Kunstrasen
Kunstrasen ist eine Art Kunststoffteppich, der in Beschaffenheit und Aussehen einem Naturrasen nahekommt. Gewöhnlich wird er auf Sportplätzen, vorzugsweise für Hockey und Fußball, verwendet.
Inhaltsverzeichnis
Herstellung und Verwendung
Die sportfunktionellen und technischen Eigenschaften werden nicht nur durch den Kunststoffrasenbelag, sondern durch das gesamte Belagsystem, einschließlich Elastikschicht (EL) beziehungsweise Elastische Tragschicht (ET) bestimmt. Aufgrund der schnellen Weiterentwicklung der Kunststoffrasenbeläge und der großen Vielzahl an Belagtypen werden an die Projektierung, fachkundige Belagauswahl und eine konsequente Bauüberwachung hohe Anforderungen gestellt. Technische Anforderungen und Pflegehinweise enthält unter anderem DIN V 18035, Teil 7 (Sportplätze, Kunststoffrasenflächen).
Aufbau
Kunstrasen wird überwiegend im sogenannten Tuftverfahren hergestellt. Die verwendeten Garne bestehen aus Polypropylen, Polyethylen oder Polyamid. Der Tuftrücken (Trägergewebe) wird mit Latex beschichtet und zumeist zusätzlich stabilisiert. Die Spielfelder für Fußball werden heute in der Regel mit Sand und/oder Gummigranulat befüllt.
Trotz der meist ähnlichen Optik gibt es eine Vielzahl diverser Kunstrasenqualitäten, die je nach Einsatz (Fußball, Hockey, Tennis, Golf, Mehrzweck oder Ähnlichem) eine unterschiedliche Faserstruktur (gerade, gekräuselt), Faserdichte und Polhöhe haben. Für die Hockeynutzung kommen in der Regel Kunststoffrasenbeläge ohne Polverfüllung zur Verwendung. Kunststoffrasen wird meist in Rollen mit einer Breite von 1m-4m verlegt.
Die Verlegung erfolgt jeweils auf einer Elastikschicht aus PUR-gebundenem Gummigranulat oder Schaumstoff-Bahnen oder -Platten. Eine weitere Gruppe von Belägen ist so konzipiert, dass ohne Elastikschicht, direkt auf dem mineralischen bzw. Asphalt-Untergrund, verlegt wird. Die Verbindung der Belagsstöße der Bahnenware bzw. der einzulegenden Linierung erfolgt durch Nahtbandagen aus Polyester- oder Polyamid-Vlies und PUR-Beschichtungsmasse oder (nur für unverfüllte Beläge) durch Vernähen mit einem, durch PUR-Bindemittel auf der Belagsrückseite gesicherten, PES-Faden.
Eine Belagsart mit unverfüllter Polschicht wird in Platten von 1 mal 2 m geliefert. Die Verbindung der Platten erfolgt mit Klettbändern und kann jederzeit gelöst werden.
Die Kunststoffrasenfläche ist in der Regel wasserdurchlässig. Diese Eigenschaft verbessert zum einen die Sport- und Schutzfunktion, zum anderen wird der Boden nicht versiegelt, so dass Niederschlagswasser an die unteren Schichten abgegeben werden kann. Die Wasserdurchlässigkeit wird in der Regel durch Perforation mit Löchern von etwa 4 mm Durchmesser im Abstand von 10–15 mm erreicht.
Untergrund
Die Tragschicht muss für die Stabilität des Belagssystems (bleibende Ebenheit auch bei Belastung) und Wasserabführung sorgen. Die Erstellung erfolgt nach den bekannten Regeln des Sportplatzbaus (zum Beispiel DIN 18035-6 und -7). Mineralische Tragschichten müssen insbesondere frostunempfindlich ausgelegt sein. In der Regel sollte die oberste Tragschicht gebunden sein (zum Beispiel Drainasphalt).
Die Entwässerung erfolgt nur bei mäßig ergiebigen Regenfällen ausschließlich in vertikaler Richtung (das heißt durch die Tragschicht). Bei ergiebigem Regen tritt auch oberflächlicher Abfluss zu den Platzrändern ein (mit einem Gefälle des Platzes von 0,5–1 %), wo für eine ausreichend leistungsfähige Wasserabführung gesorgt werden muss.
Die direkte Verlegung von Kunststoffrasenbelägen auf ungebundenen (mineralischen) Tragschichten ist problematisch. Dies trifft insbesondere auf die Schweiz zu, weil standfeste Korngemische mangels gebrochenem Gesteinsmaterial nicht immer verfügbar sind. Nicht trittfeste Korngemische führen im Laufe der Zeit zu Unebenheiten, die sich an der Belagsoberfläche abbilden. Die Standfestigkeit ist auch während der Verlegung des Belages wichtig, wenn Transportfahrzeuge die schweren Rasenbelagsrollen bewegen und die Polschichtfüllung aufbringen, damit die Tragschicht eben bleibt. Für die Trittfestigkeit von ungebundenen/mineralischen Tragschichten ist der Zustand im wassergesättigten Zustand maßgebend (beim Betreten darf zum Beispiel keine Entmischung der Feinteile des Tragschichtmaterials eintreten). Geeignete Materialien bestehen im Prinzip aus gebrochenem Gestein ausreichender Festigkeit mit einem Größtkorn von mindestens 24 mm und einem geringen Feinkorngehalt.
Verwendung
Kunstrasenplätze ohne Granulatfüllung (Vollkunststoffrasen) werden nass bespielt. Der Rasen wird regelmäßig – zum Beispiel in den Halbzeitpausen – gewässert. Die Nässe verringert die Gefahr von Schürfwunden bei Tacklings oder im Fall von Stürzen und reduziert den Abrieb des Fasermaterials.
Die gebräuchliche Formel, die zur Entscheidungshilfe bezüglich des Sportplatzbelags beiträgt, besagt, dass bei einer Nutzung von 800 bis 2.500 Stunden pro Jahr der Kunstrasen am besten geeignet ist und daher empfohlen wird.
Pflege
Das Mindestmaß an Pflege für den Kunstrasen besteht im Aufbürsten des Platzes, das, ganz gleich, um welchen Typ es sich handelt, alle zwei Wochen erfolgen muss. Details zur Pflege eines Kunstrasens müssen vom Belaghersteller spätestens bei Abnahme des Belages in Form einer Nutzungs- und Pflegeanleitung übergeben werden (Pflicht nach DIN 18035/7). Neben dem Abschleppen zur Egalisierung des Einstreumaterials müssen die Verunreinigungen vor jeder Nutzung entfernt werden, speziell vor dem Aufbürsten, da die Abziehbesen oder Abziehmatten das Einstreumaterial verteilen und zwischen die Fasern einarbeiten sollen. Befindet sich Schmutz, egal in welcher Form, auf dem Belag, wird dieser unweigerlich ebenfalls verteilt und in das Einstreumaterial eingearbeitet. Mindestens einmal jährlich ist eine Grundreinigung erforderlich, in deren Rahmen die Verfüllung durch ein Sieb gefiltert wird, um Verunreinigungen zu entfernen. Bei diesem Vorgang werden auch gleichzeitig die Feinanteile abgesaugt. Nur so lässt sich die Wasserdurchlässigkeit und Elastizität auf Dauer gewährleisten. Diese jährliche Maßnahme wird häufig von Fachunternehmen im Rahmen eines 4- oder 5-jährigen Dienstleistungsvertrages durchgeführt. Bei dieser Gelegenheit machen sich die Experten auch ein Bild vom Zustand des Platzes, kontrollieren die Nähte und Linien und führen bei Bedarf entsprechende Reparaturen durch. Nach Auslauf eines Dienstleistervertrages muss sich der Verein oder die Kommune selbst dieser Aufgabe widmen. Spätere Dienstleistungen würden wesentlich teurer sein, weshalb es auch Geräte für die wöchentliche Pflege gibt, die darüber hinaus auch die jährliche Grund- und Tiefenreinigung durchführen können. Diese Geräte sind weitaus günstiger als die Dienstleistung über die gesamte Lebensdauer des Belages hinweg. Geht man von einer maximalen Lebensdauer des Kunstrasens von 15 Jahren aus, werden auf jeden Fall 13 Grundreinigungen notwendig. Nach Angabe eines der größten Belaghersteller kostet die Jahresreinigung pro m² 0,35 €.<ref>Artikel aus Münstersche Zeitung vom 7. Februar 2012</ref> Auch wenn die Basispflege des Kunstrasens vergleichsweise überschaubar ausfällt, sollte darauf geachtet werden, dass zum Beispiel im Herbst regelmäßig das Laub abgeblasen wird.
Die wöchentliche Pflege (bzw. spätestens nach 30 Nutzungsstunden) eines verfüllten Kunstrasens im Überblick:
- Abschleppen und Egalisieren des Einstreumaterials, wobei dieses von den überfüllten zu den unterfüllten Stellen verfrachtet werden muss
- Entfernung aller Verunreinigungen vor jeglicher Nutzung, insbesondere vor dem Abschleppen
- sofortiges Nachverfüllen fehlenden Einstreumaterials
- schonendes Auflockern von verdichteten Belagstellen
- Aufrichtung der Fasern durch Abschleppen gegen die Liegerichtung
Die Verfüllhöhe des Kunstrasenbelages entscheidet mit darüber, wie häufig das Abschleppen und Egalisieren notwendig ist. Sind die Plätze zu niedrig verfüllt (es gibt keinerlei verbindlichen Vorgaben sondern nur Vorschläge seitens der DIN), erhöht sich der Pflegeaufwand. Niedrig verfüllte Kunstrasenbeläge (ca. 20 mm freistehende Faser) sind anfälliger. Beläge mit zu wenig Pflege können zwar trotzdem über die angestrebte Lebensdauer (heute geht man im Schnitt von ca. 15 Jahren aus) genutzt werden, die Eigenschaften des Belages stehen allerdings dann in keinem angemessenen Verhältnis mehr zu den hohen Anschaffungskosten eines Kunstrasens. Die Pflege eines Kunstrasens ist auf jeden Fall einfacher und günstiger als die richtige Pflege eines Naturrasens. Trotzdem muss das Pflegepersonal des Kunstrasens ebenso geschult sein wie das Pflegeteam eines Golf- oder Fußballplatzes mit natürlichem Grün.
Eine Bewässerung dient bei einem künstlichen Sportplatz nicht dem Rasenwachstum, aber sie kann helfen, die Spieleigenschaften zu optimieren. Je höher der Anspruch an letztere ausfällt, desto höher ist auch der Pflegeaufwand. Davon ausgehend, dass ein High-End-Produkt auch tatsächlich für anspruchsvolle Einsätze verlegt wurde, verlangt es auch mehr Zuwendung als das einer mittleren Qualität.
Verwendung in unterschiedlichen Sportarten
Hockey
Hockey wird fast ausschließlich auf gewässertem Kunstrasen und nicht mehr auf Naturrasen gespielt. Dadurch wird das Spiel deutlich schneller und genauer, die Unterschiede zum Hallen-Hockey werden kleiner. Die Entwicklung vom Rasen zum Kunstrasen begann in den 70er Jahren und schon in den 90er Jahren wurde Spitzenhockey nahezu überall auf Kunstrasen gespielt. Das Olympische Hockey-Turnier wurde erstmals in Montreal 1976 auf Kunstrasen ausgetragen. Auch beim Kunstbelag war die übliche Farbe Grün, doch bei den Olympischen Spielen in London 2012 wurde erstmals ein blauer Kunstrasen verwendet.
Der Übergang vom Naturrasen zu Kunstrasen hat das Hockeyspiel so stark beeinflusst, dass manche Fachleute von einer „Revolution“ sprechen. Tatsache ist, dass die Umstellung sich nicht nur auf die Schuhe, sondern auch auf Bälle und Schläger auswirkte und taktisch zu anderen Spielsystemen führte.
Fußball
Von den Fußball-Spitzenverbänden UEFA und FIFA wurden Kunstrasenplätze inzwischen auch für den Wettkampfbetrieb freigegeben, sofern die Kunstrasensysteme den Qualitätskriterien dieser Verbände entsprechen.
Auf internationaler Ebene lässt die FIFA bei allen Spielen, außer denen einer WM-Endrunde der Männer, Kunstrasen zu. Bedingung: Das Produkt muss zertifiziert sein. Hier gibt es zwei Möglichkeiten, „FIFA Recommended 1 Star“ oder „FIFA Recommended 2 Star“. Seitens der UEFA ist die „2 Star“-Variante generell zugelassen, auch in der Champions League. Im deutschen Profi-Fußball gibt es zwischen DFB und DFL die Verabredung, dass von der 1. Bundesliga bis in die Regionalliga nur Naturrasen zugelassen ist. Im deutschen Amateur-Fußball von der Regionalliga bis hinab in die Landesliga sind die Belagstypen B, D, E und G laut DIN V 18035-7 zugelassen, in tieferen Spielklassen auch der Belagstyp A.
Im 2003 eröffneten neuen Salzburger Stadion (EM-Stadion Wals-Siezenheim, später umbenannt in Red Bull Arena) war das Spielfeld mit Kunstrasen belegt, dieser wurde im Sommer 2010 gegen einen Naturrasen ausgetauscht.<ref>http://redbulls.com/soccer/salzburg/de/stadion.html.</ref> Bereits 2002 wurde im Olympiastadion Luschniki in Moskau, in dem Spartak Moskau seine Heimspiele bis 2013 austrug, ein Kunstrasenplatz installiert. Dort erlebte dieser Bodenbelag auch in der Saison 2006/2007 seine Premiere in der UEFA Champions League. Im Frühling 2006 wurde das neue Stade de Suisse in Bern ebenfalls mit Kunstrasen ausgerüstet. Auch in Frankreich bekamen im Sommer 2010 zwei Erstligastadien den Kunstrasen eines deutschen Herstellers (Polytan): das Stade du Moustoir in Lorient und das Stade Marcel-Picot in Nancy. Diverse zertifizierte Kunstrasenplätze existieren auch in den skandinavischen Ländern.<ref>France Football vom 27. Juli 2010, S. 18–21.</ref> Ein anderer Anbieter wurde für das Stadion des niederländischen Erstligisten Heracles Almelo ausgewählt.
Golf, Swingolf
Natürliche Putting-Grüns bedürfen eines hohen Pflegeaufwandes (tägliches Mähen, Düngen und Wässern). Kunstrasen bietet die Möglichkeit, den Pflegeaufwand stark zu reduzieren. Ein weiterer Einsatzbereich beim Golf- bzw. Swingolf sind Driving Range und Abschlagflächen, die einer starken Abnutzung unterliegen.
Zu unterscheiden sind zwei Arten von Putting Grüns aus Kunstrasen:
- Putting-Grüns aus Nylon sind optimal für das reine Putten und für Chips aus kürzerer Entfernung geeignet. Nylon-Oberflächen sind sehr dicht, widerstandsfähig und so gut wie pflegefrei. Sie bleichen so gut wie nicht aus und sind für alle Wetterbedingungen geeignet.
- Putting-Grüns aus Polypropylen werden mit Quarzsand befüllt und sind besonders dann empfehlenswert, wenn aus mehr als 10 Metern gepitcht oder das Grün aus größerer oder großer Entfernung angespielt werden soll. Diese Grüns nehmen auch Backspin an. Die Sandfüllung verteilt dabei die Aufprallenergie des Balles. Durch das Auffüllen mit Quarzsand bleichen die Fasern nicht aus. Diese Putting-Grüns benötigen eine regelmäßige Wartung, da sich in der Sandfüllung gelegentlich Flugsamen oder Moos festsetzen können.
- Kunstrasen im Bereich Golfsport wird für Kunstrasengreens, Vorgrüns und Abschlagflächen verwendet.
Weblinks
Einzelnachweise
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