Karl Jatho
Karl Jatho (* 3. Februar 1873 in Hannover; † 8. Dezember 1933 ebenda) war ein deutscher Beamter und Flugpionier. Nach persönlichen Notizen<ref name="HMH">Wolfgang Leonhardt hat die im Historisches Museum am Hohen Ufer lagernden persönliche Dokumente von Karl Jatho in seinem über BoD zugänglichen Buch Karl Jathos erster Motorflug 1903 verwendet.</ref> sowie angeblich 30 Jahre später beigebrachten notariellen Bestätigungen<ref name="Leonhardt32">Karl Jathos erster Motorflug 1903, S. 32</ref> soll er einer der ersten Menschen gewesen sein, die einen motorisierten Flug durchgeführt haben. Es gibt bislang keine Quelle, die dafür einen unabhängigen Beleg vorlegt. Seine Versuche und technischen Experimente lösten nicht das Problem des Motorflugs.<ref name="NDBBehrsing">Jatho, Karl. In: Neue Deutsche Biographie.</ref>
Inhaltsverzeichnis
- 1 Leben
- 2 Kunstradsport
- 3 Jathos frühe Flugapparate
- 4 Flugzeugwerk 1913
- 5 Unklare Augenzeugen-Beglaubigungen von 1933 und ihr Verbleib
- 6 Keine „Luftsprung“-Beweise durch Nachbauten 1933 und 2006
- 7 Gedenken
- 8 Kritik
- 9 Literatur
- 10 Weitere Quellen
- 11 Filme
- 12 Weblinks
- 13 Einzelnachweise
Leben
Nach Besuch des Realgymnasiums I und einer Präparandenanstalt in Hannover durchlief Jatho ab 1891 eine Ausbildung im Expeditions- und Registraturwesen. 1892 trat er in den Dienst der Hannoverschen Stadtverwaltung; am 1. April 1901 wurde er zum städtischen Beamten ernannt.<ref name="Leonhardt10">Karl Jathos erster Motorflug 1903, S. 10</ref> Bevor er seine Flugleidenschaft entdeckte, machte sich Karl Jatho als Radsportler und an der Seite seiner Schwester als Hochradakrobat einen Namen. Ab 1896 baute Jatho Am Jagdstall bei der Lister Bockwindmühle Gleitflieger. Unbefriedigt von seinem Erstflug und beunruhigt durch den tödlichen Absturz Otto Lilienthals im selben Jahr nahm er ständige Verbesserungen an seinem Fluggerät vor.<ref name="Leonhardt9">Karl Jathos erster Motorflug 1903, S. 9ff</ref> Neben seinem Luftfahrt-Engagement blieb er weiterhin hauptamtlich als Magistratsbeamter in Hannover im Dienst und ließ sich für seine Teilnahmen an der Internationalen Sportausstellung 1907 in Berlin und der ILA 1909 in Frankfurt vom Dienst befreien.<ref name="Leonhardt54">Karl Jathos erster Motorflug 1903, S. 54</ref>
Im November 1913 gründete Jatho gemeinsam mit Partnern die Hannoverschen Flugzeugwerke GmbH, der jedoch kein wirtschaftlicher Erfolg beschieden war. Die Firma wurde bei Heeresaufträgen nicht berücksichtigt und musste bereits im August 1914 wieder schließen. Danach befasste sich Jatho nur noch theoretisch mit dem Flugzeugbau. Wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen betrieb er über Jahre seine Versetzung in den Ruhestand, die schließlich im April 1924 vorläufig und 1928 dauerhaft vollzogen wurde.<ref name="Leonhardt140">Karl Jathos erster Motorflug 1903, S. 140–141</ref> Seine letzten Lebensjahre verbrachte er im Rollstuhl.<ref name="euhus">Walter Euhus: Karl Jatho – der Fahrrad- und Flugzeugpionier aus Hannover. In: Der Knochenschüttler. Heft 37, 2/2006, S. 23.</ref>
Kunstradsport
Von Jugend an war Karl Jatho ein begeisterter Sportler und betätigte sich im Turnen und Schlittschuhlaufen. 1893 lernte er das Radfahren und trat im Jahr darauf dem Radfahrer-Club Hannover von 1895 bei. In den folgenden Jahren trat er erfolgreich als Kunstradfahrer auf dem Hochrad auf. Seine Paradeübung war ein freistehender Handstand auf einem 51 Zoll großen Hochrad von den Brennabor-Werken, von denen sich Jatho auch das „größte Hochrad der Welt“ mit 3,60 Meter Höhe bauen ließ. Später ließ er sich für 2000 Reichsmark ein 40 Kilogramm schweres Doppelsitzer-Hochrad von der Holzfelgenfabrik Gebr. Forcke bauen, das er gemeinsam mit seiner Schwester fuhr.<ref name="euhus" />
Jathos frühe Flugapparate
Zwei verschiedene Entwicklungs-Chronologien
In den Quellen, die über Jathos Entwicklungsschritte im Flugzeugbau berichten, ist übereinstimmend beschrieben, dass Jathos spätestens ab 1900 an einem Flugapparat arbeitete, der im Herbst 1902 noch nicht motorisiert war. Ab 1903 sind über mehrere Jahre zwei prinzipiell verschiedene Entwicklungs-Chronologien dargestellt. Quellen, die bis zum Ende des Ersten Weltkrieges 1918 veröffentlicht wurden, berichten von Flugversuchen nach der Berliner Sportausstellung 1907 und dem Bau von drei motorisierten Flugapparaten bis 1909. Quellen, die nach Jathos Versetzung in den dauerhaften Ruhestand 1928 veröffentlicht wurden, berichten von Flugversuchen und Flügen ab 1903 und mehr als drei Flugapparaten, die bis 1909 gebaut wurden.
Hannoverscher Courier 1907, Rumpler 1909 und Hannoversche Sportwoche 1912
Die zeitnächsten unabhängigen Quellen zu seinem Projekt stammen aus den Jahren 1907 und 1909.
„Ein Flugapparat, der von Herrn Karl Jatho in Hannover konstruiert wurde, ist heute vormittag von einer Anzahl Interessenten, Offizieren, sowie Vertretern der Presse besichtigt worden. An dem Versuche ein lenkbares Luftschiff herzustellen, arbeitet Herr Jatho bereits zwölf Jahre. Er glaubt seine Absicht, ebenso wie der französische Luftschiffer Santos Dumont, durch einen Flugapparat zu erreichen. Das Jathosche Luftschiff besteht aus sechs Segeln (einem Horizontal-Grundtragsegel, einem Horizontal-Steuersegel, zwei Vertikal-Festsegeln und zwei Vertikal-Steuersegeln), einer Luftschraube und einer Gondel, auf der die Segel montiert sind. Getrieben wird der Flugapparat durch einen Motor Buchet von zwölf Pferdekräften. Das Gleichgewicht wird durch des Horizontalsteuersegel gehalten, das zugleich auch den Apparat auf- und niederlenken, sowie nach vor- und rückwärts heben soll. Die Grundrichtung geben die beiden Vertikal-Steuersegel an, die auch dazu dienen, die seitlichen Kurven zu beschreiben. Das Luftschiff ist vorläufig für einen Fahrer eingerichtet, dessen Sitz sich vor dem Motor befindet. Das Ganze ruht auf fünf Rädern, die in der Längsrichtung von vorn nach rückwärts kippbar angeordnet sind; das Vorderrad ist lenkbar eingerichtet, um beim Anfahren auf der Erde die Richtung anzugeben, bzw noch zu ändern. Hat der Apparat, auf der Erde rollend und angetrieben durch die Luftschraube, eine Geschwindigkeit von 12 Metern pro Sekunde erreicht, so hebt der Fahrer, wie der Erfinder annimmt, die Längsstange des Horizontal-Steuersegels gegen die Luft und dann soll der Winddruck den Apparat auf die hinteren Räder drücken, so daß die Segel die nötige Schrägstellung einnehmen, um den Apparat zu heben. Das Grundsegel ist so groß gehalten, daß es im Falle des Versagen des Motors als Fallschirm wirken kann. Herr Jatho denkt in 8-10 Tagen auf der Vahrenwalder Heide aufzusteigen. Er hofft, mit seinem Apparat zuerst bei einer Höhe von 10-12 Metern eine Geschwindigkeit von 70 Kilometern in der Stunde zu erzielen. Nach dem geplanten Aufstieg werden wir auf die Einrichtung des Flugapparats noch näher zurückkommen.“
Folgt man Rumpler, der 1909 in „Die Flugmaschine“<ref>Die Flugmaschine …</ref> einen kurzen Überblick über von Jatho erstellte Flugapparate bis zum Redaktionsschluss seines Buches gibt, hat Jatho bis 1908/1909 zwei motorisierte Flugapparate gebaut und eine dritte Maschine für 1909 in Planung.
„Karl Jatho. Einer der ersten, welche sich in Deutschland mit dem Bau von Flugmaschinen beschäftigten, war K. Jatho in Hannover. Er baute schon im Jahre 1900 einen Gleitflieger von 10 qm Fläche und später einen auf drei Räder gestellten Dreidecker von 48 qm Tragfläche, in welchen ein 9 PS Buchet-Motor einmontiert war. Dieser Apparat war auf der Sportausstellung zu Berlin 1907 zu sehen. Auf Grund mehrfacher Versuche baute Jatho denselben in einen Zweidecker um, welcher hier näher beschrieben werden soll. gehört hat.“ und beantwortete die Frage selbst mit der Vermutung, die offensichtlich spätere Autoren<ref>siehe z. B. Aero, Heft 46, S. 1267 und Leonhardt, S. 47</ref> von ihm übernahmen:
„ der erste Aufstieg erfolgen kann. Dieser war bereits zum Sonntag geplant, mußte jedoch einiger Metallteile wegen, deren Absendung aus Dresden sich verzögert hat, um einige Tage verschoben werden. Der 'Drachenflieger' hat in letzter Zeit noch einige wesentliche Verbesserungen erfahren, u. a. statt der tiefliegenden Fahrradsteuerung ein höheres Automobillenkrad.“
– Hannoverscher Anzeiger: vom Dienstag, dem 20. August 1907Am 25. August 1909 wird unter dem Titel „Luftschiffahrt“ und bezogen auf den „Drachenflieger Nr. 4“ der bislang früheste Pressebericht über einen Jatho-Flug veröffentlicht:
„ Dem Hannoveraner Karl Jatho gelang am 18. August 1903, vier Monate vor den Gebrüdern Wright, der erste Flug mit einem selbstgebauten Motorflugzeug. Leider versäumte dieser Pionier der Luftfahrt, sich seinen ersten Flug von Zeugen beglaubigen zu lassen.“
– Illustrierter Beobachter: Bericht über Jatho vom Samstag, dem 28. Oktober 1933<ref>Illustrierter Beobachter, 28. Oktober 1933</ref>Supf berichtet 1935 von vier Zeugen ohne dabei Angaben zum beglaubigenden Notar zu machen:<ref>Das Buch der deutschen Fluggeschichte</ref>
- Richard Probst, der ab 1906 Helfer bei Jatho war (* 22. Januar 1890; † 23. März 1959),
- Adolf Heuer, der 1902 bis 1906 Betreiber des Gasthauses „Lister Mühle“ Am Jagdstall war, wo Jatho seinen Flugzeugschuppen hatte,
- Elisa Homburg, die Haushälterin Adolf Heuers,
- Karl Hellwinkel, Bankbeamter.
Leonhardt nennt als beglaubigenden Notar Dr. Hermann Koch, Hannover, und hat aus Nachkriegspressemeldungen zwei Zeugen recherchiert, die ihre Bestätigung am 24. August 1933 in Hannover gemacht haben sollen:<ref name="Leonhardt32" />
- Dr. Otto Woltereck, Eichstr. 33, Hannover,
- Karl Hellwinkel, Bankbeamter, Mozartstr. 14, Hannover.
Der genaue Wortlaut und ein konkreter Hinweis über den Verbleib der Beglaubigungen finden sich in den Quellen nicht.
Keine „Luftsprung“-Beweise durch Nachbauten 1933 und 2006
Wiederholt wurde versucht, mit Nachbauten des „Jatho-Drachens“ die ersten Flüge zu beweisen. Nachgebaut wurde jeweils die Eindecker-Version mit aufgesetztem Höhenruder („Zweiflächer“), die am 1. August 1907 von Jatho öffentlich vorgestellt worden war.<ref name="Courier26955">Hannoverscher Courier, No 26955, Bericht: Ein Flugapparat, Donnerstag 1. August 1907</ref> Mit keinem der Nachbauten gelang bislang ein „Luftsprung“ wie Jatho sie notiert hat.
1933 Hegge
Datei:Gunter Hartung vor Jatho Drachen.jpgDer Konstrukteur des Jatho-Drachen-Nachbaus von 2006, Harald Lohmann, mit Gunter Hartung vor dem Nachbau.Im Sommer 1933 ließ der ehemalige Jatho-Mitarbeiter Werner Hegge einen Nachbau anfertigen, um anlässlich der Einweihung des Karl-Jatho-Denkmals an der Vahrenwalder Heide zu beweisen, dass Jathos Konstruktion vor dem Flieger der Wrights „Luftsprünge“ ausgeführt haben könnte. Von dieser Veranstaltung vom 8. Oktober 1933 berichtet der Hannoversche Kurier am 9. Oktober 1933: „Leider war es infolge des schlechten Wetters nicht möglich, den Eindecker, der nach dem Vorbild des Jatho-Flugzeugs, mit dem der erste Flug durchgeführt war, rekonstruiert ist, über dem Denkmal kreisen zu lassen.“<ref name="Leonhardt30">Karl Jathos erster Motorflug 1903, S. 30</ref> Dieser Nachbau war zunächst in Hannover und ab 1936 in Berlin in der „Deutschen Luftfahrt-Sammlung“ als Exponat zu besichtigen.
2006 Lohmann
Der Konstrukteur historischer Flugzeuge Harald Lohmann baute in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Technik- und Industrie-Geschichte (AKTIG) und dem von Gunter Hartung geleiteten Projekt Wir waren die Ersten den Jatho-Drachen in den Jahren 2005 und 2006 detailgetreu nach. Der Nachbau ist in der Ausstellung „Welt der Luftfahrt“ am Flughafen Hannover-Langenhagen zu sehen.<ref name="ChronoNachbau">Chronologie des Jatho-Motordrachen-Nachbaus</ref>
Die Flugerprobung, die im September 2006 begonnen wurde, um die Flugfähigkeit der Konstruktion zu beweisen, wurde nach erfolgreichen Rollversuchen wegen des […] böigen Windes abgebrochen. Die Verantwortlichen waren übereingekommen, eine stabile Herbstwetterlage für die weitere Erprobung abzuwarten. Der Nachbau wurde dann allerdings als Exponat der Ausstellung Welt der Luftfahrt für weitere Versuche unzugänglich.<ref name="ChronoNachbau" /><ref>Karl Jatho® Motordrachen 1:1 Nachbau Youtube</ref>
Gedenken
Datei:Jatho Karl Grab.jpgDas Grab Karl Jathos auf dem Stadtfriedhof Engesohde in HannoverDatei:M 20 Jatho.JPGGedenkstein von 1933 für Karl Jatho am Flughafen Hannover-LangenhagenDatei:Jatho Stein.jpgGedenkstein von 2006 für Jatho nahe seinem früheren Flugfeld am Flughafen Hannover-VahrenwaldAm 8. Oktober 1933 war auf dem damaligen Flughafen Vahrenwald im Beisein des Geehrten ein Gedenkstein enthüllt worden. Anlass war der „30. Jahrestag seines Fluges vom 18. August 1903“. Dieser Gedenkstein wurde im März/April 1952 von seinem bisherigen Standort vor das neue Gebäude der Flugleitung in Langenhagen versetzt, wo er seither – allerdings nun ohne Sockel, ohne die Adlerplastik und ohne Hakenkreuz – steht.
In Hannover errichtete 2006 der Arbeitskreis Stadtteilgeschichte List auf der nördlichen Seite des Mittellandkanals, zwischen Reiterstation und Lister Bad einen Gedenkstein für Jatho. Der Stein steht auf der früheren Vahrenwalder Heide, auf der sich heute Kleingärten befinden. Anfang des 20. Jahrhunderts war hier das Flugfeld, auf dem Jatho seine Flugversuche unternahm. In diesem Bereich legte er eine 180 m lange Startbahn an und errichtete 1897 einen Hangar mit Werkstatt. Aus diesen Anfängen entwickelte sich im Laufe der Zeit der 122 Hektar große Flughafen Hannover-Vahrenwald, der bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs in Betrieb war. Erst danach entstand der Flughafen Hannover-Langenhagen.
In Hannover-Vahrenwald befindet sich eine Jathostraße, in Berlin-Reinickendorf ein Jathoweg. In Nürnberg wurde im Bereich des örtlichen Flughafens eine Straße Karl-Jatho-Weg benannt, ebenso in Wesel eine Karl-Jatho-Straße.
Die Hauptschule am Büssingweg 9 in Hannover heißt seit dem 27. Januar 2006 „Karl-Jatho-Schule“<ref name="ChronoNachbau" /> und das Terminal für allgemeine Luftfahrt (GAT) am Flughafen Hannover-Langenhagen trägt seit September 2006 den Namen „Karl Jatho Terminal“.<ref>Karl Jatho Terminal am Flughafen Hannover-Langenhagen</ref>
Kritik
Flugleistungen
Jathos frühe Flugleistungen sind, selbst wenn sie bewiesen wären, nicht unumstritten. Peter Supf schreibt in seinem Buch der deutschen Fluggeschichte über Jatho: „Die Wrights konnten, nachdem ihnen die ersten Flüge geglückt waren, tatsächlich fliegen, […] Jatho aber konnte erst in den Jahren 1909–1911 seine Flüge wieder fortsetzen, die auch dann noch zunächst unter den Leistungen der damaligen Zeit lagen.“<ref>Das Buch der deutschen Fluggeschichte, S. 249 ff.</ref> Für die Behauptung von Supf, dass Jatho bis 1909 nicht „tatsächlich fliegen“ konnte, lassen sich Indizien anführen.
- So schreibt Wolfgang Leonhardt „Die ersten Zeitungsberichte über […] Karl Jatho […] stammen nachweislich aus dem Jahre 1907.“<ref name="Leonhardt47" /> In den dort zitierten Berichten aus dem Jahr 1907 wird über die Maschine und Rollversuche geschrieben, aber nicht über erfolgreiche Flüge im Jahr 1907 oder davor: „Trotzdem die Witterungsumstände günstig waren, gelang ein Aufstieg des Apparates […] nicht ...“.
- Und Sauer berichtet über die Flugwettbewerbe der ILA 1909 „Als einziger Deutscher ging Ingenieur August Euler an den Start.“<ref>Absturz im Kinzigtal, S. 6</ref> Das heißt, dass Jatho bei der ILA 1909, obwohl er mit Fluggerät und Monteuren angereist war,<ref name="Leonhardt54" /> nicht an den Flugwettbewerben teilgenommen hat.
- Als weiteres Indiz für die Richtigkeit von Supfs Zweifeln an Jathos Flugleistungen sei auf Jathos Tragwerkskonstruktion verwiesen, wie sie Wolfgang Leonhardt mit Bild der Maschine von 1907<ref name="Leonhardt48">Karl Jathos erster Motorflug 1903, S. 48</ref> und der Lohmann-Nachbau von 2006<ref name="Lohmann2006">Commons-Bild Jatho-Drachen-Nachbau 2006</ref> dokumentieren. Diese Quellen zeigen, dass Jatho weitgehend auf eine Profilwölbung verzichtete und dass das Holzleisten-Stützgerüst der Tragfläche auf der Oberseite der Bespannung offen in der Luftströmung lag. Im Gegensatz dazu setzten die von Supf vergleichsweise herangezogenen „tatsächlich fliegenden“ Wrights, die auf Lilienthals Erkenntnissen aufbauen, gewölbte Tragflächen<ref>s. Lilienthal, Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst</ref> mit glatter Oberfläche ein. Sowohl Lilienthal wie auch die Wrights bewiesen mit Gleitflügen die Wirksamkeit ihrer Tragflächen bereits vor 1903 in öffentlichen praktischen Versuchen bzw. mit Fotografien des fliegenden Doppeldecker-Gleitapparats. Vergleichbare Dokumente zum „Jatho-Drachen“ sind bislang nicht bekannt.
- Die erste von Jatho hergestellte Maschine, mit der öffentlich reproduzierbare Flüge gelingen, war ab 10. Juli 1910 ein Bleriot-Nachbau.<ref name="Leonhardt59" /><ref name="HannAnzeiger19010-07-12" />
Innovationen
Andererseits, falls der Prioritätsanspruch auf ersten Motorflug 1903 bewiesen würde, müsste anerkannt werden, dass Jatho im August und November 1903 ein Flugzeug geflogen hätte, das über einen Pilotensitz verfügte, mit einem Beckengurt als Sicherheitseinrichtung versehen war und ohne Starthilfe von außen aus eigener Kraft auf dem eigenen Fahrwerk starten und landen konnte. Die Wrights flogen im Dezember 1903 mit einem Flugzeug ohne Pilotensitz, bei dem der Pilot bäuchlings auf der Tragfläche lag. Ihr Flugzeug benötigte, da es kein Fahrwerk hatte, eine Startschiene. Da sie nur Kufen als Landegestell montiert hatten, konnten sie nur auf geeigneten Stellen wie der Sandfläche bei Kitty Hawk fliegen und landen. Jatho hätte dann also 1903 Flugzeugkomponenten genutzt, die bei anderen Flugpionieren erst Jahre später eingeführt wurden.
Literatur
- Gert Behrsing: Jatho, Karl. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 10, Duncker & Humblot, Berlin 1974, ISBN 3-428-00191-5, S. 367 f. (Digitalisat).
- Gunter Hartung: Tüftler und Querdenker: Ein Plädoyer für Karl Jatho aus Hannover. Leuenhagen & Paris, Hannover 2009, ISBN 3-923976-67-4
- Wolfgang Leonhardt: Karl Jathos erster Motorflug 1903. Books on Demand, Norderstedt 2002, ISBN 3-8311-3499-5
- Otto Lilienthal: Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst. Steffen, Friedland 2003, ISBN 3-9809023-8-2 (Reprint der Originalausgabe Berlin 1889, Inhalt und einige Kapitel).
- Theo Oppermann: Ikaros lebt! Die Lebensgeschichte eines Deutschen: Karl Jatho der erste Motorflieger der Welt. Verlag Oppermann & Leddin, Wunstorf 1933, 1. Tausend.
- Eckard Sauer: Absturz im Kinzigtal: Die Luftfahrt im hessischen Kinzigtal von 1895 bis 1950. 2 Auflage. Sauer, Gründau 2013, ISBN 978-3-9814419-0-1.
- Edmund Rumpler: Die Flugmaschine - Kritische Besprechung ausgeführter Flugmaschinen mit besonderer Berücksichtigung der geschichtlichen Entwicklung. Berliner Verein für Luftschiffahrt, Berlin 1909.
- Peter Supf: Das Buch der deutschen Fluggeschichte. 2 Auflage. Band 1, Drei Brunnen Verl., Stuttgart 1956 (durchges., verb. u. erw. Aufl.; Erstauflage 1935).
- Die Frühgeschichte des Motorflugs II – Anfänge in Deutschland. In: Aero. Nr. 46, Marshall Cavendish International, 1984, S. 1265–1267.
Weitere Quellen
- Persönliche Dokumente von Karl Jatho, Historisches Museum am Hohen Ufer, Pferdestraße 6, 30159 Hannover
Filme
- Sorry Mister Wright – Der Flugpionier Karl Jatho. Dokumentarfilm, Deutschland, 2006, 45 Min., Buch und Regie: Gunter Hartung, Produktion: NDR, Filminformationen vom NDR
- Wir waren die Ersten – Die Luftfahrt begann in Hannover. Dokumentarfilm, Deutschland, 2009, 45 Min., Buch und Regie: Gunter Hartung, Produktion: TWA-Film (englische Version: Made in Hannover - German Aviation Pioneer Karl Jatho took off ahead of Orville Wright. Dokumentary Germany, 2010, 45 min. Script/Director: Gunter Hartung, TWA-Film Production)
Weblinks
Commons Commons: Karl Jatho – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
- Das Karl-Jatho-Terminal am Flughafen Hannover
- Karl-Jatho-Projekt - Wir waren die ersten
- Foto der Flugmaschine Jathos (engl.)
- Jathoehrenstein
- Wir waren die Ersten
Einzelnachweise
<references />
Personendaten NAME Jatho, Karl KURZBESCHREIBUNG deutscher Flugpionier GEBURTSDATUM 3. Februar 1873 GEBURTSORT Hannover, Deutschland STERBEDATUM 8. Dezember 1933 STERBEORT Hannover, Deutschland