilation in unbetonten Silben, z. B. Feléh statt Félix, disierto statt desierto
- Aus Hiaten werden Diphthonge: aufeinanderfolgende Vokale, die eigentlich zu zwei Silben gehören, werden zu einer, z. B. rial statt real, pulpiar statt pulpear
- Aspiration des Lautes /s/: Das /s/ wird am Silbenende und vor Konsonanten wie ein angehauchtes /h/ gesprochen. Die stärkste Reduktion dieses Lautes ist auf Gran Canaria zu finden, wohingegen auf El Hierro das /s/ meist beibehalten wird. Bsp.: loh ohol statt los ojos
- Stimmlose Plosive werden stimmhaft: die Laute /p,t,k/ werden zu /b,d,g/, Bsp: pegueño statt pequeño, una goba de vino statt una copa de vino
- Verlust der intervokalischen /d/ Bsp.: asustao statt austado, comía statt comida
- Verwechslung der Laute /r/ und /l/ Bsp.: gorpe statt golpe, durce statt dulce, Javiel statt Javier
- Wegfall der Laute /r/ und /l/ am Ende von Silben Bsp.: flo statt flor, queré statt querer
- Aspiration des Lautes /r/, wenn /n/ oder /l/ folgen: Wie beim /s/ wird das /r/ wie ein angehauchtes /h/ gesprochen Bsp.: Cahlo statt Carlos, cahne statt carne
- Die Laute /x/ und /f/ werden aspiriert Bsp.: oho statt ojo, bhrío statt frío
- Verlust von /g/ und /k/ in implosiven Positionen Bsp.: esato statt exacto, atual statt actual
- Weglassen bestimmter Laute Bsp.: ihpués statt después, bían statt habían, ehmochao statt desmochado
- Aspiration des /h/, wenn es vor /f/ als Anfangsbuchstaben eines Wortes kommt Bsp.: jigo, jijo
Grammatik
- Änderungen im Artikel: auffällig eher im ländlichen Gebieten la sistema, la calor, el sartén
- Viele Diminutive: es werden häufig Änderungen –ito oder –illo angehängt. Diese Verniedlichungen können eine beschönigenden Nutzen haben, liebevollen Respekt zeigen oder eine Abwertung darstellen. Bsp.: Señorita, ahorita, casita
- Superlative werden mit den portugiesischen Endungen –iento, -ento gebildet
- Wegfall der zweiten Person Plural und ihrer zugehörigen Morpheme: statt vosotros wird häufig ustedes verwendet.
- Possessivpronomen: su, nuestro/a, vuestro/a, sus verschwinden und werden ersetzt durch Dativformen wie de él, de ella, de nosotros ersetzt. Im geschriebenen Text wird das Possessivpronomen ebenfalls hinten angestellt, sodass la casa mía statt mi casa geschrieben wird
- Zeitformenverwendung: Am häufigsten werden Präsens, Indefinido und Imperfecto verwendet. Im Vergleich zum Standardspanisch werden der Konditional und der Futur weniger verwendet. Auch der Imperativ tritt vermindert auf, er wird durch die Verbalkonstruktion ir + a + Infinitiv ersetzt. Die Verwendung des Perfekt ist ähnlich der des Mittelalter: Das Perfekt wird nur verwendet, wenn die Aktion bis zur Gegenwart gedauert oder Auswirkungen auf den aktuellen Moment hat.
- Die Deixis werden oft durch Demonstrativa ersetzt: Beim Sprechen werden statt konkreter Bezeichnungen Wörter wie eso, aquí oder sogar als Verb aquellar verwendet. Die Verbform war früher im gesamten Archipel verbreitet, ist heute jedoch nur noch auf La Palma zu finden.
- Die Präpositionen: Hacía wird kaum verwendet, encima wird durch arriba ersetzt, sodass es etwa arriba la mesa heißt, außerdem wird die Phrase con la noche anstatt por la noche verwendet.<ref>Quelle: Morera, Maricial. La formación del vocabulario canario. S. 45–50</ref>
Syntax
- Einfache Nominalstruktur
- Erläuternde Adjektive kommen sehr wenig vor
- Der Diskurs wird während des Sprechens oft gewechselt
- Das Klitikon folgt am Ende des Verbes: voyme, dícele, trájele
- Portugiesische Einflüsse in der Satzstruktur<ref>Morera, Maricial. La formación del vocabulario canario. S.51f</ref>
Lexik
- Größter Einfluss: Standardspanisch
- Alte Wörter und Neologismen: bravo meint enfadado (wütend), embelesado heißt medio dormido(im Halbschlaf)
- Portugiesische Einflüsse stellen einen großen Einfluss dar, weil viele Worte in das kanarische Vokabular übernommen wurden baluto – libre (frei), fechar – cerrar(schließen)
- Guanchismen: Von der indigenen Bevölkerung wurden hauptsächlich Toponyme oder auf das Landleben bezogene Wörter übernommen baifo – cabrito (Zicklein), jaira – cabra domestica (Hausziege)
- Hispanoamerikanische Einflüsse: kamen durch Emigranten aus den Kolonien wieder auf die Kanaren, nur geringer Einfluss guagua – autobús (Autobus), mamodo – borracho (betrunken)
- Arabismen: durch die Morisken und schwarze Sklaven im 16. und 17. Jahrhundert, ebenfalls nur ein kleiner Einfluss majalulo – camello joven (junges Kamel), guayete – niño (Kind)
- England: im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts, jetzt durch den Tourismus trinqui – bebida (Getränk), naife – cuchillo grande (großes Messer)<ref>Morera, Maricial. La formación del vocabulario canario. Santa Cruz de Tenerife: Centro de la Cultura Popular Canaria. 1993. S. 44–56</ref>
Bewertung als Kreolsprache
Spanisch ist die administrative Sprache des kanarischen Archipels und die Inseln wurden schon frühzeitig in das spanische Königreich eingegliedert. Durch die Besiedlung von Indigenen Völkern, Portugiesen, Hispanoamerikanern, Arabern und Engländern entfernte sich die Sprache jedoch vom Standard. So herrscht auf den Kanaren ein großer Polymorphismus, das heißt verschiedene Morpheme stellen dieselbe Sinneinheit in unterschiedlichen Morphemen dar. Die Stärke der Ausprägung des kanarischen Dialekts unterscheidet sich nach geographischen und sozialen Parametern. So sind sozial höhere Schichten und Bewohner urbaner Regionen dem Standard-Spanischen näher. Viele Wörter änderten mit der Zeit ihrer Bedeutung oder wurden nicht mehr gebraucht. So haben Arabismen und Anglizismen, die in der frühen Kolonialzeit ins Spanische übernommen wurden, heute fast keine Bedeutung mehr. Ein sprachliches Bewusstsein stellte sich erst nach mehreren Jahrhunderten der Besiedlung ein. Bedeutend war etwa die Veröffentlichung des Wörterbuchs von Viera y Clavijo 1866 mit Referenzen zur Insellexik.<ref>Morera, Maricial. La formación del vocabulario canario. S.58ff</ref>
Das Kanarische Spanisch ist keine Kreolsprache, sondern ein Dialekt des Standard-Spanischen. Zwar gibt es phonetische, grammatikalische und lexikalische Unterschiede, jedoch sind all diese Besonderheiten in das sprachliche System des Spanischen eingegliedert, sodass es keine Veränderungen in der Grundstruktur der Sprache gab. Sprachliche Phänomene des Kanarischen Spanisch, wie der Seseo oder der Yeísmo, treten auch in anderen geografischen Regionen als dem Archipel auf. Deswegen wird hier von Konzept des atlantischen, hispanischen Dialektes oder Meridionalspanisch gesprochen. Außerdem entwickelte sich das Kanarische Spanisch nicht isoliert von der Muttersprache, sondern stand in ständigem Kontakt zu ihr.<ref>Morera, Maricial. La formación del vocabulario canario. S.58ff</ref>
Siehe auch
Literatur
- Abu-Tarbush, José (2002): Islam y comunidad islámica en Canarias. Prejuicios y realidades. 1. Aufl. La Laguna, Santa Cruz de Tenerife: Servicio de Publicaciones, Universidad de La Laguna.
- Berschin, Helmut; Fernández-Sevilla, Julio; Felixberger, Josef (2005): Die spanische Sprache. Verbreitung, Geschichte, Struktur. 3. Aufl. Hildesheim [u. a.]: Olms.
- Corbella, Dolores (1996): Fuentes del vocabulario canario: los préstamos léxicos. In: Javier Medina López (Hrsg.): El español de Canarias hoy. Análisis y perspectivas. Frankfurt am Main, Madrid: Vervuert; Iberoamericana.
- Corrales Zumbado, Cristóbal; Corbella Díaz, Dolores; Alvarez Martínez, María Angeles (1992): Tesoro lexicográfico del español de Canarias. Madrid: Real Academia Española; Gobierno de Canarias, Consejería de Educación, Cultura y Deportes.
- Frago Gracia, Juan Antonio (1996): Las hablas canarias: documentación e historia. In: Javier Medina López (Hrsg.): El español de Canarias hoy. Análisis y perspectivas. Frankfurt am Main, Madrid: Vervuert; Iberoamericana.
- Lorenzo, Antonio; Morera, Marcial; Ortega Ojeda, Gonzalo (1994): Diccionario de canarismos. La Laguna: F. Lemus.
- Medina López, Javier (Hg.) (1996): El español de Canarias hoy. Análisis y perspectivas. Frankfurt am Main, Madrid: Vervuert; Iberoamericana.
- Medina, López (1996): La investigación lingüistica sobre el español de Canarias. In: Javier Medina López (Hrsg.): El español de Canarias hoy. Análisis y perspectivas. Frankfurt am Main, Madrid: Vervuert; Iberoamericana.
- Medina López, Javier (1999): El español de Canarias en su dimensión atlántica. Aspectos históricos y lingüísticos. Valencia [Spain]: Tirant lo Blanch Libros; Universitat de València.
- Morera, Marcial (1993): La formación del vocabulario canario. 1. Aufl. [Santa Cruz de Tenerife, Canary Islands]: Centro de la Cultura Popular Canaria.
- Morera, Marcial (1994): Español y portugués en Canarias. Problemas interlingüísticos. La Laguna, Tenerife: Excmo. Cabildo Insular de Fuerteventura.
- O'Shanahan, Alfonso (1995): Gran diccionario del habla canaria. 1. Aufl. [Las Palmas?]: Centro de la Cultura Popular Canaria.
- Samper Padilla, Antonio u. a. (1996): El studio historic del Español de Canarias. In: El español de Canarias hoy: análisis y perspectivas. Frankfurt am Main: Veruvert.
Weblinks
- Ortega Ojeda, Gonzalo. EL ESPAÑOL HABLADO EN CANARIAS. http://www.gobiernodecanarias.org/educacion/culturacanaria/lengua/lengua.htm
- Pérez García, Antonio. Síntesis de la Historia Canaria
- Kanarisch-Spanisches Wörterbuch (spanisch)
- http://www.microlapalma.com/guanche.htm Liste mit Wörtern der Ureinwohner(spanisch)
- es:Aborígenes canarios Wikipedia-Artikel über die Ureinwohner der Kanaren (spanisch)
Einzelnachweise
<references />