Kapitelsaal


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Datei:Kapitelsaal Marienstern.jpg
Kapitelsaal in der Zisterzienserinnenabtei Marienstern

Der Kapitelsaal – kurz das Kapitel, manchmal auch Kapitelhaus – ist die Versammlungsstätte einer klösterlichen Gemeinschaft. Auch der Versammlungsraum eines Domkapitels und eines Kollegiatstifts wird als Kapitelsaal bezeichnet. Oft liegt der Kapitelsaal im Ostflügel der Klausur und ist vom Kreuzgang aus zu erreichen.

Funktion

Im Kapitelsaal versammelt sich die Kommunität des Klosters, um die tägliche geistliche Lesung, z. B. jeweils eines Kapitels der Ordensregel oder der Kirchenväter (daher der Name Kapitel), und geistliche Ansprachen der Oberen anzuhören und Angelegenheiten der Gemeinschaft zu beraten. Wichtige Lebensvollzüge der Gemeinschaft – etwa die Wahl eines neuen Abtes, die Aufnahme von Postulanten bzw. Kandidaten, die Einkleidung von Novizen oder die Ablegung der zeitlichen Profess – finden im Kapitelsaal statt. Daneben wird auch über die Schlichtung von externen oder internen Streitfällen, die Einteilung der klösterlichen Arbeiten, die Verwaltung der Geldmittel etc. beraten. Im Kapitelsaal oder im angrenzenden Kreuzgang wurden nicht selten auch die Gründer oder wichtigen Förderer eines Klosters bestattet.

Architektur

Nach Kirche und Kreuzgang gehören die Kapitelsäle zu den wichtigsten und repräsentativsten Räumlichkeiten einer Abtei und wurden entsprechend ausgestattet. Während auf dem europäischen Festland rechteckige Kapitelsäle mit zumeist zwei bis vier mittig platzierten Säulen mit aufruhendem Rippengewölbe vorherrschend waren, hat sich in englischen Klöstern die Tradition runder oder polygonaler Chapter Houses mit einer zentralen Säule herausgebildet; in seltenen Fällen konnte letztere auch entfallen, wodurch eine außergewöhnliche Raumwirkung entstand (York Minster).

Während die Raumhöhe in den freistehenden englischen Chapter Houses durchaus acht Meter und mehr erreichen konnte, waren die mittelalterlichen kontinentalen Kapitelsäle der Klöster mit Raumhöhen von vier bis fünf Metern vergleichsweise niedrig – über ihnen befand sich üblicherweise noch das Dormitorium der Mönche mit einem direkten Zugang zur Kirche. In der Barockzeit entstanden allerdings auch in den Klöstern Mittel- und Südeuropas hohe Kapitelsäle.

Mittelalterliche Kapitelsäle waren in der Regel nicht beheizbar; sie befanden sich jedoch oft neben dem Skriptorium bzw. Kalefaktorium, dem einzigen beheizbaren Raum eines Klosters. In seltenen Fällen finden sich noch steinerne Bänke an den Wänden des Kapitelsaales (z. B. Sénanque), doch wurden diese – aus gesundheitlichen Gründen – durch eine hölzerne Bestuhlung ersetzt; der Sitz des Klostervorstehers befand sich zumeist gegenüber dem Eingang.

Literatur

  • Christine Sauer: Fundatio und memoria. Stifter und Klostergründer im Bild (1100 bis 1350). Göttingen 1993 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 109), ISBN 3-525-35646-3.
  • Heidrun Stein-Kecks: Der Kapitelsaal in der mittelalterlichen Klosterbaukunst. Studien zu den Bildprogrammen. München u.a. 2004 (Italienische Forschungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz, Vierte Folge: 4), ISBN 3-422-06429-X.
  • Michael Werling: Der Otterberger Kapitelsaal – zur 850. Wiederkehr der Gründung des Zisterzienserklosters Otterberg 1143-1993, Otterbach 1993, ISBN 978-3-87022-123-2.

Weblinks

Commons Commons: Kapitelsaal – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary Wiktionary: Kapitelsaal – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

fr:Salle capitulaire sv:Kapitelsal