Londinium
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Londinium, das heutige London, war die größte Stadt und Hauptstadt der römischen Provinz Britannien. Durch seine günstige Lage an der Themse, die wiederum einen guten Anschluss ans Meer und ins Hinterland bot, war Londinium auch ein bedeutendes Handelszentrum.
Die Geschichte von Londinium lässt sich aus wenigen verstreuten Erwähnungen bei antiken Autoren, anhand der allgemeinen Geschichte Britanniens und durch Ausgrabungen in der Stadt in groben Zügen rekonstruieren. Am Ende des dritten Jahrhunderts war sie sogar Residenz des Gegenkaisers Carausius und damit Hauptstadt eines Sonderreiches in Britannien. Als bedeutende römische Stadt hatte sie alle öffentlichen Gebäude einer solchen, wobei nur ein Teil von ihnen durch Ausgrabungen identifiziert werden konnte. Das große Forum im Zentrum der Stadt, der größte Bau seiner Art nördlich der Alpen, bezeugt die starke wirtschaftliche Position von Londinium. Dies wird auch durch die Reste zahlreicher Warenlager an den Ufern der Themse bestätigt.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Im Jahre 43 n. Chr. wurden große Teile des heutigen England von den Römern erobert. In den Jahren nach der Eroberung kam es zu verschiedenen Stadtgründungen, bei denen es sich meist um die Hauptorte einheimischer Stämme handelte. Die Städte, deren Gründung oft die Errichtung eines Militärlagers vorausging, wurden der Ausgangspunkt der Romanisierung des Landes.<ref>allgemein: Wacher: The Towns of Roman Britain. S. 17–32.</ref> Mit den Soldaten kamen auch Händler und Handwerker, die in der neuen Provinz ihr Glück suchten.
Im Gegensatz zu vielen anderen römischen Städten in Britannien scheint Londinium keinen keltischen Vorgängerort gehabt zu haben, und die Stadt war auch nie der Hauptort eines Stammesgebietes (civitas). Im heutigen Stadtgebiet von London gibt es diverse vorgeschichtliche Siedlungen, doch ist keine von ihnen als wirkliche Vorgängersiedlung zu bezeichnen. Es wird ein römisches Militärlager an der Stelle der späteren Stadt vermutet, doch konnte dies bisher archäologisch nicht nachgewiesen werden und bleibt daher sehr spekulativ. Dennoch ist schon bei der Namensgebung (Londinium ist wohl keltischen Ursprungs und enthält möglicherweise den keltischen Personennamen Londinos) ein starker keltischer Einfluss erkennbar.<ref name="DNP 432">Malcolm Todd: Art. „Londinium“, in: Der Neue Pauly Bd. 7, Sp. 432–33.</ref> Möglicherweise ist der Ortsname aber vom vorkeltischen (ureuropäischen) Wort Plowonida abgeleitet, was ungefähr „Siedlung am breiten Fluss“ bedeutet.<ref>Richard Coates: A New Explanation of the Name of London. In Transactions of the Philological Society. November 1998, S. 203.</ref>
Die Lage des Ortes war ausgesprochen günstig. Hier war die Themse (lateinisch Tamesis) relativ flach und konnte deshalb ohne Schwierigkeiten durchquert werden. Der Fluss bot einen guten Anschluss an das Meer und damit nach Gallien und zum Mittelmeerraum. Von Londinium konnte man auf dem Landweg auch gut andere Orte in Britannien erreichen. Schon bei der römischen Invasion im Jahr 43 war die Stelle der späteren Stadt ein zentraler Anlaufpunkt der Römer.<ref name="DNP 432"/>
Vor dem Aufstand der Boudicca 47−60 n. Chr.
Archäologen gehen heute davon aus, dass Londinium ein paar Jahre nach der Invasion als zivile Siedlung entstanden ist, ausgehend vom Cornhill im Osten des heutigen Stadtzentrums. Entlang der einstigen, in Ost-West-Richtung verlaufenden römischen Hauptstraße wurde beim Neubau des Hauses No 1 Poultry eine hölzerne Abwasserleitung entdeckt.<ref>Ausgrabungsbericht (Memento vom 16. Juli 2011 im Internet Archive) von English Heritage</ref> Die dendrochronologische Untersuchung ergab, dass sie aus dem Jahr 47 n. Chr. stammt; dies wird in neuerer Zeit gerne als wahrscheinlichstes Gründungsjahr der Stadt angegeben.
Beiderseits des sumpfigen Walbrooktals (der Bach Walbrook mündete hier in die Themse) wurde der Ort auf Anhöhen errichtet. Dennoch konnten bislang weder eine Brücke noch ein Kastell noch Bauten, die üblicherweise errichtet wurden, nachgewiesen werden. Diese Siedlung erlangte schon früh bedeutende Ausmaße. An der Stelle des späteren Forums gab es einen großen freien Platz, der wahrscheinlich als Markt fungierte. Die damaligen Häuser waren alle aus Holz. Dem Bericht von Tacitus zufolge war die Stadt wegen ihrer vielen Kaufleute und umfangreichen Handelsbeziehungen berühmt.<ref>Tacitus: Annalen. XIV 33.</ref> Tacitus’ Aussagen wurden durch zahlreiche archäologische Funde im Hafenbereich untermauert. Die frühe besondere Bedeutung erlangte Londinium also durch den Handel mit dem europäischen Festland. Beim Aufstand der Boudicca im Jahr 60 n. Chr. nahmen die Rebellen den Ort, der sicherlich nicht befestigt war, ein und brannten ihn vollkommen nieder. Der römische Legat Gaius Suetonius Paulinus konnte die Stadt nicht halten und die Aufständischen ließen die florierende Stadt ihre besondere Wut spüren. Der Zerstörungshorizont ist heute archäologisch gut sichtbar.<ref>vgl. die Karte bei Marsden: Roman London. S. 30.</ref>
Zweites und drittes Jahrhundert
In den Jahren nach dem Aufstand wurde die Stadt wieder aufgebaut. Londinium war nun Hauptstadt der britannischen Provinz, wobei der genaue Zeitpunkt des Umzuges der Provinzialverwaltung von Camulodunum (Colchester) nach Londinium nicht sicher ist. Doch spricht für die Bedeutung der Stadt beispielsweise, dass hier der Provinzverwalter Gaius Iulius Alpinus Classicianus bestattet wurde.<ref>Die Reste seines Grabmals fand man 1885 und sind heute im Britischen Museum zu sehen: stammte aus Arretium in Italien. Sein Grabmal wurde von einer marmornen Inschrift geziert. Urnenbestattungen waren die Regel, erst ab dem dritten Jahrhundert kommen Erdbestattungen immer häufiger vor. Die ältesten Gräber fanden sich innerhalb der späteren Stadtmauer, nahe dem Forum. In der Gegend der West Tenter Street, östlich der Stadtmauer wurde ein größerer Friedhofsabschnitt ergraben. Es fanden sich 672 Körpergräber und 134 Brandbestattungen. Sie datieren vom Ende des ersten bis in das fünfte Jahrhundert. Es wurden Holzsärge gefunden, und ein Grab enthielt mit Silber eingelegte Bronzebroschen, die typisch für hohe Militärangehörige sind.<ref>B. Barber, D. Bowsher, K. Whittaker: “Recent excavations in a cemetery of Londinium”. In: Britannia. 21, 1990, S. 1–12. Siehe auch: East cemetery (Memento vom 10. Oktober 2006 im Internet Archive)</ref>
Ausgrabungen
Durch die intensive Bebauung der modernen Stadt gestaltet sich die archäologische Erforschung von Londinium schwierig. Viele antike Bauten wurden schon im Mittelalter abgetragen, daneben bewahrten aber auch die dicken mittelalterlichen Schichten römische Reste vor neuzeitlichen Zerstörungen. Die römische Stadt liegt im Zentrum des heutigen London, genau dort wo sich die größten Bauten mit den tiefsten Kellern befinden. Die Fundamente großer Häuser sind seit viktorianischer Zeit oft sehr tief und zerstören dabei viele alte Reste, wobei sich die entstandenen Schäden in den letzten Jahren als weniger dramatisch als befürchtet erwiesen haben. Die viktorianischen Mauern bilden oft nur Fundamente an den Außenseiten der Gebäude und lassen den Raum dazwischen ungestört.
Seit der Renaissance wurde antiken Objekten, die bei Bauarbeiten in der Stadt zu Tage kamen, Aufmerksamkeit geschenkt. Vor allem nach dem Großen Brand von London (1666) wurden auch einige mächtige Mauerstrukturen, die zum Forum und Praetorium gehören, von Sir Christopher Wren beobachtet und beschrieben. Inschriften und Skulpturen, seit dem 18. Jahrhundert auch Mosaiken, wurden kopiert und sind teilweise noch heute erhalten. Systematische Ausgrabungen werden seit dem 19. Jahrhundert unternommen und sind besonders seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges intensiv. Es können dabei in der Regel nur kleine Ausschnitte der antiken Stadt erfasst werden, die den modernen Parzellen entsprechen. Das Bild der antiken Bebauung bleibt daher ungleichmäßig.
Die sichtbaren Reste in der heutigen Stadt
Im heutigen London sind nur noch wenige Reste der antiken Stadt zu sehen. Ruinen der Stadtmauer (die wiederum im Mittelalter weiter benutzt und ausgebaut wurde) finden sich beim Tower of London und vor allem in der Nähe des Museum of London. Einige Mauern des Amphitheaters sind heute unter der Guildhall zu sehen. Die Fundamente des Mithraeums wurden abgebaut und versetzt. Sie stehen heute in der Queen Victoria Street. Die Einzelfunde der Grabungen sind vor allem im Museum of London zu sehen. Dort gibt es auch die lebensgroße Rekonstruktion eines Wohnraumes aus römischer Zeit mit Mosaik und Wandmalerei. Einige herausragende Objekte von überregionaler Bedeutung sind auch im Britischen Museum ausgestellt.<ref>Wilson: A Guide to the Roman Remains in Britain. S. 604–652.</ref>
Siehe auch
Literatur
Allgemeines
- Edward Bacon: Auferstandene Geschichte. Archäologische Funde seit 1945. Aktualisierte Auflage. Zürich 1964, S. 15–24.
- Peter Marsden: Roman London. London 1980.
- Ralph Merrifield: London, City of the Romans. Berkeley (California) 1983, ISBN 0-520-04922-5. (eher populäre Zusammenfassung)
- Gustav Milne: The Port of Roman London, London 1993 (reprint), ISBN 0-7134-4365-0. (Zusammenfassung der Grabungen an der Themse)
- John Morris: Londinium, London in the Roman Empire. London 1999, ISBN 0-7538-0660-6.
- Dominic Perring: Roman London (The Archaeology of London). London 1991, ISBN 1-85264-039-1. (vor allem archäologische Zusammenfassung zum römischen London, reich an Plänen)
- John Wacher: The Towns of Roman Britain. London/New York 1997, ISBN 0-415-17041-9, S. 88–111. (vor allem archäologische Zusammenfassung zum römischen London)
- R. J. A. Wilson: A Guide to the Roman Remains in Britain. 4. Auflage. London 2002, ISBN 1-8411-9318-6, S. 604–652.
Antike Autoren
- Stanley Ireland: Roman Britain. A Sourcebook. London 1996, ISBN 0-415-13134-0. (Sammlungen aller Stellen bei klassischen Autoren, die Britannien und London erwähnen)
Ausgrabungsberichte
Die Ausgrabungsberichte zum römischen London finden sich verstreut in verschiedenen Zeitschriften und Aufsätzen, deren Zahl unüberschaubar erscheint. In den letzten Jahren werden Ausgrabungsberichte in der Reihe MoLAS Monograph Series veröffentlicht. Besonders wichtig sind:
- P. Marsden: The Roman Forum Site in London. Discoveries before 1985. London 1987, ISBN 0-11-290442-4.
- John D. Shepherd: The temple of Mithras, London. London 1998, ISBN 1-85074-628-1.
Werke der MoLAS Reihe:
- Bruno Barber, David Bowsher: The eastern cemetery of Roman London: excavations 1983–90. (MoLAS Monograph), London 2000, ISBN 1-901992-06-3.
- Brian Yule: A Prestigious Roman Building Complex on the Southwark Waterfront: Excavations at Winchester Palace, London, 1983–90. (MoLAS Monograph) London 2005, ISBN 1-901992-51-9.
Weblinks
- Informationen zu Londinium auf Roman-Britain.org (englisch)
- Informationen zu Londinium auf Britannia.com (englisch)
Einzelnachweise
<references/>
Koordinaten: 51° 30′ 45″ N, 0° 5′ 26″ W{{#coordinates:51,5125|-0,0906|primary
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